Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Notarielles Testament: Anfangsbuchstabe mit „geschlängelter Linie“genügt als Unterschrift

| Die spätere Erblasserin errichtete ein notarielles Testament und setzte ihre Cousine als Erbin ein. Die Urkunde unterschrieb sie nur mit dem Anfangsbuchstaben ihres Familiennamens und einer sich daran anschließenden geschlängelten Linie. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln stellte fest: Dies genügt dem Unterschriftserfordernis des Beurkundungsgesetzes. |

Bei einem notariellen Testament dient die Unterschrift als formelles Zeichen der Verantwortungsübernahme für Geltung und Gültigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts. Es ist hingegen nicht der Sinn der Unterschrift, die Beteiligten zu identifizieren. Hier hatte die Erblasserin zumindest angesetzt, ihren Familiennamen zu schreiben. Sie beabsichtigte aus Sicht des OLG damit nicht nur das Setzen von Namensinitialen als Abkürzung des Namens, sondern eine volle Niederschrift ihres Familiennamens. Allerdings war ihr dies nicht vollständig gelungen, weil sie aufgrund ihrer schweren Erkrankung zu geschwächt war.

Beachten Sie | Wird ein handschriftliches Testament errichtet, würde jedenfalls eine bloße Unterzeichnung mit dem Anfangsbuchstaben des Namens nicht genügen. Denn der Unterschrift bei einem eigenhändigen Testament kommt auch eine Identifizierungsfunktion zu.

Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 18.5.2020, 2 Wx 102/20, Abruf-Nr. 217568 unter www.iww.de

Alkohol im Straßenverkehr: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter

| Zu zwei vollkommen unterschiedlichen Sichtweisen kamen jetzt das Landgericht (LG) Halle und das Amtsgericht (AG) München, als es um Trunkenheitsfahrten mit einem E-Scooter ging. Insbesondere die Frage, ob ein E-Scooter eher der Gattung eines Kraftfahrzeugs oder eines Fahrrads zugehörig ist, hat Auswirkungen auf das Strafmaß. Es kommt auch darauf an, ob die sog. Regelvermutung (des § 69 Strafgesetzbuch (StGB): Entziehung der Fahrerlaubnis), wann eine Person als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist, als erfüllt eingeschätzt wird. |

Strenge Sichtweise des AG München: Trunkenheit auf dem E-Scooter ist der am Steuer gleichzusetzen (Regelvermutung erfüllt)

Der bis auf ein Bußgeld wegen unerlaubter Handynutzung im Verkehr unvorbelastete Angeklagte fuhr im Anschluss an einen Besuch des Münchner Oktoberfests 2019 gegen 22:15 Uhr mit einem angemieteten E-Scooter circa 300 m, bevor er angehalten wurde. Er hatte beabsichtigt, den Weg von etwa 400 m zu seinem Hotel zurückzulegen. Die bei ihm um 22:40 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,35 ‰ im Mittelwert.

Das AG München verurteilte den Fahrer wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 55 Euro, einem dreimonatigen Fahrverbot, entzog ihm die Fahrerlaubnis und wies die Verwaltungsbehörde an, ihm vor Ablauf von sieben Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der als Zeuge vernommene Polizeibeamte gab an, dass Ausfallerscheinungen des angehaltenen Angeklagten nicht festzustellen gewesen wären. Er wäre selbst von der Höhe des an Ort und Stelle gemessenen Atemalkoholwerts überrascht gewesen.

Elektrokleinstfahrzeuge, wie der E-Scooter, sind Kraftfahrzeuge, so das AG München. Soweit der Angeklagte anführte, er sei nicht davon ausgegangen, dass E-Scooter straßenverkehrsrechtlich wie Autos einzustufen seien, handele es sich um einen Verbotsirrtum, der für den Angeklagten vermeidbar war. Als Straßenverkehrsteilnehmer hätte er sich gerade bei Nutzung von neu im Verkehrsraum erschienenen Fahrzeugen vor Fahrtantritt kundig machen müssen. Dies gelte umso mehr, als die straßenverkehrsrechtliche Einordnung elektromotorenbetriebener Fahrzeuge, sowohl im Zusammenhang mit E-Scootern, als auch schon zuvor mit ähnlichen Fahrzeugen, in der breiten Öffentlichkeit problematisiert wurde.

Zugunsten des Angeklagten sprach, dass er nicht vorbestraft ist und durch sein Verhalten letztlich keine Gefährdung eingetreten ist.

Hier hat das AG die Fahrerlaubnis entzogen. Insoweit liege ein Regelfall vor, wonach sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Ein Abweichen vom Regelfall sei vorliegend nicht angezeigt. Zwar handele es sich um eine Fahrt mit einem E-Scooter, der im Verhältnis zu einem herkömmlichen Pkw deutlich leichter ist, und um eine Fahrstrecke von nur circa 300 m. Es handele sich, so das AG, auch nicht um eine Bagatelle, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Abweichen vom Regelfall erfordert. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, weder bei den Ordnungswidrigkeiten noch bei den Straftaten eine abweichende Regelung für Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern zu treffen.

Überdies hat das AG zur Einwirkung auf den Angeklagten ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt, da der Angeklagte durch die Nutzung von E-Scootern gezeigt hat, dass er auch auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zurückgreift. Das Urteil ist rechtskräftig.

Sichtweise des LG Halle: keine erhöhte Gefährdungslage (Regelvermutung im Ausnahmefall widerlegt)

Ein Beschuldigter war um 1:55 Uhr innerorts mit einem E-Scooter gefahren. Seine Blutalkoholkonzentration betrug 1,28 ‰. Das Amtsgericht (AG) Halle hatte die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, das Landgericht (LG) Halle hat den AG-Beschluss aufgehoben.

E-Scooter sind nach dem LG Halle Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung. Sie werden demgemäß auch als Kfz im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes ausgewiesen. Das LG hat in seinem Beschluss offengelassen, ob hier der für die absolute Fahruntüchtigkeit bei Kfz geltende Grenzwert einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ anzuwenden ist oder ob der Grenzwert für Fahrradfahrer von 1,6 ‰ gilt.

Das abstrakte Gefährdungspotenzial von E-Scootern unterscheide sich erkennbar von dem der „klassischen“ Kfz, wie Pkw, Lkw, Krafträder usw. Es bestehe eine grundsätzliche Parallelität hinsichtlich des Gefährdungspotentials zwischen E-Scootern und Fahrrädern. Eine möglicherweise strafbare Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad habe gerade nicht die automatische Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht zur Folge.

Bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob daraus auf eine Verantwortungslosigkeit des Beschuldigten geschlossen werden kann, die mit einer Trunkenheitsfahrt mit „klassischen“ Kfz vergleichbar ist und somit von seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kfz ausgegangen werden muss. Dies war hier vorliegend nicht der Fall, da der Beschuldigte „nur“ auf einem Fahrradweg über eine relativ kurze Strecke von 15 m leichte Schlangenlinien gefahren ist und er keine weiteren Ausfallerscheinungen zeigte.

Quelle | AG München, Urteil vom 9.1.2020, 941 Cs 414 Js 196533/19, Abruf-Nr. 217747, PM Nr. 39 vom 28.08.2020; LG Halle, Beschluss vom 16.7.2020, 3 Qs 81/20, Abruf-Nr. 217106 unter www.iww.de

Elterliche Sorge: Entscheidung über die Einschulung des Kindes

| Das Amtsgericht (AG) Frankenthal hat darüber entschieden, nach welchen Kriterien das Recht auf Schulwahl (hier: Einschulung auf eine Waldorf- statt auf einer Regelgrundschule) auf einen Elternteil allein zu übertragen ist. |

Das Familiengericht kann für den Fall, dass sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind bedeutsam ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Hier konnten sich die Eltern eines sechsjährigen Kindes, die zwar nicht verheiratet sind, die elterliche Sorge aber gemeinsam ausüben, nicht darüber einigen, ob das Kind zur Regelschule gehen soll, wie es der Vater wünscht, oder nach dem Willen der Mutter zur Waldorfschule. Das AG hat die Entscheidungsbefugnis einstweilen auf die Mutter übertragen.

Das Gericht entscheidet nicht darüber, welche Schulart für das Kind die am besten geeignete ist. Die Mutter ist als Hauptbezugsperson von der Entscheidung besonders betroffen und muss die Umsetzung überwiegend organisieren. Sie hat sich tiefergehender damit beschäftigt als der Vater. Das soziale Umfeld des Kindes und der Schulweg sind zu beachten. Der Wille des sechsjährigen Kindes ist zu berücksichtigen, wenngleich diesem i. d. R. altersbedingt keine entscheidende Bedeutung zuzumessen ist. Die Waldorfschule ist eine staatlich anerkannte Ersatzschule. Deren Pädagogik, der dahinter stehende Gedanke der Anthroposophen, die besondere Schulorganisation usw. sind zwar diskutabel, aber können nicht per se als Gefahr für das Kindeswohl angesehen werden.

Quelle | AG Frankenthal, Beschluss vom 25.6.2020, 71 F 79/20 eA, Abruf-Nr. 216611 unter www.iww.de

Disziplinarmaßnahme: Vorläufige Dienstenthebung nach Weitergabevon Dienstgeheimnissen

| Wenn ein Polizeibeamter Dienstgeheimnisse an die Presse weitergibt, muss er mit der vorläufigen Enthebung aus dem Dienst und mit späterer Entfernung rechnen, so das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig, da es sich um ein schwerwiegendes Dienstvergehen handelt. |

Im vorliegenden Fall bestand für das Gericht hinreichender Tatverdacht, dass ein Polizeibeamter Informationen bezüglich der Entlassung eines als gefährlich eingestuften Strafgefangenen und die in diesem Zusammenhang getroffenen Schutzmaßnahmen sowie Informationen bezüglich einer bevorstehenden Entlassung eines Polizeianwärters unberechtigt an einen Zeitungsredakteur weitergegeben hatte. Dieser hatte die Informationen anschließend veröffentlicht.

Das OVG hat damit die Entscheidung des Innenministeriums bestätigt, einen Polizeioberkommissar und ehemaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden und Pressesprecher einer Polizeigewerkschaft vorläufig des Dienstes zu entheben.

Da die genannten Handlungen strafrechtlich mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bewehrt seien, sei disziplinarrechtlich auch die Höchstmaßnahme Entfernung aus dem Dienst möglich und im konkreten Fall auch überwiegend wahrscheinlich.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle | OVG Schleswig, Beschluss vom 21.8.2020, Az. 14 MB 1/20, Abruf-Nr. 217753 unter www.iww.de; PM vom 26.8.2020

Haftungsrecht: Motorradfahrer muss keine Schutzkleidung tragen

| Trägt ein Motorradfahrer außer dem Motorradhelm keine Schutzkleidung, etwa Motorradjacke, -hose und -handschuhe, ist ihm dies nicht als Verschulden gegen sich selbst anzulasten. Das gilt auch, wenn dies Auswirkungen bei einem Personenschaden hat. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Das OLG begründete seine Entscheidung damit, es gebe keine gesetzliche Pflicht, Schutzkleidung zu tragen. Nach dem Gesetz müsse ein Motorradfahrer lediglich einen geeigneten Schutzhelm während der Fahrt tragen.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.9.2019, 1 U 82/18, Abruf-Nr. 217748 unter www.iww.de

Arbeitnehmerrechte: Nachschieben von Kündigungsgründen nicht immer möglich

| Bei Kündigungsstreitigkeiten ist das Nachschieben von Kündigungsgründen sehr beliebt. Die kann sich aber auch als Falle erweisen. Das zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln. |

In dem Fall war ein schwerbehinderter Arbeitnehmer betroffen. Das LAG machte deutlich, dass hier Kündigungsgründe nicht nachgeschoben werden können. Dies scheitere daran, dass diese Kündigungsgründe dem Integrationsamt regelmäßig vorher nicht mitgeteilt wurden.

Beachten Sie | Die Anhörung des Integrationsamts ist anders als die Betriebsratsanhörung nicht nachholbar.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 15.7.2020, 3 Sa 736/19, Abruf-Nr. 217594 unter www.iww.de

Haftungsrecht: Klassiker: Crash mit der geöffneten Autotür

| Wer kennt die folgende Situation nicht: Ein Autofahrer will aussteigen und öffnet die Autotür. In diesem Moment fährt ein anderes Fahrzeug vorbei. Wenn es schlecht läuft, stößt der Vorbeifahrende mit der sich öffnenden Tür zusammen. Das Amtsgericht (AG) Frankenthal hat in einem solchen Fall über die Haftungsquoten entschieden. Das Ergebnis mag manchen überraschen. |

Der Kläger hatte am Fahrbahnrand gehalten. Er wollte aussteigen und öffnete die Fahrzeugtür. Da kam es zur Kollision mit einem in diesem Moment vorbeifahrenden Pkw. Am Pkw des Klägers entstand erheblicher Sachschaden. Die Parteien stritten darüber, wie weit der Kläger die Tür geöffnet hatte und ob der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hatte. Das AG: Der Kläger war beim Aussteigen aus dem Pkw unachtsam. Er hatte den Unfall überwiegend selbst verschuldet.

Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich beim Ein- oder Aussteigen aus dem Fahrzeug so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Ein- bzw. Aussteigende muss dabei insbesondere das Vorrecht des fließenden Verkehrs in beiden Richtungen mit höchster Vorsicht beachten. Er muss den Verkehr durch die Rückspiegel und erforderlichenfalls durch die Fenster genau beobachten. Er darf die Wagentür nur öffnen, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts oder von vorn Kommenden gefährdet. Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht entsprochen.

Aber: Der Beklagte hat den Unfall mitverursacht. Er ist ohne ausreichenden Seitenabstand an dem parkenden Fahrzeug vorbeigefahren. Er hat den klägerischen Pkw nur mit einem Seitenabstand von 30 bis 35 Zentimetern passiert. Das war zu wenig.

Das AG sah den Verstoß des Klägers als schwerer an. Er war es, der die Gefahrensituation erst heraufbeschworen hat. Bei regelkonformem Verhalten wäre es nicht zum Unfall gekommen. Demgegenüber hat der Beklagte lediglich einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten. Nach Ansicht des Gerichts war die Haftung daher im Verhältnis 1/3 : 2/3 zulasten des Klägers zu verteilen.

Quelle | AG Frankenthal, Urteil vom 26.6.2020, 3c C 61/19, Abruf-Nr. 217527 unter www.iww.de; PM vom 18.8.2020

Erbrecht: Der Kreativität freien Lauf gelassen:Testament auf der Tischplatte

| Einen nicht alltäglichen Fall musste das Amtsgericht (AG) Köln beurteilen. Der Erblasser hinterließ mehrere handschriftliche Verfügungen. Eine davon befand sich mit Filzstift geschrieben auf der Tischplatte eines Holztischs in seinem Haus. Hierin bestimmte er eine alleinige Erbin. Allerdings fehlte seine Unterschrift. Ein Testament, in dem er seinen Bruder ausdrücklich enterbte, wurde nach dem Tod des Erblassers ebenfalls auf der Tischplatte gefunden. Dieses Testament ist formal ordnungsgemäß errichtet. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die benannte Erbin einen Alleinerbschein auf der Grundlage des „Tischtestamentes“. |

Diesen Antrag hat das AG allerdings zu Recht zurückgewiesen, da mangels Unterschrift kein formgültiges Testament zu ihren Gunsten vorlag. Gemäß Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Weitere Formvoraussetzungen für ein eigenhändiges Testament bestehen nicht. Ein Testament kann wie hier also unstreitig auf anderen Materialien als auf Papier verfasst werden, sofern es stofflich manifestiert ist. Der Stoff einer Urkunde (Holz, Glas, Schiefertafeln, Kohlepapier, etc.) spielt für die Gültigkeit des Testaments keine Rolle. Die eigenhändige Unterschrift ist hingegen zwingend erforderlich.

Beachten Sie | Eine Wirksamkeit konnte hier auch nicht aus einem Zusammenhang mit den anderen vom Erblasser unterschriebenen Testamenten hergeleitet werden, die sich auf derselben Tischplatte befanden. Zwar genügt grundsätzlich eine Unterschrift auf dem letzten Blatt eines mehrseitigen Testaments. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Zusammengehörigkeit der einzelnen „Blätter“ zweifelsfrei ist, z. B. durch Nummerierung eines fortlaufenden Textes oder aufgrund eines inneren Zusammenhangs, der auf eine einheitliche Willenserklärung schließen lässt. Hier bestand jedoch kein solcher Zusammenhang zwischen den Testamenten.

Quelle | AG Köln, Beschluss vom 25.5.2020, 30 VI 92/20, Abruf-Nr. 216966 unter www.iww.de

Formulare und Vordrucke: Kampf für geschlechtergerechte Sprache läuft ins Leere

| Die Kundin einer Sparkasse, die Formulare und Vordrucke verwendet, die nur grammatisch männliche, nicht aber auch weibliche oder geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen enthalten, verlangte Formulare mit gendergerechter Sprache. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde bezogen auf die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Sparkassenvordrucken und -formularen jedoch nicht zur Entscheidung angenommen. |

Die Klage, die Sparkasse zu verpflichten, der Kundin gegenüber Formulare und Vordrucke zu verwenden, die eine grammatisch weibliche oder neutrale Form vorsehen, war zuvor schon bei den Zivilgerichten in allen Instanzen erfolglos geblieben.

Das BVerfG entschied: Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie den formalen Begründungsanforderungen nicht genügt. Die Beschwerdeführerin hat sich nicht mit dem vom Bundesgerichtshof (BGH) angeführten Argument auseinandergesetzt, dass sogar das Grundgesetz selbst das generische Maskulinum verwendet. Auch die Argumentation des BGH, dass das Saarländische Gleichstellungsgesetz, das den Dienststellen des Landes vorgibt, geschlechtergerechte Sprache zu gebrauchen, allein als objektives Recht Geltung beanspruche, nicht aber auch klagfähige subjektive Rechte für Einzelpersonen einräume, hat die Beschwerdeführerin nicht entsprechend gewürdigt. Weder rügt sie eine Verletzung der hierdurch ggf. berührten Garantie des effektiven Rechtsschutzes noch setzt sie sich sonst unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten hiermit auseinander. Daher muss das BVerfG dies auch nicht in der Sache prüfen.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 26.5.2020, 1 BvR 1074/18, Abruf-Nr. 216666 unter www.iww.de

Erfolglose Bewerbung: Kopftuchverbot im Schulunterricht – Benachteiligungwegen der Religionszugehörigkeit

| Der sogenannte Kopftuchstreit beschäftigt regelmäßig die Gerichte aller Instanzen. Einheitliche Regeln für alle Bundesländer gibt es nicht. Das Land Berlin kann sich zwar auf ein eigenes Neutralitätsgesetz mit einem Pauschalverbot für Kopftücher berufen, doch dies half hier nicht weiter. |

Sachverhalt

Die Klägerin ist Diplom-Informatikerin. Sie bezeichnet sich als gläubige Muslima und trägt als Ausdruck ihrer Glaubensüberzeugung ein Kopftuch. Die Klägerin bewarb sich beim beklagten Land im Rahmen eines Quereinstiegs mit berufsbegleitendem Referendariat für eine Beschäftigung als Lehrerin in den Fächern Informatik und Mathematik in der Integrierten Sekundarschule, dem Gymnasium oder der Beruflichen Schule.

Das beklagte Land lud sie zu einem Bewerbungsgespräch ein. Im Anschluss an dieses Gespräch, bei dem die Klägerin ein Kopftuch trug, sprach sie ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz an. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen.

Nachdem ihre Bewerbung erfolglos geblieben war, nahm die Klägerin das beklagte Land auf Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Anspruch. Sie hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sie entgegen den Vorgaben des AGG wegen ihrer Religion benachteiligt. Zur Rechtfertigung dieser Benachteiligung könne das beklagte Land sich nicht auf das Berliner Neutralitätsgesetz berufen. Das darin geregelte pauschale Verbot, innerhalb des Dienstes ein muslimisches Kopftuch zu tragen, verstoße gegen die grundgesetzlich geschützte Glaubensfreiheit.

Während das Arbeitsgericht (AG) zunächst die Klage abgewiesen hat, hat das Landesarbeitsgericht (LAG) das Land Berlin verurteilt, eine Entschädigung zu zahlen (rund 5.000 Euro). Gegen diese Entscheidung hat das beklagte Land Revision eingelegt, mit der es sein Begehren nach Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt, mit der sie eine höhere Entschädigung begehrt.

So argumentiert das Land

Das beklagte Land hat argumentiert, die im Berliner Neutralitätsgesetz geregelte Pflicht der Lehrkräfte, im Dienst keine auffallenden religiös geprägten Kleidungsstücke zu tragen, stelle eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar. Angesichts der vielen Nationalitäten und Religionen, die in der Stadt vertreten seien, sei eine strikte Neutralität im Unterricht aus präventiven Gründen erforderlich; eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität sei nicht nachzuweisen.

So argumentiert das Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat der Klägerin die o. g. Entschädigung zugesprochen. Das beklagte Land habe gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen. Die Klägerin hat als erfolglose Bewerberin eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des AGG erfahren. Der Umstand, dass ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle die Klägerin im Anschluss an das Bewerbungsgespräch auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz angesprochen und die Klägerin daraufhin erklärt hat, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen, begründet die Vermutung, dass die Klägerin wegen der Religion benachteiligt wurde. Diese Vermutung habe das beklagte Land nicht widerlegt. Hier handele es sich um einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit, sofern das Tragen des Kopftuchs, wie hier nachvollziehbar, auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist.

Das Berliner Neutralitätsgesetz sei in diesen Fällen daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Verbot des Tragens eines sog. islamischen Kopftuchs nur im Fall einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gilt. Eine solche konkrete Gefahr für diese Schutzgüter habe das beklagte Land nicht dargestellt.

Quelle | BAG, Urteil vom 27.8.2019, 8 AZR 62/19 Abruf-Nr. 217755 unter www.iww.de; PM Nr. 28/20 vom 27.8.2020