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Verkehrsrecht

Unfallschadensregulierung: Anscheinsbeweis bei der Kollision zweier Motorräder

| Wird ein Motorradfahrer in einer Rechtskurve zu weit nach links getragen, vollzieht er dann jenseits seiner Fahrbahnmitte eine Vollbremsung und kollidiert letztendlich auf der Gegenfahrbahn mit einem entgegenkommenden Fahrzeug (Motorrad), lässt dies typischerweise auf einen Fahrfehler des seine Fahrspur verlassenden Motorradfahrers schließen. Daraus kann sich eine Haftung von 75 Prozent für das Unfallgeschehen rechtfertigen. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Arnsberg bestätigt. Der heute 55 Jahre alte Kläger befuhr im Juli 2011 mit seinem Motorrad der Marke BMW die Mittelsorper Straße in Schmallenberg. Im Bereich einer – aus Sicht des Klägers – Rechtskurve kollidierte sein Motorrad mit dem vom heute 47 Jahre alten Beklagten gefahrenen Motorrad der Marke Honda auf der Gegenfahrbahn. Zum Unfallhergang hat der Kläger behauptet, dass ihm der Beklagte zunächst auf seiner, des Klägers, Fahrspur entgegengekommen sei. Daher habe er, der Kläger, eine Vollbremsung machen müssen. Dadurch sei er geradeaus in Richtung Fahrbahnmitte auf die Gegenfahrbahn gerutscht. Der Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, auf seiner rechten Fahrbahnseite gefahren zu sein, während der Kläger die Kontrolle über sein Motorrad verloren habe und deswegen in der Kurve auf die Fahrbahn des Beklagten gefahren sei.

Bei dem Zusammenstoß erlitt der Kläger Frakturen an beiden Händen, am rechten Arm und am linken Sprunggelenk sowie verschiedene Prellungen und ein Schädelhirntrauma. Vom Beklagten hat er 5.000 EUR Schmerzensgeld sowie ca. 21.000 EUR für materielle Schäden am Motorrad, an der Kleidung sowie für Verdienstausfall und versäumte Haushaltsführung verlangt. Er lässt sich dabei ein Mitverschulden von 50 Prozent anrechnen.

Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach mit einer 25-prozentigen Haftungsquote des Beklagten stattgegeben. Diese Entscheidung haben die Richter am OLG nun bestätigt.

Zwar sei der genaue Unfallhergang nach dem eingeholten Sachverständigengutachten nicht mehr aufzuklären. Allerdings sei die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs durch ein unfallursächliches Verschulden des Klägers erhöht worden. Es müsse daher ein Eigenverschulden des Klägers von 75 Prozent an dem Unfall angenommen werden. Hierfür spreche ein Anscheinsbeweis, den der Kläger nicht erschüttert habe. Der Kläger sei in einer Rechtskurve mit seinem Motorrad zu weit nach links getragen worden, habe dann jenseits seiner Fahrbahnmitte eine Vollbremsung vollzogen und sei auf der Gegenfahrbahn mit einem im Bereich der Mitte seiner Fahrspur fahrenden, entgegenkommenden Motorrad kollidiert. Ein derartiges Geschehen lasse typischerweise auf einen Fahrfehler des Motorradfahrers schließen, der seine Fahrspur verlassen hat. Dies sei nämlich ein schuldhafter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot. Dass der Kläger dabei auf ein sich näherndes und seinerseits auf der Gegenfahrbahn fahrendes Fahrzeug reagiert habe, sei ein atypischer und im vorliegenden Fall nicht ansatzweise feststehender Verlauf. Es gebe keinen Grund dafür, warum der Beklagte vor der – aus seiner Sicht – Linkskurve auf seine Gegenfahrbahn gefahren sein sollte.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 8.9.2015, 9 U 131/14, Abruf-Nr. 145952 unter www.iww.de  .

Unfallschadensregulierung: Recht auf Anwalt für Privatperson bestätigt

| Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist es von vornherein erforderlich, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen usw. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln. |

So urteilte es das Amtsgericht Gardelegen. Wortgleich mit dem OLG Frankfurt a.M. begründet es, warum der Geschädigte auch bei klarer Haftungslage einen Rechtsanwalt einschalten darf und die Kosten dafür vom Schädiger zu erstatten sind.

Bei Fahrzeugflotten gibt es die Streitigkeiten um die Anwaltskosten schon länger. Aber neuerdings erheben die Versicherer den Einwand „Wäre auch ohne Anwalt problemlos gegangen“ auch bei Privatpersonen als Geschädigten. Die Rechtsprechung ist da aber klar auf der Seite der Geschädigten.

Quelle | Amtsgericht Gardelegen, Urteil vom 2.6.2015, 31 C 218/14, Abruf-Nr. 145640 unter www.iww.de.

Fahrerlaubnisrecht: Behörde muss keine Fotos möglicher Fahrzeugführer im Internet suchen

| Die Ermittlungsbehörden sind nicht verpflichtet, im Internet nach Lichtbildern der in Betracht kommenden Fahrzeugführer zu recherchieren. |

Das gilt nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Bayern zumindest solange, wie kein Hinweis des Fahrzeughalters auf eine konkrete Internetseite oder ein anderer Anhaltspunkt vorliegt, dass eine Suche im Internet Erfolg versprechend sein könnte.

Im Ergebnis durfte die Behörde daher anordnen, dass das Unternehmen für den betroffenen Dienstwagen ein Fahrtenbuch führen muss. Mit diesem war ein Geschwindigkeitsverstoß begangen worden, der Fahrer konnte jedoch nicht ermittelt werden. Eine gesonderte Recherche im Internet war nicht erforderlich.

Quelle | VGH Bayern, Urteil vom 16.04.2015, 11 ZB 15.171, Abruf-Nr. 145953 unter www.iww.de.

Saisonkennzeichen: Versicherungsschutz besteht auch in der Außerbetriebphase

| Viele Cabrios und Motorräder sind seit November von der Straße verschwunden. Sie werden vorübergehend außer Betrieb gesetzt und erst im Frühjahr bei schönem Wetter wieder hervorgeholt. Wer nur ein paar Monate im Jahr fährt, will natürlich nur dafür Steuern und Versicherungsbeiträge zahlen. Mit Saisonkennzeichen kein Problem. Trotzdem ist das Fahrzeug auch in der Zeit versicherungsrechtlich geschützt, in der es außer Betrieb gesetzt ist. |

Wird das Fahrzeug eingemottet, erlischt der Versicherungsschutz nicht völlig. Während des Stilllegungszeitraums besteht in der Kfz-Versicherung eine kostenlose Ruheversicherung. Sie kommt in der Kfz-Haftpflichtversicherung hauptsächlich zum Tragen, wenn auslaufende Betriebsstoffe wie Öl oder Benzin das Erdreich verschmutzen, vielleicht sogar ins Grundwasser sickern. Fordern zum Beispiel Vermieter oder Kommune deshalb Schadenersatz, wäre das ein Fall für die Versicherung.

Die Ruheversicherung kann auch eine Teilkasko-Versicherung (TK) miteinschließen, vorausgesetzt die Versicherung bestand schon vor der Ruhephase. Wichtig wird die Ruheversicherung in der TK vor allem, wenn Winterstürme schwere Gegenstände durch die Luft wirbeln, die dann das Kraftfahrzeug beschädigen. Aber auch Themen wie Motorbrand durch Kurzschluss in der Elektronik oder Diebstahl spielen immer wieder eine Rolle.

PRAXISHINWEIS | Um von der kostenlosen Ruheversicherung zu profitieren, muss es sich beim Winterquartier entweder um einen Raum oder zumindest um einen umfriedeten Abstellplatz handeln. Umfriedung kann heißen, der Platz ist von einem Zaun oder einer Hecke umschlossen. Wer ein Carport für diesen Zweck nutzt, sollte die freien Seiten wenigstens mit einer Kette sichern.

Quelle | HUK-Coburg

OWI-Recht: Blutprobe kann bei Cannabisverdacht auch ohne richterliche Anordnung verwertbar sein

| Erfolgt eine Blutentnahme gegen den Willen des Betroffenen und ohne richterliche Genehmigung, kann sie im Prozess gleichwohl verwendet werden. |

Das ist das Ergebnis eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens vor dem Amtsgericht München. Betroffen war ein 24-jähriger Autofahrer, der bei einer Polizeikontrolle aufgefallen war. Weil er am Tag zuvor etliche Joints geraucht hatte, hatte er zitternde und schwitzende Hände sowie gerötete und glasige Augen.

Er willigte zunächst in eine Blutentnahme ein. Als diese dann stattfinden sollte, waren bereits eineinhalb Stunden vergangen. Der Mann weigerte sich nun plötzlich, die Blutentnahme an sich vornehmen zu lassen. Daraufhin ordnete einer der Polizeibeamten sofort die Blutentnahme gegen den Willen des Mannes an. Eine richterliche Entscheidung holte er nicht mehr ein. Bei dem dadurch entstehenden Zeitverlust wäre nach seiner Begründung der Beweiswert der Blutentnahme gefährdet, da sich der Wirkstoff im Blut abbaut.

Vor Gericht verweigerte der Mann die Aussage. Er vertrat die Meinung, dass die Entnahme der Blutprobe rechtswidrig war und sie nicht für den Prozess verwertet werden dürfe.

Der zuständige Richter am Amtsgericht München verwertete das Ergebnis der Blutprobe gleichwohl. Er verurteilte den Mann zu einer Geldbuße von 500 EUR und einem Monat Fahrverbot.

Es sei hier zwar unterblieben, eine richterliche Anordnung der Blutentnahme einzuholen. Dafür hätten aber sachliche Erwägungen vorgelegen. So wäre der Beweiswert durch eine weitere Verzögerung gefährdet gewesen. Die Blutentnahme sei daher nicht unter willkürlicher Umgehung der richterlichen Entscheidungsbefugnis angeordnet worden, sondern aufgrund sachlicher Erwägungen. Das Ergebnis der Blutuntersuchung ist selbst dann verwertbar, wenn sich der Polizeibeamte bei der Anordnung der Blutentnahme über die Sachlage geirrt haben sollte, etwa über die Größe der Gefahr des Beweisverlusts bei weiterer Verzögerung oder das Ausmaß der zeitlichen Verzögerung durch den Versuch, eine richterliche Entscheidung einzuholen.

Ein Verwertungsverbot wird nicht dadurch begründet, dass die Blutentnahme gegen den Willen des Betroffenen ohne richterliche Anordnung erfolgte. Denn grundsätzlich dürfen Polizeibeamte eine Blutentnahme anordnen, wenn der Untersuchungserfolg durch eine Verzögerung gefährdet ist. Ein möglicher Irrtum bei der Einschätzung, ob Gefahr im Verzug vorlag, schadet der Verwertbarkeit nicht. Es kommt daher nicht darauf an, wie groß die Verzögerung bei Einschaltung des Richters gewesen wäre, und ob tatsächlich dadurch eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs eingetreten ist.

Die Polizeibeamten haben die Gefährdung des Untersuchungserfolgs auch nicht selbst schuldhaft herbeigeführt. Denn der Mann hatte zunächst eingewilligt. Daher konnten sie bis zum Widerruf der Einwilligung davon ausgehen, dass keine richterliche Entscheidung notwendig sein würde. Die Entscheidung über die Entnahme der Blutprobe ist daher nicht willkürlich dem Richter entzogen worden.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 14.4.2015, 953 OWi 434 Js 211506/14, Abruf-Nr. 145848 unter www.iww.de.

Parkverbot: Abgesenkter Bordstein kann Parkverbot begründen

| Auch ein Bordstein, der auf einer eine Fahrzeuglänge überschreitenden Strecke abgesenkt ist (hier: etwa 20 Meter), kann ein Parkverbot begründen. |

Hierauf wies das Kammergericht (KG) hin. Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist das Parken vor „Bordsteinabsenkungen“ unzulässig. Unklar war bisher jedoch, was eine „Bordsteinabsenkung“ ist bzw. wie lang sie sein darf/muss, wenn das Parken vor ihr verboten sein soll. Das Oberlandesgericht Köln hatte sich schon 1997 dazu geäußert (DAR 97, 79). Es war davon ausgegangen, dass nur ein Bordstein, der eine Fahrzeuglänge nicht überschreitet, ein Parkverbot nach der StVO begründen kann. Anders entschied jetzt das KG. Es begründet das u.a. mit dem Wortlaut der Vorschrift. Dem sei keine Begrenzung auf eine Fahrzeuglänge zu entnehmen. Eine Bordsteinabsenkung setze nach dem Wortsinn lediglich voraus, dass es in unmittelbarer Nähe eine „regulär“ höhere Bordsteinkante gibt. Das heißt: Im Anschluss an die Absenkung müsse der Bordstein wieder höher werden. Eine Längenbegrenzung ergebe sich aus dem Begriff der Absenkung jedenfalls nicht. Das KG verweist zudem auf den Regelungszweck der Vorschrift. Sie solle vorrangig Rollstuhlfahrern das Auf- und Abfahren erleichtern. Es sei nicht einzusehen, warum diese Erleichterung auf einen Bereich von nur wenigen Metern beschränkt sein sollte.

Quelle | KG, Urteil vom 22.6.2015, 3 Ws (B) 291/15 – 122 Ss 88/15, Abruf-Nr. 145277 unter www.iww.de.

Behindertenparkplatz: Schwerbehinderung schützt nicht vor Abschleppmaßnahmen

| Ein im Parkverbot abgestelltes Fahrzeug darf abgeschleppt werden, selbst wenn im Fahrzeug ein spezieller Parkausweis für Behinderte (blauer Parkausweis) ausliegt. |

So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Köln im Fall eines Pkw, der im Zielbereich des am folgenden Tag stattfindenden Köln-Marathons parkte. Dort war Parken großräumig durch Zusatzbeschilderung verboten. Im PKW war gut sichtbar ein blauer Parkausweis ausgelegt, der zum Parken auf Behindertenparkplätzen berechtigt. Da im Sichtbereich kein freier, zulässiger Parkplatz zur Verfügung stand, wurde der Pkw abgeschleppt.

Der Kläger weigert sich die Kosten für das Abschleppen zu zahlen. Er meint, aufgrund des blauen Parkausweises hätte die Ordnungsamtsmitarbeiterin nicht nur im Sichtbereich nach einem geeigneten Alternativparkplatz Ausschau halten müssen. Sie hätte auch die Umgebung von einigen hundert Metern einbeziehen müssen. Das sah das VG Köln anders. Nur im Sichtbereich komme es in Betracht, ein Fahrzeug umzusetzen. Es bestehe keine Pflicht, im Nahbereich nach geeigneten Parkplätzen zu suchen. Daran ändere auch der ausgelegte Parkausweis für Behinderte nichts.

Quelle | VG Köln, Urteil vom 1.10.2015, 20 K 5858/14, Abruf-Nr. 145849 unter www.iww.de.

Autowerkstatt: Werkstatt hat keinen Zahlungsanspruch gegen den Kunden bei Motoraustausch nach Garantiezusage des Herstellers

| Der Inhaber einer Kfz-Werkstatt hat keine Zahlungsansprüche gegen den Kunden für den von ihm durchgeführten Motoraustausch an einem knapp zwei Jahre alten Transporter, sofern nach einer Garantieanfrage eines Mitarbeiters der Werkstatt eine Garantiezusage des Herstellers erfolgte. |

Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden und die Klage einer Kfz-Werkstatt abgewiesen. Beklagter war der Eigentümer eines knapp zwei Jahre alten Transporters. Dieser war aufgrund eines Motorschadens liegen geblieben und in die Werkstatt geschleppt worden. Nachdem Prüfarbeiten am Fahrzeug durchgeführt wurden und der Beklagte einige Unterlagen vorgelegt hatte, erteilte der Hersteller des Fahrzeugs auf Anfrage der Kfz-Werkstatt eine Garantiezusage. Die Kfz-Werkstatt baute daraufhin einen Austauschmotor ein.

Knapp vier Monate nach der Reparatur versagte der Hersteller die Garantieleistung. Er begründete das damit, dass die im Garantievertrag vereinbarten Wartungsintervalle vom Beklagten nicht eingehalten worden seien. Mögliche Ansprüche für die Kosten des Motortausches gegen den Beklagten trat er an die Kfz-Werkstatt ab. Die Werkstatt verlangt nun von dem Kunden die Kosten der Reparatur erstattet.

Das OLG hat die Zahlungsklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die vorbehaltlose Garantiezusage des Herstellers sei die rechtliche Grundlage für die Reparaturarbeiten gewesen. Etwaige Gründe für einen Wegfall dieser Zusage und einer damit einhergehenden Verpflichtung des Kunden, die Kosten für den Motoraustausch doch auszugleichen, könnten nur in dem Verhältnis zwischen Hersteller und Kunde geltend gemacht werden. Gründe für einen solchen Wegfall der Garantiezusage bestünden aber auch nicht. Die Garantiezusage sei nämlich nicht ohne Weiteres einseitig abänderbar, nur weil der Hersteller nach vier Monaten die Sachlage anders beurteilt. Er habe vorab die Voraussetzungen für die Garantiezusage eigens geprüft und bejaht. Daher falle es in seinen Risikobereich, ob die für den Eintritt eines Garantiefalls im Vertrag vorgesehenen Bedingungen tatsächlich eingehalten worden sind oder nicht. Letztlich seien daher weder Zahlungsansprüche der Kfz-Werkstatt noch solche des Herstellers gegen den Beklagten entstanden.

Quelle | OLG Koblenz, Urteil vom 11.6.2015, 6 U 1487/14, Abruf-Nr. 144847 unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Ladenbesitzer haftet, wenn Auto mit „herrenlosem“ Einkaufswagen zusammenstößt

| Ein Ladenbesitzer muss auch nach Geschäftsschluss dafür Sorge tragen, dass seine Einkaufswagen sicher abgestellt sind. Einkaufswagen sind so zu sichern, dass sie von Unbefugten nicht benutzt werden und auch nicht selbstständig wegrollen können. Hält der Ladenbesitzer diese Sorgfaltspflichten nicht ein, muss er den entstandenen Schaden tragen. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Autofahrers entschieden. Dieser hatte nachts eine Straße befahren. Vor dem Lebensmittelmarkt des Beklagten stieß das Fahrzeug mit einem Einkaufswagen zusammen. Dieser war nach der Darstellung des Klägers kurz vor dem Vorbeifahren des Fahrzeugs unvermittelt auf die Straße gerollt. Nun verlangt er seinen Fahrzeugschaden in Höhe von ca. 5.400 EUR vom Beklagten ersetzt. Er stützt sich dabei auf eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Ladenbesitzers.

Die Schadenersatzklage war zu 80 Prozent erfolgreich. Die Richter entschieden, dass der Beklagte haften müsse, weil er die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Auch nach Geschäftsschluss habe er für das sichere Abstellen der Einkaufswagen vor seinem Geschäft Sorge tragen müssen. Dabei habe er sicherstellen müssen, dass die Einkaufswagen nicht unbefugt von Dritten benutzt werden oder selbstständig wegrollen. Die tatsächlich ergriffenen Sicherungsmaßnahmen seien unzureichend gewesen. Die Einkaufswagen seien lediglich mittels einer durch sie geführten, unverschlossenen Kette verbunden gewesen. Eine weitergehende Sicherung und auch ein die Wagen verbindendes Pfandsystem habe es nicht gegeben. Hierdurch seien die Einkaufswagen für Dritte leicht zugänglich gewesen. Es sei nicht nur vereinzelt zu beobachten, dass leicht zugängliche Einkaufswagen nach Geschäftsschluss, durch Trunkenheit oder Übermut begünstigt, zweckwidrig verwendet und anschließend auch andernorts zurückgelassen würden. Um dies zu verhindern, könne man die Einkaufswagen z.B. mit einer abschließbaren Kette verbinden. Das erfordere keinen spürbaren wirtschaftlichen Aufwand. Es wäre für den Ladenbesitzer möglich und zumutbar gewesen, diese Sicherungsmaßnahmen zu beachten. Weil er es nicht getan habe, hafte er.

Der Autofahrer müsse allerdings 20 Prozent seines Schadens selber tragen. Es sei ihm zwar kein Verschulden an dem Unfall anzulasten. Allerdings sei die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs in entsprechender Höhe zu berücksichtigen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 18.8.2015, 9 U 169/14, Abruf-Nr. 145586 unter www.iww.de.

Geldbuße: Wirtschaftliche Verhältnisse und Höhe der Geldbuße

| Wird eine Geldbuße von mehr als 250 EUR verhängt, muss das Gericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters feststellen. |

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. hin. Die Richter machten deutlich, dass dies für eine gerechte Strafe erforderlich sei. Es hänge nämlich von der Leistungsfähigkeit des Täters ab, wie empfindlich und damit nachhaltig ihn die Geldbuße trifft.

Quelle | OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 19.6.2015, 2 Ss OWi 474/15, Abruf-Nr. 145073  unter www.iww.de.