Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

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Urteilsarchiv

Gesetzentwurf: Einen Monat mehr Elternzeit bei Frühgeburten

| Die Bundesregierung will die Elternzeit bei Frühgeburten um einen Monat verlängern und die Möglichkeiten für Teilzeit flexibler gestalten. Der entsprechende Gesetzentwurf zur Novellierung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (Bundestags-Drucksache 19/24438) sieht vor, dass der Bezug des Elterngeldes um einen weiteren Monat verlängert wird, wenn das Kind sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin oder früher zur Welt kommt. |

Dieser zusätzliche Basiselterngeld-Monat soll auch in zwei Elterngeld-Plus-Monate umgewandelt werden können. Zudem soll die erlaubte wöchentliche Arbeitszeit für Eltern, die während des Elterngeldbezugs in Teilzeit arbeiten, von 30 auf 32 Stunden angehoben werden. Der Partnerschaftsbonus, der die parallele Teilzeit beider Eltern ermöglicht, soll künftig mit 24 bis 32 Wochenstunden bezogen werden können, statt mit bisher 25 bis 30 Wochenstunden.

Finanziert werden sollen die Änderungen durch eine Absenkung der Einkommensgrenze für den Bezug des Elterngeldes. So sollen Eltern, die gemeinsam über ein Jahreseinkommen von mehr als 300.000 Euro verfügen, kein Elterngeld mehr beziehen können. Bislang lag die Einkommensgrenze bei 500.000 Euro Jahreseinkommen. Nach Angaben der Regierung betrifft die Regelung etwa 7.000 der derzeitigen Bezieher des Elterngelds. Die Einkommensgrenze für Alleinerziehende soll unverändert bei 250.000 Euro liegen.

Quelle | Deutscher Bundestag, heute im bundestag (hib) 1296/2020 vom 24.11.2020

Vereinfachtes Verfahren: Wer zu spät kommt, muss Unterhalt zahlen

| Der Unterhalt eines minderjährigen Kindes, das mit dem in Anspruch genommenen Elternteil nicht in einem Haushalt lebt, kann im sog. vereinfachten Verfahren festgesetzt werden. Dort sollen Unterhaltsfragen möglichst schnell geklärt werden. Doch der Antragsgegner kann in diesem Verfahren bestimmte Einwendungen geltend machen, zum Beispiel gegen die Zulässigkeit des Verfahrens. Wie so oft, liegen hier aber die Tücken im Detail verborgen. |

So hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm nun entschieden: Im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger ist die Einwendung, nicht der Vater des betroffenen Kindes zu sein, im erstinstanzlichen Verfahren geltend zu machen. Andernfalls ist der Antragsgegner mit diesem Einwand im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen. Denn die strengen Formvorschriften sollen das vereinfachte Verfahren beschleunigen. Das Familiengericht muss in diesem vereinfachten Verfahren auch nicht von sich aus die Vaterschaft des Antragsgegners überprüfen.

Hat es ein Antragsgegner versäumt, in erster Instanz seine Vaterschaft zu bestreiten, ist aber nicht alles verloren. Er kann dies nachholen. Er muss dazu dann ein sog. gesondertes Abänderungsverfahren einleiten.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 14.10.2020, 2 WF 138/20

Zulassungskosten: Geschädigter darf bei Ersatzfahrzeug Zulassungsdienst nutzen

| Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, eine An- und Abmeldung und eine Zulassung des als Ersatz erworbenen Fahrzeugs selbst vorzunehmen. Er darf sich hierzu einer Drittfirma bedienen. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Aschaffenburg entschieden. |

Das Gericht hat dies nicht näher begründet. Ähnlich entschieden haben aber früher bereits u. a. die AG Biberach an der Riß, Berlin-Mitte und Erfurt.

Quelle | AG Aschaffenburg, Urteil vom 20.10.2020, 115 C 819/20, Abruf-Nr. 218936; AG Biberach an der Riß, Urteil vom 3.2.2017, 8 C 921/16, Abruf-Nr. 191898; AG Berlin-Mitte, Urteil vom 22.9.16, 102 C 3073/16, Abruf-Nr. 189095; AG Erfurt, Urteil vom 24.8.2016, 5 C 870/15, Abruf-Nr. 189092 unter www.iww.de

Personalausweisgesetz: Täteridentifizierung: Einwohnermeldeamt darf Bußgeldbehörde ein Passfoto überlassen

| Zur Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit darf das Einwohnermeldeamt auf Anforderung der Bußgeldstelle ein Pass- oder Personalausweisfoto des vermutlichen Fahrers zwecks Fahreridentifizierung übersenden. Das hat jetzt das Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts (AG) Mainz bestätigt. |

Das AG hatte gegen den Betroffenen eine Geldbuße und ein Fahrverbot verhängt. Er habe außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Geschwindigkeit um 31 km/h überschritten. Es gab einschlägige Voreintragungen. Der Betroffene hatte demgegenüber u. a. beanstandet, dass die Bußgeldbehörde vor Erlass des Bußgeldbescheids sein Personalausweisfoto zur Fahreridentifizierung beim Einwohnermeldeamt angefordert habe. Dessen Herausgabe verstoße gegen das Gesetz. Daher sei das Verfahren einzustellen.

Damit hatte der Betroffene vor dem OLG keinen Erfolg. Es erkannte keinen Gesetzesverstoß. Das Einwohnermeldeamt habe das Foto nach den Regelungen des Personalausweisgesetzes (PAuswG) an die Bußgeldbehörde herausgeben dürfen. Entscheidend sei, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten das Übermitteln von Fotos durch die Pass- und Personalausweisbehörden an die Bußgeldbehörden zulässig ist.

Quelle | OLG Koblenz, Beschluss vom 2.10.2020, 3 OWi 6 SsBs 258/20

Sorgerechtsverfahren: Kein Schmerzensgeldanspruch gegen Dolmetscherin

| Das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. hat entschieden: Eine Dolmetscherin verstößt nicht gegen ihre Berufspflichten, wenn sie neben der reinen Übersetzung auch Einschätzungen und Angaben zum Aussageverhalten macht. |

Dem zugrundeliegenden Rechtsstreit ging ein familienrechtliches Sorgerechtsverfahren voraus, im Rahmen dessen die Richterin das minderjährige Kind der späteren Klägerin anhörte. Da das Kind kein Deutsch sprach, wurde die jetzige Beklagte als Dolmetscherin für Polnisch hinzugezogen. Sie ist nach der Kindesanhörung richterlich dazu befragt worden, welchen Eindruck sie von dem Kind habe; ob es mit eigenen Worten oder fremdbestimmt gesprochen habe. Hierauf antwortete die jetzige Beklagte, dass sie den Eindruck habe, das Kind werde erpresst und wolle eigentlich etwas ganz anderes sagen. Daraufhin wurde der Kindesmutter das Sorgerecht einstweilen entzogen. Dies veranlasste sie wiederrum, die jetzige Klage vor dem AG auf Zahlung von Schmerzensgeld i. H. v. mindestens 5.000 Euro zu erheben. Sie war dabei der Auffassung, die beklagte Dolmetscherin habe sich durch ihre Einschätzungen parteiisch verhalten, habe ihre Grenzen überschritten und sei zumindest mitursächlich für den Sorgerechtsentzug gewesen.

Das AG hat die Schmerzensgeldklage voll abgewiesen. Ein Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aufgrund eines Verstoßes gegen Dolmetscherpflichten oder aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass das gerügte Verhalten weder durch das Hessischen Dolmetschergesetz untersagt sei, noch widerspreche es dessen Schutzzweck. Gerade, wenn eine Manipulation des Aussageverhaltens eines Kindes im Raume stehe, könne es durchaus notwendig sein, dass über die reine Übersetzung der Dolmetscherin hinaus Angaben zur Wortwahl und zur Sprachgeschwindigkeit erfolgen. Es sei korrektive Aufgabe des Gerichts, überschießende sowie nicht zum Aufgabenkreis der Dolmetscherin gehörende Äußerungen auszugrenzen.

Quelle | AG Frankfurt a. M., Urteil vom 20.12.2019, 29 C 1828/19 (85); PM Nr. 16/2020

Erbkrankheit: Muskelkrankheit Myotone Dystrophie Typ 1: Präimplantationsdiagnostik im Einzelfall zulässig

| Besteht für Nachkommen eines genetisch vorbelasteten Paares das hohe Risiko, an der klassischen Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 zu erkranken, kann im Einzelfall die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PID) erlaubt sein. Das hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Ablehnung durch die Bayerische Ethikkommission

Die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik lehnte die von der Klägerin beantragte Zustimmung ab, eine PID durchzuführen. Eine PID dürfe nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) nur vorgenommen werden, wenn das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit bestehe. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Bei dem Partner der Klägerin liege eine genetische Disposition für die Muskelerkrankung Myotone Dystrophie Typ 1 vor. Charakteristische Symptome seien Muskelsteifheit und eine langsam fortschreitende Muskelschwäche, insbesondere der Gesichtsmuskeln, der Hals- und Nackenmuskulatur sowie der Muskulatur von Unterarmen und -schenkeln. Bei einer ganz beachtlichen Zahl von Patienten zeige sich die Erkrankung aber erst im höheren Lebensalter. Für eine schwere kindliche Form des Krankheitsbildes bestehe lediglich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, da sie i. d. R. nur über die Mutter vererbt werde. Auch vor dem Verwaltungsgericht (VG) und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) war die Klage erfolglos.

Bundesverwaltungsgericht ist anderer Meinung

Das BVerwG hat der Revision der Klägerin stattgegeben und den beklagten Freistaat Bayern verpflichtet, ihren Antrag auf Durchführung einer PID zustimmend zu bewerten. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung der Ethikkommission, weil für ihre Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit bestehe. Hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzungen sei der Ethikkommission kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Ihre Entscheidung unterliege der vollen gerichtlichen Überprüfung.

Schwerwiegende Erbkrankheit

Erbkrankheiten seien insbesondere schwerwiegend, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbilds und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheiden. Über die Zulässigkeit der PID sei in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden. Wenn fraglich sei, ob die Erbkrankheit bereits wegen der genetischen Disposition eines Elternteils hinreichend schwer wiege, seien auch mit dieser Disposition in Zusammenhang stehende weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, wie etwa der Umstand, dass die Eltern bereits ein Kind mit der schweren Erbkrankheit haben oder die Frau nach einer Pränataldiagnostik und ärztlichen Beratung einen Schwangerschaftsabbruch hat vornehmen lassen, oder dass der Elternteil mit der genetischen Disposition selbst hieran erkrankt ist.

Danach lägen im Fall der Klägerin die Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit vor. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachkommen der Klägerin und ihres Partners an der klassischen Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 erkrankten, lägen bei 50 Prozent. Die Symptome würden in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter beginnen. Die Krankheit verlaufe progredient, also fortschreitend. Betroffene hätten mit erheblichen Beeinträchtigungen in der Lebensgestaltung und einer geringeren Lebenserwartung zu rechnen. Im Fall der Klägerin komme hinzu, dass ihr Partner selbst deutliche Symptome der Erkrankung zeige.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 5.11.20, 3 C 12.19;PM Nr. 63/2020 vom 5.11.2020

Corona-Pandemie: Fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit im Einzelfall gerechtfertigt

| Das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart hat jetzt entschieden: Eine fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, das Einführen von Kurzarbeit zu ermöglichen, kann im Einzelfall als betriebsbedingte Änderungskündigung gerechtfertigt sein. Es hat aber auch darauf hingewiesen: Für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Kündigung sind insbesondere eine entsprechende Ankündigungsfrist und eine Begrenzung der Dauer der (möglichen) Kurzarbeit von Bedeutung sowie der Umstand, dass Kurzarbeit nur eingeführt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld auch in der Person des Arbeitnehmers vorliegen. |

Die Klägerin, Personaldisponentin einer Leiharbeitsfirma, koordinierte den Einsatz von Leiharbeitnehmern in Kindergärten und Kitas. Da aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auch Kindergärten zeitweise geschlossen wurden, wurden dort Leiharbeitnehmer nicht mehr benötigt.

Der Beklagte, Arbeitgeber der Klägerin, beantragte daher Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit genehmigte diese. Hiervon fühlte sich die Klägerin zunächst nicht betroffen. Denn sie wurde vier Tage später für längere Zeit krankgeschrieben. Der Kläger bat sie um die vorgeschriebene Zustimmung zur Kurzarbeit. Dies lehnte sie ab. Daraufhin sprach der Kläger eine fristlose Änderungskündigung aus (Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und gleichzeitiges Anbieten eines neuen Arbeitsverhältnisses). Nach diesem neuen Arbeitsverhältnis durfte der Kläger bis Ende Dezember 2020 Kurzarbeit anordnen.

Die Klägerin hielt die fristlose Änderungskündigung für unwirksam. Ihr Arbeitgeber sei keiner wirtschaftlich schwierigen Situation ausgesetzt. Das sah das ArbG komplett anders. Die Änderungskündigung sei wirksam. Sie sei insbesondere verhältnismäßig: Denn es sei zu einem unbestreitbaren, erheblichen Arbeitsausfall gekommen. Ein notwendiger „wichtiger Grund“ für eine fristlose Änderungskündigung habe also vorgelegen. Ein milderes Mittel als Alternative habe dem Kläger nicht zur Verfügung gestanden. Die fristlose Änderungskündigung habe bezweckt, eine Grundlage für Kurzarbeit und damit für den Erhalt von Kurzarbeitergeld zu schaffen.

Das ArbG betont: Würde man dies anders sehen, wäre bei Verweigerung einzelner Arbeitnehmer die Einführungsmöglichkeit von Kurzarbeit gerade bei längeren Kündigungsfristen (sinnvoll) ausgeschlossen.

Quelle | ArbG Stuttgart, Urteil vom 22.10.2020, 11 Ca 2950/20

Diskriminierung: „Ugah, Ugah“ mit Folgen: Kündigung wegen menschenverachtender Äußerung bleibt wirksam

| Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu einer Kündigung wegen einer groben menschenverachtenden Äußerung nicht zur Entscheidung angenommen. Damit bleiben die Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen wirksam, wonach die Äußerung „Ugah, Ugah“ gegenüber eienem dunkelhäutigen Kollegen eine menschenverachtende Diskriminierung darstellt, die sich nicht unter Berufung auf das grundgesetzlich garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung rechtfertigen lässt. |

Das war geschehen

Der Beschwerdeführer betitelte in einer kontrovers ablaufenden Betriebsratssitzung einen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“, der ihn wiederum als „Stricher“ bezeichnete. Die daraufhin gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Kündigung erachteten die Arbeitsgerichte als wirksam, auch aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung, die aber nicht zu einer Änderung seines Verhaltens geführt hatte.

Das sagte der Beschwerdeführer

Dagegen berief sich der Beschwerdeführer auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfolglos. Die Arbeitsgerichte hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Man dürfe ihm keine rassistische Einstellung vorwerfen. Der Umgangston im Betriebsrat sei durchaus „hin und wieder flapsig“. Das liege daran, dass es von allen Betriebsratsmitgliedern gewollt sei, die teilweise abstrakte bürokratische Materie durch Auflockerung der Gesprächsatmosphäre zu fördern. Es gehöre zum gepflegten Umgangston unter den Betriebsratsmitgliedern und sei bislang nie ein Problem gewesen. Seine Einwände blieben erfolglos.

So sieht es das BVerfG

Das BVerfG hält die Wertungen für richtig, die die Arbeitsgerichte getroffen haben, und die sich aus den Grundrechten der Meinungsfreiheit und Menschenwürde sowie dem Diskriminierungsverbot ergeben. Sie verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht der Meinungsfreiheit. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die arbeitsgerichtliche Bestätigung der Kündigung sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zutreffend wurde die konkrete Situation als maßgeblich angesehen, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wird. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpönten Merkmal keine nur derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, sei auch im Lichte des grundgesetzlichen Diskriminierungsverbots korrekt, das sich gegen rassistische Diskriminierung wendet.

Menschenwürde vor Meinungsfreiheit

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfordere im Normalfall eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit trete aber zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Das haben die Gerichte hier in Anwendung des Kündigungsschutzrechts nicht verkannt, so das BVerfG. Sie hätten ausführlich begründet, dass und warum es sich um menschenverachtende Diskriminierung handelt. Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt wird. Diese Wertung sei ebenso, wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung geforderte Gesamtwürdigung, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 2.11.2020, 1 BvR 2727/19; PM Nr. 101/2020 vom 24.11.2020

Fehlverhalten im Dienst: Tritte gegen am Boden Liegenden:Entlassung eines Polizisten auf Probe

| Ein Polizeibeamter auf Probe darf nach Tritten gegen einen am Boden liegenden und fixierten Tatverdächtigen bereits vor Ablauf der regulären Probezeit aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden. Dies entschied jetzt das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |

Das war geschehen

Der 25-jährige Antragsteller wurde nach Abschluss der Anwärterzeit zum Mai 2018 als Polizeivollzugsbediensteter in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Im Mai 2019 fuhr ein Fahrzeug im Rahmen einer Verfolgungsfahrt auf den Streifenwagen auf, in dem der Antragsteller saß. Nachdem andere Polizeibeamte die beiden Personen aus dem Tatfahrzeug zu Boden gebracht und fixiert hatten, trat der Antragsteller auf einen der Tatverdächtigen mehrfach ein. Darauf erklärte das Land Rheinland-Pfalz mit sofortiger Wirkung die Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.

Mit seinem Eilrechtsantrag begehrte der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entlassungsentscheidung wiederherzustellen. Das VG lehnte den Eilantrag ab.

So argumentiert das Verwaltungsgericht

Ein Beamter auf Probe könne entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewähre. Eine Bewährung setze voraus, dass der Probebeamte nach seiner Eignung und Befähigung voraussichtlich den Anforderungen gerecht werde, die mit einem Beamtenstatus auf Lebenszeit verbunden seien. Vorliegend seien schon angesichts des körperlichen Angriffs auf einen bereits gefesselten Tatverdächtigen ernsthafte Zweifel des Dienstherrn an der charakterlichen Eignung des Antragstellers berechtigt. Das Fehlverhalten, das in einer Videoaufnahme dokumentiert sei, stelle sich als so gravierend dar, dass das für den Polizeivollzugsdienst unabdingbar erforderliche Vertrauen in eine zukünftige ordnungsgemäße, an rechtsstaatlichen Regeln ausgerichtete Amtsführung durch den Antragsteller nachhaltig zerstört sei.

Mangelnde Bewährung

Deshalb komme es nicht mehr darauf an, ob auch aus anderen Gründen Bedenken an der charakterlichen Eignung des Antragstellers oder an seiner dienstlichen Befähigung bestünden. Stehe eine mangelnde Bewährung fest, dürfe eine Entlassung auch bereits vor Ablauf der Probezeit ausgesprochen werden.

Quelle | VG Mainz, Beschluss vom 13.10.2020, 4 L 587/20.MZ, Abruf-Nr. 218889 unter www.iww.de; PM Nr. 15/20

Nachlass: Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben möglich

| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt klargestellt: Die Festsetzung von Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben ist zulässig, wenn hinreichend Zeit zur Verfügung stand, die Erben zu ermitteln. |

Für eine Erbenermittlung ohne besondere Schwierigkeiten, so der BFH, ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall in der Regel angemessen. Nach Ablauf von drei Jahren und fünf Monaten ist es hingegen auch bei besonders schwierigen Ermittlungen nicht zu beanstanden, Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben festzusetzen.

Nach dem Tod des Erblassers (2014) waren Erben nicht ersichtlich. Es wurde ein Nachlasspfleger bestellt, u. a. um die Erben zu ermitteln. Doch auch nach 14 Monaten war dieser nicht erfolgreich. Das Finanzamt ging zuletzt von 30 potenziellen Erben aus und erhob die Erbschaftsteuer nach Steuerklasse III. Sie gilt für sehr entfernte Verwandte und Freunde. Das jedoch hielt der Nachlasspfleger für unzulässig. Seine in Vertretung der unbekannten Erben erhobene Klage hat der BFH nun aber abgewiesen.

Quelle | BFH, Urteil vom 17.6.2020, II R 40/17, Abruf-Nr. 218309 unter www.iww.de