| Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden: Die gesetzliche Regelung über das Recht des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für sein Kind anzufechten, ist mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. |
Das war geschehen
Der feststehend leibliche Vater eines 2020 nichtehelich geborenen Kindes führte mit der Mutter des Kindes eine Beziehung und lebte mit ihr in einem Haushalt. Nach der Trennung der Mutter von ihm hatte der Vater weiter Umgang mit seinem Kind. Die Mutter ging eine neue Beziehung ein. Nachdem der Vater einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte, erkannte der neue Partner der Mutter die Vaterschaft für das Kind mit ihrer Zustimmung an und ist so dessen rechtlicher Vater geworden.
Zuletzt hatte das Oberlandesgericht (OLG) den Antrag des leiblichen Vaters darauf, festzustellen, dass er und nicht der rechtliche Vater Vater des Kindes sei, als unbegründet abgewiesen. Die Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters scheitere an der inzwischen bestehenden sozial-familiären Beziehung des neuen Partners der Mutter und rechtlichen Vaters zum Kind.
Der leibliche Vater erhob daher Verfassungsbeschwerde. Er rügte, dass sein Elternrecht nach dem GG (hier: Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) verletzt sei. Vorschriften des BGB (hier: § 1600 Abs. 2 und 3 BGB), so wie das OLG es anwende, mache es ihm als leiblichem Vater unmöglich, die rechtliche Vaterschaft für das Kind zu erlangen.
So sah es das Bundesverfassungsgericht
Die o. g. Regelung des BGB ist mit dem GG nicht vereinbar, so das BVerfG. Das Elterngrundrecht bedarf einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Er kann dabei abweichend vom bisherigen Recht im BGB die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen. Hält der Gesetzgeber dagegen an einer Beschränkung der rechtlichen Elternschaft auf zwei Elternteile fest, muss zugunsten des leiblichen Vaters ein hinreichend effektives Verfahren zur Verfügung stehen, das ihm ermöglicht, anstelle des bisherigen rechtlichen Vaters selbst rechtlicher Vater seines Kindes zu werden.
Letzterem genügt das bisherige Recht vor allem deshalb nicht, weil es nicht erlaubt, eine bestehende oder vormalige sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater sowie dessen bisherige Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft zu berücksichtigen.
Das BVerfG: Die für mit dem GG unvereinbare o. g. Vorschrift des BGB über die Vaterschaftsanfechtung bleibt bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30.6.2025, in Kraft.
Quelle | BVerfG, Urteil vom 9.4.2024, 1 BvR 2017/21, PM 35/24
| Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) hat sich mit dem Einwand der Testierunfähigkeit eines an Depressionen und Alkoholsucht leidenden Erblassers zu befassen, der sich das Leben nahm. |
Erblasser litt an Persönlichkeitsstörung
Der Erblasser litt an einer psychiatrisch relevanten Persönlichkeitsstörung in Form einer affektiven Störung mit sowohl depressiven als auch manischen Phasen (bipolare Störung) sowie einem Alkoholproblem. Mit eigenhändigem Testament verfügte er, dass seine Ziehtochter seinen gesamten Besitz erben solle. In zwei Abschiedsbriefen begründete er seine Entscheidung zu dem Suizid und tat im Übrigen kund, dass er alle Erbschaftsangelegenheiten regeln wolle.
Die Ziehtochter beantragte einen Erbschein, der ihre Stellung als Alleinerbin ausweisen sollte. Diesem Antrag trat die Schwester des Erblassers mit der Begründung entgegen, der Erblasser sei aufgrund seiner psychischen Erkrankungen testierunfähig gewesen. Nach Einholen eines Sachverständigengutachtens zum Einwand der Testierunfähigkeit hat das Nachlassgericht einen Feststellungsbeschluss erlassen. Gegen diese Entscheidung wandte sich die Schwester mit der Beschwerde, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat.
So entschied das Oberlandesgericht
Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Eine Testierunfähigkeit habe das Sachverständigengutachten nicht bestätigen können. Zwar habe der Erblasser an den genannten Erkrankungen und an weiteren körperlichen Einschränkungen gelitten, die die Sachverständigen bestätigten. Diese genannten Gründe allerdings ließen für sich allein keinen zwingenden Schluss auf das Vorliegen der Testierunfähigkeit zu.
Nur dann, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen eine Geisteskrankheit oder erhebliche Geistesschwäche verursachen, die die freie Willensbestimmung ausschlössen oder zu einer solch starken Bewusstseinsstörung führten, liege auch eine Testierunfähigkeit vor. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Quelle | Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 19.3.2024, 3 W 28/24, Abruf-Nr. 241112 unter www.iww.de
| Die Annahme der Trennung der Eheleute erfordert ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung. Verbleibende Gemeinsamkeiten in Form gemeinsamer Mahlzeiten, der Vornahme von Erledigungen und Einkäufen für den anderen stehen der Trennung nicht entgegen, wenn sie sich als unwesentlich darstellen. Dies gilt auch für einen freundschaftlichen, anständigen und vernünftigen Umgang der Ehegatten miteinander, insbesondere, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt leben. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Eheleute verlangen wechselseitig Auskunft über ihr Vermögen
Die Eheleute haben drei noch minderjährige Kinder und wohnten gemeinsam mit ihnen in einem Haus. Sie stellten wechselseitige Anträge auf Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung. Das Amtsgericht (AG) hatte der Auskunftspflicht den vom Ehemann benannten späteren Trennungszeitpunkt zugrunde gelegt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Ehefrau hatte vor dem OLG Erfolg.
Lebten die Eheleute getrennt?
Die Trennung sei für den Zeitpunkt festzustellen, zu dem (objektiv) zwischen den Eheleuten keine häusliche Gemeinschaft mehr bestehe und (subjektiv) zumindest ein Ehegatte diese Gemeinschaft auch nicht mehr herstellen wolle, da er sie ablehne, erläuterte das OLG. Dabei sei nicht erforderlich, dass ein Ehegatte aus der ehelichen Wohnung ausziehe. Ausreichend sei, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt lebten. Es bedürfe keiner „vollkommenen Trennung“, sondern nur ein „der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung“.
Dazu gehöre das nach außen erkennbare getrennte Wohnen und Schlafen, dass die Eheleute keinen gemeinsamen Haushalt mehr führten und keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestünden. Verbleibende Gemeinsamkeiten müssten sich in der Gesamtbetrachtung als unwesentlich für das eheliche Zusammenleben darstellen. Vereinzelt bleibende Versorgungsleistungen bzw. Handreichungen der Ehegatten füreinander ohne besondere Intensität oder Regelmäßigkeit stünden demnach der Annahme der Trennung nicht entgegen.
Verpflichtung zum Wohl der Kinder
Ein „freundschaftlicher, anständiger und vernünftiger Umgang der Ehegatten miteinander“ stehe der Trennungsannahme insbesondere dann nicht entgegen, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt lebten. „Denn auch nach der Trennung bleiben die Ehegatten über die Elternschaft miteinander verbunden und sind zum Wohl ihrer Kinder zum Wohlverhalten verpflichtet“, sagte das OLG. Da die Trennungsverarbeitung durch die Kinder häufig maßgeblich vom Umgang der Ehegatten miteinander geprägt werde, stünden ein „höfliches Miteinander und gemeinsame Mahlzeiten mit den Kindern der Annahme eines Getrenntlebens nicht entgegen“, so das Gericht.
Trennungsvoraussetzungen erfüllt
Hier seien die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Trennung erfüllt gewesen, seitdem die Antragstellerin dem Antragsgegner ihren Willen, die häusliche Gemeinschaft nicht mehr herstellen zu wollen, weil sie diese ablehnt, per Mail eindeutig mitgeteilt habe. Der Ehemann habe zu diesem Zeitpunkt innerhalb des gemeinsamen Hauses eine „Schlafstätte nebst Badezimmer im Keller“ genutzt. Eine persönliche Beziehung zwischen den Ehegatten habe seitdem nicht mehr bestanden. Die vereinzelten Einkäufe und Erledigungen seien im Gesamtbild unwesentlich gewesen und hätten „in der vereinzelt gebliebenen Situation noch der allgemeinen Höflichkeit und Hilfsbereitschaft (entsprochen), wie sie auch außerhalb ehelichen Zusammenlebens […] aus gesellschaftlichem Anstand jedenfalls nicht ungewöhnlich sind“, begründete das OLG.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.3.2024, 1 UF 160/23, PM 19/24
| Dass ein Testament nicht zwingend auf einem weißen Blatt Papier entstehen muss, zeigt ein Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg. Es ging letztlich darum, ob jemand Erbe geworden war oder nicht. |
Gastwirt verstarb Testament auf „Kneipenblock“
Verstorben war ein Gastwirt aus dem Landkreis Ammerland. Seine Partnerin sah sich als Erbin und beantragte, einen Erbschein zu erteilen. Als Testament legte sie dem Gericht einen Kneipenblock vor, den sie im Gastraum hinter der Theke aufgefunden habe. Dort war unter Angabe des Datums und einer Unterschrift auch der Spitzname einer Person („X“) vermerkt. Auf dem Zettel hieß es lediglich „X bekommt alles“.
Amtsgericht: Testierwille fehlte
Das Amtsgericht (AG) sah die Partnerin nicht als Erbin an. Es war der Auffassung, dass nicht sicher feststellbar sei, dass mit dem Kneipenblock ein Testament errichtet werden sollte. Daher fehle der für ein Testament erforderliche Testierwille.
Oberlandesgericht: Testament wirksam
Der auf das Erbrecht spezialisierte Senat des OLG gelangte zu einer anderen Bewertung. Der handschriftliche Text auf dem Zettel sei ein wirksames Testament.
Das OLG war aufgrund der Einzelheiten des Verfahrens überzeugt, dass der Erblasser das Schriftstück selbst verfasst hatte und dass er mit dem genannten Spitznamen allein seine Partnerin gemeint habe. Auch, dass der Erblasser mit der handschriftlichen Notiz seinen Nachlass verbindlich regeln wollte, stand für den Senat aufgrund von Zeugenangaben fest.
Dass sich die Notiz auf einer ungewöhnlichen Unterlage befinde, nicht als Testament bezeichnet und zudem hinter der Theke gelagert war, stehe der Einordnung als Testament nicht entgegen. Zum einen sei es eine Eigenart des Erblassers gewesen, für ihn wichtige Dokumente hinter dem Tresen zu lagern. Zum anderen reiche es für die Annahme eines Testaments aus, dass der Testierwille des Erblassers eindeutig zu ermitteln sei und die vom ihm erstellte Notiz seine Unterschrift trage. Das OLG stellte die Partnerin daher als rechtmäßige Erbin fest.
Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.12.2023, 3 W 96/23, PM 10/24
| Eine private Kindertagesstätte (Kita) kann das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Erziehungsberechtigten bis zum Beginn der Vertragslaufzeit nicht ausschließen. So hat es das Landgericht (LG) LG München entschieden. |
Ordentliche Kündigung bis Vertragsbeginn ausgeschlossen
Die Eltern schlossen mit der Kita zwei Betreuungsverträge über die Aufnahme ihrer beiden Kinder in der Tagesstätte zum 1.1.22. Nach Nr. 8 des Betreuungsvertrags war die ordentliche Kündigungsfrist bis Vertragsbeginn ausgeschlossen und betrug danach drei Monate zum Monatsende.
Eltern kündigten gleichwohl
Im März 2021 erklärten die Eltern die Kündigung sowie den Rücktritt von beiden Verträgen. Grund dafür war nach ihrer Darstellung Folgendes: Nach Abschluss der Betreuungsverträge hätten sie erfahren, dass sich die Mutter des Vaters einer schwierigen Operation unterziehen müsse. Um die Mutter nicht zu gefährden und einem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen, könnten sie ihre Kinder nicht in die Obhut der Kindertagesstätte geben. Die Betreiber der Kita bestätigten den Erhalt der Kündigung, wiesen diese jedoch insoweit zurück, als eine Kündigung nach den Vertragsbedingungen erst zum 30.4.22 möglich sei. Die Aufnahmegebühr sowie das Betreuungsgeld seien vorher zu entrichten unabhängig davon, ob die Kinder die Kita auch besuchen. Dies sei dem Umstand der Planungssicherheit für die Kita geschuldet.
Die Betreiber der Kita haben die Kinder nicht betreut. Dennoch zogen sie Beträge von den Eltern ein. Diese begehren, die eingezogenen Beträge zurückzuzahlen.
Kündigung wirksam
Das LG: Die Eltern haben die Betreuungsverträge für beide Kinder wirksam gekündigt. Der Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung bis zum Beginn der Vertragslaufzeit ist unwirksam. Die streitgegenständliche Regelung ist mit dem Benachteiligungsverbot im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht vereinbar. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gilt nur einseitig für die Eltern, obwohl die Eltern ein ebenso hohes, wenn nicht sogar höheres Planungsbedürfnis aufweisen als Kitas. Dieser einseitige Ausschluss benachteiligt die Eltern unangemessen zumal die vertragliche Regelung den Eltern eine zeitlich äußerst lange Vertragsbindung abverlangt, ohne eine gleich gelagerte Betreuungssicherheit einzuräumen.
Im Rahmen der Gesamtabwägung ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts dem Wortlaut nach selbst greift, wenn es der Kindertagesstätte gelänge, die frei gewordenen Plätze erfolgreich an andere Kinder zu vergeben dadurch erhielte die Kita de facto über einen Zeitraum von vier Monaten für den Platz eine doppelte Bezahlung.
Quelle | LG München, Urteil vom 31.10.2023, 2 O 10468/22, Abruf-Nr. 238240 unter www.iww.de
| Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte der Klägerin eine Altersrente. Einen Grundrentenzuschlag nach dem Sozialgesetzbuch VI (hier: § 76g SGB VI) für langjährige Versicherung berücksichtigte sie nicht, weil das anzurechnende Einkommen des Ehemannes höher als der Zuschlag war. Zu Recht, wie das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen nun bestätigte. |
Klägerin rügte Grundrechtsverstoß
Die Klägerin rügte, dass die Einkommensanrechnung gemäß § 97a Abs. 1 SGB VI gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoße. Verheiratete und unverheiratete Menschen würden ungleich behandelt und durch den Familienstand „verheiratet“ benachteiligt, weil das Gesetz eine Einkommensanrechnung bei unverheirateten Personen nicht vorsehe. Das SG wies die Klage durch Gerichtsbescheid ab.
Landessozialgericht: kein Grundrechtsverstoß
Die dagegen gerichtete Berufung hat das LSG nun zurückgewiesen. Die von der Beklagten angewandte gesetzliche Regelung sei nicht verfassungswidrig. Der Nachteil der Einkommensanrechnung werde bei Gesamtbetrachtung aller an die Ehe bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft anknüpfenden Regelungen sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in anderen Regelungsbereichen im Ergebnis ausgeglichen.
Einkommen oberhalb des Grundsicherungsbedarfs
Dabei sei zudem zu berücksichtigen, dass das Ziel der Grundrente nach dem Willen des Gesetzgebers neben der Anerkennung der Lebensarbeitsleistung eine bessere finanzielle Versorgung von langjährig Versicherten sei. Dieses Ziel werde erreicht. Dem Grundrentenberechtigten verbleibe bei Einbeziehung des Einkommens des Ehegatten ein Einkommen oberhalb des Grundsicherungsbedarfs. Er stehe besser da als jemand, der wenig oder gar nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtend versichert gearbeitet habe und entsprechend wenig oder gar nicht in diese eingezahlt habe.
Das gelte zwar auch für jemanden, der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit jemandem zusammenlebe, der entsprechende Einkünfte habe. Allerdings seien Ehepartner aufgrund der unterhaltsrechtlichen wechselseitigen Verpflichtung wirksamer als in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft versorgt.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.1.2024, L 18 R 707/22, PM vom 15.3.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat entschieden: Eine Ehefrau, die aufgrund einer außerehelichen Beziehung ein Kind erwartet, kann sich nicht wegen unzumutbarer Härte vor Ablauf des sogenannten Trennungsjahrs scheiden lassen kann. |
Abwarten auf Ablauf des Trennungsjahrs unzumutbar?
Die Eheleute leben seit August 2023 getrennt. Die Ehefrau ist bereits wieder in einer anderen Beziehung und erwartete aus dieser im Juni 2024 ein Kind. Deshalb wollte sich die Ehefrau noch vor Ablauf des sogenannten Trennungsjahrs scheiden lassen und beantragte hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Sie beruft sich unter anderem darauf, dass das Abwarten des sogenannten Trennungsjahrs für ihren Ehemann eine unzumutbare Härte darstelle.
Das Amtsgericht (AG) hat den Verfahrenskostenhilfeantrag für die Härtefallscheidung zurückgewiesen. Hiergegen ging die Ehefrau mit ihrer Beschwerde vor.
Härtegründe müssen in der Person des anderen Partners vorliegen
Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Härtefallscheidung nicht vorliegen würden. Eine Ehe könne vor Ablauf des ersten Trennungsjahrs nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für einen Ehepartner aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstelle. Der von der Ehefrau gestellte Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahrs habe keine Aussicht auf Erfolg. Bei ihrer Schwangerschaft handele es sich nicht um einen Umstand, der in der Person des Ehemanns begründet sei. Umstände, die ausschließlich oder wenigstens vornehmlich in der Person des die Scheidung beantragenden Ehegatten ihre Ursache haben, seien insoweit für den von ihm gestellten Scheidungsantrag nach dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes von vornherein irrelevant.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7.2.2024, 2 WF 26/24, PM vom 8.4.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Elternvereinbarung zum persönlichen Umgang mit dem Kind kann nicht unter Umgehung einer gerichtlichen Kindeswohlkontrolle durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder einer vertragsstrafenähnlichen Klausel erzwingbar gemacht werden. |
Das war geschehen
Die Antragstellerin ist peruanische Staatsgehörige. Aus ihrer 2002 geschlossenen Ehe mit dem Antragsgegner, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sind eine 2007 geborene Tochter und ein 2012 geborener Sohn hervorgegangen. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten war in Deutschland, wo der Antragsgegner weiterhin lebt und arbeitet. Die Antragstellerin siedelte 2011 unter zwischen den Beteiligten streitigen Umständen mit der Tochter nach Peru über, wo im Folgejahr auch der Sohn geboren wurde. Seitdem sie Deutschland verlassen hatte, ließ sie einen persönlichen Umgang des Antragsgegners mit den gemeinsamen Kindern nur dann zu, wenn sich dieser besuchsweise in Peru aufhielt. Die Ehe der Beteiligten wurde 2017 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin machte güterrechtliche Ansprüche geltend.
Das verlangte die Antragstellerin
Die Antragstellerin hat Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 80.000 Euro verlangt. Im Dezember 2021 haben die Beteiligten vor dem Amtsgericht (AG) einen gerichtlich protokollierten Vergleich geschlossen, wonach der Antragsgegner zur Abgeltung sämtlicher güterrechtlichen Forderungen einen Betrag von 60.000 Euro in drei jährlichen Raten zu jeweils 20.000 Euro an die Antragstellerin zahlen muss. Die jährlichen Raten sollten erst fällig werden, wenn zuvor ein dreiwöchiger Umgang der gemeinsamen Kinder mit dem Antragsgegner in Deutschland stattgefunden hatte. Das AG hat diesen Vergleich familiengerichtlich gebilligt. Diese Billigung wurde auf eine Beschwerde der Antragstellerin wieder aufgehoben, weil das AG keine den verfahrensrechtlichen Garantien des Kindschaftsrechts genügende Kindeswohlprüfung durchgeführt habe.
Die Antragstellerin hält den gerichtlichen Vergleich für nichtig und hat im Mai 2022 die Fortsetzung des güterrechtlichen Verfahrens beantragt. Das AG hat diesen Antrag zurückgewiesen und festgestellt, dass das Zugewinnausgleichsverfahren durch den Vergleich beendet worden ist. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel der Verfahrensfortsetzung weiter.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Er hat die im gerichtlichen Vergleich enthaltene Stundungsvereinbarung wegen der Verknüpfung der Ratenfälligkeit mit der tatsächlichen Gewährung des vereinbarten Umgangs der Kinder mit dem Antragsgegner in Deutschland als sittenwidrig angesehen.
Zwar muss nicht schlechthin jeder von den Eltern hergestellte Zusammenhang zwischen einer Vereinbarung zum persönlichen Umgang mit dem Kind und einer Beilegung ihrer vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Kommerzialisierung des Umgangsrechts missbilligt werden. Gleichwohl besteht bei einer vertraglichen Verknüpfung von Vermögensbelangen der Eltern und dem persönlichen Umgang mit dem Kind aus dem Blickwinkel des Kindeswohls grundsätzlich immer die Gefahr, dass Gewährung und Ausgestaltung des Umgangs maßgeblich von wirtschaftlichen Interessen der Eltern bestimmt werden, das Kind auf diese Weise zum Objekt eines Handels gemacht und besonderen Loyalitätskonflikten ausgesetzt wird.
Sittenwidrige Vereinbarung
Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist bei solchen Vereinbarungen aber überschritten, wenn sie die von den Eltern getroffene Umgangsregelung unter Ausschluss einer gerichtlichen Kindeswohlkontrolle erzwingbar machen soll. Das Umgangsrecht untersteht nicht der freien vertraglichen Disposition der Eltern. Ohne eine sachliche Kontrolle durch das Familiengericht am Maßstab des Kindeswohls können die Eltern nach geltendem Recht die Vollstreckbarkeit einer von ihnen getroffenen Umgangsvereinbarung nicht herbeiführen. Das Erfordernis der gerichtlichen Billigung der Umgangsvereinbarung als notwendiger Voraussetzung ihrer Vollziehbarkeit kann nicht dadurch überflüssig gemacht werden, dass die Eltern eine Vertragsstrafe oder eine vertragsstrafenähnliche Klausel für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die von ihnen getroffenen Umgangsregelungen vereinbaren. Auch zur Durchsetzung eines gerichtlich gebilligten Umgangsvergleichs wird eine Vertragsstrafenvereinbarung – zumindest in reinen Inlandsfällen – wegen einer Umgehung des staatlich regulierten Vollstreckungsverfahrens regelmäßig unwirksam sein.
Danach ist die Verknüpfung der Fälligkeit der auf die Vergleichssumme zu zahlenden Raten mit der Gewährung des Umgangs mit den Kindern in Deutschland sittenwidrig. Sie bezweckte die Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf die Antragstellerin, die zwischen den Eltern im gerichtlichen Vergleich getroffene Umgangsvereinbarung einzuhalten, was der Regelung in ihrer Wirkung einen vertragsstrafenähnlichen Charakter verleiht.
Kindeswohl entscheidend
Eine familiengerichtliche Kontrolle der Umgangsvereinbarung am Maßstab des Kindeswohls, die zwingend eine Beteiligung der Kinder am Verfahren und deren Anhörung durch das Gericht zur Erforschung ihres Willens erfordert hätte, hat in Deutschland – was den Beteiligten bewusst war – nicht stattgefunden. Die überdies auch verfahrensordnungswidrig im Zugewinnausgleichsverfahren erfolgte familiengerichtliche Billigung der Umgangsregelung durch das Amtsgericht ist dementsprechend im Beschwerdeverfahren zu Recht aufgehoben worden.
Auch mit Blick auf den Auslandsbezug des Sachverhalts ergibt sich nichts anderes, so der BGH.
Das OLG muss nun prüfen, ob die Sittenwidrigkeit der an die Durchführung der Umgangskontakte geknüpften Regelungen zur Ratenfälligkeit den gesamten gerichtlichen Vergleich erfasst. Es wird daher beurteilen müssen, ob die Beteiligten den Vergleich über 60.000 Euro zur Abgeltung der güterrechtlichen Forderungen auch geschlossen hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass die Fälligkeit der Vergleichssumme bzw. der darauf zu zahlenden Raten nicht an die Durchführung eines der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Umgangs mit den gemeinsamen Kindern geknüpft werden konnte.
Quelle | BGH, Beschluss vom 31.1.2024, XII ZB 385/23, PM 36/2024
| Das Finanzministerium Baden-Württemberg stellt einen Ratgeber „Steuertipps für Familien“ zur Verfügung. Der 100 Seiten umfassende Ratgeber gibt neben Informationen rund um das Kindergeld u. a. einen Überblick über die Steuervergünstigungen für Familien und Alleinerziehende. Er kann unter www.iww.de/s10532 heruntergeladen werden. |
| Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat entschieden, wann ein Widerspruch vorliegt, durch den ein älteres Testament ganz oder teilweise aufgehoben wird. |
Vier handschriftliche Testamente
Die Erblasserin verstarb ledig und kinderlos. Sie hatte zwei Geschwister: eine Schwester und einen Bruder, die beide vorverstorben sind. Insgesamt hinterließ die Erblasserin vier handschriftlich verfasste Testamente.
Im ersten Testament vom 3.4.2007 setzte sie ihre Schwester als Alleinerbin und ihren Bruder als Ersatzerben ein. Dieses Testament änderte sie am 26.4.2009 durch Durchstreichen derart, dass die Ersatzerbenstellung des Bruders aufgehoben wurde mit der Bemerkung, dass er gestorben sei. Im Testament vom 26.4.2009 setzte sie erneut ihre Schwester als Alleinerbin ein. Später ergänzte sie den Text mit folgendem unvollständigen Wortlaut: „Für den Fall, dass meine Schwester das Erbe nicht antreten kann, setze ich meine Großnichte als“. Im Testament vom 18.10.2009 setzte sie erneut ihre Schwester als Alleinerbin ein. Weiter heißt es in dem Testament: „Für den Fall, dass meine Schwester verstorben ist, setze ich zur Nacherbin meine Großnichte ein.“ Schließlich testierte sie am 27.14.2016 erneut und setzte wiederum ihre Schwester als Alleinerbin ein. In diesem Testament wurde weder eine Ersatzerbschaft noch eine Nacherbschaft angeordnet und die Großnichte wurde nicht mehr erwähnt.
Die Großnichte beantragte einen Alleinerbschein. Dem traten die Kinder des vorverstorbenen Bruder entgegen. Das Nachlassgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Erblasserin habe mit ihrer letzten Verfügung von Todes wegen die vorangegangenen Testamente aufgehoben. Der gegen diesen Beschluss durch die Großnichte eingelegten Beschwerde hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Beschwerde zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die Großnichte könnte ihre Alleinerbenstellung allein aus dem Testament vom 18.10.2009 herleiten. Diese Stellung sei indes von der Erblasserin vollständig aufgehoben worden, als sie am 27.4.2016 ein neues Testament errichtet habe, in dem die Großnichte nicht mehr als Ersatzerbin berufen sei, so das OLG.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 2258 Abs. 1 BGB) werde durch die Errichtung eines Testaments ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als dass das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch stehe. Ein derartiger Widerspruch liege zum einen vor, wenn die Testamente sachlich miteinander nicht vereinbar seien, die getroffenen Anordnungen also nicht nebeneinander Geltung erlangen könnten, sondern sich gegenseitig ausschließen. Ein Widerspruch sei zum anderen (auch) gegeben, wenn die einzelnen Anordnungen einander zwar nicht entgegengesetzt seien, aber die kumulative Geltung der mehreren Verfügungen den in einem späteren Testament zum Ausdruck kommenden Absichten des Erblassers zuwiderliefe. Das sei der Fall, wenn der Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt, nämlich abschließend und umfassend (ausschließlich) habe neu regeln wollen. So liege der Fall hier.
Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2023, I-3 Wx 189/23, Abruf-Nr. 239737 unter www.iww.de