Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Kfz-Haftpflichtversicherung: Keine Halterhaftung, wenn mit Fremdfahrzeug das eigene Kfz beschädigt wird

| Wer das eigene Fahrzeug mit einem fremden Fahrzeug beschädigt, muss im Hinblick auf die Abrechnungsmöglichkeit mit dem Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeugs vorsichtig sein. Je nach Fall kann die verschuldensunabhängige Halterhaftung aus der sog. Betriebsgefahr ausgeschlossen sein, sodass der Versicherer des Schädigerfahrzeugs nicht eintrittspflichtig ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Seine Hilfsbereitschaft wurde einem Autofahrer zum Verhängnis: Der Geschädigte wollte einem anderen Verkehrsteilnehmer helfen, dessen Auto auszuparken, weil der als Rollstuhlfahrer so, wie sein Fahrzeug stand, nicht einsteigen konnte. Dann kam der Geschädigte aber mit der speziellen Bedieneinrichtung nicht zurecht, verlor die Kontrolle und beschädigte sein eigenes, ebenfalls dort geparktes Fahrzeug. Der BGH: Dieser Vorgang fällt unter eine Ausnahmeregelung der Straßenverkehrsordnung, sodass die Halterhaftung nicht greift, weil der Geschädigte selbst beim Betrieb des Schädigerfahrzeugs tätig war.

Ähnlich ist es auch bei Unfällen zu sehen, wenn jemand mit seinem Privat-Pkw vorneweg fährt und dessen Halter mit einem Firmenwagen hinterherfährt oder der Werkstattmitarbeiter ein Kundenfahrzeug fährt und seinen eigenen Pkw beschädigt.

Quelle | BGH, Urteil vom 12.1.2021, VI ZR 662/20, Abruf-Nr. 220344 unter www.iww.de

Lieferdienst: Fahrradlieferant kann von Arbeitgeber verlangen, dass ihm Fahrrad und Smartphone zur Verfügung gestellt werden

| Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat über die Klage eines Fahrradkuriers eines Lieferdienstes entschieden. Der Auslieferer, der Bestellungen von Essen und Getränken bei Restaurants abholt und zu den Kunden bringt, hat gefordert, dass ihm für seine Tätigkeit ein Fahrrad und ein Smartphone zur Verfügung gestellt wird. Er sei nicht verpflichtet, sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Smartphone einschließlich des erforderlichen Datenvolumens für die Internetnutzung zu verwenden, wenn er arbeite. |

Der Kläger hatte mit seiner Klage Erfolg, ebenso ein Kollege, der vom Lieferdienst nur verlangte, ihm für die Auslieferungen ein Smartphone zu stellen.

Beide Fahrradlieferanten sind Arbeitnehmer des Lieferdienstes. In ihren Arbeitsverträgen ist bestimmt, dass sie während der Einsätze Ausstattung („Equipment“) des Lieferdienstes benutzen, wofür ein Pfand von 100 Euro einbehalten wird, wie in einem separaten Vertrag geregelt. Zu diesem Equipment gehören weder das Fahrrad noch ein Smartphone. Ein Smartphone ist notwendig, weil die App des Lieferdienstes verwendet werden muss. Die Fahrer sind nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nur auf Fahrrädern in verkehrstauglichem Zustand zu fahren. Außerdem können sie was nicht im Arbeitsvertrag geregelt wurde je gearbeiteter Stunde ein Guthaben von 0,25 Euro für Fahrradreparaturen bei einem Vertragspartner ihres Arbeitgebers abrufen.

Das LAG hat den Fahrradlieferanten im Berufungsverfahren Recht gegeben. Die Klagen waren von dem Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt am Main in erster Instanz abgewiesen worden.

Die Arbeitsverträge der Fahrradlieferanten seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Die Regelung, dass Fahrrad und Smartphone ohne finanziellen Ausgleich selbst mitgebracht werden müssten, benachteilige nach der konkreten Vertragsgestaltung die Lieferfahrer unangemessen. Betriebsmittel und deren Kosten seien nach der gesetzlichen Wertung vom Arbeitgeber zu stellen. Er trage auch das Risiko, wenn diese nicht einsatzfähig seien. Damit müsse der Lieferdienst Fahrrad bzw. Smartphone zur Verfügung stellen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen worden. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Quelle | LAG Hessen, Urteil vom 12.3.2021, 14 Sa 306/20, PM vom 24.6.2021

Umgangsrecht: Auch für Großeltern gilt: Das Kindeswohl ist immer im Blick

| Der Gesetzgeber hat mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz 1998 ein eigenes Umgangsrecht der Großeltern geschaffen, das sie gegebenenfalls auch gegen den Willen der Kindeseltern durchsetzen können. Voraussetzung: Der Umgang dient dem Kindeswohl. Denn allein durch die Verwandtschaft der Großeltern wird ein solches Recht nicht begründet. In einem Konfliktfall muss das Familiengericht dann entscheiden, ob der begehrte Umgang dem Kindeswohl entspricht wie aktuell in einem Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig. |

Ausgangspunkt

Großeltern sind oft an Erziehung und Förderung ihrer Enkelkinder beteiligt. Sie unterstützen die Eltern z. B. bei der Betreuung. Oder sie ermöglichen den Kindern, ihre Wurzeln kennenzulernen und erzählen von ihrer individuellen Lebensgeschichte oder ihren Erfahrungen. Es entstehen über die mit den Eltern und Geschwistern bestehenden Bindungen hinaus viele schützenswerte Sozialbeziehungen.

Das war geschehen

Die Großeltern väterlicherseits forderten von den getrenntlebenden Eltern, einen regelmäßigen Wochenend- und Ferienumgang zuzulassen. Der Vater befürwortete dies zusätzlich zu seinem eigenen Umgang mit den Kindern. Die Mutter sprach sich jedoch dagegen aus. Sie begründete dies u. a. damit, dass die Beziehung zwischen den Großeltern und ihr sehr stark belastet sei.

Die Bewertung des Oberlandesgerichts

Das OLG lehnte ein eigenes Umgangsrecht der Großeltern ab. Es sah Folgendes: Das Verhältnis der Großeltern zu der Mutter war tiefgreifend zerrüttet. Es konnte daher einen Umgang nicht zulassen. Schon der Bundesgerichtshof (BGH) hatte klargestellt: Der Umgang mit den Großeltern dient nicht dem Wohl des Kindes, wenn die Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt gerate oder konkrete Anhaltspunkte dafür beständen, dass die Großeltern den Erziehungsvorrang der Eltern missachteten.

So war es auch hier: Die Großeltern hätten sich wiederholt abwertend über die Mutter und ihre Biografie geäußert. Damit nicht genug, hatten sie auch ihre Erziehungseignung infrage gestellt. Ein berechtigter Anlass hatte jedoch nicht bestanden. Die Großeltern hatten etwa die Herkunft der Familie der Mutter aus dem Osten und den Beruf der Großmutter mütterlicherseits als Reinigungskraft thematisiert. Sie selbst waren Akademiker und ein gut situiertes Ehepaar und hielten sich daher als besser geeignet zur Förderung der Kinder. Der o. g. Loyalitätskonflikt war zu befürchten.

Die Großeltern hatten im Verfahren eine offenkundig feindselige Haltung gegenüber der Mutter gezeigt. Diese Haltung zielte darauf ab, die Geeignetheit der Mutter zur Erziehung zu entwerten.

Quelle | OLG Braunschweig, Beschluss vom 30.6.2021, 2 UF 47/21, PM vom 7.7.2021

Erbrecht: Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten

| Eine in einer letztwilligen Verfügung, z. B. einem Testament, enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs. So sagt es der Bundesgerichtshof (BGH). |

Grundsätzlich trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet.

Quelle | BGH, Urteil vom 26.5.2021, IV ZR 174/20, Abruf-Nr. 222867 unter www.iww.de

Restwertermittlung: Örtlicher Markt auch am Unfallort denkbar

| Erleidet das Fahrzeug bei einem Haftpflichtschaden fernab seines üblichen Standorts einen Totalschaden, ist es vernünftig, dass der Geschädigte es dort belässt. Denn die Verwertung kann auch dort stattfinden. In dem Fall darf der Schadengutachter Restwertangebote in der Region des Unfallorts einholen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG Hamm) klargestellt. |

Der Versicherer bemängelte den Restwert dahingehend, dass der Schadengutachter ihn nicht am Heimatort oder Geschäftssitz des Geschädigten ermittelt habe. Damit sei der Restwert falsch, und deshalb könne der Versicherer mit seinem Überangebot durchdringen. Das OLG Hamm sieht das anders: Die Entscheidung des Klägers, die Abwicklung des Schadensfalls in der Region des Unfallorts vorzunehmen, entsprach danach wirtschaftlicher Vernunft, weil er sonst gehalten sein könnte, das verunfallte und nicht mehr fahrtüchtige Fahrzeug auf Kosten der Beklagten an seinen Wohnort oder was hier aufgrund der zumindest teilweisen geschäftlichen Nutzung des Fahrzeugs ebenfalls in Betracht kam zum Sitz seines Vermessungsbüros in einem anderen Bundesland zu überführen. Für die Annahme, dass ein wohnort- oder geschäftssitznaher Händler bereit wäre, das Fahrzeug ohne entsprechende Berücksichtigung der dadurch entstehenden Kosten bei der Kalkulation des Ankaufspreises am Unfallort abzuholen, fehle jede Grundlage, vielmehr liege dies bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sogar fern.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 11.12.2020, 11 U 5/20, Abruf-Nr. 220918 unter www.iww.de

Krankmeldung: AU-Daten: Elektronische Weiterleitung an Arbeitgeber verschoben

| Ein elektronisches Meldeverfahren soll den „gelben Schein“ ersetzen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer entlasten. Der ursprünglich geplante Start wurde jedoch zwischenzeitlich vom 1.1.22 auf den 1.7.22 verschoben. Bis dahin benötigen Arbeitgeber also weiterhin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) von ihren Arbeitnehmern in Papierform. |

Die elektronische AU (eAU) soll in zwei Schritten eingeführt werden: Zunächst sollen Ärzte die AU elektronisch an die Krankenkasse übermitteln. In einem zweiten Schritt leitet die Krankenkasse die eAU an den Arbeitgeber weiter.

Quelle | Information des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), abrufbar unter www.iww.de/s5270

Geschwindigkeitsüberschreitung: Gleiches Recht für alle: Schneller als die Polizei erlaubt

| Der Verkehrsverstoß eines Polizeibeamten während einer Dienstfahrt außerhalb von Sonderrechten bei dienstlichen Einsätzen ist nicht bloß mit einem Verwarnungsgeld zu ahnden. So hat das Amtsgericht (AG) Landstuhl entschieden. |

Der Betroffene, ein Polizeibeamter, hatte gegenüber einer ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung Folgendes geltend gemacht: Er habe sich mit einem zivilen Dienst-Kfz auf dem Weg zu einem Dienstgeschäft befunden und sei wegen eines Rückstaus in Zeitverzug gewesen. Um das terminierte Dienstgeschäft (jährlicher Pflichtleistungsnachweis (Prüfung) mit der Dienstpistole) zeitgerecht erledigen zu können, sei er mit 119 km/h anstelle der zulässigen 80 km/h gefahren. Die Sicht auf die die Geschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen sei durch neben ihm fahrende Kraftfahrzeuge (LKW) verwehrt gewesen.

Das AG hat das nicht gelten lassen und ist bei seiner Entscheidung von der Regelgeldbuße ausgegangen, die es wegen vorsätzlicher Begehungsweise verdoppelt hat. Der Polizeibeamte hatte nämlich auch noch während der Fahrt ein Telefonat angenommen.

Quelle | AG Landstuhl, Urteil vom 11.5.2021, 2 OWi 4211 Js 4647/21, Abruf-Nr. 223088 unter www.iww.de

Nach Abmahnung: Fristlose Kündigung trotz „Rotzlappenbefreiung“ wirksam

Nach Abmahnung: Fristlose Kündigung trotz „Rotzlappenbefreiung“ wirksam

| Ein Servicetechniker hatte einen Mund-Nasen-Schutz nicht getragen, obwohl der Arbeitgeber dies angeordnet hatte. Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hat die außerordentliche Kündigung für wirksam befunden, die der Arbeitgeber nach erfolgloser Abmahnung ausgesprochen hatte. |

Das war geschehen

Der Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin als Servicetechniker im Außendienst beschäftigt. Aufgrund der Pandemie wies der Beklagte alle Servicetechniker an, bei Kundenkontakt eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Anfang Dezember 2020 weigerte sich der Kläger, einen Serviceauftrag bei einem Kunden durchzuführen, der auf das Tragen einer Maske bestand.

Der Kläger reichte bei der Arbeitgeberin ein auf Blankopapier ausgestelltes ärztliches Attest unter dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ ein. Dort heißt es, dass es für den Kläger „aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tragen“. Daraufhin erteilte die Arbeitgeberin dem Kläger die Weisung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Sie erkenne das Attest mangels konkreter nachvollziehbarer Angaben nicht an, werde aber die Kosten für den medizinischen Mund-Nasen-Schutz übernehmen.

Der Kläger lehnte den Serviceauftrag weiter ab. Die Arbeitgeberin mahnte ihn zunächst ab. Unbeeindruckt teilte der Kläger mit, er werde den Einsatz auch künftig nur durchführen, wenn er keine Maske tragen müsse. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin ihm.

Die Argumente des Arbeitsgerichts

Das ArbG Köln hat dessen Kündigungsschutzklage abgewiesen. Mit seiner beharrlichen Weigerung, den angeordneten und vom Kunden verlangten Mund-Nasen-Schutz zu tragen, habe der Kläger wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen.

Das Attest rechtfertige das Verhalten des Klägers nicht: Denn zum einen sei das Attest nicht aktuell gewesen. Zum anderen sei es ohne konkrete Diagnose eines Krankheitsbilds nicht aussagekräftig, um zu rechtfertigen, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht befreit sei.

Schließlich bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vom Kläger behaupteten medizinischen Einschränkungen. Denn er habe den Mund-Nasen-Schutz als „Rotzlappen“ bezeichnet und sei dem Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen.

Gegen das Urteil ist die Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln möglich.

Quelle | ArbG Köln, Urteil vom 17.6.2021, 12 Ca 450/21, PM 3/21

Ermittlungsverfahren: Beim Vaterschaftstest getäuscht?

| Erkennt der Vater eines Kindes die Vaterschaft nicht an, können Gerichte dies klären. Über einen solchen Fall hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |

Eine junge Frau war sich sicher, wer der Vater ihrer Tochter sei. Das Amtsgericht (AG) holte ein DNA-Gutachten. Das Ergebnis: Die Vaterschaft des vermeintlichen Vaters war mangels Übereinstimmung der genetischen Merkmale ausgeschlossen. Davon unbeeindruckt blieb die Mutter bei ihrer Behauptung. Sie vermutete, der vermeintliche Vater habe zur Entnahme der DNA-Probe seinen Bruder geschickt. Beide sähen sich sehr ähnlich.

Das OLG ordnete die erneute Begutachtung an. Diesmal sollte die Mutter bei der Entnahme der Probe anwesend sein. Überraschung: Der vermeintliche Vater war auch der tatsächliche Vater des Kindes.

Folge: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übersandt. Diese wird prüfen, ob gegen den Antragsgegner und seinen Bruder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 19.4.2021, 3 UF 138/20, PM 24/21

Geschwindigkeitsüberschreitung: Messgerät LEIVTEC XV3 nicht immer zuverlässig genug

| Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle können Messergebnisse des Geräts LEIVTEC XV3 in Bußgeldverfahren derzeit nicht mehr ohne Weiteres zugrunde gelegt werden. |

Geschwindigkeitsmessungen von Kraftfahrzeugen werden vor Gericht immer wieder als fehlerträchtig angegriffen. Dabei sind die Messgeräte im Zulassungsverfahren einer strengen technischen Prüfung unterworfen. Besteht ein Gerät diese Prüfung, bietet es bei Einhaltung der vorgegebenen Bedienvorschriften i.d.R. die hinreichende Gewähr für die Richtigkeit der erzielten Messergebnisse. Messungen können dann als sog. standardisierte Messverfahren in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne weitere Überprüfungen zugrunde gelegt werden. Gibt es trotz Einhaltung der Bedienvorschriften Anhaltspunkte für Fehlerquellen und unzulässige Messwertabweichungen, setzt die Verurteilung eines vermeintlichen „Temposünders“ voraus, dass das Gericht im Einzelfall feststellen kann, dass solche Messfehler zulasten des Betroffenen ausgeschlossen sind.

Einen solchen Fall musste nun das OLG Celle entscheiden: Ein Autofahrer wurde mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 kontrolliert. Hiernach sollte er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 37 km/h überschritten haben. Das Amtsgericht (AG) hatte ihn deshalb zu einer Geldbuße von 140 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin hob das OLG dieses Urteil auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das AG zurück. Grund: Die für die Bauartprüfung dieses Messgeräts zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) konnte zwischenzeitlich bei bestimmten Versuchsanordnungen seltene Messfehler reproduzieren, die zulässige Toleranzen überschritten. Da der Abschlussbericht der PTB nicht eindeutig erkennen lässt, unter welchen Messbedingungen sich Messwertabweichungen zu Ungunsten bzw. ausschließlich zugunsten Betroffener auswirken können, sieht der Senat bei diesem Messgerät derzeit keine hinreichende Gewähr mehr für die Annahme eines standardisierten Messverfahrens und für die Zuverlässigkeit der erzielten Messergebnisse.

Folge: Das AG muss deshalb mithilfe eines Sachverständigengutachtens genauer klären, ob in diesem konkreten Einzelfall die ausgewiesene Geschwindigkeitsüberschreitung sicher festzustellen ist.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 18.6.2021, 2 Ss (Owi) 69/21