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Karin Tempel-Maier

Unfallschadenregulierung: Ausfahrt aus Grundstück als besonders gefährliches Fahrmanöver

Wer trotz eines herannahenden Fahrzeugs mit seinem Fahrzeug aus einer Grundstücksausfahrt auf die Fahrbahn einbiegt, um unmittelbar danach links abzubiegen, vollzieht ein besonders gefährliches Fahrmanöver. Auch nach Beendigung der Grundstücksauffahrt kann er für einen Zusammenstoß mit dem herannahenden und zum Überholen ansetzenden Fahrzeug allein verantwortlich sein.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und einer Autofahrerin die alleinige Schuld an einem Verkehrsunfall gegeben. Diese war mit ihrem Pkw aus einer Grundstücksausfahrt nach links abgebogen, um nach etwa 14 m erneut nach links in die dortige Querstraße abzubiegen. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich der Kläger mit seinem Pkw in gleicher Fahrtrichtung. Beide Fahrzeuge kollidierten im Einmündungsbereich der Querstraße, als der Kläger den vor ihm auf die Straße gefahrenen Wagen der Beklagten überholen wollte.

Die Richter am OLG haben eine alleinige Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall bejaht. Ein Verschulden des Klägers an dem Zusammenstoß sei nicht festzustellen. Demgegenüber liege ein schwerwiegendes Verschulden der Beklagten vor, das ihre alleinige Haftung für den Verkehrsunfall begründe. Sie habe die beim Einfahren aus einer Grundstücksausfahrt geltenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen verletzt. Ihr Fahrmanöver sei anhaltend gefährlich gewesen, weil sie – obwohl sie den herannahenden Pkw des Klägers bemerkt habe – mit geringer Geschwindigkeit in die Fahrbahn eingebogen sei, um unmittelbar danach nach links abzubiegen. Dabei sei ihre Abbiegeabsicht für den nachfolgenden Verkehr nicht ohne Weiteres zu erkennen gewesen. Ihre verlangsamte Fahrweise habe auch auf eine gemächliche Einordnung in den fließenden Verkehr hinweisen können, das für den nachfolgenden Verkehr rechtzeitig erkennbare Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers habe sie nicht dargetan. Deswegen habe sie ihre Einfahrt auf die Fahrbahn bis zum Passieren des klägerischen Fahrzeugs zurückstellen oder sich besonders darüber vergewissern müssen, dass ihre Absicht links abzubiegen erkannt werde. Das habe sie versäumt und es zudem unterlassen, durch die zweite Rückschau unmittelbar vor Beginn des Abbiegevorgangs noch einmal auf den rückwärtigen Verkehr zu achten (OLG Hamm, 9 U 210/13).

Unfallschadenregulierung: Versicherer bearbeiten Bagatellunfälle auch ohne Polizeiprotokoll

Die Polizei erfasst rund 2,4 Millionen Verkehrsunfälle im Jahr. Bei über 80 Prozent der Unfälle entsteht ein kleinerer oder größerer Sachschaden. Tatsächlich dürften sich aber weit mehr Verkehrsunfälle auf Deutschlands Straßen ereignen. Denn nicht immer ist es zwingend erforderlich, die Polizei zur Unfallaufnahme zu rufen. Was viele nicht wissen: Der Versicherer verlangt bei Bagatellunfällen für die Schadenregulierung nicht zwingend eine polizeiliche Unfallaufnahme.

Wenn der Unfallschaden wenige hundert Euro nicht übersteigt, können die Beteiligten den Unfall also auch selbst dokumentieren und gemeinsam ein Unfallprotokoll anfertigen. Dieses sollte aber die gleichen Angaben enthalten, wie ein Polizeiprotokoll. Am besten gelingt das mit dem Europäischen Unfallbericht. Den Europäischen Unfallbericht erhält man kostenlos bei seiner Kraftfahrtversicherung.

5 Tipps: Was bei einem Unfall auf jeden Fall notiert werden sollte:

  • Das amtliche Kennzeichen des Unfallgegners.
  • Namen und Adressen der beteiligten Fahrer. Die Unfallbeteiligten sollten sich die Ausweispapiere zeigen lassen und die Versicherungsgesellschaft und die Nummer des Versicherungsscheines notieren.
  • Ort und Zeit des Unfalles.
  • Namen und Adressen von Zeugen.
  • Sicher ist sicher: Fotos vom eigenen und vom gegnerischen Fahrzeugschaden machen. Die gesamte Unfallstelle von verschiedenen Standpunkten fotografieren und eine Unfallskizze anfertigen.

Ganz wichtig: Die Beteiligen müssen ihren Versicherer schnellstmöglich informieren und sollten niemals ein Schuldanerkenntnis abgeben.

Wurden Personen verletzt oder ist ein erheblicher Blechschaden entstanden, sollte immer die Polizei verständigt werden. Manchmal ist es auch schwierig zu beurteilen, wann eine Delle eine Delle bleibt und wann sie sich als größerer Schaden entpuppt. Im Zweifel sollte auch hier die Polizei dazu geholt werden. Vor allem, wenn man das Gefühl hat, dass irgendetwas nicht stimmt, Alkohol oder Drogen im Spiel sind oder der Unfallgegner versucht, einem die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Bei der Regulierung des Schadens ist man am besten bei seinem Anwalt aufgehoben. Das spart nicht nur Zeit und Nerven. Es hilft auch, gefährliche und kostspielige Fallen zu vermeiden.

Erbrecht: Schlusserbe wird kein Ersatzerbe

Schlägt der durch ein gemeinschaftliches Ehegattentestament zum Alleinerben bestimmte überlebende Ehegatte die Erbschaft aus, ist ein in dem Testament bestimmter Schlusserbe ohne ausdrückliche testamentarische Bestimmung regelmäßig nicht als Ersatzerbe für den ausschlagenden Ehegatten berufen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einer erbrechtlichen Streitigkeit entschieden. Beteiligte zu 1 daran ist die Tochter aus der ersten Ehe des im Jahre 2012 im Alter von 83 Jahren verstorbenen Erblassers. Der Beteiligte zu 2 ist der Neffe der zweiten Ehefrau des Erblassers. Gemeinsam mit seiner zweiten Frau errichtete der Erblasser im Jahre 2005 ein Ehegattentestament, mit dem sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten und die Beteiligten zu 1 und 2 zu gleichen Teilen als Schlusserben des Letztversterbenden bestimmten. Nach dem Tode des Erblassers schlug die zweite Ehefrau die Erbschaft aus. Daraufhin hat die Beteiligte zu 1 einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt. Dem Antrag ist der Beteiligte zu 2 mit der Begründung entgegengetreten, er sei aufgrund des Testaments aus dem Jahre 2005 hälftiger Miterbe geworden.

Die Richter am OLG gaben der Beteiligten zu 1 recht. Als einziger Abkömmling des Erblassers sei sie dessen Alleinerbin geworden. Da die zweite Ehefrau die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen habe, stehe ihr kein gesetzliches Erbrecht zu. Die im Ehegattentestament geregelte Konstellation, dass beide Beteiligte Schlusserben nach dem Letztversterbenden werden sollten, liege nicht vor, weil der Erblasser der zuerst Verstorbene sei.

Die Beteiligten zu 1 und 2 seien in dem Ehegattentestament auch nicht zu Ersatzerben für den Fall berufen worden, dass der überlebende Ehegatte die ihm zufallende Erbschaft ausschlage. Eine ausdrückliche Berufung beider Beteiligten zu Ersatzerben enthalte die letztwillige Verfügung nicht. Sie sei auch nicht in diesem Sinne auszulegen. Mit der Einsetzung des überlebenden Ehegatten als Alleinerben und weiterer Personen als Schlusserben hätten die testierenden Eheleute bei der Errichtung eines Ehegattentestaments bezweckt, das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen zunächst dem überlebenden Ehegatten ohne jede Einschränkung zukommen zu lassen, um das Vermögen dann nach dem Tode des Letztversterbenden den Schlusserben zuzuwenden. Dem liege regelmäßig die Erwartung zugrunde, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tode des Erstversterbenden das ihm Zugewandte auch annehme. Schlage der überlebende Ehegatte die Erbschaft aber aus, erhalte er die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurück. Dass der Erblasser für diesen Fall den Willen gehabt habe, die als Schlusserben für das gemeinsame Vermögen ausgewählten Personen auch als Ersatzerben für (allein) sein Vermögen zu bestimmen, könne regelmäßig nicht angenommen werden. Mit der Ausschlagung verliere nämlich die Tochter des Erblassers die mit Bindungswirkung ausgestattete Aussicht, auch nach dem Tode der überlebenden zweiten Ehefrau zur Schlusserbin berufen zu sein (OLG Hamm, 15 W 136/13).

Ehegattenunterhalt: Dienstwagen zur privaten Nutzung erhöht unterhaltspflichtiges Einkommen

Wird einem unterhaltspflichtigen Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt, erhöht sich sein unterhaltspflichtiges Einkommen in dem Umfang, in dem er eigene Aufwendungen für die Unterhaltung eines Pkw erspart.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall getrennt lebender Eheleute entschieden. Diese stritten über Trennungsunterhalt. Der unterhaltspflichtige Ehemann hat von seinem Arbeitgeber einen Firmenwagen, den er auch privat nutzen darf. Diesen setzt er unter anderem bei Besuchen der gemeinsamen, bei der Ehefrau lebenden Tochter ein. Das Fahrzeug wird mit einem Betrag von 236 EUR brutto auf den monatlichen Gehaltsabrechnungen des Ehemanns einkommenserhöhend aufgeführt und sodann als Nettobetrag von dem Gesamtbruttoeinkommen abgezogen. Der Ehemann hat gemeint, dass ein Pkw-Vorteil in Höhe von 236 EUR bei der Berechnung des ihm monatlich zur Verfügung stehenden, der Unterhaltsberechnung zugrunde zu legenden Einkommens nicht zu berücksichtigen sei. Dieser sei kein anzurechnender Privatvorteil, weil er den Pkw privat nur für die Besuche seiner Tochter einsetze und private Fahrten im Übrigen mit seinem Motorrad erledige.

Die Richter am OLG sahen das jedoch anders. Sie lehnten es ab, den Nettobetrag als einkommensmindernden Abzug anzuerkennen. Der Ehemann habe insoweit einen monatlichen Nutzungsvorteil, der beim unterhaltspflichtigen Einkommen zu berücksichtigen sei. Dieses erhöhe sich um den Betrag ersparter eigener Aufwendungen für die Unterhaltung eines Pkw, wenn einem Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt werde. Hiervon sei im vorliegenden Fall mangels beachtlichen gegenteiligen Vortrags auszugehen. Der Ehemann nutze den Pkw privat für das Abholen und Zurückbringen der gemeinsamen Tochter. Daher liege neben der beruflichen Nutzung auch eine anteilige Privatnutzung vor. Ihr Vorteil könne mit dem in der Gehaltsabrechnung angegebenen Betrag bewertet werden. Einen geringeren Umfang der Privatnutzung im Verhältnis zur gesamten Nutzung habe der Ehemann nicht dargelegt. Auf eine fehlende Ersparnis eigener Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt, dass er sich den Dienstwagen privat nicht angeschaffte hätte, könne sich der Ehemann nicht berufen. Er habe nämlich selbst vorgetragen, dass er einen Pkw für die Umgangskontakte mit seiner Tochter nutze (OLG Hamm, 2 UF 216/12).

Kindesunterhalt: Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen wird durch Kindergeld nicht erhöht

Muss ein Vater seinen fünf minderjährigen Kindern Unterhalt leisten, so wird seine Leistungsfähigkeit durch den für die beiden in seinem Haushalt lebenden Kinder gewährte Kinderzuschlag nicht erhöht.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Kinderzuschlag dazu diene, den Unterhaltsbedarf der mit dem Unterhaltsverpflichteten in einem Haushalt lebenden Kinder sicherzustellen (OLG Düsseldorf, 1 WF 310/11).

Nichteheliche Lebensgemeinschaft: Rückforderung einer Zuwendung an den Lebensgefährten

Wendet ein Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft dem anderen einen Geldbetrag zu, kommt es auf den Zweck und die Motivation an, ob es sich um eine Schenkung oder um eine unbenannte Zuwendung handelt. Davon hängt es ab, ob er den Betrag später zurückfordern kann oder nicht.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Der Kläger in dem Verfahren war Inhaber eines Sparbriefs in Höhe von 50.000 EUR. Im Mai 2007 begab er sich mit seiner nichtehelichen Lebensgefährtin auf eine mehrmonatige gemeinsame Europareise. Kurz vor dem geplanten Abreisedatum veranlasste er, dass der Sparbrief über 50.000 EUR aufgeteilt wurde. Eines der neuen Papiere über einen Betrag von 25.000 EUR wurde auf den Namen der Lebensgefährtin ausgestellt. Ende 2008 trennten sich die Parteien, weil die Lebensgefährtin aus der gemeinsamen Wohnung auszog. Mit der Klage hat der Kläger zunächst die Herausgabe des Sparbriefs geltend gemacht. Nunmehr verlangt er nach Gutschrift des Geldbetrags auf einem Konto der Frau die Zahlung von 25.000 EUR zuzüglich Zinsen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und angenommen, es liege eher eine Schenkung als eine unbenannte Zuwendung unter Lebensgefährten vor. Der Zuwendung liege weder eine Zweckabrede zugrunde, noch sei die Geschäftsgrundlage für die Zuwendung weggefallen. Die Richter am BGH sahen das anders. Sie entschieden, dass die Ausstellung des Sparbriefs auf den Namen der Frau als eine unbenannte Zuwendung und nicht als Schenkung einzuordnen sei. Dies habe nämlich der Verwirklichung, Ausgestaltung und Erhaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien dienen sollen. Hiergegen spreche nicht, dass die Zuwendung die Lebensgefährtin erst für den Fall des Todes des Klägers finanziell absichern sollte. In der zugrunde liegenden Abrede komme gleichwohl zum Ausdruck, dass die Solidarität der Parteien auch über den Tod des Klägers hinaus wirken. Damit sollte zugleich die Verbundenheit der Lebenspartner zu Lebzeiten bekräftigt werden. Mit der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei diese Grundlage der Zuwendung weggefallen. Deshalb stehe dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung zu (BGH, X ZR 135/11).

Urlaubsrecht: Sonderurlaub aus Anlass einer Geburt auch für Nichtverheiratete möglich

Einem Beamten kann Sonderurlaub aus Anlass der Geburt seines Kindes nicht ohne Weiteres mit der Begründung verweigert werden, er sei mit der Kindesmutter nicht verheiratet.

Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin im Fall eines Kriminalkommissars beim Bundeskriminalamt entschieden. Dieser hatte im Jahr 2011 Sonderurlaub von einem Tag wegen der Niederkunft seiner nichtehelichen Lebensgefährtin beantragt. Dies war mit der Begründung abgelehnt worden, die Sonderurlaubsverordnung gewähre Sonderurlaub nur bei Niederkunft der Ehefrau oder Lebenspartnerin nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz. Soweit nach der Verordnung daneben Sonderurlaub auch aus anderen gewichtigen Gründen gewährt werden könne, sei der Fall der Geburt durch die speziellere Vorschrift abschließend geregelt. Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrte der Kläger die Gewährung von Sonderurlaub und rügte u.a. seine Ungleichbehandlung gegenüber Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften.

Das VG bestätigte zwar, dass sich der Kläger nicht auf die für verheiratete oder in eingetragener Lebenspartnerschaft lebende Beamtinnen und Beamte geltende Bestimmung berufen könne. Diese Regelung verletzte weder das grundgesetzliche Gebot des Ehe- und Familienschutzes noch den Gleichheitssatz. Denn die Unterscheidung beruhe auf einem sachlichen Grund. Der Gesetzgeber habe die Ehe bzw. die Lebenspartnerschaft als eine auf Lebenszeit angelegte Gemeinschaft mit wechselseitigen Beistandspflichten ausgestaltet. Diese Pflichten bestünden bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft gerade nicht. Allerdings schließe dies nicht aus, die Niederkunft der Lebensgefährtin als einen anderen wichtigen persönlichen Grund im Sinne der Vorschrift anzusehen. Dies habe die Beklagte zu Unrecht verkannt. Der Kläger kann nun verlangen, dass die Beklagte nochmals unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen damaligen Antrag entscheidet und ihr Ermessen ausübt (VG Berlin, VG 7 K 158.12).

Kündigungsrecht: Unberechtigte Vorwürfe gegen Kollegen können Kündigung rechtfertigen

Wirft eine Arbeitnehmerin ihren Kollegen Alkoholexzesse und sexuelle Handlungen während der Arbeitszeit vor, sollte sie dies beweisen können. Ansonsten sind solche Vorwürfe als Ehrverletzungen einzustufen, die eine ordentliche Kündigung rechtfertigen.

Zu diesem Ergebnis kam das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall einer Arbeitnehmerin, die gegen ihre Kollegen schwere Vorwürfe erhoben hatte. So würde es am Arbeitsplatz zu Alkoholexzessen und sexuellen Handlungen während des Dienstes kommen. Der Arbeitgeber kündigte der Arbeitnehmerin fristgemäß.

Das LAG hat die ordentliche Kündigung nach der Vernehmung von Zeugen für berechtigt gehalten. Es hat die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin abgewiesen. Sie habe ihre Kollegen zu Unrecht beschuldigt. Hierdurch habe sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt. Dem Arbeitgeber sei es nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen (LAG Berlin-Brandenburg, 19 Sa 322/13).

Bewerbung: Fingierte Testbewerbung kann Altersdiskriminierung nicht unbedingt beweisen

Allein der Altersunterschied zwischen zwei unterschiedlich behandelten Bewerbern lässt noch keine Diskriminierung wegen Alters vermuten. Notwendig ist größtmögliche Vergleichbarkeit der Personen, der Bewerbungssituation und das Fehlen anderer Aspekte. Eine fiktive Testbewerbung kann gegen Gesetze verstoßen.

Das sind die Ergebnisse eines Rechtsstreits vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein. Auslöser hierfür war die Suche einer Arbeitgeberin nach einem Mitarbeiter. Der 50-jährige Kläger bewarb sich. Er verfügte über die nach der Ausschreibung notwendigen Kenntnisse. Einige der geforderten Praxiserfahrungen lagen aber bereits mehrere Jahre zurück. Der Kläger schickte zusätzlich eine Testbewerbung einer von ihm fingierten, 18 Jahre jüngeren Person ab, die auch über die nach der Ausschreibung notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügte. Dafür hatte er sich einen in Teilen ähnlichen Lebenslauf aber mit anderen Tätigkeiten ausgedacht, Briefkopfbögen von Schulen und teilweise existierenden, teilweise nicht existierenden Firmen genutzt bzw. kreiert und Zeugnisse erstellt sowie ein altes Foto von sich verwendet. Die gewünschten Praxiserfahrungen dieser Testperson waren aber wesentlich aktueller und teilweise auch spezieller. Die unbemerkt getestete Arbeitgeberin lud den fiktiven Bewerber umgehend zum Vorstellungsgespräch ein. Dieser sagte sofort ab. Dem Kläger schickte die Arbeitgeberin einige Zeit später eine allgemeine Absage. Daraufhin klagte dieser auf Zahlung einer Entschädigung von mindestens 10.500 EUR wegen Altersdiskriminierung.

Das Arbeitsgericht Neumünster hat dem Kläger 2.000 Euro zugesprochen. Beide Parteien zogen vor das LAG. Das gab der getesteten Arbeitgeberin Recht und wies die Klage insgesamt ab.

Nach der Entscheidung des LAG liegen keine Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger „wegen“ seines Alters nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen, also benachteiligt worden ist. Allein auf das Bestehen eines Altersunterschieds könne nicht abgestellt werden. Andere Indizien hätte der Kläger nicht darlegen können. Inszenierte Testverfahren zur Klärung von Diskriminierungsfällen sind nach der Gesetzesbegründung zum Antidiskriminierungsgesetz zwar zulässig. Sie müssten aber, so das LAG, einen Auslöser haben, die Strafgesetze beachten und dürften nicht rechtsmissbräuchlich sein. Ob all das beachtet wurde, sei hier bedenklich gewesen, letztendlich aber nicht mehr entscheidend. Sei aufgrund konkreter Tatsachen, die im Arbeitsleben üblicherweise von Bedeutung sind, für den getesteten Arbeitgeber Raum für eine andere Auswahlentscheidung, bestehe keine Vermutung für eine Altersdiskriminierung. Das sei hier der Fall. Aus Sicht des LAG habe die Arbeitgeberin ihre Auswahlentscheidung auf die nach der Papierform aktuelleren Erfahrungen des fiktiven Bewerbers im Bereich der elektronischen Entwicklung und von diesem jahrelang durchgeführten Kundensupport gestützt (LAG Schleswig-Holstein, 3 Sa 401/13).

Urlaubsrecht: Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub

Wird dem Arbeitnehmer unbezahlter Sonderurlaub gewährt, darf deshalb der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht gekürzt werden.

So entschied es aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Krankenschwester. Diese hatte vom 1. Januar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. September 2011 unbezahlten Sonderurlaub. Danach verlangte sie erfolglos von ihrem Arbeitgeber die Abgeltung von 15 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Der von den Parteien vereinbarte Sonderurlaub habe dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahres 2011 nicht entgegengestanden. Er habe den Arbeitgeber auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt. Nach § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) habe jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Diese Vorschrift sei unabdingbar. Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordere nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartezeit. Das BUrlG binde den Urlaubsanspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis noch ordne es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an. Allerdings sehen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeitgeber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit (§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 S. 1 ArbPlSchG) vor. Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses während einer Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG) finde sich dagegen nicht. Komme es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindere dies grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch sei der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt (BAG, 9 AZR 678/12).