Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Bußgeldverfahren: Fahrverbot auch noch nach langer Verfahrensdauer?

| Dauert das Bußgeldverfahren lange, stellt sich bei einem festgesetzten Fahrverbot immer auch die Frage, ob das Verfahren so lange gedauert hat, dass die Verhängung eines Fahrverbots nicht mehr zulässig ist. Damit hat sich jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg noch einmal auseinandergesetzt. |

Das OLG: Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist. Bei der Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere, ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind. Hat der Betroffene Rechtsmittel ausgeschöpft und die in der Strafprozessordnung (StPO) und im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) eingeräumten Rechte genutzt, kann ihm dies nicht als eine von ihm zu vertretende Verfahrensverzögerung entgegengehalten werden. Etwas anderes gilt, wenn die lange Dauer des Verfahrens (auch) auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Betroffenen liegen. Das hat das OLG bejaht, da mehrfach der Hauptverhandlungstermin auf Wunsch des Betroffenen oder seines Verteidigers verschoben wurde und er mehrfach zur Hauptverhandlung nicht erschien, ohne sich vorher zu entschuldigen.

Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.6.2021, 1 OLG 53 Ss-OWi 221/21, Abruf-Nr. 223550 unter www.iww.de

Werkstattrecht: Wann muss ein Kunde Standgeld an das Autohaus zahlen?

| Eine alltägliche Situation: In der irrigen Annahme, einen Nachbesserungsanspruch zu haben oder zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt zu sein, stellt der Kunde das Fahrzeug auf dem Hof des Autohauses ab. Dort bleibt es eine Zeit lang stehen, bis der Kunde sein Auto abholt. Doch das Autohaus verlangt nun „Standgeld“. Zu Recht? Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen „Standgeld“ zu zahlen ist, hat nun das Amtsgericht (AG) Werl entschieden. |

Ein Kunde hatte nach dem Kauf eines Neufahrzeugs einen Mangel gerügt. Den hatte das Autohaus beseitigt, weitere Nachbesserungsarbeiten aber ausdrücklich abgelehnt. Daraufhin erklärte der Kunde den Rücktritt vom Kaufvertrag und stellte das Fahrzeug auf dem Gelände des Autohauses ab. Der Aufforderung, es innerhalb von vier Tagen abzuholen, weil andernfalls Standkosten anfielen, kam er nicht nach. Nach rund acht Wochen holte er sein Auto doch ab, ohne auf den zuvor erklärten Rücktritt zurückzukommen.

Das AG hat die Klage auf Ersatz von Standkosten in Höhe von 702,10 Euro abgewiesen. Unter keinem denkbaren Aspekt sei der Käufer zum Ersatz von Standkosten verpflichtet. Aus Sicht des AG hat sich der Käufer nicht im Annahmeverzug befunden, obwohl der Autohaus-Anwalt ihn unter Fristsetzung aufgefordert hatte, das Fahrzeug abzuholen.

Beachten Sie | Forderungen von Kfz-Betrieben in punkto Aufbewahrungsgebühr, Verwahrgeld, Standgeld oder -kosten sind juristisch keine Selbstläufer. Gerichte neigen oft zu einer zurückhaltenden Sicht. Der von den Gerichten anerkannte Tagessatz für Standkosten eines Pkw liegt zwischen 10 und 15 Euro. Das AG Coburg beispielsweise spricht sich für 15 Euro aus.

Quelle | AG Werl, Urteil vom 8.4.2021, 4 C 110/19, Abruf-Nr. 222829 unter www.iww.de; AG Coburg, Urteil vom 26.11.2020, 12 C 2800/20, Abruf-Nr. 219352 unter www.iww.de

Corona-Pandemie: Müssen Urlaubstage bei Quarantäne nachgewährt werden?

| Es besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Quarantäneanordnung wegen einer Corona-Infektion. Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn. |

Die Arbeitnehmerin im Fall des ArbG erhielt für zwei Wochen vom 30.11. bis 12.12.2020 Urlaub. Aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus musste sie auf behördliche Anordnung vom 27.11. bis zum 7.12.2020 in häusliche Quarantäne. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) lag für diesen Zeitraum nicht vor. Sie verlangte vom Arbeitgeber, ihr fünf Urlaubstage nachzugewähren.

Das ArbG wies die Klage ab. Die Voraussetzungen des Bundesurlaubsgesetzes für die Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Arbeitsunfähigkeit lägen nicht vor. Danach würden bei einer Erkrankung während des Urlaubs die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Die Arbeitnehmerin habe ihre Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen. Eine behördliche Quarantäneanordnung stehe einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit nicht gleich. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit obliege allein dem Arzt. Eine Infektion mit dem Coronavirus führe nicht zwingend und unmittelbar zu einer AU.

Quelle | ArbG Bonn, Urteil vom 7.7.2021, 2 Ca 504/21, Abruf-Nr. 223859 unter www.iww.de

Schadenersatz: Was ist ein Oldtimer-Traktor von 1935 wert?

| Ein Oldtimer-Traktor war gestohlen worden. In einem Verfahren, das das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig jetzt entschieden hat, ging es um den Wert des Traktors. |

Der Käufer erwarb für 35.000 Euro einen Traktor Baujahr 1935. Er ließ ihn zunächst beim Verkäufer stehen. Dieser stellte den Traktor für mehrere Tage im Freien ab. Dort entwendeten ihn Unbekannte.

Von seiner Vollkaskoversicherung erhielt der Käufer 62.500 Euro, da er den Traktor so hoch versichert hatte. Da der Oldtimer nach Auffassung des Käufers jedoch viel mehr wert war, klagte er gegen den Verkäufer. Dieser sollte den unversicherten Schaden von 87.500 Euro ersetzen.

Das OLG gestand dem Käufer einen Anspruch auf Schadenersatz zu. Der Verkäufer habe seine Pflichten aus dem Verwahrungsvertrag grob fahrlässig verletzt. Denn er habe den auch ohne Schlüssel jederzeit startbereiten Traktor für mehrere Tage und Nächte unbeaufsichtigt im Freien abgestellt und nicht gegen Wegnahme gesichert.

Der Käufer habe aber nicht bewiesen, dass der von ihm gekaufte Traktor-Oldtimer ein bestimmter, höherwertiger Typ („H8“) gewesen sei. Die Wertschätzung beruhe auch auf der übereinstimmenden Angabe von zwei Sachverständigen. Zwar bewerteten diese den Traktor unterschiedlich. Dies hinderte den Senat aber nicht an der Schätzung des Schadens auf 72.500 Euro, die er durch Mittelung der von den Sachverständigen gefundenen Wertangaben vornahm. Damit hatte der Käufer nur in Höhe von 10.000 Euro Erfolg.

Quelle | OLG Braunschweig, Urteil vom 20.5.2021, 9 U 8/20, PM vom 8.7.2021

Familienrecht: Umgangsrecht des leiblichen Vaters bei privater Samenspende

| Ein Umgangsrecht kann dem leiblichen Vater auch im Fall der sogenannten privaten Samenspende zustehen, wenn das Kind mit seiner Einwilligung von der eingetragenen Lebenspartnerin der Mutter adoptiert worden ist. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Sachverhalt

Die Mutter des mittels einer sogenannten privaten Samenspende des Antragstellers gezeugten und im August 2013 geborenen Kindes lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft mit einer Lebenspartnerin. Die Lebenspartnerin adoptierte das Kind 2014 mit Einwilligung des Antragstellers im Wege der sog. Stiefkindadoption.

Der Antragsteller hatte zunächst bis 2018 Umgangskontakte mit dem Kind, die entweder im Haushalt der (rechtlichen) Eltern stattfanden oder die außerhalb von einer von ihnen begleitet wurden. Das Kind hat Kenntnis von der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers. Im Sommer 2018 äußerte er gegenüber den Eltern den Wunsch, Umgang mit dem Kind in seiner häuslichen Umgebung und für einen längeren Zeitraum zu haben, was diese ablehnten. Nach zwei weiteren Treffen brach der persönliche Kontakt des Antragstellers zu dem Kind ab.

Leiblicher Vater möchte Umgangsrecht

Der Antragsteller hat eine Umgangsregelung dahin beantragt, dass er das Kind 14-tägig dienstags um 13:30 Uhr aus der Kindertageseinrichtung abholt und es um 18:00 Uhr seinen Eltern übergibt.

Prozessverlauf

Das Amtsgericht (AG) hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers ist vom Beschwerdegericht zurückgewiesen worden, weil für ein Umgangsrecht keine Rechtsgrundlage bestehe.

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat der BGH den Beschluss des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

Sozial-familiäre Beziehung muss vorliegen

Zwar ist ein direktes Umgangsrecht nicht gegeben, weil dieses nur rechtlichen Eltern zusteht und damit für den Antragsteller als nur leiblichem Vater ausscheidet. Auch ein Anspruch aus dem sog. Umgangsrecht von engen Bezugspersonen besteht nicht. Hierfür ist erforderlich, dass eine von tatsächlicher Verantwortungsübernahme geprägte sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet wurde, welche im vorliegenden Fall aber aufgrund der zeitlichen Begrenzung der stets von den Eltern begleiteten Kontakte nicht gegeben war.

Kindeswohl im Mittelpunkt

Dagegen ist ein Anspruch nach dem sog. Umgangsrecht des leiblichen Vaters grundsätzlich möglich. Danach hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Dass das Kind mithilfe einer sogenannten privaten Samenspende gezeugt worden ist, hindert die Anspruchsberechtigung des Erzeugers und die Zulässigkeit des Antrags nicht, zumal dem privaten Samenspender im Unterschied zur „offiziellen Samenspende“ bei ärztlich unterstützter Befruchtung auch die Feststellung seiner Vaterschaft nicht kraft Gesetzes versperrt wäre.

Adoption schließt Umgangsrecht nicht aus

Auch die Adoption schließt das Umgangsrecht nicht aus. Insofern besteht kein sachlicher Unterschied zwischen einer Stiefkindadoption durch den Ehemann der Mutter und der vom Gesetz nicht ausdrücklich berücksichtigten durch Adoption begründeten Elternschaft der Lebenspartnerin oder Ehefrau der Mutter. Dass der Antragsteller in die Adoption eingewilligt hatte, steht dem Umgangsrecht ebenfalls nicht entgegen. Die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption schließt das Umgangsrecht vielmehr nur aus, wenn darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Umgangsrecht zu erblicken ist. Daran fehlt es jedenfalls, wenn das Kind nach Absprache der Beteiligten den leiblichen Vater kennenlernen und Kontakt zu ihm haben sollte.

Kindeswohl entscheidend

Dies steht auch im Einklang mit adoptionsrechtlichen Wertungen. Denn das Adoptionsrecht sieht für die sog. offene oder halboffene Adoption zunehmend auch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen Kind und Herkunftsfamilie vor. Ob und in welchem Umfang ein Umgang zu regeln ist, beurteilt sich daher vornehmlich danach, ob der leibliche Vater ein ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat und inwiefern der Umgang dem Kindeswohl dient. Dabei muss der leibliche Vater das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern respektieren, ohne dass dieses die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt.

Kind darf sich äußern

Das Beschwerdegericht muss nach Zurückverweisung des Verfahrens jetzt prüfen, ob und inwiefern der Umgang im vorliegenden Fall dem Kindeswohl dient, und hierfür auch das inzwischen siebenjährige Kind persönlich anhören.

Quelle | BGH, Beschluss vom 16.6.2021, XII ZB 58/20, Abruf-Nr. 223671 unter www.iww.de

Testamentsformulierung: „Im Falle eines gemeinsamen Ablebens“ enthält keine zeitliche Komponente im Sinne von „gleichzeitig“

| Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat sich mit der häufig genutzten Formulierung „im Falle eines gemeinsamen Ablebens“ in einem gemeinschaftlichen Testament befasst. Es hat dabei klargestellt, wie diese Formulierung rechtlich zu verstehen ist. |

Mit handschriftlichem Testament testierten der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau unter der Überschrift „Gemeinschaftliches Testament“ wie folgt: „Wir, die Eheleute … , setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zum alleinigen Erben ein. Düsseldorf, den 26.3.2007“. Es folgte die Unterschrift der Ehefrau sowie die Unterschrift des Erblassers mit dem Zusatz „Dies soll auch mein Testament sein“. Darunter bestimmten die Eheleute zusätzlich Folgendes: „Im Falle eines gemeinsamen Ablebens setzen wir als Erben ein: … 60 Prozent des Gesamtwertes: B. …, …, 40 Prozent des Gesamtwertes: K. …, …“. Es folgten die Unterschriften beider Eheleute mit Datumszusatz 26.3.2007. Bei den im Testament genannten Personen „K.“ und „B.“ handelt es sich um Nichten der Ehefrau.

Mit Erbscheinsantrag vom 17.8.2017 beantragten die Nichten, einen Erbschein zu erteilen, der „B.“ als Erbin zu 6/10, die „K.“ als Erbin zu 4/10 ausweist. Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen und dies u. a. wie folgt begründet: Es lasse sich nicht mit Sicherheit ausschließen, dass der Erblasser und seine Ehefrau lediglich im Sinne einer sog. Katastrophenklausel hätten testieren wollen und der Erblasser es nach dem Tod seiner Ehefrau nicht für nötig gehalten habe, „K.“ und „B.“ zu Schlusserben einzusetzen. Der daraufhin erhobenen Beschwerde der Nichten hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen.

Nach Vorlage an das OLG hatte die Beschwerde jedoch Erfolg. Im Hinblick auf die Frage, ob die Formulierung „im Falle eines gemeinsamen Ablebens“ auch den hier gegebenen Fall erfasst, dass die Eheleute in größerem zeitlichem Abstand versterben, erscheine das Testament auslegungsbedürftig. Formulierungen, die auf ein „gleichzeitiges“ Versterben abstellen, erfassten zunächst Fallkonstellationen, in denen Eheleute zeitgleich versterben, also etwa aufgrund eines Unfalls.

Demgegenüber würden Formulierungen, die auf das beiderseitige Versterben abstellen, im Allgemeinen als zeitlich neutral erscheinen. Sie könnten unter Würdigung des gesamten Testamentsinhalts sowie der Beweggründe und Begleitumstände so auszulegen sein, dass sie auch das Versterben beider Eheleute ohne Rücksicht auf den zeitlichen Abstand erfassen. Gleiches habe im Hinblick auf die hier gewählte Formulierung „im Falle eines gemeinsamen Ablebens“ zu gelten. Denn diese Formulierung stellt gerade nicht auf ein gleichzeitiges Versterben ab, sondern kann ebenso gut im Sinne von „wenn wir beide verstorben sind“ verstanden werden, so das OLG. Anders als das Adjektiv „gleichzeitig“ enthalte „gemeinsam“ keine zeitliche Komponente. Nach allgemeinem Sprachverständnis habe „gemeinsam“ vielmehr die Bedeutung von „zusammen“, „miteinander“ oder „gemeinschaftlich“. Gemeint sein kann daher auch der „gemeinsame“ Zustand nach dem Versterben beider Ehegatten.

Quelle | OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.4.2021, I-3 Wx 193/20, Abruf-Nr. 223280 unter www.iww.de

Corona-Pandemie: Entgeltfortzahlung trotz Quarantäne?

| Eine gegenüber einem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer angeordnete Quarantäne schließt dessen Entgeltfortzahlungsanspruch nicht aus. Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen. |

Der Arbeitnehmer suchte wegen Kopf- und Magenschmerzen einen Arzt auf. Dieser stellte die Arbeitsunfähigkeit fest, führte einen Covid-19-Test durch und meldete dies dem Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt ordnete zwar wenige Tage später Quarantäne an, der Covid-19-Test fiel im Nachgang aber negativ aus. Nach Kenntnis der Quarantäneanordnung zog der Arbeitgeber die zunächst an den Arbeitnehmer geleistete Entgeltfortzahlung von der Folgeabrechnung wieder ab und zahlte stattdessen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz aus.

Der Arbeitnehmer kann die sich aus der Rückrechnung ergebende Differenz verlangen. Das ArbG stellte fest: Die Quarantäne schließt den Entgeltfortzahlungsanspruch des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers nicht aus. Es sei zwar richtig, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch die Arbeitsunfähigkeit als einzige Ursache für den Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs voraussetze. Diese Voraussetzung liege hier aber vor, da der Arzt die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Kopf- und Magenschmerzen attestiert habe. Demgegenüber bestehe der Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz gerade nicht für arbeitsunfähig Kranke, sondern nur für Ausscheider, Ansteckungs- und Krankheitsverdächtige. Nur bei den Genannten müsse auf das Infektionsschutzgesetz zurückgegriffen werden.

Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 30.3.2021, 1 Ca 3196/20, Abruf-Nr. 223819 unter www.iww.de

Fristlose Kündigung: Grobe Beleidigung des Arbeitgebers ist keine freie Meinungsäußerung

| Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen Kündigungsgründe „an sich“ dar. Der Arbeitnehmer kann sich nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach dem Grundgesetz (Artikel 5 Abs. 1 GG) berufen. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern jetzt entschieden. |

Es hebt hervor: Im groben Maße unsachliche Angriffe, die u. a. zur Untergrabung der Position des Vorgesetzten oder Arbeitgebers führen, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen. Einer Abmahnung bedarf es etwa nicht, wenn es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist.

Das LAG: Es kommt nicht darauf an, ob ein Straftatbestand erfüllt ist. Ausschlaggebend ist allein das Vorliegen einer Pflichtverletzung und die Frage, ob ein Arbeitgeber diese hinzunehmen hat.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz hatte der Arbeitnehmer während einer Weihnachtsfeier in Anwesenheit sämtlicher Mitarbeiter und des Hotelpersonals den Geschäftsführer als „Arschloch“, „Wixer“ und „Pisser“ bezeichnet und ihn mit den Worten „Fick Dich“ beschimpft. Ein tätlicher Angriff des Arbeitnehmers auf den Geschäftsführer sei allein durch das beherzte Eingreifen von Mitarbeitern verhindert worden.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.4.2021, 2 Sa 153/20, Abruf-Nr. 223958 unter www.iww.de

Schadenersatz: Zulassung und Zulassungsdienst: Kosten erstattungsfähig

| Der Geschädigte darf für die Zulassung seines Ersatzfahrzeugs einen Zulassungsdienst in Anspruch nehmen. Die dabei anfallenden Kosten muss die gegnerische Haftpflichtversicherung erstatten. So sagt es jetzt das Amtsgericht (AG) Wipperfürth wie schon etliche Gerichte zuvor. |

Das AG Wipperfürth stellt klar: Der Schädiger bzw. seine Haftpflichtversicherung können sich nicht darauf berufen, dass es Sache des Geschädigten sei, sein Fahrzeug zuzulassen. Zwar ist dies auch erforderlich, wenn ohne den Unfall später ein neues Kraftfahrzeug angeschafft wird. Die Zulassung des neu beschafften Fahrzeugs wurde hier aber gerade aufgrund des Unfalls notwendig. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Geschädigte das unfallbeschädigte Fahrzeug selbst angemeldet hat. Da der Zeitaufwand des Geschädigten für den Unfall keinen ersatzfähigen Schaden darstellt, ist es gerechtfertigt, einen Zulassungsdienst in Anspruch zu nehmen, denn auch wenn die Zulassung eines neuen Kfz online schnell und unkompliziert möglich ist, bedeutet sie, so das AG, dennoch einen erheblichen Zeitaufwand, zumal die Fahrt zur Zulassungsbehörde und zurück auch noch eingerechnet werden muss.

Quelle | AG Wipperfürth, Urteil vom 8.7.2021, 9 C 101/20, Abruf-Nr. 223567; frühere Entscheidungen ebenso: AG Aschaffenburg, Urteil vom 20.10.2020, 115 C 819/20, Abruf-Nr. 218936; AG Biberach an der Riß, Urteil vom 3.2.2017, 8 C 921/16, Abruf-Nr. 191898; AG Berlin-Mitte, Urteil vom 22.9.2016, 102 C 3073/16, Abruf-Nr. 189095; AG Erfurt, Urteil vom 24.8.2016, 5 C 870/15, Abruf-Nr. 189092 unter www.iww.de

Schadenersatz: Wertminderung auch bei jungem Kfz mit niedrigem Schaden?

| Ist das unfallbeschädigte Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt erst ca. drei Monate alt, liegt der Wiederbeschaffungswert bei knapp mehr als 30.000 Euro und betragen die Reparaturkosten ca. 3.100 Euro, ist eine Wertminderung anzunehmen. Dies hat das Amtsgericht (AG) Köln jetzt entschieden. |

Der Versicherer wollte wegen des im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert niedrigen Schadens keine Wertminderung erstatten. Der Geschädigte hatte demgegenüber auf Grundlage des Schadengutachtens 350 Euro eingeklagt. Der Gerichtsgutachter hielt 500 Euro für richtig. Daraufhin hatte der Geschädigte die Klage entsprechend erweitert.

Das AG hat die Kernargumente des Gerichtsgutachters übernommen: Da der Pkw bei dem Unfall erst knapp drei Monate alt war und mit rund 2.725 km eine geringe Laufleistung aufweist, konkurriert er auf dem Markt mit Fahrzeugen, die aufgrund ihres Alters in der Regel keine Vorschäden aufweisen. Folge: Bei solchen Fahrzeugen ist ein deutlicher Preisnachlass als Kaufanreiz anzubieten, damit ein Käufer bereit ist, über 30.000 Euro in ein junges Gebrauchtfahrzeug zu investieren und nicht auf ein unbeschädigtes Fahrzeug zurückgreift.

Quelle | AG Köln, Urteil vom 14.5.2021, 269 C 125/20, Abruf-Nr. 222894 unter www.iww.de