Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht
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Monats-Archive: Juli 2020

Parkverstoß: Parken neben einem befestigten Parkstreifen

| Das Parken am Fahrbahnrand neben einem ausreichend befestigten Parkstreifen oder einer Parkbucht verstößt grundsätzlich gegen § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO. |

Hierauf machte das Kammergericht (KG) Berlin aufmerksam. Eine Ausnahme gelte nach Ansicht der Richter allerdings, wenn der Parkstreifen unterbrochen werde, zum Beispiel durch die Anpflanzung von Straßenbäumen. Dann dürfe in diesem Bereich am rechten Fahrbahnrand geparkt werden. Voraussetzung sei aber, dass andere Verkehrsteilnehmer hierdurch nicht gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert werden. Außerdem müsse die Unterbrechung des Parkstreifens länger als das abgestellte Fahrzeug sein. Parke der Autofahrer wenn auch nur teilweise neben dem Parkstreifen, sei dies immer ordnungswidrig. Dann komme es nicht mehr darauf an, ob er andere Verkehrsteilnehmer behindert hat.

Quelle | KG, Beschluss vom 24.10.2019, 3 Ws (B) 345/19 – 162 Ss 141/19, Abruf-Nr. 215893 unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Am Unfallort repariert und danach nach Hause transportiert

| Ereignet sich der Unfall im Haftpflichtfall fernab des Heimatorts, und wird das Fahrzeug in einer Werkstatt am Unfallort repariert, kann der Geschädigte das Fahrzeug danach an den Heimatort transportieren lassen. Die Kosten dafür muss der Schädiger erstatten. |

Das folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Eckernförde. Die Schadenminderungspflicht, so das Gericht, gebietet nicht, dass der Geschädigte Urlaub oder Freizeit opfert, um das reparierte Fahrzeug zurückzuholen. Wenn sich die Transportkosten in etwa in dem Rahmen halten, der in der Größenordnung von Überführungskosten von Neuwagen liegt (lt. Recherche des Gerichts zwischen 400 und 1.000 EUR), können die Kosten als erforderlich betrachtet werden.

Quelle | Amtsgericht Eckernförde, Urteil vom 15.10.2019, 6 C 682/18, Abruf-Nr. 211894 unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Kein Neu-für-alt-Abzug bei einem Kindersitz

| Kann aus dem Schadenbild am Fahrzeug der Schluss gezogen werden, dass auf den Kindersitz erhebliche Kräfte eingewirkt haben, kann der Geschädigte einen neuen Kindersitz beanspruchen. |

Er kann nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck den aktuellen Neupreis verlangen. Beim Kauf eines gebrauchten Kindersitzes besteht nämlich die Gefahr, auch einen vorgeschädigten zu bekommen. Ein Neu-für-alt-Abzug ist dem Geschädigten deshalb nicht zumutbar.

Dass die Kaufrechnung für den beim Unfall benutzten Sitz auf die Ehefrau lautet, und der Ehemann nun den Anspruch gemeinsam mit dem Anspruch wegen des Fahrzeugschadens geltend macht, schadet nicht. Denn der Kauf von Alltagsgegenständen wird dem jeweiligen Ehepartner zugerechnet.

Quelle | Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck, Urteil vom 13.2.2020, 3 C 700/19, Abruf-Nr. 214495 unter www.iww.de.

Kfz-Zubehör: E-Bikes sind oft zu schwer für Fahrradträger

| Fahrradurlaub statt Fernreise in diesem Sommer planen viele Deutsche einen Urlaub im eigenen Land. Auf dem Auto mit dabei: das Fahrrad, oft auch mit elektrischem Antrieb. Allerdings ist nicht jedes Trägersystem für die schwereren Zweiräder geeignet. |

1. Pedelecs und E-Bikes lieber nicht aufs Dach

Pedelecs und E-Bikes sind durch Motor und Akku deutlich schwerer als normale Fahrräder. Deshalb eignen sich beispielsweise Heckträger oft nicht für den Transport. Denn diese sind meist nur für maximal 20 Kilogramm Gewicht ausgelegt ein Elektrofahrrad wiegt leicht 25 Kilogramm oder mehr. Auch der Transport auf dem Dach kann gefährlich sein, wenn sich die schweren Fahrräder bei einem Unfall aus der Verankerung lösen. Zudem können Urlauber beim Transport mehrerer Räder schnell die zulässige Dachlast ihres Fahrzeugs überschreiten.

Besser geeignet sind daher Kupplungsträger, die für Elektrofahrräder geeignet sind. Auch das Beladen ist bei diesem System deutlich einfacher. Allerdings bedeutet dies unter Umständen höhere Kosten, insbesondere wenn noch eine Anhängerkupplung nachgerüstet werden muss.

2. Auch bei der Anhängerkupplung: Stützlast beachten

Fahrradfans sollten allerdings beachten, dass nicht jede Anhängerkupplung für den Transport von Fahrrädern mit Hilfsmotor geeignet ist. Das gilt besonders, wenn sie mit mehreren Fahrrädern beladen werden soll. Entscheidend ist die sogenannte Stützlast. In der Regel liegt sie zwischen 50 und 100 Kilogramm, sie kann jedoch je nach Fahrzeugtyp und Art der Kupplung sehr unterschiedlich sein“. Bei einem Kleinwagen beispielsweise kann sie zu gering für mehrere E-Bikes sein. Dann gehört nur ein einzelnes Elektrofahrrad auf die Anhängerkupplung.

Wenn die Stützlast nur geringfügig überschritten wird, kann es ausreichen, den schweren Akku auszubauen und im Kofferraum zu deponieren. Das ist für längere Fahrten ohnehin besser, um die Akkus vor Sonneneinstrahlung und Erschütterungen zu schützen. Das gleiche gilt für das Display des Bordcomputers.

Quelle | R + V Infocenter

Steuerrecht: Anspruch auf Zusammenveranlagung nach der Trennung

| Ein Ehepartner ist auch nach der Trennung dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine von diesem für die Zeit des Zusammenlebens gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch dessen Steuerschuld verringert wird und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehepartner keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt ist. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden. Dies verwies zur Begründung darauf, dass Ehepartner einander grundsätzlich verpflichtet sind, die finanziellen Lasten des anderen nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Hingegen kann ein Ehepartner nicht wegen des Scheiterns der Ehe von dem anderen den Betrag ersetzt verlangen, den er nach der im Vergleich zur getrennten Veranlagung ungünstigeren Lohnsteuerklasse V zuvor mehr gezahlt hat.

Das Familiengericht hatte eine Verpflichtung, der gemeinsamen Veranlagung zuzustimmen zumindest für den Fall verneint, wenn dem auf Zustimmung in Anspruch genommenen Ehepartner im Gegenzug ein Ausgleichsanspruch entstünde, weil sein Einkommen durch die gemeinsame Veranlagung nach einer Lohnsteuerklasse besteuert würde, die sich im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung ungünstiger auswirkt (sogenannter dolo agit-Einwand: Arglistig handelt, wer etwas verlangt, das er augenblicklich zurückgeben muss).

Dieser Argumentation ist das OLG entgegengetreten. Aus dem Wesen der Ehe ergebe sich für beide Ehepartner die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung der eigenen Interessen möglich sei. Ein Ehepartner sei daher dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert werde und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehepartner keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt werde. Das gelte auch bei getrennt lebenden Ehepartnern, wenn noch eine Zusammenveranlagung für die Zeit des Zusammenlebens verlangt werde. Hingegen könne ein Ehepartner grundsätzlich nicht wegen des Scheiterns der Ehe von dem anderen den Mehrbetrag ersetzt verlangen, den er zuvor nach der im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung ungünstigeren Lohnsteuerklasse V mehr gezahlt hat. Denn der ehelichen Lebensgemeinschaft liege die Auffassung zugrunde, mit dem Einkommen der Ehepartner gemeinsam zu wirtschaften und finanzielle Mehrbelastungen auszugleichen. Es bedürfe deshalb einer besonderen Vereinbarung, wenn sich ein Ehepartner die Rückforderung der mit der Wahl der Steuerklasse V verbundenen steuerlichen Mehrbelastung für den Fall der Trennung vorbehalten will. Eine solche Vereinbarung sei in dem entschiedenen Fall nicht ersichtlich gewesen. Deshalb habe die Zustimmung zur Zusammenveranlagung nicht von einem Ausgleich der im Falle der gemeinsamen Veranlagung bestehen bleibenden steuerlichen Mehrbelastung abhängig gemacht werden können.

Quelle | OLG Koblenz, Beschluss vom 12.6.2019, 13 UF 617/18, Abruf-Nr. 213704 unter www.iwww.de.

Versorgungsausgleich: Externe Teilung im Versorgungsausgleich ist mit dem Grundgesetz vereinbar

| Bei verfassungskonformer Anwendung ist die Regelung zur externen Teilung bestimmter Anrechte aus der betrieblichen Altersvorsorge mit den Eigentumsgrundrechten der ausgleichspflichtigen und der ausgleichsberechtigten Person vereinbar. |

Diese Klarstellung traf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Es entschied damit, dass § 17 VersAusglG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nach Ansicht der Richter wahrt die Regelung bei entsprechender Anwendung auch die verfassungsrechtlichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen. Dafür müssen die Gerichte den Ausgleichswert bei der Begründung des Anrechts bei einem anderen Versorgungsträger so bestimmen, dass die ausgleichsberechtigte Person keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungsleistungen zu erwarten hat. Der Versorgungsträger muss dabei entstehende Belastungen vermeiden können, indem ihm die Wahl der internen Teilung stets möglich bleibt.

Quelle | BVerfG, Urteil vom 26.5.2020, 1 BvL 5/18, Abruf-Nr. 216245 unter www.iww.de.

Erbrecht: Testament kann durch Zerreißen eines von zwei Originalen widerrufen werden

| Wer wird Erbe, wenn nur eines von zwei Originalen vernichtet wird? Existieren zwei Originale eines Testaments, genügt die Vernichtung nur eines der beiden Dokumente, wenn der Aufhebungswille der Erblasserin feststeht. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Fall einer Erblasserin entschieden, die zunächst ihren Urenkel als Erben eingesetzt hatte. Später verfasste sie ein handschriftliches Testament, mit dem anstelle des Urenkels ihre Haushälterin zur Alleinerbin bestimmt wurde. Außerdem erteilte sie der Haushälterin eine Vorsorge- und Bankvollmacht und verkaufte dieser gegen einen Barkaufpreis sowie eine Betreuungs- und Pflegeverpflichtung ihr Hausgrundstück. Nachdem die Haushälterin mit Hilfe der Bankvollmacht 50.000 EUR vom Konto der späteren Erblasserin abgehoben hatte, widerrief diese die Vollmacht. Sie suchte außerdem einen Rechtsanwalt auf, um sich wegen einer möglichen Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Haus beraten zu lassen. Das Nachlassgericht hatte zu entscheiden, ob dem Urenkel ein Erbschein erteilt werden kann. Dem Gericht lag ein Original des Testaments zugunsten der Haushälterin vor, welches der Rechtsanwalt der Haushälterin übersandt hatte. Der Urenkel behauptete dagegen, die Erblasserin habe das Testament widerrufen. Es habe ein zweites Original des Testaments gegeben. Dieses habe die Erblasserin im Rahmen der Beratung zur Rückabwicklung des Hauskaufs ihrem Rechtsanwalt gezeigt und es vor seinen Augen zerrissen. Deshalb gelte wieder die frühere Erbeinsetzung zu seinen Gunsten.

Das Nachlassgericht hat die Rechtsanwälte der Erblasserin und die Haushälterin als Zeugen vernommen. Es kam dann zu dem Ergebnis, dass der Urenkel Alleinerbe geworden und ihm ein Erbschein zu erteilen ist.

Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Haushälterin zurückgewiesen. Zur Begründung führten die Richter aus, dass der Erblasser ein Testament jederzeit ohne besonderen Grund widerrufen könne. Dazu könne zum Beispiel einfach die Testamentsurkunde vernichtet werden. Sofern jedoch mehrere Urschriften vorhanden seien, könne die Vernichtung lediglich einer Urkunde nur genügen, wenn keine Zweifel über den Aufhebungswillen des Erblassers bestünden. Dies sei hier der Fall. Der Anwalt der Erblasserin, der kein erkennbares persönliches Interesse am Ausgang des Streits gehabt habe, habe glaubhaft ausgesagt, dass die Erblasserin ein Original des Testaments in seiner Anwesenheit zerstört habe. Dabei habe sie zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin festhalten wolle. Dazu passe, dass die Erblasserin keinen Kontakt mehr zur Haushälterin gehabt habe und unstreitig versucht habe, die Übertragung des Grundstücks an sie rückgängig zu machen. Angesichts ihres Alters von über 90 Jahren könne angenommen werden, dass sie das zweite Original schlicht vergessen habe. Trotz der Existenz dieses weiteren Originals sei daher vom Widerruf des die Haushälterin begünstigenden Testaments auszugehen.

Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 22.4.2020, 2 Wx 84/20, Abruf-Nr. 216246 unter www.iww.de.

Erbrecht: Enterbter Sohn beruft sich auf „Scheinehe“ des Vaters

| Mit einem etwas bizarr anmutenden Sachverhalt hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg zu beschäftigen. Der enterbte Sohn machte doch tatsächlich geltend, sein Vater habe seine Lebensgefährtin nur geheiratet, um seinen Pflichtteil zu verringern. |

Der Vater hatte kurz vor seinem Tod seine Lebensgefährtin geheiratet. In seinem Testament hatte er seinen Sohn ausdrücklich enterbt. Nach seinem Tod beantragten die Lebensgefährtin und sein anderes Kind einen Erbschein, der sie als Erben zu je 1/2-Anteil ausweist. Dem ist der Sohn mit der Begründung entgegengetreten, sein Vater habe die Lebensgefährtin nur zum Schein geheiratet, um seinen Pflichtteil zu verringern.

Das Gericht sah allerdings keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Ehe nur zum Schein geschlossen worden ist. Es liege daher kein Aufhebungsgrund vor. Doch selbst wenn ein solcher vorgelegen hätte, behält der überlebende Ehegatte sein gesetzliches Erbrecht, wenn der Erblasser diesen nicht rechtshängig gemacht hat. Hiervon gibt es nur eine Ausnahme. Kannte der überlebende Ehegatte die Aufhebbarkeit seiner Ehe wegen Geschäftsunfähigkeit, Bigamie, Verwandtschaft, Formverstoßes oder Geistesstörung bereits bei Eheschließung, hat er kein gesetzliches Erbrecht. Die (potenzielle) Aufhebbarkeit im Falle einer Scheinehe fällt dagegen nicht unter die gesetzlichen Aufhebungsgründe.

Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.3.2020, 3 W 27/20, Abruf-Nr. 215388 unter www.iww.de.

Einstellungsverfahren: Arbeitgeber darf nicht allgemein nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren fragen

| Im Einstellungsverfahren besteht kein allgemeines Fragerecht des Arbeitgebers nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren jedweder Art. Er darf bei einem Arbeitnehmer vielmehr nur Informationen zu solchen Vorstrafen und Ermittlungsverfahren einholen, die für den zu besetzenden Arbeitsplatz relevant sein können. |

Diese Klarstellung traf das Arbeitsgericht Bonn im Fall eines Auszubildenden zur Fachkraft für Lagerlogistik. Dieser hatte im Rahmen seines Einstellungsverfahrens ein „Personalblatt“ ausgefüllt. Darin hatte er bei den Angaben zu „Gerichtliche Verurteilungen / schwebende Verfahren“ die Antwortmöglichkeit „Nein“ ausgewählt. Tatsächlich wusste er aber, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Raubes anhängig war. Nach seiner Verurteilung teilte der Auszubildende seinem Vorgesetzten mit, dass er eine Haftstrafe antreten müsse. Zudem benötige er eine Erklärung des Arbeitgebers, dass er seine Ausbildung während seines Freigangs fortführen könne. Der Arbeitgeber erklärte daraufhin die Anfechtung des Ausbildungsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Hiergegen klagte der Auszubildende.

Das Arbeitsgericht gab seiner Klage statt. Der Arbeitgeber konnte den Ausbildungsvertrag des Klägers nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber im Einstellungsverfahren beim Bewerber Informationen zu Vorstrafen einholen, wenn und soweit diese für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes relevant sein können. Bei einer Bewerbung um ein öffentliches Amt darf sich der Arbeitgeber nach anhängigen Straf- und Ermittlungsverfahren erkundigen, wenn ein solches Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen kann. Ist hingegen die Frage nach gerichtlichen Verurteilungen und schwebenden Verfahren bei einer Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers zu weitgehend, ist diese Frage unzulässig. Dann muss der Bewerber sie nicht wahrheitsgemäß beantworten.

Die vom Arbeitgeber im Rahmen des Personalblatts gestellte unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren jedweder Art ist bei einer Bewerbung um eine Ausbildungsstelle als Fachkraft für Lagerlogistik zu weitgehend und damit unzulässig. Nicht jede denkbare Straftat kann Zweifel an der Eignung für die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik begründen. Dies gilt auch, wenn die Ausbildung durch einen öffentlichen Arbeitgeber erfolgen soll. Damit aber war der Arbeitgeber nicht berechtigt, den Ausbildungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten.

Quelle | Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 20.5.2020, 5 Ca 83/20, Abruf-Nr. 216244 unter www.iww.de.

Tarifrecht: Tarifvertrag gilt immer, nicht nur wenn er arbeitsvertraglich vollzogen wird

| Die Parteien eines Tarifvertrags können in diesem nicht wirksam vereinbaren, dass Ansprüche aus dem Tarifvertrag trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit nur dann bestehen sollen, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Einführung des Tarifwerks durch eine Bezugnahmeklausel auch individualvertraglich nachvollziehen. Eine solche Bestimmung liegt außerhalb der tariflichen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien. |

Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Arbeitnehmerin, die Mitglied der IG Metall ist. Ihr Arbeitsvertrag enthält keine Bezugnahme auf Tarifverträge. Der Arbeitgeber war zunächst nicht tarifgebunden. Er schloss aber im Jahr 2015 mit der IG Metall einen Mantel- und einen Entgeltrahmentarifvertrag. Danach sollen „Ansprüche aus diesem Tarifvertrag [voraus]setzen …, dass die Einführung des Tarifwerks auch arbeitsvertraglich nachvollzogen wird“. Dazu sollte eine Bezugnahmeklausel mit dem Inhalt vereinbart werden, dass sich das Arbeitsverhältnis „nach dem jeweils für den Betrieb aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers … geltenden Tarifwerk“ richtet. Der Arbeitgeberin wurde angeboten, einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen, der u.a. eine Bezugnahmeklausel entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen vorsah. Dieses Angebot nahm die Arbeitnehmerin nicht an.

Mit der vorliegenden Klage verlangt sie Differenzentgelt auf der Grundlage der Bestimmungen des Mantel- und Entgeltrahmentarifvertrags. Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des Arbeitgebers abgewiesen.

Die Revision der Arbeitnehmerin vor dem BAG hatte Erfolg. Ihr stehen schon aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit Ansprüche aus den Tarifverträgen zu. Diese können nicht von den vorgesehenen individualrechtlichen Umsetzungsmaßnahmen der Arbeitsvertragsparteien abhängig gemacht werden. Auch das durch Gesetz geschützte Günstigkeitsprinzip steht einer solchen Regelung entgegen. Die tarifvertraglichen Bestimmungen, die eine „arbeitsvertragliche Nachvollziehung“ verlangen, sind daher unwirksam.

Quelle | BAG, Urteil vom 13.5.2020, 4 AZR 489/19, Abruf-Nr. 216243 unter www.iww.de.