| Der Unterhaltsbedarf der nichtehelichen Mutter bemisst sich nach ihren Einkünften vor der Geburt des Kindes. |
Auf diesen Grundsatz verwies das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. Die Richter machten dabei deutlich, dass der Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter durch die Leistungsfähigkeit des nichtehelichen, nicht betreuenden Vaters begrenzt wird. Diese Begrenzung findet nicht nur durch den angemessenen Selbstbehalt statt, den der nichteheliche Vater verteidigen darf, sondern auch durch den Halbteilungsgrundsatz. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs ist in Anwendung des Art. 3 GG außerdem grundsätzlich durch die Höhe des Unterhaltsanspruchs begrenzt, den eine eheliche Mutter geltend machen könnte.
Bei der deswegen anzustellenden vergleichenden Berechnung (Kontrollberechnung) ist der vergleichend herangezogene Unterhaltsanspruch einer ehelichen Mutter unter Heranziehung aller dort anerkannter Kriterien zu ermitteln. Das gilt besonders für die Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus (1/7) und die Geltendmachung steuerlicher Vorteile (begrenztes Realsplitting).
Aus dem Gleichheitsgrundsatz folgt nur bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Höhe nach eine Begrenzung auf das, was eine eheliche Mutter fordern könnte. Im Hinblick auf eine etwaige Verwirkung sind dagegen die Vorschriften für Eheleute nicht anzuwenden. Insbesondere ist § 1579 BGB nicht anwendbar, weil hier § 1611 BGB eine spezielle Regelung mit einem strengeren Maßstab enthält. Das Zusammenleben mit einem (neuen) Partner kann daher die Annahme einer Unterhaltsverwirkung nicht rechtfertigen, wenn nicht andere Verfehlungen im Sinne des § 1611 BGB auf eine grobe Unbilligkeit schließen lassen.
Quelle | OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 2.5.2019, 2 UF 273/17,-Abruf-Nr. 209016 unter www.iww.de.
| Allein ein Überholen bei sichtbarem Gegenverkehr ist noch kein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO). Ein falsches Überholen liegt nur vor, wenn das Überholen unter Berücksichtigung des Gegenverkehrs für einen durchschnittlichen Fahrer nicht gefahr- und behinderungslos möglich ist. |
So hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Jena geäußert. Für den Angeklagten hatte diese Ansicht des OLG erhebliche Auswirkungen. Denn er war ursprünglich wegen Straßenverkehrsgefährdung verurteilt worden. Diese Verurteilung hat das OLG aufgehoben und an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dort müssen weitere Feststellungen getroffen werden.
Quelle | OLG Jena, Urteil vom 18.3.2019, 1 OLG 151 Ss 22/19, Abruf-Nr. 209578 unter www.iww.de.
| Erneut musste sich der Bundesgerichtshof (BGH, VI ZR 13/18) mit lebensverlängernden Maßnahmen befassen. Und wieder einmal zeigte sich auf tragische Weise, wie der Wille des Patienten mit einer Patientenverfügung hätte ermittelt und so Unsicherheiten in der medizinischen Behandlung sowie Rechtsstreitigkeiten hätten vermieden werden können. |
Was war passiert? Ein schwer kranker Patient wurde über eine längere Zeit künstlich am Leben erhalten. Aufgrund der Demenz konnte er nicht mehr selbst bestimmen, welche Behandlung er möchte. Eine Patientenverfügung gab es nicht. Seine Einstellung zu lebensverlängernden Maßnahmen war nicht bekannt. Der Sohn forderte vom Arzt Schmerzensgeld, weil sein Vater durch die Lebensverlängerung unnötig gelitten habe.
Der BGH hat die Klage zwar abgewiesen. Dieser Fall zeigt jedoch erneut, wie wichtig es ist, die Entscheidung über die medizinische Behandlung am Lebensende nicht anderen zu überlassen. Angehörige sind häufig nicht nur emotional überfordert, weiß Dr. Fanny Wehrstedt, Geschäftsführerin der Notarkammer Sachsen-Anhalt. Immer wieder führt die Frage des Arztes, welchen Behandlungswunsch der Patient gehabt hätte, zu Streit unter den Angehörigen. Dafür gibt es nur einen Ausweg: Die schriftliche Dokumentation des Willens. Das geschieht in einer Patientenverfügung.
Eine Patientenverfügung sollte man sich aber nicht einfach zu Hause selbst schreiben oder online erstellen lassen, erklärt Dr. Wehrstedt. Der BGH war bereits mehrfach mit der Auslegung von unklar formulierten Patientenverfügungen befasst. Das zeigt, wie hoch das Streitpotenzial unter den Angehörigen beim Thema künstliche Lebensverlängerung ist.
Eine Patientenverfügung beinhaltet medizinische und rechtliche Aspekte. Sie gehört daher in Fachhände, empfiehlt Dr. Wehrstedt und ergänzt: „Patientenverfügungen sollten so präzise wie möglich abgefasst sein. Perfektion wird nicht erwartet, da niemand seinen Tod vorhersehen kann. Aber Laien werden bei der Abfassung häufig überfordert sein. Ein Notar hilft bei der rechtssicheren Erstellung. Nach Rücksprache mit einem Arzt können dann noch Besonderheiten aufgenommen werden.“
Und damit der dokumentierte Wille auch durchgesetzt wird, empfiehlt es sich, eine Vertrauensperson namentlich zu bestimmen. Die Verbindung mit einer Vorsorgevollmacht bietet sich an. Dr Wehrstedt erklärt: „Der Betroffene sollte festlegen, wer seinen Willen durchsetzen soll. Dies sichert auch in Zweifelsfällen eine Durchsetzung des Behandlungswunsches. Wenn zudem mit dem Benannten die Wertvorstellungen und Behandlungswünsche besprochen werden, hat man alles richtig gemacht.“
Quelle | Notarkammer Sachsen-Anhalt
| Genügen privatärztliche Atteste, um das Nichtvorliegen der Dienstfähigkeit zu belegen? Nicht immer! |
Zu diesem Ergebnis kam das Verwaltungsgericht (VG) Trier im Fall eines städtischen Beamten. Gegen ihn war 2014 ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, weil er ärztliche Atteste nicht vorgelegt hatte. Von der beabsichtigten Disziplinarmaßnahme eines Verweises wurde seinerzeit aus nicht bekannten Gründen abgesehen. 2015 wurde der Beamte wegen einer konservativ nicht mehr zu behandelnden degenerativen Wirbelsäulenerkrankung in den Ruhestand versetzt. Nach erfolgter Operation und einer amtsärztlichen Untersuchung kam der Amtsarzt 2016 zum Ergebnis, dass eine Wiederherstellung der Feuerwehrdiensttauglichkeit nicht zu erwarten stehe. Es bestehe jedoch eine eingeschränkte Dienstfähigkeit hinsichtlich Verwaltungstätigkeiten und leichter körperlicher Tätigkeiten.
Daraufhin wurde der Beamte zum Dienstantritt aufgefordert. Der Beamte legte privatärztliche Atteste vor und machte geltend, dass er seinen Dienst aus körperlichen Gründen nicht wahrnehmen könne. Die Stadt teilte ihm daraufhin mit, dass sie privatärztliche Atteste zukünftig nicht mehr als ausreichenden Nachweis für eine bestehende Dienstunfähigkeit erachte. Der Beamte erschien in der Folge nicht zum Dienst. Er legte auch weiterhin privatärztliche Atteste vor.
Die Richter sahen im Verhalten des Beamten ein schuldhaftes Dienstvergehen. Er sei mehr als 16 Monate unerlaubt dem Dienst ferngeblieben. Die privatärztlichen Atteste genügten nicht, um zu belegen, dass er dienstunfähig sei. Vielmehr sei er zum Nachweis durch amtsärztliche Bescheinigungen verpflichtet gewesen. Er habe gegen die beamtenrechtliche Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz und gegen die Gehorsamspflicht verstoßen. Eine vorsätzliche, unerlaubte Dienstversäumnis von mehr als 16 Monaten wiege derart schwer, dass bereits aufgrund des Eigengewichts der Verfehlung die Entfernung aus dem Dienst als einzige Disziplinarmaßnahme angezeigt sei. Ein vorsätzliches unerlaubtes so langes Fernbleiben vom Dienst zerstöre das Vertrauensverhältnis.
Im Übrigen beeinträchtige eine vorsätzlich unterlassene Dienstverrichtung eines hauptamtlichen Feuerwehrangehörigen über einen langen Zeitraum die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr.
Quelle | VG Trier, Urteil vom 18.4.2019, 3 K 5849/18.TR, Abruf-Nr. 210725 unter www.iww.de.
| Wird der sog. „Stinkefinger“ gezeigt, kann dies ein Verstoß gegen das zum Zweck des Gewaltschutzes ausgesprochene Verbot sein, mit der geschützten Person in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. In diesem Fall kann ein Ordnungsmittel verhängt werden. |
Das musste sich ein Mann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken sagen lassen. Er hatte dem Antragsteller und dessen Frau (der Mutter des gemeinsamen Kindes) bei einem zufälligen Zusammentreffen den sog. „Stinkefinger“ (Faust mit nach oben gestrecktem Mittelfinger) gezeigt. Damit hat er gegen das ihm gegenüber durch einstweilige Anordnung des Amtsgerichts ausgesprochene Verbot verstoßen, mit den Antragstellern in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. Es handelte sich, wie die Antragsteller zu Recht geltend machen, um eine Kontaktaufnahme durch körperliche Gestik.
Es war daher ein Ordnungsmittel zu verhängen. Das Gericht hält ein Ordnungsgeld für ausreichend, das sich mit 100 EUR im unteren Bereich des gesetzlichen Rahmens von 5 bis zu 250.000 EUR bewegt. Es handelte sich um einen erstmaligen und weniger gewichtigen Verstoß. Für diesen scheint der genannte Betrag ausreichend. Dabei wurde bereits berücksichtigt, dass bei dem Vorfall das gemeinsame 7-jährige Kind anwesend war.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.4.2019, 6 WF 44/19, Abruf-Nr. 211185 unter www.iww.de.
| Gerade bei geringer Distanz der Wohnorte der Kindeseltern muss ein Ausschluss von Übernachtungen besonders gerechtfertigt werden, weil Übernachtungen des Kindes beim umgangsberechtigten Elternteil in der Regel dem Kindeswohl entsprechen. |
Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Köln hin. Kinder haben das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit den Kindern verpflichtet und berechtigt. Das Umgangsrecht soll den Eltern die Möglichkeit geben, sich laufend von der Entwicklung und dem Wohlergehen des Kindes zu überzeugen und die bestehenden natürlichen Bande zu pflegen, d.h. einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Dem Kind soll das Umgangsrecht ermöglichen, die Beziehung zu dem nicht mit ihm zusammenlebenden Elternteil aufrechtzuerhalten, sie durch Begegnungen und gegenseitige Ansprache zu pflegen.
Maßstab ist daher stets das Kindeswohl. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass es das Kindeswohl fordere, dass der Umgang beschränkt und insbesondere Übernachtungskontakte ausgeschlossen werden müssten. Die Kontakte sind grundsätzlich geeignet, die Beziehung des Kindes zum umgangsberechtigten Elternteil zu festigen. Sie tragen dazu bei, dass der Elternteil vom Kind nicht ausschließlich als „Sonntagselternteil“ erlebt wird. Konkrete, gegen eine Übernachtung sprechende Umstände bringt die Mutter hier nicht vor. Solche ergeben sich auch nicht aus der Stellungnahme des Verfahrensbeistands. Das Kind ist eine normal entwickelte Erstklässlerin. Sie hat die bisherigen Kontakte zum Vater positiv aufgenommen. Die Sorge, dass Übernachtungen das Kind „überfordern“ könnten und der Vater nicht in der Lage sei, altersgerecht die Übernachtung zu begleiten, teilt das Gericht nicht. Das bloße Alter eines Kindes ist kein maßgebliches Kriterium für die Frage der Anordnung von Übernachtungskontakten.
Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 8.2.2019, 10 UF 189/18, Abruf-Nr. 209646 unter www.iww.de.
| Der Fahrzeugführer muss trotz eingeschaltetem Tempomat die gefahrene Geschwindigkeit kontrollieren und darauf achten, dass er Beschränkungen einhält. Das gilt auch, wenn das Fahrsystem an eine Verkehrszeichenerkennung gekoppelt ist. |
Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Köln hin. Die Richter machten deutlich, dass derartige Systeme lediglich Hilfsmittel sind. Sie stellen den Fahrer nicht von seiner Kontroll- und Überwachungspflicht in Bezug auf die Höchstgeschwindigkeit frei.
Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 7.6.2019, III-1 RBs 213/19, Abruf-Nr. 210865 unter www.iww.de.
| Das Amtsgericht München hat eine Kleinteilepauschale in Höhe von zwei Prozent aus dem Betrag der sonstigen Ersatzteile zugesprochen und dabei deren Bestandteile erläutert. |
Das Gericht schreibt: „Zu der sog. Kleinersatzteilpauschale ist im Übrigen auszuführen, dass aus zahlreichen Gutachten aus anderen Fällen gerichtsbekannt ist, dass eine sog. Kleinteilepauschale von zwei Prozent üblicherweise im Rahmen einer Fahrzeuginstandsetzung berechnet wird. Es handelt sich hierbei um eine Pauschale zur Abgeltung von Positionen, welche in kleinsten Teileinheiten im Rahmen der Reparaturmaßnahmen verbraucht werden (Kleinstmengen von Schmierfetten, Wartungssprays, Korrosionsschutzmitteln, Rostlösern o. Ä.). Hintergrund dieser Praxis ist, dass die entsprechenden Kleinstteile und Verbrauchsmaterialien aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll erfasst werden können.“ Diese Beschreibung ist hilfreich, wenn ein Versicherer Doppelberechnung behauptet, weil ein paar Schrauben, Muttern und Clips in der Rechnung aufgeführt sind.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 30.7.2019, 344 C 663/19, Abruf-Nr. 210680 unter www.iww.de.
| Eine schwerwiegende Verletzung der Pflicht zur korrekten Erfassung der Arbeitszeit und die Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit können die außerordentliche Kündigung eines annähernd 40 Jahre bestehenden, bisher unbelasteten Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. |
Das folgt aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern. Für die Richter war es im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere von Bedeutung, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis eines Kollegen gefährdet hat, indem er diesen dazu verleitet hat, für ihn die Arbeitszeit in der Stempeluhr falsch zu erfassen.
Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.7.2019, 5 Sa 246/18, Abruf-Nr. 210984 unter www.iww.de.
| Macht eine Pflegekraft in der Pflegedokumentation vorsätzlich Falschangaben und trägt ein, bei einer Patientin in der Wohnung gewesen zu sein, obwohl sie nur telefonischen Kontakt zur Patientin hatte, kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. |
Das folgt aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg. Geklagt hatte eine Altenpflegerin. Sie wurde von ihrem Arbeitgeber mehrfach abgemahnt, unter anderem weil sie eine Patientin nicht richtig versorgt hatte und dies auch nicht richtig dokumentiert worden war. Anfang April 2019 fuhr die Pflegerin nicht persönlich zu einer Patientin, um dieser die Nachttablette zu geben, sondern telefonierte lediglich mit ihr. Den Leistungsnachweis für den nächtlichen Besuch zeichnete sie jedoch trotzdem ab und bestätigte auf dem Tagestourennachweis, die Patientin in der Zeit von 22:55 Uhr bis 23:06 Uhr versorgt zu haben. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Altenpflegerin erhob Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Klage ab. Es hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Nach Auffassung des Gerichts muss der Arbeitgeber auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Altenpflegerin trotz vorheriger Abmahnung vorsätzlich falsche Eintragungen gemacht.
Quelle | Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 7.8.2019, 3 Ca 992/19, Abruf-Nr. 211189 unter www.iww.de.