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Familien- und Erbrecht

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Gerichtszuständigkeit: Erblasser: Gewöhnlicher Aufenthalt bei Heimpflege im Ausland

| Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hatte die Frage zu entscheiden, ob die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben ist. |

Der Erblasser, ein kinderloser deutscher Staatsangehöriger, ist im Jahr 2023 in einem Pflegeheim in Polen verstorben. Zuvor lebte er mit seiner (zweiten) Ehefrau sowie in verschiedenen Pflegeheimen in Deutschland. Anfang 2022 machte sich bei ihm eine zunehmende Demenz bemerkbar, die ihn zum Pflegefall machte. Seit April 2023 lebte er in einem Pflegeheim in Polen. Dort hatte er kein Vermögen, er sprach kein polnisch und hatte familiäre sowie soziale Verbindungen allein nach Deutschland. Er wurde gegen bzw. ohne seinen Willen in dem Pflegeheim in Polen untergebracht. Nach dem Tod des Erblassers stellte seine Ehefrau einen Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins beim Nachlassgericht des Amtsgerichts (AG) Singen. Dies hat den Antrag mangels internationaler Zuständigkeit nach der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.12 (Art. 4 EuErbVO) zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten Beschwerde hat das AG nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Das OLG Karlsruhe hat den Beschluss des Nachlassgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben sei, weil der Erblasser seinen (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe.

Der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ sei unionsautonom (gem. Art 23 u. 24 EuErbVO) auszulegen. In objektiver Hinsicht müsse zumindest ein tatsächlicher Aufenthalt („körperliche Anwesenheit“) gegeben sein, auf eine konkrete Dauer oder die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts komme es hingegen nicht an. Unschädlich sei auch eine vorübergehende Abwesenheit, soweit ein Rückkehrwille bestand. In subjektiver Hinsicht sei das Vorliegen eines animus manendi (Bleibewille) erforderlich, also der nach außen manifestierte Wille, seinen Lebensmittelpunkt am Ort des tatsächlichen Aufenthalts auf Dauer zu begründen. Eines rechtsgeschäftlichen Willens bedürfe es insoweit nicht. Werden pflegebedürftige Personen in ausländischen Pflegeheimen untergebracht, komme es ebenfalls grundsätzlich auf deren Bleibewillen an. Könnten diese zum Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels keinen eigenen Willen mehr bilden oder erfolgt die Unterbringung gegen ihren Willen, fehle es an dem für die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts erforderlichen Bleibewillens. Dies sei hier der Fall.

Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.7.2024, 14 W 50/24 Wx, Abruf-Nr. 243256 unter www.iww.de

Schenkung: Rückforderung eines Geschenks wegen ungedeckter Heimkosten

| Im Wege einstweiligen Rechtsschutzes beantragte die Antragstellerin B., ungedeckte Heimkosten zu erstatten. B. bezieht verschiedene Renten; weiter hatte sie Mitte 2018 ihr hälftiges Grundstückseigentum sowie darüber hinaus ihren Anteil an der Erbengemeinschaft nach ihrem Mann unentgeltlich an ihre Kinder übertragen. Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat den Antrag der B. zurückgewiesen. Sie verfüge sowohl über Einkommen als auch über Vermögen, das sie vorrangig zur Beseitigung ihrer Hilfsbedürftigkeit einsetzen muss. Erst nach dessen Verbrauch könne ein erneuter Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt werden. |

Das Einkommen der B. besteht aus Rentenansprüchen. Neben diesem Einkommen, das vollständig einzusetzen ist, kann (und muss) B. auch über ihr Vermögen verfügen. Dieses besteht in Form eines Schenkungsrückforderungsanspruchs gegenüber ihren Kindern. Denn der Schenker kann von den Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen, wenn er nach Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten.

Der Anspruch ist erst ausgeschlossen, wenn zehn Jahre seit der Schenkung vergangen sind. Diese Frist war hier noch nicht abgelaufen. Die Beschenkten können die Herausgabe allerdings durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrags abwenden.

Quelle | SG Lüneburg, Beschluss vom 21.5.2024, S 38 SO 23/24 ER, Abruf-Nr. 242171 unter www.iww.de

Scheidungsrecht: Ehe kann auch ohne Zustimmung des Mannes geschieden werden

| Nachdem Eheleute mehrere Jahre getrennt lebten, hatte die Frau beantragt, die Ehe zu scheiden und Folgesachen anhängig gemacht. Der Mann hat der Scheidung nicht zugestimmt. Das Amtsgericht (AG) hat die Ehe geschieden und die Folgesachen geregelt. Dabei hat es nur die Frau angehört. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Mannes sowie seine Rechtsbeschwerde blieben erfolglos sogar beim Bundesgerichtshof (BGH). |

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH: Die Entscheidung des AG verletzt weder das Willkürverbot noch das Grundrecht des Mannes auf effektiven Rechtsschutz. Denn der Mann hat seine Beschwerde nicht hinreichend begründet.

Der Mann hatte sich nur darauf berufen, dass das Verfahrensrecht mangels seiner Anhörung verletzt sei. Die Beschwerdeberechtigung hängt aber nicht von entsprechenden Darlegungen ab. Das Beschwerdegericht muss von Amts wegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen prüfen. Die unmittelbare Betroffenheit des Mannes in eigenen Rechten ergab sich aus der Beschlussformel und den Gründen der angegriffenen Entscheidung, weil die Ehe ohne seine Zustimmung und gegen dessen erklärten Willen geschieden wurde.

Beschwerdebegründung mit Mängeln

Die Beschwerde war aber mangels einer den Anforderungen entsprechenden Beschwerdebegründung unzulässig. Der Beschwerdeführer in Ehe- und Familienstreitsachen muss einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. In der Beschwerdebegründungsschrift müssen die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Zudem müssen konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, bezeichnet sowie etwaige neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel benannt werden.

Mann erklärte nicht, warum die Scheidungsvoraussetzungen nicht gegeben waren

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung hier nicht gerecht. Zwar hat der Mann vorgebracht, dass er nicht angehört worden ist. Damit hat er die der Rechtsverletzung zugrunde liegenden Umstände bezeichnet. Die Begründung ließ aber nicht erkennen, warum die Voraussetzungen für eine Scheidung trotz einer unstreitig vorangegangenen Trennungszeit von mehr als drei Jahren nicht vorgelegen haben sollten und der Scheidungsausspruch daher falsch sein könnte. Denn damit ist die unwiderlegbare Vermutung verbunden, dass die Ehe gescheitert ist.

Quelle | BGH, Beschluss vom 17.7.2024, XII ZB 421/23

Rechtsanspruch auf Betreuungsplatz: Keine Kostenübernahme für Kindertagesbetreuung im Ausland

| Das Verwaltungsgericht (VG) Trier hat eine Klage auf Verschaffung eines Platzes in einer Kindertagesstätte sowie auf Übernahme der Kosten für einen in Anspruch genommenen Betreuungsplatz in Luxemburg abgewiesen. |

Kind hatte zunächst keinen Kita-Platz in seinem Landkreis

Dem zweijährigen, im Grenzbereich zu Luxemburg wohnhaften Kläger konnte seitens des beklagten Landkreises zunächst weder ein Platz in einer nahegelegenen Kindertagesstätte noch eine Tagespflegeperson vermittelt werden, da sämtliche Kapazitäten erschöpft waren. Daraufhin haben ihm seine Eltern, die beide berufstätig sind, einen kostenpflichtigen Platz in einer Kindertagesstätte in Luxemburg verschafft und vom Beklagten bis zur Bereitstellung eines Betreuungsplatzes die Übernahme der Kosten verlangt. Dies hat der Beklagte abgelehnt, woraufhin der Kläger klagte.

Während des laufenden Klageverfahrens hat der Beklagte ihm ab September 2024 einen Platz in der Kindertagesstätte seines Wohnortes verschafft. Ferner hat er ihm für die Zwischenzeit einen Platz in einer anderen, nahegelegenen Kindertagesstätte angeboten, den die Mutter des Klägers jedoch abgelehnt hat, da in Luxemburg eine zweimonatige Kündigungsfrist bestehe und der Wechsel nur für kurze Zeit erfolge, was für Kinder in diesem Alter äußerst schwierig und pädagogisch nicht sinnvoll sei.

Die Klage blieb jedoch ohne Erfolg. Das VG urteilte, dass dem Kläger zwar ein kapazitätsunabhängiger Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung zustehe, dieser aber durch das Verschaffen des Betreuungsplatzes in der nahegelegenen Kindertagesstätte zwischenzeitlich erfüllt worden sei. Der Einrichtungswechsel sei ihm mangels entgegenstehender besonderer individueller Umstände auch für die begrenzte Zeitspanne bis Ende August 2024 zumutbar. Hieran ändere die in Luxemburg bestehende Kündigungsfrist von zwei Monaten nichts, da sie in den alleinigen Verantwortungsbereich des Klägers bzw. seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin falle.

Keine Kostenerstattung

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den selbstbeschafften Betreuungsplatz in Luxemburg, da dieser aus rechtlichen Gründen nicht geeignet sei, seinen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung zu erfüllen. Die insoweit anwendbaren bundes- und landesrechtlichen gesetzlichen Vorgaben enthielten ein abgeschlossenes Regelungssystem, das sicherstellen solle, dass die Betreuung nach den dort normierten Maßstäben erfolge. Die Kindertagesbetreuung im Ausland stehe außerhalb dieses Systems und stelle ein systemfremdes „aliud“ zu den dort geregelten und in Deutschland einer qualitativen Überprüfung unterzogenen Betreuungsformen dar.

Dies zugrunde gelegt, könnten die Kosten für einen derartigen Betreuungsplatz nicht übernommen werden, da es ansonsten zu einer Besserstellung des betroffenen Kindes käme. Denn obschon es für im Ausland berufstätige und im Grenzbereich wohnhafte Eltern oft aus Praktikabilitätsgründen wünschenswert sein dürfte, einen Betreuungsplatz im Nachbarland zu erhalten, sei der eigentliche Anspruch auf eine Betreuung in einer der im hiesigen Regelungssystem vorgesehenen Betreuungsformen beschränkt und ausgeschlossen, dass die zuständige Behörde dem betreffenden Kind einen Betreuungsplatz im Ausland verschaffe.

Quelle | VG Trier, Urteil vom 16.5.2024, 2 K 3914/23.TR, PM 7/24

Eheschließung in Afghanistan: „Handschuhehe“ kann wirksam sein

| Eine in Abwesenheit eines Ehepartners in Afghanistan geschlossene sog. „Handschuh-Ehe“ widerspricht nicht dem „ordre public“ (der öffentlichen Ordnung), wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass für den Willen der Eheschließung selbst eine Stellvertretung vorliegt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main bestätigte einen Beschluss des Amtsgerichts (AG), dass diese Ehe nicht aufzuheben, auf den Hilfsantrag hin aber zu scheiden ist. |

Afghanische Staatsangehörige schlossen „Handschuh-Ehe“

Die Beteiligten, beide afghanische Staatsangehörige, haben im Januar 2022 in Afghanistan die Ehe in Form einer sog. Handschuh-Ehe geschlossen. Bei der Eheschließung war nur die Antragsgegnerin anwesend, nicht aber der Antragsteller, der seit 2015 in Deutschland lebte. Seit der Verlobungsfeier 2019 telefonierten die Beteiligten regelmäßig miteinander, insbesondere fanden Videotelefonate statt. Im August 2022 flüchtete die Antragsgegnerin nach Deutschland und traf dort erstmals auf ihren Mann. Die Beteiligten hielten sich etwa drei Wochen zusammen bei einem Bekannten auf. Aufgrund einer dann erfolgten Selbstmeldung und ihrer eigenen Alterseinschätzung wurde die Antragsgegnerin als unbegleitete minderjährige Jugendliche in Obhut genommen.

Ehe kann nur geschieden, nicht aufgehoben werden

Der Antragsteller beantragte die Aufhebung der in Afghanistan geschlossen Ehe, hilfsweise die Scheidung. Er behauptete, die Antragsgegnerin habe nur zum Erhalt eines Visums für die Einreise nach Deutschland mit ihm die Ehe geschlossen.

Das AG hat auf den Hilfsantrag hin die Ehe der Beteiligten geschieden, den Antrag auf Aufhebung der Ehe jedoch zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde begehrte der Antragsteller weiterhin die Aufhebung der Ehe. Diese Beschwerde hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Es lag kein Aufhebungsgrund vor

Das OLG bestätigte die Ansicht des AG, dass kein Aufhebungsgrund für die in Afghanistan geschlossene sog. Handschuhehe vorliege. Der Anerkennung der in Afghanistan unstreitig als Handschuhehe geschlossenen Ehe im Inland stehe der deutsche „ordre public“ nicht entgegen. Da keiner der Beteiligten geltend mache, dass die Eheschließung nicht dem Willen der Eheleute entsprochen habe, fehle es an Anhaltspunkten, der Stellvertreterehe aus diesem Grund die Wirksamkeit zu versagen.

Minderjährigkeit der Ehefrau nur vorgeschoben?

Aufgrund der im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse bestünden auch keine vernünftigen Zweifel an der Volljährigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung. Die eigenen Angaben der Antragsgegnerin zu ihrem angeblichen Geburtsdatum seien hinsichtlich der weiteren im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse nicht plausibel und damit nicht nachvollziehbar. Dabei komme dem in Kopie vorliegenden afghanischen Reisepass der Antragsgegnerin eine erhöhte Beweiswirkung zu. Diese sei weder durch die variierenden, widersprüchlichen Erklärungen der Antragsgegnerin noch durch die sog. Tazkira, einem vom Personenstandsregisteramt ausgestellten Identitätsdokument, in Zweifel gezogen worden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Jugendamt zum damaligen Zeitpunkt keinen Anlass gehabt habe, die Angaben der Antragsgegnerin anzuzweifeln.

Ehe auch nach afghanischem Recht nicht aufzuheben

Ein Aufhebungsgrund nach afghanischem Recht liege ebenfalls nicht vor. Dazu zähle u.a. die Nichterfüllung einer Bedingung. Dass das spätere Zusammenleben in Deutschland eine derartige Bedingung gewesen sei, ergebe sich schon nicht aus dem Vortrag des Antragstellers. Über die konkrete Ausgestaltung der Ehe seien unstreitig keine Gespräche geführt worden. Der Antragsteller habe zudem ausreichende Erkenntnisquellen gehabt, um eine etwaig andere Motivation der Antragsgegnerin in Erfahrung zu bringen. Zudem sei es gut möglich, dass sich der Wunsch der Antragsgegnerin, allein zu leben, erst im Lauf der allein bewältigten Flucht nach Deutschland gebildet habe. Der Aufhebungsgrund des Betrugs in Form der Täuschung über einen körperlichen oder geistigen Mangel liege ebenfalls nicht vor. Fehle es an einem Aufhebungsgrund, habe das AG die Ehe zu Recht auf den Hilfsantrag hin geschieden.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.4.2024, 6 UF 204/23, PM 22/24

Gemeinschaftliches Testament: Beide Ehegatten müssen testierfähig sein

| Zur Errichtung eines wirksamen gemeinschaftlichen Testaments müssen beide Ehegatten testierfähig sein. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Celle. |

Das war geschehen

Die beiden Ehegatten hatten sich durch gemeinschaftliches Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Dieses Testament wurde von der Ehefrau eigenhändig geschrieben und unterschrieben sowie vom Erblasser eigenhändig unterschrieben. Mit einer Ergänzung dieses Testaments, errichtet in gleicher Weise, ordneten die Ehegatten später eine Vor- und Nacherbschaft dergestalt an, dass der überlebende Ehegatte befreiter Vorerbe und ihre gemeinsame Tochter Nacherbin sein sollte. Bereits zwei Jahre vor dieser Ergänzung des Testaments wurde die Ehefrau wegen einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim untergebracht. Ein Jahr vor der Ergänzung des gemeinschaftlichen Testaments tötete der Erblasser seine Schwester und wurde in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht, in der er sich das Leben nehmen wollte.

Nach dessen Tod beantragte die überlebende Ehefrau, vertreten durch ihre Tochter, einen Erbschein des Inhalts, dass sie alleinige befreite Vorerbin des Erblassers geworden sei und die Nacherbfolge der Tochter nach ihrem Tod als Vorerbin eintrete. Sie hat sich zur Begründung ihres Antrags auf die beiden letzten gemeinschaftlichen Testamente gestützt. Der gemeinsame Sohn der Ehegatten ist dem Antrag entgegengetreten. Er begründete dies damit, sowohl der Erblasser als auch die Antragstellerin seien zum Zeitpunkt der Errichtung beider Testamente testierunfähig gewesen.

Nachlassgericht deutete Testamente um

Das Nachlassgericht ist nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überzeugung gelangt, dass die Antragstellerin testierunfähig gewesen ist. Bezogen auf den Erblasser hat sich hingegen nicht die Überzeugung von einer Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung der vorgenannten Testamente gebildet. Die Testamente könnten jeweils in ein Einzeltestament des Erblassers umgedeutet werden, weshalb es die für die Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet hat. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Sohn der Ehegatten mit der Beschwerde und begehrte die Zurückweisung des Erbscheinsantrages.

So sah es das Oberlandesgericht

Das OLG hat den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurückgewiesen und ausgeführt, dass die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen nicht für festgestellt zu erachten seien.

Ein wirksames gemeinschaftliches Ehegattentestament setze voraus, dass beide Ehegatten bei der Testamentserrichtung testierfähig sind. Ein Testament könne nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Da ein gemeinschaftliches Testament vom Willen beider Eheleute getragen sei, erfordere eine wirksame Verfügung von Todes wegen die Testierfähigkeit eines jeden Ehegatten. Daran fehle es bei einem Ehegatten, weshalb der Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurückzuweisen sei.

Eine Umdeutung des unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament des Erblassers komme hier nicht in Betracht, weil der Erblasser die getroffenen Anordnungen nicht eigenhändig geschrieben, sondern den von der Antragstellerin geschriebenen Text nur unterschrieben habe. Die Umdeutung als Einzeltestament komme hier nur für den Teil in Betracht, der die Verfügung eigenhändig hier also die Antragstellerin niedergelegt habe.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 14.3.2024, 6 W 106/23, Abruf-Nr.242166 unter www.iww.de

Bundesgerichtshof: Kontakt außerhalb festgelegter Umgangszeiten

| Oft weist das Familiengericht einem Elternteil für „reguläre Betreuungszeiten“ einerseits und die Ferienzeiten andererseits bestimmte Tage unter Festlegung konkreter Übergabezeiten zu. Danach ist der Elternteil verpflichtet, die Kinder pünktlich vom Kindergarten, der Schule bzw. am Wohnsitz des anderen Elternteils abzuholen und pünktlich zurückzubringen. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen diese Umgangsregelung droht das Gericht dann im Beschluss Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft an. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt in einen solchen Fall der Zuwiderhandlung Klartext gesprochen. |

Umgangsregelung muss „vollstreckungsfähigen“ Inhalt haben

Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsmittels ist eine Umgangsregelung mit vollstreckungsfähigem Inhalt, folglich eine nach Art, Ort und Zeit erschöpfende, hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts. Einer Umgangsregelung, durch die der Umgang auf einen bestimmten Rhythmus festgelegt wird oder dem umgangsberechtigten Elternteil bestimmte Umgangszeiten zugewiesen werden, ist somit nicht mit für eine Vollstreckung hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sich der Umgangsberechtigte eines Umgangs mit dem Kind in der übrigen Zeit enthalten muss. Ein solches Gebot muss sich stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben, um taugliche Grundlage für die Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein.

Begriff des Umgangs ist umfassend zu verstehen

Der BGH stellt klar: Der Begriff des Umgangs ist umfassend zu verstehen und schließt jegliche Art von Kontakt mit dem Kind ein (einschl. flüchtiger, fernmündlicher, schriftlicher oder nonverbaler Kommunikation). Der Gesetzgeber hat auf den Begriff „persönlicher Umgang“ verzichtet und auch niedrigschwellige Kontaktaufnahmen, wie Brief- und Telefonkontakte, ausdrücklich einbezogen.

Unter Berücksichtigung des Konkretheitsgebots für die Vollstreckbarkeit von Umgangsregelungen verneint der BGH, dass aus einer positiv formulierten Umgangsregelung implizit ein Verbot von Kontakten außerhalb der geregelten Zeiten abgeleitet werden kann. Soll jeglicher Kontakt außerhalb der festgelegten Umgangszeiten unterbunden werden, muss sich ein an den umgangsberechtigten Elternteil gerichtetes Unterlassungsgebot, sich der Kontaktaufnahme mit dem Kind in der ihm nicht zum Umgang zugewiesenen Zeit zu enthalten, stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben, um Grundlage für die Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein. Ansonsten scheitert die Verhängung von Ordnungsmitteln am vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.

Quelle | BGH, Beschluss vom 21.2.2024, XII ZB 401/23, Abruf-Nr. 241322 unter www.iww.de

Bundesverfassungsgericht: Vorschriften über die Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter nicht mit Grundgesetz vereinbar

| Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden: Die gesetzliche Regelung über das Recht des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für sein Kind anzufechten, ist mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. |

Das war geschehen

Der feststehend leibliche Vater eines 2020 nichtehelich geborenen Kindes führte mit der Mutter des Kindes eine Beziehung und lebte mit ihr in einem Haushalt. Nach der Trennung der Mutter von ihm hatte der Vater weiter Umgang mit seinem Kind. Die Mutter ging eine neue Beziehung ein. Nachdem der Vater einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte, erkannte der neue Partner der Mutter die Vaterschaft für das Kind mit ihrer Zustimmung an und ist so dessen rechtlicher Vater geworden.

Zuletzt hatte das Oberlandesgericht (OLG) den Antrag des leiblichen Vaters darauf, festzustellen, dass er und nicht der rechtliche Vater Vater des Kindes sei, als unbegründet abgewiesen. Die Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters scheitere an der inzwischen bestehenden sozial-familiären Beziehung des neuen Partners der Mutter und rechtlichen Vaters zum Kind.

Der leibliche Vater erhob daher Verfassungsbeschwerde. Er rügte, dass sein Elternrecht nach dem GG (hier: Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) verletzt sei. Vorschriften des BGB (hier: § 1600 Abs. 2 und 3 BGB), so wie das OLG es anwende, mache es ihm als leiblichem Vater unmöglich, die rechtliche Vaterschaft für das Kind zu erlangen.

So sah es das Bundesverfassungsgericht

Die o. g. Regelung des BGB ist mit dem GG nicht vereinbar, so das BVerfG. Das Elterngrundrecht bedarf einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Er kann dabei abweichend vom bisherigen Recht im BGB die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen. Hält der Gesetzgeber dagegen an einer Beschränkung der rechtlichen Elternschaft auf zwei Elternteile fest, muss zugunsten des leiblichen Vaters ein hinreichend effektives Verfahren zur Verfügung stehen, das ihm ermöglicht, anstelle des bisherigen rechtlichen Vaters selbst rechtlicher Vater seines Kindes zu werden.

Letzterem genügt das bisherige Recht vor allem deshalb nicht, weil es nicht erlaubt, eine bestehende oder vormalige sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater sowie dessen bisherige Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft zu berücksichtigen.

Das BVerfG: Die für mit dem GG unvereinbare o. g. Vorschrift des BGB über die Vaterschaftsanfechtung bleibt bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30.6.2025, in Kraft.

Quelle | BVerfG, Urteil vom 9.4.2024, 1 BvR 2017/21, PM 35/24

Suizid: Trotz Depressionen und Alkoholmissbrauch testierfähig?

| Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) hat sich mit dem Einwand der Testierunfähigkeit eines an Depressionen und Alkoholsucht leidenden Erblassers zu befassen, der sich das Leben nahm. |

Erblasser litt an Persönlichkeitsstörung

Der Erblasser litt an einer psychiatrisch relevanten Persönlichkeitsstörung in Form einer affektiven Störung mit sowohl depressiven als auch manischen Phasen (bipolare Störung) sowie einem Alkoholproblem. Mit eigenhändigem Testament verfügte er, dass seine Ziehtochter seinen gesamten Besitz erben solle. In zwei Abschiedsbriefen begründete er seine Entscheidung zu dem Suizid und tat im Übrigen kund, dass er alle Erbschaftsangelegenheiten regeln wolle.

Die Ziehtochter beantragte einen Erbschein, der ihre Stellung als Alleinerbin ausweisen sollte. Diesem Antrag trat die Schwester des Erblassers mit der Begründung entgegen, der Erblasser sei aufgrund seiner psychischen Erkrankungen testierunfähig gewesen. Nach Einholen eines Sachverständigengutachtens zum Einwand der Testierunfähigkeit hat das Nachlassgericht einen Feststellungsbeschluss erlassen. Gegen diese Entscheidung wandte sich die Schwester mit der Beschwerde, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat.

So entschied das Oberlandesgericht

Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Eine Testierunfähigkeit habe das Sachverständigengutachten nicht bestätigen können. Zwar habe der Erblasser an den genannten Erkrankungen und an weiteren körperlichen Einschränkungen gelitten, die die Sachverständigen bestätigten. Diese genannten Gründe allerdings ließen für sich allein keinen zwingenden Schluss auf das Vorliegen der Testierunfähigkeit zu.

Nur dann, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen eine Geisteskrankheit oder erhebliche Geistesschwäche verursachen, die die freie Willensbestimmung ausschlössen oder zu einer solch starken Bewusstseinsstörung führten, liege auch eine Testierunfähigkeit vor. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Quelle | Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 19.3.2024, 3 W 28/24, Abruf-Nr. 241112 unter www.iww.de

Ehescheidung: Getrenntleben der Eheleute trotz gemeinsamer Wohnung möglich

| Die Annahme der Trennung der Eheleute erfordert ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung. Verbleibende Gemeinsamkeiten in Form gemeinsamer Mahlzeiten, der Vornahme von Erledigungen und Einkäufen für den anderen stehen der Trennung nicht entgegen, wenn sie sich als unwesentlich darstellen. Dies gilt auch für einen freundschaftlichen, anständigen und vernünftigen Umgang der Ehegatten miteinander, insbesondere, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt leben. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |

Eheleute verlangen wechselseitig Auskunft über ihr Vermögen

Die Eheleute haben drei noch minderjährige Kinder und wohnten gemeinsam mit ihnen in einem Haus. Sie stellten wechselseitige Anträge auf Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung. Das Amtsgericht (AG) hatte der Auskunftspflicht den vom Ehemann benannten späteren Trennungszeitpunkt zugrunde gelegt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Ehefrau hatte vor dem OLG Erfolg.

Lebten die Eheleute getrennt?

Die Trennung sei für den Zeitpunkt festzustellen, zu dem (objektiv) zwischen den Eheleuten keine häusliche Gemeinschaft mehr bestehe und (subjektiv) zumindest ein Ehegatte diese Gemeinschaft auch nicht mehr herstellen wolle, da er sie ablehne, erläuterte das OLG. Dabei sei nicht erforderlich, dass ein Ehegatte aus der ehelichen Wohnung ausziehe. Ausreichend sei, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt lebten. Es bedürfe keiner „vollkommenen Trennung“, sondern nur ein „der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung“.

Dazu gehöre das nach außen erkennbare getrennte Wohnen und Schlafen, dass die Eheleute keinen gemeinsamen Haushalt mehr führten und keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestünden. Verbleibende Gemeinsamkeiten müssten sich in der Gesamtbetrachtung als unwesentlich für das eheliche Zusammenleben darstellen. Vereinzelt bleibende Versorgungsleistungen bzw. Handreichungen der Ehegatten füreinander ohne besondere Intensität oder Regelmäßigkeit stünden demnach der Annahme der Trennung nicht entgegen.

Verpflichtung zum Wohl der Kinder

Ein „freundschaftlicher, anständiger und vernünftiger Umgang der Ehegatten miteinander“ stehe der Trennungsannahme insbesondere dann nicht entgegen, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt lebten. „Denn auch nach der Trennung bleiben die Ehegatten über die Elternschaft miteinander verbunden und sind zum Wohl ihrer Kinder zum Wohlverhalten verpflichtet“, sagte das OLG. Da die Trennungsverarbeitung durch die Kinder häufig maßgeblich vom Umgang der Ehegatten miteinander geprägt werde, stünden ein „höfliches Miteinander und gemeinsame Mahlzeiten mit den Kindern der Annahme eines Getrenntlebens nicht entgegen“, so das Gericht.

Trennungsvoraussetzungen erfüllt

Hier seien die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Trennung erfüllt gewesen, seitdem die Antragstellerin dem Antragsgegner ihren Willen, die häusliche Gemeinschaft nicht mehr herstellen zu wollen, weil sie diese ablehnt, per Mail eindeutig mitgeteilt habe. Der Ehemann habe zu diesem Zeitpunkt innerhalb des gemeinsamen Hauses eine „Schlafstätte nebst Badezimmer im Keller“ genutzt. Eine persönliche Beziehung zwischen den Ehegatten habe seitdem nicht mehr bestanden. Die vereinzelten Einkäufe und Erledigungen seien im Gesamtbild unwesentlich gewesen und hätten „in der vereinzelt gebliebenen Situation noch der allgemeinen Höflichkeit und Hilfsbereitschaft (entsprochen), wie sie auch außerhalb ehelichen Zusammenlebens […] aus gesellschaftlichem Anstand jedenfalls nicht ungewöhnlich sind“, begründete das OLG.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.3.2024, 1 UF 160/23, PM 19/24

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