Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Ehegattenunterhalt: Kein Unterhaltsanspruch bei falschen Angaben zum eigenen Einkommen

| Wer im Unterhaltsverfahren falsche Angaben macht, kann seinen Unterhaltsanspruch verlieren. |

Das musste sich eine Ehefrau vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg sagen lassen. Die Frau hatte nach der Trennung einen Minijob angenommen. In einem Verfahren vor dem Amtsgericht verlangte sie Trennungsunterhalt von ihrem Mann. Sie verschwieg aber, dass sie eigene, wenn auch geringe, Einkünfte hatte. Auf den Hinweis des Gerichts, dass nicht plausibel sei, wovon sie lebe, erklärte sie, Verwandte würden ihr Geld leihen, das sie aber zurückzahlen müsse. Der Ehemann hatte inzwischen erfahren, dass seine Frau einer Arbeit nachging. Er wies im Prozess darauf hin und konnte sogar eine Zeugin benennen. Die Frau musste ihre Angaben korrigieren.

Die Richter am OLG haben einen Unterhaltsanspruch der eigentlich unterhaltsberechtigten Frau verneint. Vor Gericht sei man zur Wahrheit verpflichtet. Hinzu komme, dass das unterhaltsrechtliche Verhältnis zwischen Eheleuten in besonderem Maße durch die Grundsätze von Treu und Glauben beherrscht sei. Es sei daher grob unbillig, den Mann trotz der falschen Angabe in Anspruch zu nehmen.

Es treffe die Frau auch nicht unangemessen hart, dass ihr der Unterhaltsanspruch versagt werde. So könne von ihr erwartet werden, dass sie ihre Teilzeitbeschäftigung ausdehne und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorge, so der Senat.

Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.8.2017, 3 UF 92/17, Abruf-Nr. 201192 unter www.iww.de.

Steuerrecht: Keine „Rückfahrkarte“ für den Aufteilungsbescheid

| Werden Eheleute zusammenveranlagt, ergeht ein Steuerbescheid. Für Nachzahlungen haften sie gemeinsam. Ausnahme: Ein Ehegatte beantragt, die Vollstreckung auf den Betrag zu beschränken, der sich ergibt, wenn die Steuern aufgeteilt werden. Dieser Antrag kann aber nicht mehr zurückgenommen werden, wenn ein Aufteilungsbescheid vorliegt. |

Das folgt aus einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hessen. Das betroffene Ehepaar hatte Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit erzielt, der Ehemann zudem kurze Zeit aus selbstständiger Arbeit. Über das Vermögen des Ehemanns wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Finanzamt schätzte seine Einkünfte und forderte Steuern nach. Die Ehefrau legte Einspruch ein und beantragte, die Steuerschuld aufzuteilen. Nachdem der Ehemann die Gewinnermittlung eingereicht hatte, änderte das Finanzamt den Bescheid und erließ den Aufteilungsbescheid: 100 Prozent der Steuern entfielen auf die Ehefrau. Es traf sie eine Nachforderung, während dem Ehemann ein Erstattungsanspruch zustand. Die Ehefrau legte Einspruch ein und nahm den Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld zurück.

Das Finanzamt hob den Aufteilungsbescheid nicht auf. Auch die Klage der Ehefrau blieb erfolglos. Die Richter am FG stellten klar: Indem der Gesamtschuldner einen Antrag auf Erteilung eines Aufteilungsbescheids stellt, übe er (s)ein verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht aus. Ein solcher Antrag kann deshalb nicht widerrufen bzw. zurückgenommen werden. Allein der Umstand, dass der Antragsteller nicht mehr an seinem Antrag festhalten will, rechtfertigt es nicht, den Aufteilungsbescheid aufzuheben.

Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.6.2017, 10 K 833/15, Abruf-Nr. 199893 unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Überschreiten der Richtgeschwindigkeit muss keine Haftungsquote begründen

| Verursacht ein vom rechten auf den linken Fahrstreifen einer Autobahn wechselnder Verkehrsteilnehmer einen Auffahrunfall, weil er den rückwärtigen Verkehr nicht beachtet, kann dem auffahrenden Verkehrsteilnehmer 100-prozentiger Schadenersatz zustehen. Das gilt auch, wenn er die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h vor dem Zusammenstoß – maßvoll – überschritten hat. |

Unter Hinweis auf diese Rechtslage hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm ein Urteil des LG Essen bestätigt. In dem Fall befuhr der seinerzeit 30 Jahre alte Sohn des Klägers mit dessen Pkw die linke Fahrspur der Autobahn. Er beabsichtigte, den auf der rechten Fahrspur fahrenden Beklagten mit einer Geschwindigkeit von ca. 150 km/h zu überholen. Als er sich dem Fahrzeug des Beklagten bereits genähert hatte, wechselte dieser ohne ersichtlichen Grund und ohne zu blinken auf die linke Fahrspur. Es kam zum Auffahrunfall.

Das LG hat dem Kläger vollen Ersatz des Unfallschadens zuerkannt. Der Beklagte habe den Unfall verschuldet. Er habe den Fahrstreifenwechsel nicht rechtzeitig und deutlich angekündigt. Zudem habe er ihn auch nicht so ausgeführt, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen sei. Das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit sei wegen dieses groben Verschuldens nicht zu berücksichtigen.

Mit ihrer Berufung haben die Beklagten geltend gemacht, das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit habe die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs so erhöht, dass eine Mithaftung des Klägers in Höhe von 25 Prozent gerechtfertigt sei.

Dieser Argumentation hat sich das OLG nicht angeschlossen und die Berufung zurückgewiesen. Das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit begründe im vorliegenden Fall keine Mithaftung des Klägers, so der Senat. Dies folge aus der gebotenen Haftungsabwägung. Den Beklagten treffe ein erhebliches Verschulden. Aus Unachtsamkeit und ohne den rückwärtigen Verkehr zu beobachten habe er sein Fahrzeug auf die linke Fahrspur herübergezogen. Demgegenüber sei nicht bewiesen, dass der Sohn des Klägers einen mitverursachenden Verkehrsverstoß begangen habe. Er habe nicht mit einem plötzlichen Spurwechsel des Beklagten rechnen müssen, weil die Autobahn vor dessen Fahrzeug frei war. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung sei auf dem Streckenabschnitt der BAB nicht angeordnet. Die Geschwindigkeit von 150 km/h sei mit den Straßen- und Sichtverhältnissen vereinbar gewesen.

Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs falle aufgrund des erheblichen Verschuldens des Beklagten im Abwägungsverhältnis nicht mehr ins Gewicht. Aus der maßvollen Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um 20 km/h habe sich keine Gefahrensituation für den vorausfahrenden Beklagten ergeben. Im Unfall habe sich die mit der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit für einen vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer häufig verbundene Gefahr, dass die Annäherungsgeschwindigkeit des rückwärtigen Verkehrs unterschätzt werde, nicht verwirklicht. Der Beklagte habe aus Unachtsamkeit und ohne den rückwärtigen Verkehr überhaupt zu beobachten einen ungewollten Fahrstreifenwechsel ausgeführt. In diesem Fall habe das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit für den Beklagten nicht gefahrerhöhend gewirkt. Davon habe auch der Sohn des Klägers ausgehen dürfen. Er habe aufgrund der freien Autobahn darauf vertrauen dürfen, dass der Beklagte den rechten Fahrstreifen nicht grundlos verlasse.

Quelle | OLG Hamm, Beschlüsse vom 21.12.2017 und 8.2.2018, 7 U 39/17, Abruf-Nr. 200122 unter www.iww.de.

Diesel-Fahrverbot: Vorläufiger Rechtsschutz gegen Betriebsuntersagung für Diesel-PKW

| Will die Behörde den Betrieb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Diesel-Pkw untersagen, muss die dies sehr exakt begründen. Anderenfalls ist die einstweilige Anordnung rechtswidrig. |

Das zeigt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Sigmaringen. Antragsteller in dem Verfahren ist der Halter eines VW Passat. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Das Landratsamt Sigmaringen setzte ihn davon in Kenntnis, dass nach einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts an seinem Fahrzeug ein Mangel bestehe, weil er nicht fristgerecht an der Rückrufaktion zur Umrüstung seines Fahrzeugs teilgenommen habe. Es sei nach wie vor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, die entfernt werden müsse. Das Landratsamt forderte den Antragsteller zur Mängelbeseitigung bis spätestens 28.2.2018 auf. Andernfalls werde der Betrieb des Fahrzeugs untersagt und das Fahrzeug zwangsweise außer Betrieb gesetzt. Nachdem keine Reaktion des Antragstellers erfolgte, untersagte das Landratsamt dem Antragsteller den Betrieb des Fahrzeugs und ordnete die sofortige Vollziehung der Untersagung an. Hiergegen legte der Antragsteller bei der Behörde Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz, um der Betriebsuntersagung vorläufig nicht Folge leisten zu müssen.

Der Antrag hatte Erfolg. Das Gericht führt aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Betriebsuntersagung sei bereits nicht ausreichend schriftlich begründet worden. Das Landratsamt habe einen ersichtlich unpassenden Textbaustein als (alleiniges) Begründungselement verwendet. Das genüge dem gesetzlichen Begründungserfordernis nicht. Im Übrigen spreche vieles dafür, dass die Betriebsuntersagung ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sei. Das Landratsamt habe zur knappen Begründung der Betriebsuntersagung formelhaft auf die „Sicherheit und Gesundheit von Personen“ abgestellt, die durch „Art und Umfang des Mangels“ erheblich gefährdet seien. Umweltschutzgesichtspunkte oder Belange der Luftreinhaltung würden nicht erwähnt. Damit liege der Ermessensausübung derzeit ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde, da vom Fahrzeug des Antragstellers keine unmittelbaren Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer ausgingen. Selbst wenn man der Ermessensausübung das Bemühen um Luftreinhaltung und allgemeinen Gesundheitsschutz zugrunde legen wollte, fehlte es an der hierfür erforderlichen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, um eine verhältnismäßige Entscheidung treffen zu können. Denn weder aus dem Bescheid noch aus der Verwaltungsakte oder dem gerichtlichen Vorbringen des Landratsamts ergebe sich, weshalb die Betriebsuntersagung eines einzelnen Fahrzeugs erforderlich und im Einzelfall auch angemessen sein sollte.

Hinweis: Um Missverständnisse zu vermeiden, weist die Kammer darauf hin, dass der Erlass sofort vollziehbarer Betriebsuntersagungen für den Fall des trotz Mängelbeseitigungsfrist weiter festzustellenden Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheine.

Quelle | VG Sigmaringen, Beschluss vom 4.4.2018, 5 K 1476/18, Abruf-Nr. unter 201194 www.iww.de.

Ehevertrag: Ein sittenwidriger Globalverzicht erfasst auch die Gütertrennung

| Sind einzelne ehevertragliche Regelungen zu kernbereichsnahen Scheidungsfolgen isoliert betrachtet sittenwidrig und daher nichtig, ist im Zweifel der gesamte Ehevertrag nichtig. Selbst wenn die Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen isoliert betrachtet nicht sittenwidrig sind, kann sich ein Ehevertrag bei einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen. Voraussetzung ist, dass das objektive Zusammenwirken aller Regelungen erkennbar darauf abzielt, einen Ehegatten einseitig zu benachteiligen. |

Das betont erneut der Bundesgerichtshof (BGH). Im entschiedenen Fall war die Ehefrau bei Abschluss des Notarvertrags (noch) nicht der deutschen Sprache mächtig. Sie hatte mit dem Ehemann Gütertrennung, einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht und den Ausschluss des Versorgungsausgleichs vereinbart (Globalverzicht). Dies diente nur den Interessen des Ehemanns als dem wirtschaftlich stärkeren Ehegatten mit dem höheren Einkommen und der (potenziell) höheren Vermögensbildung in der Ehezeit. Neben dem objektiv einseitigen Vertragsinhalt lag auch die erforderliche subjektive Komponente vor. Da der Ehevertrag in der Gesamtheit nichtig war und auch die vereinbarte Gütertrennung erfasste, konnte die Ehefrau nach der BGH-Entscheidung ihre Zugewinnausgleichs-Ansprüche geltend machen.

Quelle | BGH, Urteil vom 17.1.2018, XII ZB 20/17, Abruf-Nr. 199844 unter www.iww.de.

Betriebliche Altersversorgung: Vorübergehender Übergangszuschuss hat Versorgungscharakter

| Erhält ein ehemaliger Arbeitnehmer während der ersten sechs Monate des Rentenbezugs sein monatliches Entgelt unter Anrechnung der Betriebsrente als „Übergangszuschuss“ weiter, handelt es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung. Diese unterliegt der Insolvenzsicherung durch den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV). |

Zu diesem Ergebnis kam das Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht nur in diesem Fall, sondern auch in drei gleich gelagerten Fällen. Im streitigen Verfahren ging es um die Betriebsvereinbarung eines inzwischen insolventen Arbeitgebers über einen zu gewährenden Übergangszuschuss. Dieser sollte während der ersten sechs Monate des Rentenbezugs gezahlt werden, wenn der Versorgungsberechtigte im unmittelbaren Anschluss an die aktive Dienstzeit beim Arbeitgeber pensioniert wird. Seit Januar 2015 bezieht der Arbeitnehmer neben der gesetzlichen Rente eine Betriebsrente vom PSV. Dieser meint, er müsse nicht für den Übergangszuschuss eintreten, weil es sich nicht um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung handele. Es fehle am Versorgungszweck.

Die Richter am BAG gaben der Klage überwiegend statt. Der Übergangszuschuss knüpfe an ein vom Betriebsrentengesetz erfasstes Risiko an. Er diene nicht dazu, die Zeiträume bis zum Eintritt des Versorgungsfalls zu überbrücken. Vielmehr bezwecke er, den Lebensstandard des Arbeitnehmers mit Eintritt in den Ruhestand zu verbessern. Damit habe auch der vorübergehende Übergangszuschuss Versorgungscharakter. Der PSV müsse daher für den insolventen Arbeitgeber eintreten.

Quelle | BAG, Urteil vom 20.3.2018, 3 AZR 277/16, Abruf-Nr. 200251 unter www.iww.de.

Beamtenrecht: Schwerwiegende Dienstvergehen sind der Untergang von Beamten

Beamtenrecht: Schwerwiegende Dienstvergehen sind der Untergang von Beamten

| Schuldhafter Rückfall in die „nasse Phase“, unter Alkoholeinfluss begangene Verkehrsstraftaten sowie anmaßendes Verhalten anlässlich eines Verkehrsunfalls: Die Liste dieser schuldhaften Dienstvergehen rechtfertigt es, den Beamten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. |

Zu diesem Ergebnis kam das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz. Der Beamte habe durch sein Verhalten ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Dadurch habe er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Der Rückfall in die Alkoholsucht sei zudem Ausdruck einer Haltlosigkeit und einer Willens- und Charakterschwäche, die mit der Pflichtenstellung eines Polizeibeamten unvereinbar sei.

Quelle | OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7.3.2018, 3 A 11721/17.OVG, Abruf-Nr. 200723 unter www.iww.de.

Vaterschaftsanfechtung: Elternrecht des rechtlichen Vaters wegen sozial-familiärer Beziehung

| Besteht eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater, ist der Antrag des leiblichen Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft stets unbegründet. |

Diese Entscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH). Die Richter stellten klar, dass das Gesetz nicht dahin ausgelegt werden könne, dass die Anfechtung dennoch möglich sei, wenn der leibliche Vater seinerseits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind habe und mit ihm in einer Familie zusammenlebe. Das mit einer bestehenden sozial-familiären Beziehung einhergehende Elternrecht des rechtlichen Vaters ist auch in dieser Konstellation gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterstellung erlangen zu können, vorrangig.

Quelle | BGH, Beschluss vom 15.11.17, XII ZB 389/16, Abruf-Nr. 198748 unter www.iww.de.

Außerordentliche Kündigung: Keine fristlose Kündigung wegen Telefonanrufs bei Gewinnspielhotline

| Der Anruf bei einer Gewinnspielhotline rechtfertigt keine fristlose Kündigung, wenn dem Arbeitnehmer private Telefonate gestattet sind, deren Umfang aber nicht klar festgelegt ist. |

Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf im Fall einer Bürokauffrau in einem Kleinbetrieb. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten u.a. die Kontrolle der eingehenden Rechnungen und das Einscannen derselben. Überweisungen durfte sie nicht vornehmen. Den Mitarbeitern war es gestattet, über die Telefonanlage des Arbeitgebers private Anrufe zu tätigen, ohne diese zu bezahlen. Der Anruf bei kostenpflichtigen Sonderrufnummern war weder ausdrücklich genehmigt noch ausdrücklich untersagt. Die Frau rief in ihrer Arbeitspause mehrfach bei der Hotline eines lokalen Radiosenders an. Jeder Anruf für das Gewinnspielspiel „Das geheimnisvolle Geräusch“ kostete 0,50 Euro. Die Telefonrechnung wies für den Monat 37 Einheiten für Sonderrufnummern aus. Die Frau scannte die Rechnung ein, ohne auf die Anrufe bei dem Gewinnspiel hinzuweisen. Die Rechnungen wurden per Lastschrift eingezogen. Nachdem dem Geschäftsführer die 37 Einheiten aufgefallen waren, sprach er die Frau darauf an. Sie antwortete, dass aufgrund der Einzelverbindungsnachweise herauszufinden sein müsse, wer angerufen habe. Am nächsten Morgen räumte sie die Anrufe bei der Gewinnspielhotline ein und bot an, einen Betrag von 18,50 Euro zu erstatten. Drei Tage später kündigte der Arbeitgeber der Frau fristlos und hilfsweise fristgerecht.

Ebenso wie das Arbeitsgericht Wesel hat das LAG die fristlose Kündigung für unwirksam erachtet. Es liegt zwar eine Pflichtverletzung vor. Auch wenn das private Telefonieren am Arbeitsplatz gestattet ist, ist es pflichtwidrig, diese Genehmigung dazu zu benutzen, um bei einer kostenpflichtigen Gewinnspielhotline anzurufen. Die Pflichtverletzung hatte zur Überzeugung der Kammer in diesem Fall aber nicht das Gewicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Verschuldensvorwurf bei der Frau sei gemindert, da der Umfang der Privatnutzung betrieblich nicht geregelt war. Zu berücksichtigen war weiter, dass die Anrufe in den Arbeitspausen erfolgten. Daher sei nicht von einem Arbeitszeitbetrug auszugehen. Der Arbeitgeber hatte zudem weder vor dem Arbeitsgericht noch vor der erkennenden Kammer die genaue Anzahl der getätigten Anrufe ausreichend dargelegt.

Die ordentliche Kündigung der Frau stand nicht im Streit und war von ihr nicht mehr angegriffen.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.9.2015, 12 Sa 630/15, Abruf-Nr. 145560 unter www.iww.de.

Hinterbliebenenrente: Bestand die Ehe kürzer als ein Jahr, kann ein Rentenanspruch abgelehnt werden

| Ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente kann abgelehnt werden, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat und die gesetzliche Vermutung einer sogenannten „Versorgungsehe“ greift. |

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landessozialgericht (LSG) Hessen. Die Eheleute, die schon einmal verheiratet waren, heirateten einander erneut. Zu diesem Zeitpunkt lagen bei der Ehefrau Pflegestufe II und bei dem Ehemann eine fortgeschrittene Krebserkrankung vor. Der Ehemann verstarb kurz nach der Eheschließung. Der Rentenversicherer wollte keine Hinterbliebenenrente zahlen.

Das LSG gab ihm recht. Es besteht kein Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat. Eine Ausnahme gilt nur, wenn nach den besonderen Umständen des Falls nicht angenommen werden kann, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Dabei sprechen folgende besondere Umstände grundsätzlich gegen eine Versorgungsehe:

  • plötzlicher unvorhersehbarer Tod (z.B. Verkehrsunfall, Verbrechen);
  • Vorhandensein gemeinsamer leiblicher Kinder bzw. Schwangerschaft;
  • Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den Hinterbliebenen;
  • Heirat zur Sicherung der Betreuung oder Pflege des anderen Ehegatten;
  • die tödlichen Folgen einer bei Eheschließung nicht bekannten Krankheit;
  • Nachholung einer gültigen deutschen Trauung durch hier in ungültiger – nach ausländischem Recht gültiger – Ehe lebende Ausländer.

Quelle | LSG Hessen, Urteil vom 15.12.2017, L 5 R 51/17, Abruf-Nr. 199650 unter www.iww.de.