Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Strafgebühr: Parkscheibe auf dem Privatparkplatz

| Auch auf einem frei zugänglichen privaten Parkplatz ist eine Parkscheibe von außen „gut lesbar“ entweder hinter der Windschutzscheibe oder aber auf der Abdeckplatte des Gepäckraumes (d. h. auf der „Hutablage“) bzw. an der Seitenscheibe anzubringen. So hat jetzt, wie zuvor schon weitere Gerichte, das Amtsgericht (AG) Brandenburg entschieden. |

Folge: Wer das nicht tut, muss damit rechnen, dass ihn der „Parkplatzbetreiber“ auf ein Entgelt/eine Vertragsstrafe in Anspruch nimmt. Das AG liegt damit auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).

Quelle | AG Brandenburg, Urteil vom 23.10.2020, 31 C 200/19, Abruf-Nr. 218892 unter www.iww.de

Notarielle Scheidungsvereinbarung: Vereinbarung über außergerichtliche Kosten präzise formulieren

| Wollen Parteien festlegen, wer in welcher Höhe die außergerichtlichen Kosten trägt, kann dies in einem Vergleich berücksichtigt werden. Solche Regelungen müssen aber präzise formuliert sein, sagt jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg. Dasselbe gelte, wenn die Kostenfrage in eine notarielle Scheidungsvereinbarung einbezogen werden soll. |

Die Eheleute hatten eine notarielle Scheidungsvereinbarung geschlossen. Diese hielt u. a. fest, dass die Kosten der beabsichtigten einverständlichen Scheidung von beiden Ehegatten zu gleichen Teilen getragen werden. Hierzu zählen allerdings nicht die außergerichtlichen Kosten. Um auch diese einzubeziehen, hätten die Eheleute eine (ausdrückliche) Regelung formulieren müssen, dass die vorgerichtliche Vertretung jeweils hälftig von beiden getragen wird. Das war nicht geschehen. Zum Zeitpunkt der Vereinbarung waren bereits außergerichtliche Anwaltskosten angefallen.

Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.3.2021, 9 WF 61/21, Abruf-Nr. 223041 unter www.iww.de

Schmerzensgeld: Wenn ein Kfz ein am Fahrbahnrand stehendes Kind erfasst und die Versicherung nicht reguliert …

| Erfasst ein Autofahrer ein zu nah an der Bordsteinkante wartendes elfjähriges Kind, führt dies zu einer ganz überwiegenden Haftung des Autofahrers. Tritt ein Haftpflichtversicherer bei eindeutiger Haftungslage über Jahre hinweg nicht in die Schadensregulierung ein, kann dies den Schmerzensgeldanspruch erhöhen. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |

Der zum Unfallzeitpunkt elfjährige Kläger befand sich auf dem Weg zur Schule und wollte eine Kreuzung an einer Fußgängerampel überqueren. Er stellte sich an den äußersten Rand der Bordsteinkante, um dort zu warten, bis die Ampel „grün“ zeigt. Die Beklagte fuhr mit ihrem Kfz in einem Abstand von deutlich unter einem Meter zum rechten Fahrbahnrand an dem Kind vorbei und erfasste es.

Weitere Einzelheiten ließen sich hierzu nicht aufklären. Die Verkehrssituation hätte es aber zugelassen, mit weit größerem Abstand an dem Kind vorbeizufahren. Der Kläger wurde erheblich verletzt. Er verlangt von der Fahrzeughalterin und deren Haftpflichtversicherung Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Das Landgericht (LG) Kaiserslautern hat der Klage mit einer Haftungsquote von 80 Prozent zulasten der Beklagten stattgegeben. Deren Berufung hiergegen hatte keinen Erfolg. Ein Autofahrer ist danach nicht berechtigt, innerorts die Fahrbahn bis an den rechten Bordstein heran zu befahren, wenn hieraus Risiken für Passanten entstehen. Erst recht muss das gegenüber am Fahrbahnrand an einer Fußgängerampel stehenden Kindern gelten.

Zwar war dem verletzten Kind hier vorzuwerfen, dass es sich an den äußersten Rand der Bordsteinkante gestellt hat, sodass es vom vorbeifahrenden Fahrzeug erfasst werden konnte. Auch einem elfjährigen Schüler muss bewusst sein, dass diese Position an einer stark befahrenden Straße gefährlich ist und erhebliche Schäden auslösen kann. Dieses Mitverschulden rechtfertigt auch nach Auffassung des OLG aber keine Mithaftung des Klägers in Höhe von mehr als 20 Prozent.

Beachten Sie | Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das OLG auch das Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung berücksichtigt. Die Versicherung hatte an den Kläger über beinahe sieben Jahre hinweg keinerlei Schmerzensgeld gezahlt.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.4.2021, 1 U 141/19

Abmahnung: Anzeigepflicht für Nebentätigkeit eines Redakteurs

| Eine tarifliche Regelung, nach der ein angestellter Zeitschriftenredakteur dem Verlag die anderweitige Verwertung einer während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht anzeigen muss, soll dem Verlag regelmäßig ermöglichen, zu prüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Anzeigepflicht, kann dies eine Abmahnung rechtfertigen, so jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG). |

Der Kläger ist bei der Beklagten als Redakteur der Zeitschrift „W.“ beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften anzuwenden. Danach bedarf ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihm bei seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachricht der schriftlichen Einwilligung des Verlags. Der Arbeitsvertrag der Parteien verlangt anstelle der schriftlichen Einwilligung des Verlags die der Chefredaktion.

Im September 2017 nahm der Kläger im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für die Beklagte zu berichten. Der Artikel des Klägers enthielt u. a. die Schilderung eines Vorfalls, der sich während der Eröffnungsveranstaltung am abendlichen Buffet zwischen dem Kläger und der ausrichtenden Unternehmerin im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften zugetragen hatte. Auf die Erklärung des Klägers, er esse nichts, da er „zu viel Speck über‘m Gürtel“ habe, kniff die Unternehmerin dem Kläger in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion der Zeitschrift „W.“ gestrichen. Im Dezember 2017 fragte der Kläger seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch noch im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur ab. Der Ankündigung des Klägers, den Beitrag anderweitig zu publizieren, begegnete der Chefredakteur mit einem Hinweis auf das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag. Im März 2018 erschien ohne vorherige Unterrichtung der Beklagten in der T.-Zeitung ein Beitrag des Klägers mit dem Titel „Ran an den Speck“. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Er sah u. a. seine Berufsfreiheit sowie sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit verletzt. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen, weil die Beklagte eine Veröffentlichung endgültig abgelehnt habe, um die Unternehmerin zu schützen.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte auch beim BAG keinen Erfolg. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger abzumahnen. Die Verpflichtung eines Redakteurs, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen, verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen europäisches Konventionsrecht. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag ist zu berücksichtigen, dass Letzterer erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Dahinter muss das Interesse des Arbeitnehmers regelmäßig zurücktreten, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen.

Quelle | BAG, Urteil vom 15.6.2021, 9 AZR 413/19 , PM Nr. 13/21

Mietrückstände: Haftung nach Auszug aus der Ehewohnung

| Paare mieten eine gemeinsame Wohnung meistens zu zweit. Beide Partner unterschreiben den Mietvertrag. Sie sind durch den Vertrag gemeinsam berechtigt und verpflichtet. Aber was passiert, wenn ein Partner auszieht? Mit dieser Frage hat sich jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg beschäftigt. |

Der Ehemann war im Zuge der Trennung aus der Ehewohnung ausgezogen. Die Ehefrau und die drei − zum Teil volljährigen − Kinder verblieben in der Wohnung. In der Folge kam es zu Mietrückständen. Für diese haften bei einem gemeinsamen Mietvertrag grundsätzlich beide Eheleute. Der Vermieter lehnte es auch ab, den Ehemann aus dem Mietverhältnis zu entlassen. Der Ehemann verlangte von der Ehefrau die Zustimmung zur Kündigung des Mietvertrags. Das lehnte die Ehefrau ab. Sie meinte, dazu nicht verpflichtet zu sein, solange die Ehe noch nicht geschieden sei.

Das Amtsgericht (AG) verpflichtete die Ehefrau, der Kündigung zuzustimmen. Nach Ablauf des Trennungsjahrs überwiege das Interesse des Ehemannes, aus dem Vertragsverhältnis entlassen zu werden. Die Ehefrau legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

Das OLG bestätigte die rechtliche Bewertung des AG: Die Ehefrau müsse nach Ablauf des Trennungsjahrs an einer Befreiung des Ehemanns aus der gemeinsamen mietvertraglichen Bindung mitwirken. Dies gelte jedenfalls, wenn wie hier der in der Wohnung verbleibende Ehepartner nicht willens oder in der Lage sei, den anderen im Außenverhältnis zum Vermieter von Verpflichtungen freizustellen. Im konkreten Fall zahle der Ehemann bereits die nach seinem Auszug aufgelaufenen Mietschulden ab. Die Ehefrau könne auch nicht mit dem Argument gehört werden, der Ehemann habe die Familie „im Stich gelassen“. Sie habe nach dem Auszug während des Trennungsjahrs Zeit gehabt, sich eine andere, ihren Vermögensverhältnissen angemessene, Wohnung zu suchen. Sie hätte darüber hinaus nach dem Trennungsjahr auch eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können. Vor diesem Hintergrund sei die Fortsetzung einer gemeinsamen Haftung für das Mietverhältnis nicht gerechtfertigt, so das OLG.

Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 29.3.2021, 13 UF 2/21, PM Nr. 21/2021

Gleichberechtigung: Ehevertrag nach Heirat kann sittenwidrig sein

| Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat jetzt entschieden: Ein Ehevertrag kann sittenwidrig sein, wenn er mehrere Monate nach der Eheschließung geschlossen wurde. Es kommt auf die Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände an. |

Das war geschehen

Ein Ehepaar heiratete im Jahr 2003 und schloss drei Monate nach Eheschließung einen Ehevertrag ab. Darin vereinbarte es Gütertrennung und schloss so den Zugewinnausgleich aus. Bei dem eigentlich gesetzlich vorgesehenen Zugewinnausgleich wird der Vermögenszuwachs hälftig geteilt, den die Eheleute während der Ehe erzielen. Sie schlossen außerdem den Versorgungsausgleich aus, also eine Teilung der während der Ehe entstandenen Anrechte auf Renten und andere Altersversorgungen. Das Ehepaar ließ sich 2019 scheiden. Das Amtsgericht (AG) hatte den Ehevertrag als wirksam angesehen und lehnte Zugewinn- und Versorgungsausgleich ab.

So sah es das OLG

Das OLG sah demgegenüber Folgendes: Die Frau hatte sich zum Wohle der Ehe in ein fremdes Land begeben und dafür eine auskömmliche Berufstätigkeit sowie eine versprochene Rente aufgegeben. In Deutschland wurde ihre Ausbildung zunächst nicht anerkannt. Folge: Der Ausschluss von Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich kam einseitig ausschließlich dem Ehemann zugute.

Gleichberechtigung von Mann und Frau

Das OLG betonte den Grundsatz: Die Gleichberechtigung von Mann und Frau darf durch einen Ehevertrag nicht ausgehebelt werden. Hier sei er in einer Situation vereinbart worden, in der Frau und Kind völlig abhängig vom Ehemann waren. Dieser habe sich „der prekären Situation seiner Ehefrau vollkommen verschlossen und einseitig und nicht schutzwürdig alleine seine vermögensrechtlichen Interessen für den Fall der Scheidung zu wahren gesucht“. Folge: Der Ehevertrag war sittenwidrig und unwirksam. Nun soll das AG den bisher unterlassenen Zugewinn- und Versorgungsausgleich nachholen.

Quelle | OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.4.2021, 5 UF 125/20

Unfallhaftung: Wenn der Notfallbremsassistent ohne Not bremst

| Löst sich auf der Autobahn unverschuldet während freier Fahrt der Notfallbremsassistent eines vorausfahrenden Fahrzeugs und fährt der nachfolgende LKW ohne Einhalten des Sicherheitsabstands von mindestens 50 Metern auf das abrupt abgebremste Fahrzeug auf, überwiegt der Haftungsanteil des nachfolgenden LKW. |

Die unbegründete und erhebliche Unterschreitung des Sicherheitsabstands ist auf ein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen, während das vorausfahrende Fahrzeug aufgrund eines technischen Versagens abgebremst wurde. Dies rechtfertige eine Haftungsverteilung von 2/3 zulasten des LKW-Fahrers, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Die Klägerin nahm die Beklagten auf Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall auf der A5 Richtung Kassel/Hannover in Anspruch. Sie fuhr vor dem Beklagtenfahrzeug, einem Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse von über 3,5 Tonnen. Während ihrer Fahrt löste sich der Notfallbremsassistent. Der Beklagte konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und kollidierte mit dem klägerischen Fahrzeug.

Das Landgericht (LG) hatte der Klägerin 1/3 des geltend gemachten Schadens zugesprochen. Ihre hiergegen gerichtete Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das OLG sprach der Klägerin nun 2/3 ihres Schadens zu.

Bei dem erforderlichen Haftungsausgleich zwischen den Beteiligten sei, so das OLG, zu berücksichtigen, dass der Unfall durch das Beklagtenfahrzeug mitverursacht worden sei. Dieses habe aufgrund des zu geringen Sicherheitsabstands zum vorausfahrenden klägerischen Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig abbremsen können. Angesichts der Größe des Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 Tonnen hätte auf Autobahnen zu vorausfahrenden Fahrzeugen ein Mindestabstand von 50 Metern eingehalten werden müssen, wenn die Geschwindigkeit mehr als 50 km/h betrage. Sachverständig geklärt war im vorliegenden Fall, dass dieser Sicherheitsabstand trotz der gefahrenen Geschwindigkeit nicht eingehalten worden war.

Die Klägerin müsse sich aber als Verursachungsbeitrag vorwerfen lassen, dass sie ihr Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund auf freier Strecke abrupt abgebremst habe.

Die gebotene Abwägung dieser beiderseitigen Verursachungsbeiträge führe zu einer Haftungsverteilung von 2/3 zulasten der Beklagten und 1/3 zulasten der Klägerin. Hinsichtlich des LKW-Fahrers sei von einem Verschulden auszugehen, da der erforderliche Sicherheitsabstand ohne zwingende Gründe um etwa 30 Prozent unterschritten worden sei. Das abrupte Abbremsen der Klägerin sei dagegen unstreitig auf das Versagen der technischen Einrichtung ihres Kraftfahrzeugs zurückzuführen, sodass sie kein Verschulden treffe.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 9.3.2021, 23 U 120/20

Kündigungsschutzklage: Kündigung wegen einer Covid-19-Quarantäne unwirksam

| Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hat die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses für unwirksam erklärt, die ein Arbeitgeber aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne gegenüber seinem Arbeitnehmer ausgesprochen hatte. |

Der Arbeitnehmer befand sich auf telefonische Anordnung des Gesundheitsamts im Oktober 2020 als Kontaktperson des positiv auf Covid-19 getesteten Bruders seiner Freundin in häuslicher Quarantäne. Hierüber informierte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, einen kleinen Dachdeckerbetrieb. Der Arbeitgeber bezweifelte die Quarantäneanordnung und vermutete, der Arbeitnehmer wolle sich lediglich vor der Arbeitsleistung „drücken“. Er verlangte eine schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamts, die der Arbeitnehmer auch beim Gesundheitsamt telefonisch einforderte. Als diese schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamts auch nach mehreren Tagen noch nicht vorlag, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.

Das ArbG Köln hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Zwar fand das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, sodass der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Kündigungsgrund für die Rechtswirksamkeit einer fristgerechten Kündigung vor Gericht darlegen musste. Das Gericht sah die Kündigung jedoch als sittenwidrig und treuwidrig an. Der Arbeitnehmer habe sich lediglich an die behördliche Quarantäneanordnung gehalten. Erschwerend kam nach Auffassung des Gerichts hinzu, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich aufgefordert hatte, entgegen der Quarantäneanweisung im Betrieb zu erscheinen.

Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln eingelegt werden.

Quelle | ArbG Köln, Urteil vom 15.4.2021, 8 Ca 7334/20, PM Nr. 1/2021

Arbeitsunfähigkeit: Freistellung ist kein Urlaub

| Genehmigt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen tariflichen Freistellungstag wegen Schichtarbeit, erfüllt er schon hiermit den Anspruch des Arbeitsnehmers. Erkrankt der Arbeitnehmer in diesen Tagen arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber ihn für diese Tage nicht erneut freistellen. Das Risiko einer Erkrankung trägt in diesen Fällen also der Arbeitnehmer. So entschied es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg |

Etwas anderes gilt nur, wenn dies im Tarifvertrag ausdrücklich geregelt ist. Im hier zugrunde liegenden Tarifvertrag für die bayrische Metall- und Elektroindustrie war dies nicht der Fall. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, mit der Genehmigung des Freistellungstags sei dieser freie Tag „verbraucht“. Eine Arbeitsunfähigkeit falle in das Risiko der Arbeitnehmerin. Hiermit hat er sich auf ganzer Linie durchgesetzt.

Das LAG hielt Freistellungstag und Urlaub also für nicht miteinander vergleichbar. Es hat aber wegen der sog. grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Quelle | LAG Nürnberg, Urteil vom 8.4.2021, 2 Sa 343/20

Nutzungsausfall: Trotz abgelaufener Hauptuntersuchung sind Mietwagenkosten zu erstatten

| Der Schädiger muss Mietwagenkosten erstatten, auch wenn das verunfallte Fahrzeug bereits vor dem Unfall einen Riss in der Frontscheibe aufwies und die HU-Plakette abgelaufen war. Das hat das Landgericht (LG) Stuttgart entschieden und damit ein Urteil des Amtsgerichts (AG) Stuttgart korrigiert. |

Die Begründung des LG: Die Benutzung des verunfallten Fahrzeugs vor dem Unfall und die gedachte weitere Nutzung nach dem Unfall stelle zwar evtl. eine Ordnungswidrigkeit dar. Dennoch hatte der Geschädigte ein Fahrzeug, das er auch genutzt hat.

Wie lange der HU-Termin schon überzogen war, ist nicht bekannt. Ein solches Fahrzeug würde aber bei einer Kontrolle nicht sofort festgesetzt, wenn die HU nicht bereits jahrelang überfällig gewesen ist. So war für das LG entscheidend, dass der Geschädigte sowohl die Nutzungsmöglichkeit und auch den Nutzungswillen hatte.

Quelle | LG Stuttgart, Urteil vom 4.3.2021, 5 S 195/20, Abruf-Nr. 221584 unter www.iww.de