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Monats-Archive: Februar 2022

Schadenbeurteilung: Kfz-Sachverständiger auch bei Fahrradschäden

| Der Schädiger kann die Erstattung der Gutachtenkosten, die wegen einer Schadenbeurteilung an einem unfallbeschädigten Fahrrad entstanden sind, nicht pauschal mit dem Argument zurückweisen, der Gutachter sei Kfz-Sachverständiger. So entschied jetzt das Amtsgericht (AG) Ansbach. |

Bei nachgewiesenen Weiterbildungslehrgängen für die zusätzliche Qualifikation für Fahrräder sei die notwendige Sachkunde gegeben. Eine Ausbildung zum Fahrradgutachter gebe es derzeit nämlich nicht.

Quelle | AG Ansbach, Urteil vom 3.11.2021, 1 C 571/21, Abruf-Nr. 226205 unter www.iww.de

EU-Führerschein: Anfang 2022: Diese Führerscheine müssen Sie jetzt umtauschen

| Bis 2033 muss jeder Führerschein, der vor dem 19.1.2013 ausgestellt wurde, in den neuen EU-Führerschein umgetauscht werden. Das geschieht stufenweise. Die erste Frist endet am 19.1.2022 für die Geburtsjahrgänge 1953 bis 1958. |

Der letzte Stichtag lautet 19.1.2033, aber je nach Geburtsjahr des Fahrerlaubnisinhabers oder Ausstellungsjahr des Führerscheins greift die Umtauschpflicht früher. Bei Unterlassen droht ein Verwarngeld, von dem aufgrund der Corona-Pandemie zunächst abgesehen werden kann. Dies hat jedoch keine Verschiebung der Umtauschfrist zur Folge. Ausführliche Informationen finden Sie unter www.iww.de/s5916.

Quelle | Bundesministerium für Digitales und Verkehr: Vorgezogener Umtausch von Führerscheinen vom 7.6.2021

Verkehrsunfall mit Todesfolge: Fast vier Jahre Haft nach verbotenem Autorennen

| Das Landgericht (LG) Arnsberg hatte den Angeklagten H. wegen einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten P. unter Freispruch im Übrigen wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Entscheidung jetzt bestätigt. |

Sachverhalt

Die Angeklagten hatten sich spontan dazu verabredet, auf einer Landstraße ein Kraftfahrzeugrennen zu fahren, bei dem sie das Beschleunigungsverhalten ihrer Fahrzeuge vergleichen und möglichst hohe Geschwindigkeiten fahren wollten. Als der Angeklagte H. den Angeklagten P. aus einer Kurve heraus zu überholen versuchte, kollidierte er mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, das mit fünf Personen besetzt war. Eine Mitfahrerin kam zu Tode. Die weiteren Fahrzeuginsassen wurden teilweise schwer verletzt.

BGH-Verfahren

Der BGH hat die Revisionen der Angeklagten verworfen. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat er den Schuldspruch gegen den Angeklagten P. um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in vier Fällen ergänzt sowie den Strafausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wurde verworfen. Dabei hat der Senat dieses Verfahren zum Anlass genommen, zu grundsätzlichen Fragen Stellung zu nehmen, die durch die neu in das Strafgesetzbuch eingefügte Vorschrift zu verbotenen Kraftfahrzeugrennen aufgeworfen worden sind. Dies betrifft insbesondere den Rennbegriff, aber auch die Frage der Zurechnung von konkret eingetretenen Gefahren, wenn sie unmittelbar von anderen Rennteilnehmern verursacht worden sind.

Rennbegriff

Der BGH bezieht sich gemäß Strafgesetzbuch (§ 315d Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB) auf folgende Definition: „Ein Kraftfahrzeugrennen […] ist ein Wettbewerb zwischen wenigstens zwei Kraftfahrzeugführern, bei dem es zumindest auch darum geht, mit dem Kraftfahrzeug über eine nicht unerhebliche Wegstrecke eine höhere Geschwindigkeit als der andere oder die anderen teilnehmenden Kraftfahrzeugführer zu erreichen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Teilnehmer zueinander in Bezug auf die Höchstgeschwindigkeit, die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit oder die schnellste Beschleunigung in Konkurrenz treten. Einer vorherigen ausdrücklichen Absprache bedarf es nicht; der Entschluss ein Rennen zu fahren kann auch spontan und konkludent gefasst werden. Auf die Startmodalitäten kommt es nicht an.“ Dies solle in erster Linie die Sicherheit des Straßenverkehrs schützen. Die besondere Gefährlichkeit von Kraftfahrzeugrennen liege darin, so der BGH, dass es zwischen den konkurrierenden Kraftfahrzeugführern zu einem Kräftemessen im Sinne eines Übertreffenwollens gerade in Bezug auf die gefahrene Geschwindigkeit kommt. Es bestünde die Gefahr, dass dabei die Fahr- und Verkehrssicherheit außer Acht gelassen, der Verlust von Kontrolle in Kauf genommen und die Aufmerksamkeit auf das Verhalten des Konkurrenten gerichtet wird. Das gelte sowohl für direkte Rennsituationen als auch für nacheinander gefahrene Streckenabschnitte, wenn in einem Zeitfahren die schnellste Geschwindigkeit ermittelt werden soll (kürzeste Zeit für den Streckenabschnitt oder höchste absolute Geschwindigkeit). Ebenso ist das Vergleichen von Beschleunigungspotenzialen umfasst.

Quelle | BGH, Urteil vom 11.11.2021, 4 StR 511/20, PM 208/21

Schadenersatz: Betreiber einer Waschanlage muss für Schäden am Auto nicht immer zahlen

| Einen Fahrzeugschaden, der beim Betrieb einer Waschanlage entstanden ist, muss der Anlagenbetreiber zwar normalerweise ersetzen. Weist er aber nach, dass die Beschädigung für ihn trotz größtmöglicher, „pflichtgemäßer“ Sorgfalt nicht zu vermeiden war, haftet er ausnahmsweise nicht. Dann bleibt der Fahrzeughalter auf seinem Schaden sitzen. Das geht aus einem aktuellen Urteil des Landgerichts (LG) Frankenthal (Pfalz) hervor. |

Der Kläger wollte seinen SUV von außen reinigen lassen. Ein Mitarbeiter der Waschanlage wies ihn ein. Kurz vor der ersten Waschrolle wurde das auf dem Förderband laufende Fahrzeug linksseitig leicht angehoben. Die Waschanlage wurde gestoppt. Auch ein zweiter Versuch scheiterte und der Waschvorgang wurde schließlich endgültig abgebrochen. Im rechten vorderen Bereich des SUV waren Beschädigungen zu erkennen. Diese Beschädigungen wollte der SUV-Fahrer von dem Betreiber der Waschanlage ersetzt bekommen. Seine Klage hatte jedoch keinen Erfolg.

Nach Ansicht des LG haftet ein Waschanlagenbetreiber zwar grundsätzlich für Fahrzeugschäden, die durch die Autowäsche entstanden sind. Etwas anderes gelte nur, wenn der Kunde sich in der Anlage falsch verhalten habe oder das Fahrzeug defekt gewesen sei. Insofern bestehe eine gesetzliche Vermutung zulasten des Betreibers der Waschanlage: Dieser müsse nachweisen, dass der Fehler nicht auf seinen Organisations- und Verantwortungsbereich zurückzuführen sei. Im vorliegenden Fall habe sich der Betreiber jedoch entlastet, indem er die Kammer davon überzeugt habe, dass der Schaden am Fahrzeug trotz seiner pflichtgemäß ausgeübten Sorgfalt nicht zu vermeiden war. Die Waschanlage sei halbjährlich gewartet und täglich einer Sichtprüfung mit Testwäsche unterzogen worden, bei der ein Mitarbeiter mitlaufe und den Vorgang beobachte. Defekte seien dabei nicht festgestellt worden, auch nicht unmittelbar im Anschluss an den Schadensfall. Der Betrieb sei dann auch ohne weitere Vorkommnisse fortgesetzt worden. Anhaltspunkte für eine verschuldensunabhängige Haftung des Waschanlagenbetreibers sah die Kammer nicht.

Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil ist Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken eingelegt worden.

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 27.10.2021, 4 O 50/21, PM vom 26.11.2021

Reparaturschaden: Wenn das Gutachten lückenhaft ist …

| Ergibt sich aus dem Schadengutachten, dass die Reparaturkosten in der Nähe des Wiederbeschaffungswerts liegen, darf der Geschädigte auf die Richtigkeit vertrauen. Dass der Gutachter dabei einen Achsschaden ohne Vermessung, sondern nur auf der Grundlage einer Probefahrt diagnostiziert hat, mag im Ergebnis bedenklich sein. Der Geschädigte kann eine solche Lückenhaftigkeit des Gutachtens aber nicht erkennen. So entschied es das Landgericht (LG) Lübeck. |

Wenn sich der Geschädigte auf der Grundlage des Schadengutachtens zu einer Ersatzbeschaffung entschließt und diese auch vornimmt, kann der Versicherer die Reparaturkosten nicht im Nachhinein auf einen Reparaturschaden herunterrechnen. Hält der Versicherer den Achsschaden nicht für nachgewiesen, kann er versuchen, den Schadengutachter in Regress zu nehmen.

Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 28.5.2021, 2 O 298/19, Abruf-Nr. 226210 unter www.iww.de

Reparaturdauer: Unfallschaden: Wenn nur noch die Anhängerkupplung fehlt

| Kann ein Fahrzeug nach einem Heckschaden nicht fertig repariert werden, weil z. B. die Anhängezugvorrichtung noch nicht geliefert war, erhöhen sich die Reparaturtage schnell. So geschah es in einem Fall des Amtsgerichts (AG) Fürstenfeldbruck, in dem die Reparaturtage von 11 auf 18 anwuchsen. Doch wer musste dies auf seine „Kappe“ nehmen? |

Der Versicherer meinte, die Werkstatt hätte das Fahrzeug zwischendurch ohne die Anhängerkupplung ausliefern und die Reparatur nach Lieferung des Teils in einem zweiten Arbeitsgang zu Ende bringen müssen. Die Mietwagenkosten seien deshalb auf 11 Tage zu kürzen. Das hat das AG aber nicht mitgetragen. Nach Ansicht des AG kommt es nicht auf das Verhalten der Werkstatt an, sondern auf das des Geschädigten. Wenn dieser nicht weiß, woran die Verzögerung liegt, hat er keinen Einfluss auf das Verhalten der Werkstatt.

Quelle | AG Fürstenfeldbruck, Hinweis vom 28.10.2021, 5 C 201/21, Abruf-Nr. 225942 unter www.iww.de

Erbrecht: Ein adoptiertes Kind kann mehrfach erben

| Ein von seiner Tante adoptiertes Kind kann bei gesetzlicher Erbfolge im Fall des Versterbens einer weiteren Schwester seiner Mutter sowohl den Erbteil seiner Adoptivmutter als auch den Erbteil seiner leiblichen Mutter, ebenfalls einer Schwester der Erblasserin, erben. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat entschieden, dass der Adoptivsohn hier zwei gesetzliche Erbteile erhält. |

Fallkonstellation

Die Beteiligten sind ebenso wie der Antragsteller Nichten und Neffen der Erblasserin. Diese verstarb kinderlos. Die Erblasserin hatte zwei Schwestern. Der Antragsteller ist das leibliche Kind einer dieser Schwestern. Er wurde später von der anderen Schwester der Erblasserin adoptiert. Sowohl seine leibliche Mutter als auch die Adoptivmutter waren zum Zeitpunkt des Versterbens der Erblasserin bereits verstorben. Vorverstorben waren auch der Ehemann der Erblasserin sowie ihre Eltern. Die Erblasserin hinterließ kein Testament.

Erbschein nach dem Tod der Tante

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Antragsteller einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge, der ihn neben den anderen Nichten und Neffen als Erben zu ½ (¼ nach der Adoptivmutter, ¼ nach der leiblichen Mutter) ausweist. Das Amtsgericht (AG) hat dem Antrag entsprochen.

OLG: Mehrere Erbteile sind möglich

Die hiergegen von den übrigen Nichten und Neffen der Erblasserin eingelegte Beschwerde hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Zu Recht sei das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass ein adoptiertes Kind in die gesetzliche Erbfolge sowohl nach seiner leiblichen Mutter als auch nach der Adoptionsmutter eintrete, entschied das OLG. Im konkreten Fall erhalte der Antragsteller daher einen Erbteil von zwei Vierteln. Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Adoption die Verwandtschaftsverhältnisse zu den bisherigen Verwandten erlöschen sind. Hiervon sehe das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 1756 Abs. 1 BGB) nämlich eine Ausnahme vor, sofern die Annehmenden im zweiten oder dritten Grad mit dem Kind verwandt seien. Diese Ausnahme sei im Erbrecht zu berücksichtigen und führe zu dem Erhalt mehrerer Erbteile aufgrund der über die Adoptionsmutter und die leibliche Mutter vermittelten Verwandtschaft zur verstorbenen Erblasserin.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Er kann mit der vom OLG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Rechtsbeschwerde angefochten werden.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.12.2021, 21 W 170/21, PM 3/22 vom 12.1.2022

Gleichgeschlechtliche Paare: Krankenkassen müssen keine Kosten für eine Kinderwunschbehandlung übernehmen

| Gleichgeschlechtliche Paare haben keinen Anspruch gegen die gesetzlichen Krankenkassen auf eine Kinderwunschbehandlung. So sieht es das Bundessozialgericht (BSG). |

Medizinische Maßnahmen, die dazu dienen, eine Schwangerschaft herbeizuführen, sind nur der Krankenbehandlung und damit den Leistungen der Krankenversicherung zuzurechnen, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden (sog. homologe Insemination). Der Gesetzgeber muss aus Verfassungsgründen nicht auch eine Kinderwunschbehandlung vorsehen, bei der Spendersamen verwendet wird (sog. heterologe Insemination).

Der Gesetzgeber hat eine weitreichende Einschätzungsprärogative bezüglich der Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Gesetz geht gemäß Sozialgesetzbuch (§ 27a SGB V) von einer grundsätzlichen Zeugungsfähigkeit des Ehepaars aus, die durch die Leistungen nach dieser Vorschrift unterstützt werden soll.

Zwar erkennt die Vorschrift als soziale Komponente an, den Kinderwunsch innerhalb einer bestehenden Ehe als Behandlungsziel zu erfüllen. Sie knüpft darüber hinaus aber den Leistungsanspruch an das krankheitsähnliche Unvermögen bei eingeschränkter, aber nicht aufgehobener Zeugungsfähigkeit , Kinder auf natürlichem Weg zu zeugen. Die Entscheidung, diese individuelle krankheitsähnliche Komponente durch die Förderung der künstlichen Befruchtung nur mit eigenen Ei- und Samenzellen der Eheleute nicht vor der sozialen Komponente zurücktreten zu lassen, ist vor dem Hintergrund der im Wesentlichen auf die Krankenbehandlung ausgerichteten gesetzlichen Krankenversicherung gerechtfertigt. Die Klägerin begehrt dagegen, dass die in dieser Eheform nicht bestehende Zeugungsfähigkeit mittels heterologer Insemination kompensiert wird, statt bloß eine krankheitsähnliche Situation zu überwinden.

Zu einer anderen Bewertung zwingt auch nicht, dass die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt worden ist. Der Gesetzgeber wollte diese zwar an die gemischtgeschlechtliche Ehe angleichen. Aus diesem Anliegen folgt aber nach Auffassung des BSG nicht die Pflicht, die zeugungsbiologischen Grenzen einer solchen Ehe mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung auszugleichen.

Quelle | BSG, Urteil vom 10.11.2021, B 1 KR 7/21 R, PM vom 4. und 11.11.2021

Sorgerecht: Strafbarkeit möglich: Wenn die Mutter die minderjährige Tochter tätowiert …

| Tätowieren des eigenen minderjährigen Kindes kann eine gefährliche Körperverletzung sein. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden. |

Die Eltern der minderjährigen Tochter waren gemeinsam sorgeberechtigt. Das Jugendamt war aber für die Bereiche Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht als Ergänzungspfleger bestellt.

Die Mutter tätowierte ihre 14-jährige Tochter am rechten Unterarm ohne wirksame Einwilligung des Jugendamts. Das Landgericht (LG) Detmold sah darin eine gefährliche Körperverletzung. Es verurteilte die Mutter entsprechend, allerdings in einem minder schweren Fall. Deren Revision war teilweise erfolgreich.

Ein Tätowiergerät kann ein gefährliches Werkzeug im Sinne des Strafrechts sein (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB)). Allerdings kann eine Tätowierung heute nicht per se als erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds angesehen werden, was für eine Strafbarkeit Voraussetzung wäre. Es verursacht auch kein erhebliches Leiden. Aber, so das OLG: Es ist geeignet, erhebliche Verletzungen hervorzurufen, wenn das Gerät nicht steril war und es deswegen zu schwerwiegenden Entzündungen kommt oder wenn ein Ungeübter damit gravierendere Verletzungen hervorruft.

Das OLG hob die Entscheidung des LG folglich auf und verwies die Sache zurück. Denn die bisherigen Feststellungen ergaben nicht hinreichend, ob der konkrete Einsatz des Tätowiergeräts geeignet war, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Es reicht insoweit nicht die bloße Eignung, überhaupt Verletzungen hervorzurufen, sondern diese müssen auch erheblich sein. Es muss also nach der konkreten Art der Verwendung die Eignung bestehen, die Funktionen oder das Erscheinungsbild des Körpers so einschneidend zu beeinträchtigen, dass der Verletzte schwer getroffen ist und beträchtlich darunter leiden muss. Dies muss nun das LG herausfinden.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 2.9.2021, 4 RVs 84/21, Abruf-Nr. 225150 unter www.iww.de

Elterngeld: Kein Zuschlag bei Mehrfachadoptionen

| Die Regelung über den Anspruch eines Zuschlags bei Mehrlingsgeburten ist nicht auf Mehrfachadoptionen übertragbar. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen nun entschieden. |

Die Ehefrau des Klägers brachte vier Kinder mit in die Ehe ein, die er zum gleichen Zeitpunkt adoptierte. Der Beklagte gewährte ihm für die Betreuung Elterngeld für den 6. bis 14. Monat ab Inobhutnahme. Der Kläger machte geltend, ihm stünden Mehrlingszuschläge à 300 Euro zu. Der Fall einer Mehrfachadoption sei mit einer Mehrlingsgeburt vergleichbar. Der Beklagte, die Elterngeld bewilligende Stelle, lehnte die Gewährung des Zuschlags ab. Hiergegen wehrte sich der Kläger vergeblich vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund.

Seine Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat bestätigt, dass dem Kläger ein Mehrlingszuschlag für keines der Kinder zusteht. Die Anspruchsgrundlage für den Mehrlingszuschlag sei nach dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang nicht auf den Fall einer Mehrfachadoption anwendbar. Eine analoge Anwendung sei nicht geboten. Hätte der Gesetzgeber den Mehrlingszuschlag auch bei Mehrfachadoptionen vorsehen wollen, hätte für eine entsprechende Regelung ausreichend Gelegenheit bestanden. Es liege zudem kein vergleichbarer Sachverhalt vor.

Nach der Gesetzesbegründung berücksichtige der Mehrlingszuschlag die bei Mehrlingsgeburten bestehende besondere Belastung der Eltern. Der Beginn des Zusammenlebens mit adoptierten Kindern sei zwar ebenfalls regelmäßig mit besonderen Anforderungen an die fürsorglichen Leistungen der Eltern verbunden. Ein erheblicher Unterschied liege aber darin, dass adoptierte Kinder ein mitunter deutlich höheres Alter als Neugeborene aufwiesen und der Zeitpunkt der Adoption anders planbar sei. So habe der Kläger mit den zwischen drei und zehn Jahre alten Kindern bereits über zwei Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Zudem verfüge der Gesetzgeber im Sozialleistungsrecht über einen weiten Gestaltungsspielraum. Es verletze daher nicht den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, nur für die besonderen Belastungen einer Mehrlingsgeburt einen Zuschlag vorzusehen.

Gegen das Urteil ist jetzt Revision beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt worden ist.

Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.4.2021, L 13 EG 15/18, PM des LSG