Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht
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Karin Tempel-Maier

Gesetzliche Krankenversicherung: Berücksichtigung einer Unterhaltsabfindung bei der Beitragsbemessung der gesetzlichen Krankenversicherung

| Die Abfindungszahlung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs ist bei der Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht auf 12 Monate, sondern auf 10 Jahre zu verteilen. |

So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall einer Frau, die zunächst über ihren Ehemann in der gesetzlichen Krankenkasse familienversichert war. Nach rechtskräftiger Scheidung ihrer 22-jährigen Ehe beantragte sie die Aufnahme als freiwilliges Mitglied. Sie hatte nach der Scheidung von ihrem geschiedenen Ehemann einen Abfindungsbetrag für den nachehelichen Unterhaltsanspruch in Höhe von 35.000 EUR erhalten. Die Krankenkasse berücksichtigte die Abfindungszahlung bei der Festsetzung der Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Sie legte diese auf zwölf Monate um, in dem sie von beitragspflichtigen monatlichen Einnahmen in Höhe von 2.916,67 EUR ausging. Hiergegen wandte sich die Frau. Da sie sich ihren kompletten Unterhaltsanspruch habe abfinden lassen, sei die Abfindungszahlung zumindest auf 10 Jahre umzulegen.

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse verurteilt, die Höhe des Gesamtbeitrags zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage der Mindestbeitragsbemessungsgrenze festzusetzen. Zwar sei nach § 5 Abs. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine einmalige beitragspflichtige Einnahme dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 zuzuordnen. Da mit der Zahlung der Abfindung die nachehelichen Unterhaltsansprüche vollständig abgegolten wurden, sei jedoch eine Umlegung auf zwölf Monate nicht gerecht. Die Abfindung sei vielmehr mit einem Versorgungsbezug oder einer Kapitalabfindung vergleichbar, sodass sie entsprechend der Regelung des § 5 Abs. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze auf 120 Monate (10 Jahre) umzulegen sei.

Das LSG hat diese Entscheidung bestätigt. Bei der Bemessung der Beiträge für freiwillige Mitglieder sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Tatsächlich nicht erzielte Einnahmen dürften nicht fingiert werden. Die Beitragsverfahrensgrundsätze sähen für die streitige Abfindung eines nachehelichen Unterhalts keine passende Regelung vor. Die Beurteilung als einmalige Einnahme mit einer Zuordnung von 1/12 würde zu einer unangemessenen Schlechterstellung der Frau gegenüber Personen führen, die ihren nachehelichen Unterhalt regelmäßig monatlich über einen längeren Zeitraum erhalten. Daher bestimme der Zufluss der 35.000 EUR entgegen der Ansicht der Krankenkasse nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin für ein Jahr, sondern ersetze den Unterhaltsanspruch mehrerer Jahre, also eine monatlich regelmäßig wiederkehrende Leistung. Versorgungsbezüge, die ebenfalls eine Einkommens- oder Unterhaltsersatzfunktion hätten, würden auf 10 Jahre verteilt. Daher sei auch die Verteilung der Abfindung auf 10 Jahre angemessen.

Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.1.2015, L 1/4 KR 17/13, Abruf-Nr. 144495 unter www.iww.de.

Namensrecht: Voraussetzungen für die Änderung des Familiennamens eines Pflegekindes

| Der Familienname eines Kindes kann in den Namen der Pflegeeltern geändert werden, wenn dies dem Wohl des Kindes förderlich ist. |

Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz im Fall eines heute 10-jährigen Kindes, das seit seiner Geburt bei Pflegeeltern lebt. Es trägt den Familiennamen der leiblichen Mutter. Auf Wunsch des Kindes und im Einverständnis mit den Pflegeeltern gab die zuständige Verbandsgemeinde dem Antrag auf Änderung des Familiennamens des Kindes in den der Pflegeeltern statt. Sie führte aus, dass eine Namensänderung zur dauerhaften Sicherung des Wohls des Kindes erforderlich sei. Dagegen richtete sich die Klage des leiblichen Vaters. Er sieht die Interessen der leiblichen Eltern unnötig zurückgesetzt. Eine Namensänderung sei nicht notwendig, um seinem Kind Sicherheit zu vermitteln. Sie schade vielmehr der Bindung zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind.

Das VG wies die Klage des leiblichen Vaters ab. Nur ein wichtiger Grund rechtfertige es, den Familiennamen zu ändern. Ob ein solcher vorliege, müsse durch eine Abwägung aller Umstände des Falls geklärt werden. Erforderlich sei, dass sich ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Belange ergebe. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits für den Fall entschieden, dass ein Kind in Dauerpflege aufwächst. Nach der Rechtsprechung ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die begehrte Namensänderung dem Wohl des Pflegekindes förderlich sei. Weiterhin dürften überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall bestehe eine intensive Beziehung des Kindes zu den Pflegeltern. Die gelte es auch zukünftig zu stabilisieren. Das Interesse des leiblichen Vaters trete dahinter zurück. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Kind schon bisher einen anderen Familienname trage als sein Vater.

Quelle | VG Mainz, Urteil vom 24.4.2015, 4 K 464/14, Abruf-Nr. 144716 unter www.iww.de.

Erbrecht: Zulässige Doppelbelastung durch Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen

| Eine Doppelbelastung durch Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen ist verfassungsgemäß. |

Das ist das Ergebnis einer Verfassungsbeschwerde gegen die Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Richter nahmen die Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung an. Aufgrund der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des Gesetzgebers sei es mit dem Gebot der steuerlichen Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, eine später entstehende Einkommensteuer bei der Berechnung der Erbschaftsteuer in dieser Konstellation unberücksichtigt zu lassen.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 7.4.2015, 1 BvR 1432/10, Abruf-Nr. 144662 unter www.iww.de.

Testament: Die Bezugnahme auf ein maschinenschriftliches Testament kann ausnahmsweise wirksam sein

| Die Bezugnahme auf ein nicht in Testamentsform abgefasstes Schriftstück ist unschädlich, wenn sie lediglich der näheren Erläuterung testamentarischer Bestimmungen dient. |

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg in einer Entscheidung hin. In dem Fall hatte die Erblasserin E ihren vorverstorbenen Ehemann M beerbt. Für den zweiten Erbfall hatten die Ehegatten in einem maschinenschriftlichen Testament geregelt, dass der Sohn S der E und der Enkel EN (Beteiligter zu 1) je Erben zu 1/4 werden sollten. Die andere Hälfte des gemeinsamen Nachlasses sollte den Geschwistern des M zufallen (darunter die Beteiligten zu 2 und 3). Später erstellte die E ein eigenhändiges Testament. Darin hieß es: „Da mein Sohn (…) am (…) verstorben ist, setze ich für die Hälfte meines Vermögens meinen Enkel als Haupterben ein. Die andere Hälfte geht an die Erben, die im Testament genannt sind.“ Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragten einen Erbschein, wonach EN Erbe zu 1/2 und die vier Geschwisterstämme des M Erben zu je 1/8 geworden sind. Das Nachlassgericht kündigte die Erteilung des Erbscheins an.

Das OLG wies die dagegen gerichtete Beschwerde des EN zurück. Die Richter machten deutlich, dass das maschinenschriftliche Testament formunwirksam sei. Fraglich sei daher, ob dessen Inhalt dadurch zur Geltung kommen konnte, dass E darauf im handschriftlichen Testament Bezug genommen hat. Dazu müsse der wahre Wille der E ermittelt werden. Dieser sei durch das formunwirksame Testament erkennbar: Nach dem Tod der Ehegatten sollte das Vermögen zur Hälfte an den Stamm der E und zur Hälfte an die gesetzlichen Erben des M fallen.

Anschließend sei zu klären, ob der Wille der E im handschriftlichen Testament ausreichend angedeutet ist, damit die Testamentsform gewahrt ist. Dies sei hier der Fall. Das formwirksame handschriftliche Testament der E bestimme die nicht namentIich genannten Miterben zur Hälfte nicht nur durch Bezugnahme auf die „im Testament genannten“ Personen. Es biete sogar selbst einen gewissen Anhalt für die nähere Bestimmbarkeit dieser Personen. Denn es bringe zum Ausdruck, dass die E an ganz bestimmte Personen gedacht habe. Es sei somit zur Klarstellung dessen, was die E mit ihrer testamentarischen Erklärung gemeint habe, auf das von ihr ausdrücklich in Bezug genommene formunwirksame gemeinschaftliche Testament zurückzugreifen. Denn Aufgabe der Testamentsauslegung sei es, den u.U. verborgenen Sinn einer testamentarischen Verfügung zu ermitteln, und zwar auch unter Heranziehung von Umständen außerhalb der Testamentsurkunde.

Der Wille der E habe sich in ihrem Testament, wenn auch unvollkommen, ausgedrückt. Biete aber das Testament eine Grundlage für die Auslegung, und sei sie auch noch so gering, könne dem Ergebnis der gebotenen Auslegung Formnichtigkeit nicht entgegengehalten werden.

Quelle | OLG Hamburg, Beschluss vom 18.3.2015, 2 W 5/15, Abruf-Nr. 144493  unter www.iww.de.

Mindestlohn: Leistungsbonus wird in die Berechnung des Mindestlohns einbezogen

| In die Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) kann ein bisher gezahlter Leistungsbonus eingerechnet werden. |

Diese Entscheidung traf das Arbeitsgericht Düsseldorf im Fall einer Frau, die bei der beklagten Arbeitgeberin zunächst mit einer Grundvergütung von 8,10 EUR pro Stunde vergütet wurde. Daneben zahlte die Arbeitgeberin einen „freiwilligen Brutto/Leistungsbonus von max. 1,00 EUR, der sich nach der jeweilig gültigen Bonusregelung“ richtete. Anlässlich der Einführung des MiLoG teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, die Grundvergütung betrage weiter 8,10 EUR brutto pro Stunde, der Brutto/Leistungsbonus max. 1,00 EUR pro Stunde. Vom Bonus würden allerdings 0,40 EUR pro Stunde fix gezahlt. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Leistungsbonus dürfe in die Berechnung des Mindestlohns nicht einfließen. Er sei zusätzlich zu einer Grundvergütung in Höhe von 8,50 EUR pro Stunde zu zahlen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Zweck des MiLoG sei es, dem oder der Vollzeitbeschäftigten durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen. Es komme – unabhängig von der Bezeichnung einzelner Leistungen – allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Mindestlohnwirksam seien daher alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt würden. Da ein Leistungsbonus, anders als beispielsweise vermögenswirksame Leistungen, einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweise, handele es sich um „Lohn im eigentlichen Sinn“, der in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen sei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle | Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.4.2015, 5 Ca 1675/15, Abruf-Nr. 144670 unter www.iww.de.

Öffentlicher Dienst: Altershöchstgrenzen für die Einstellung in den öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig

| Das Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen beinhaltet keine hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Einstellungshöchstaltersgrenzen. Die in der Laufbahnverordnung vom 30. Juni 2009 vorgesehenen Regelungen der Altershöchstgrenze sind daher mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar. |

Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden. Er hat damit zwei Verfassungsbeschwerden stattgegeben und die Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zugleich hat es die materiellen Anforderungen an Einstellungshöchstaltersgrenzen konkretisiert: Sie sind grundsätzlich zulässig, um ein ausgewogenes zeitliches Verhältnis zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit zu gewährleisten. Der Gesetzgeber verfügt insoweit über einen Gestaltungsspielraum. Dessen Grenzen ergeben sich unter anderem aus den Anforderungen des Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 GG) sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 21.4.2015, 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12, Abruf-Nr. 144650 unter www.iww.de.

Tarifvertrag: Stichtagsregelung für Gewerkschaftsmitglieder

| Grundsätzlich kann die Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an Dritte eine fristlose außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dies ist jedoch nicht bei jeder Weiterleitung sensibler Daten der Fall. |

Diese Einschränkung machte das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein im Fall eines Arbeitnehmers, der als Direktmarketing Manager beschäftigt war. Er hatte volle Zugriffsrechte zum SAP-System. Der Arbeitgeber ist Teil einer Unternehmensgruppe. Im Oktober 2013 wurde der ArbN zum Einzelbetriebsrat gewählt. Zur Einarbeitung verwies ihn der Arbeitgeber an den Betriebsrat im Schwesterunternehmen. Bei einem dienstlichen Auftrag stieß der Arbeitnehmer auf im SAP-System ohne Vertraulichkeitsvermerk hinterlegte Rechnungen der vom Arbeitgeber arbeitsrechtlich beauftragten Rechtsanwaltskanzlei. Der Arbeitnehmer druckte die Rechnungen und Timesheets aus und zeigte sie einem Betriebsratsmitglied des Schwesterunternehmens. Als dieses den Besitz der Unterlagen als kritisch erachtete, schredderte der Arbeitnehmer die Unterlagen sofort und ließ seine SAP-Zugriffsrechte einschränken. Der Arbeitgeber reagierte mit einer außerordentlichen Kündigung.

Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers war erfolgreich. Das LAG hält die Kündigung mangels wichtigen Grundes für unwirksam. Der Arbeitnehmer hatte einen uneingeschränkten Zugriff auf die SAP-Daten. Es handelte sich bei den Unterlagen nicht um Geschäftsgeheimnisse. Es fehlte jeder Vertraulichkeitsvermerk des Arbeitgebers. Angesichts der Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe und der vom Arbeitgeber gewünschten Zusammenarbeit handelt es sich beim Betriebsrat des Schwesterunternehmens nicht um einen Dritten. Schließlich hat der Arbeitnehmer aus dem Vorfall gelernt und sofort Konsequenzen gezogen. Im Übrigen hätte eine Abmahnung ausgereicht.

Quelle |  LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4.3.2015, 3 Sa 400/14, Abruf-Nr. 176806  unter www.iww.de.

Tarifvertrag: Stichtagsregelung für Gewerkschaftsmitglieder

| Alt-Gewerkschaftsmitglieder dürfen per Tarifsozialplan höhere Abfindungen erhalten als Arbeitnehmer, die nach einem bestimmten Stichtag der Gewerkschaft beigetreten sind. |

Zu diesem Ergebnis kam das Bundesarbeitsgericht (BAG). Ein Haustarifvertrag, der einen sozialplanähnlichen Inhalt hat, kann für Leistungen, die zur Abmilderung der wirtschaftlichen und sozialen Nachteile an tarifgebundene ArbN gezahlt werden, eine Stichtagsregelung vorsehen. Danach kann ein Anspruch nur für diejenigen Mitglieder bestehen, die zum Zeitpunkt der tariflichen Einigung der Gewerkschaft bereits beigetreten waren.

Quelle | BAG, Urteil vom 15.4.15, 4 AZR 796/13, Abruf-Nr. 144513 unter  www.iww.de.

Urlaubsrecht: Keine Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses

| Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub wegen Elternzeit nicht mehr kürzen. |

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) hin. Geklagt hatte eine Frau, die in einem Seniorenheim als Ergotherapeutin beschäftigt war. Bei einer Fünftagewoche standen ihr im Kalenderjahr 36 Urlaubstage zu. Im Dezember 2010 bekam die Frau einen Sohn. Sie war sodann bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Mai 2012 in Elternzeit. Anschließend verlangte sie ohne Erfolg die Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. Im September 2012 erklärte die Beklagte die Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Elternzeit. Das Landesarbeitsgericht hielt die nachträgliche Kürzung des Erholungsurlaubs für unwirksam. Es hat der Klägerin deshalb eine Urlaubsabgeltung zugesprochen.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die Richter entschieden, dass die Beklagte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit ihrer Kürzungserklärung im September 2012 den Anspruch der Klägerin auf Erholungsurlaub wegen der Elternzeit nicht mehr verringern konnte. Die Bestimmung im Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz (BEEG), nach der der Arbeitgeber den der Arbeitnehmerin zustehenden Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Zwar bestand nach der bisherigen Rechtsprechung eine Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Rechtsprechung hat das BAG aber aufgegeben. Nach der neueren Rechtsprechung des BAG ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch. Dieser verdankt seine Entstehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist der Abgeltungsanspruch entstanden, bildet er jedoch einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.

Quelle | BAG, Urteil vom 19.5.2015, 9 AZR 725/13, Abruf-Nr. 144712 unter www.iww.de.

Abschleppkosten: Zwei Abschleppvorgänge, weil Kind erst nach Hause muss

| Hat der Geschädigte bei einem Unfall abends ein fünfjähriges Kind im Fahrzeug, darf er den Abschleppunternehmer beauftragen, ihn, das Kind und das Fahrzeug zunächst nach Hause zu transportieren. |

Entsteht am anderen Tag eine weitere Unfallrechnung, weil die Werkstatt das Fahrzeug vom Wohnort zur Reparatur holt, verstößt das nicht gegen die Schadenminderungspflicht. So entschied es das Landgericht (LG) Lüneburg.

Quelle | LG Lüneburg, Urteil vom 7.4.2015, 9 S 104/14, Abruf-Nr. 144311 unter  www.iww.de.