Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht
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Urteilsarchiv

Karin Tempel-Maier

Haftungsrecht: Schmerzensgeldanspruch gegen einen Kollegen

| Verletzt ein Arbeitnehmer einen Kollegen während der Arbeit, kann der Verletzte kein Schmerzensgeld verlangen. Von diesem Grundsatz gibt es aber auch eine Ausnahme. |

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hin. Danach haftet ein Arbeitnehmer seinem Arbeitskollegen auf Schmerzensgeld, wenn der Personenschaden nicht bei einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten ist, sondern nur anlässlich einer solchen Tätigkeit. So kommt ein Haftungsausschluss beispielweise bei einer „Neckerei“ unter Arbeitskollegen nicht in Betracht. Das LAG hat eine solche Neckerei angenommen, wenn der Schädiger mit einem Gabelstapler auf einen Arbeitskollegen zurollt, um ihm „in die Brust zu zwicken“. Dabei war er ihm über den Fuß gefahren. Das bewege sich nach Ansicht der Richter nicht mehr im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit. Es sei unerheblich, dass der Schädiger den Gabelstapler anschließend in der Lagerhalle abstellen wollte.

Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.4.2016, 1 Sa 247/15, Abruf-Nr. 186600 unter www.iww.de.

Arbeitszeugnis: So muss die Unterschrift beim Arbeitszeugnis aussehen

| Wird ein Arbeitszeugnis erteilt, muss die gesetzliche Schriftform eingehalten werden. Die Unterschrift muss in der Weise erfolgen, wie der Unterzeichner auch sonst wichtige betriebliche Dokumente unterzeichnet. |

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hin. Die Richter entschieden, dass nur ein Handzeichen vorliegt, wenn der Namenszug hiervon abweicht. Dieses müsse dann notariell beglaubigt oder notariell beurkundet werden. Daher sei zweifelhaft, ob Arbeitszeugnisse unter diesen Voraussetzungen wirksam mit einem Handzeichen unterzeichnet werden können.

Im Übrigen begründe eine quer zum Zeugnistext verlaufende Unterschrift regelmäßig Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit. Sie verstoße damit gegen die Regelungen zum Zeugnis in der Gewerbeordnung. Danach darf das Zeugnis keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Ob diese andere Aussage vom Unterzeichnenden subjektiv bezweckt werde, sei dabei unerheblich.

Quelle | LAG Hamm, Beschluss vom 27.7.2016, 4 Ta 118/16, Abruf-Nr. 188209 unter  www.iww.de.

Trunkenheitsfahrt: Keine Trunkenheit im Verkehr bei betrunkenem Inlineskater

| Ein Inlineskater, der in alkoholisiertem Zustand die Fahrbahn einer Straße benutzt, macht sich nicht wegen Trunkenheit im Verkehr strafbar. |

Das ist das Fazit aus einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Landshut. Der Beschuldigte hatte als Inlineskater in alkoholisiertem Zustand die Fahrbahn einer Straße benutzt. Das Amtsgericht hatte den Erlass eines Strafbefehls wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr abgelehnt. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte keinen Erfolg.

Das LG entschied, dass Inlineskates keine Fahrzeuge sind. Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das LG hat seine Ansicht u.a. damit begründet, dass § 24 Abs. 1 S. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) feststellt, dass Inlineskates als besondere Fortbewegungsmittel keine Fahrzeuge im Sinne der StVO seien. Diese Einstufung der Inlineskates steht in Einklang damit, dass für Fahrzeuge ein Fahrbahnbenutzungszwang nach der StVO besteht. Zudem ist es Inlineskatern ausdrücklich untersagt, die Fahrbahn zu benutzen.

Quelle | LG Landshut, Beschluss vom 9.2.2016, 6 Qs 281/15, Abruf-Nr. 185542 unter www.iww.de.

Fahrtenbuch: Stinkefinger berechtigt nicht zur Fahrtenbuchauflage

| Die Fahrtenbuchauflage nach der StVZO ist sehr unbeliebt. Dass sie – auch bei erstmaligen – Verkehrsverstößen angeordnet werden kann, ist unbestritten. Die Frage ist: Was ist bei anderen Gesetzesverstößen? |

Die Antwort gibt das Verwaltungsgericht (VG) Augsburg (12.5.16, Au 3 K 15.1218, Abruf-Nr. 187780)  .Gegenstand des Urteils war u. a. der sog. „Stinkefinger“, den ein Motorradfahrer einem anderen Verkehrsteilnehmer nach einem Verkehrsverstoß gezeigt haben soll. Wegen dieses „Stinkefingers“ war Strafanzeige wegen Beleidigung erstattet worden. Das VG Augsburg weist insoweit darauf hin, dass eine etwaige Beleidigung nach durch Zeigen des sog. Stinkefingers außer Betracht zu bleiben muss, wenn eine Fahrtenbuchauflage angeordnet wird. Der Beleidigung fehlt der spezifische Verkehrsbezug. Mit ihr als solcher wird nicht gegen Verkehrsvorschriften zuwidergehandelt.

Quelle | VG Augsburg, Urteil vom 12.5.2016, Au 3 K 15.1218, Abruf-Nr. 187780 unter  www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Wenn Ampel von Grün auf Gelb umspringt, muss vor der Ampel angehalten werden

| Ein Fahrer verstößt gegen die Haltepflicht beim Wechsel einer Ampel von Grün auf Gelb, wenn er mit seinem Kfz in den Kreuzungsbereich einfährt, obwohl er mit normalem Bremsen zwar jenseits der Haltelinie, aber noch vor der Ampelanlage hätte anhalten können. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Rollerfahrers entschieden, der in den Kreuzungsbereich eingefahren war, als seine Ampel auf Grün umsprang. Aus der Gegenrichtung war ein Sattelzug noch in den Kreuzungsbereich eingefahren, nachdem die für ihn geltende Ampel von Grün auf Gelb umgesprungen war. Der Rollerfahrer bremste stark und geriet dabei in eine Schräglage. Bei Zusammenstoß mit dem Lkw verletzte er sich schwer. Er verlangte seinen materiellen Schaden ersetzt sowie ein Schmerzensgeld von 40.000 EUR. Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme zum Unfallhergang der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Es hat eine Haftungsquote von 70 zu 30 zugunsten des Rollerfahrers angenommen.

Die Berufung des Lkw-Fahrers blieb erfolglos. Das OLG hat das Urteil des Landgerichts bestätigt. Der Lkw-Fahrer habe den Unfall überwiegend verschuldet, so die Richter. Ihm sei ein Gelblichtverstoß vorzuwerfen. Das Gelblicht einer Ampel ordne an, das nächste Farbsignal der Ampelanlage abzuwarten. Sei das nächste Farbsignal – wie im vorliegenden Fall – rot, müsse der Fahrer anhalten. Voraussetzung sei, dass dies mit einer normalen Betriebsbremsung vor der Ampelanlage möglich sei. Andernfalls dürfe er weiterfahren. Er müsse aber den Kreuzungsbereich hinter der Lichtzeichenanlage möglichst zügig überqueren.

Im vorliegenden Fall habe der Lkw-Fahrer vor der Ampel anhalten müssen. Er habe den Sattelzug anhalten können, ohne übermäßig bremsen zu müssen. Das stehe nach dem im Prozess eingeholten Sachverständigengutachten fest. Dabei sei nicht entscheidend, ob er noch vor der Haltelinie der Ampelanlage habe zum Stehen kommen können. Wer die Haltelinie überquere, ohne einen Verkehrsverstoß zu begehen, dürfe dann nicht in jedem Fall an der Gelb- oder Rotlicht zeigenden Ampelanlage vorbeifahren. Er müsse vielmehr anhalten, wenn er bei normalem Bremsen noch vor der Ampelanlage zum Stehen kommen könne. Andernfalls gefährde er den Querverkehr in einer nicht hinnehmbaren Weise. Dies gelte besonders, wenn er ein großes und schwerfälliges Fahrzeug lenke, mit dem er bei Gelblicht nur langsam in den Kreuzungsbereich einfahren könne.

Abgesehen von dem Gelblichtverstoß sei dem Lkw-Fahrer vorzuwerfen, dass er den Sattelzug nicht angehalten und seinen Abbiegevorgang abgebrochen habe, als der Rollerfahrer in den Kreuzungsbereich eingefahren sei. Er habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass ihm dieser den Vorrang als Kreuzungsräumer belasse.

Im Verhältnis dazu stelle sich das unfallursächliche Verschulden des Rollerfahrers als weniger gewichtig dar. Ihm sei vorzuhalten, dass er in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, ohne auf den im Kreuzungsbereich fahrenden Sattelzug zu achten. Er habe sich nicht so verhalten, wie es von einem Verkehrsteilnehmer erwartet werden müsse, der eine Gefährdung anderer möglichst auszuschließen habe. Werden beide Verursachungsbeiträge zutreffend abgewogen, sei die festgestellte Haftungsquote von 70 Prozent zulasten des Lkw-Fahrers nicht zu beanstanden.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 30.5.2016, 6 U 13/16, Abruf-Nr. 188826 unter www.iww.de.

Sachverständigenhonorar: Zum Sachverständigen fahren oder ihn in die Werkstatt kommen lassen?

| Jedenfalls dann, wenn für die ordnungsgemäße Begutachtung eine Hebebühne benötigt wird, darf der Geschädigte den Sachverständigen in die Werkstatt kommen lassen. Das gilt selbst, wenn sein Fahrzeug fahrfähig und verkehrssicher ist. Die Auswahl eines Schadengutachters aus ca. 25 km Entfernung verstößt ebenfalls nicht gegen die Schadenminderungspflicht. |

Hierauf wies das Amtsgericht Nürnberg hin. Dabei geht es um die Frage der vom Schadengutachter berechneten Fahrtkosten. Die wären ja vermieden worden, wenn der Geschädigte zu ihm hingefahren wäre. Im konkreten Fall wurde aber eine Hebebühne benötigt, die der Schadengutachter an seinem Standort nicht hatte.

Beachten Sie | Gerichte müssen nur den Fall entscheiden, den sie vorgelegt bekommen. Deshalb hat das Amtsgericht hier auf die Notwendigkeit einer Hebebühne abgestellt. Käme man bei einer bühnenlos möglichen Begutachtung zu einem anderen Ergebnis, wäre zu bedenken, dass die Fahrt des Geschädigten zum Schadengutachter auch Geld kostet. Da sind mindestens 30 Cent pro Kilometer zu erstatten.

Quelle | Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 23.12.2015, 15 C 9285/15, Abruf-Nr. 187633 unter  www.iww.de.

Abschleppkosten: Auch bei Totalschaden darf zur Heimatwerkstatt abgeschleppt werden

| Bei Haftpflichtschäden muss der Schädiger grundsätzlich die Kosten für das Abschleppen bis zur Heimatwerkstatt erstatten. Das gilt auch, wenn sich der Schaden später in der Werkstatt als wirtschaftlicher Totalschaden herausstellt, der Geschädigte dies aber vorher nicht erkennen konnte. |

So urteilte das Amtsgericht Ingolstadt in einem Fall, in dem es um eine Strecke von etwa 100 km und Abschleppkosten in Höhe von 549,78 EUR ging. Das Amtsgericht begründet seine Entscheidung pro Heimatwerkstatt damit, dass

  • die Abwicklung der Reparatur und eventueller späterer Nachbesserungsarbeiten dadurch für den Geschädigten einfacher ist und
  • ein Mietwagentag bzw. Fahrtkosten eingespart werden, wenn der Geschädigte – wie im Urteilsfall – im Abschleppwagen mitfährt.

Beachten Sie | Bei Kaskoschäden gilt das nicht. In nahezu allen Verträgen lautet die Klausel „Abschleppen bis zur nächstgelegenen geeigneten Werkstatt.“

Quelle | Amtsgericht Ingolstadt, Urteil vom 18.2.2016, 10 C 2291/15, Abruf-Nr. 187421 unter www.iww.de.

Sorgerecht: Bei Urlaubsreise in Türkei muss Mitsorgeberechtigter zustimmen

| Aktuell kann ein Elternteil nicht alleine entscheiden, ob er mit dem gemeinsamen Kind eine Urlaubsreise in die Türkei macht. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. im Fall einer Kindesmutter, die mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei unternehmen wollte. Der getrennt lebende, aber mitsorgeberechtigte Vater wollte dies nicht. Er meint, er müsse zuvor zustimmen.

Das sah das OLG ebenso. Die Richter wiesen darauf hin, dass bei Angelegenheiten des täglichen Lebens der Elternteil alleine entscheiden könne, der die Obhut ausübt. Hier liege jedoch keine solche Angelegenheit des täglichen Lebens vor. Der mitsorgeberechtigte Elternteil müsse daher zustimmen.

Zwar ist eine Urlaubsreise nicht generell zustimmungspflichtig. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn die Reise besondere Gefahren mit sich bringt, die mit dem Reiseziel zusammenhängen. Dies ist hier der Fall. Wegen der Vielzahl an terroristischen Anschlägen in der Türkei liegen besondere Risiken vor, die mit dem gewählten Urlaubsziel zusammenhängen. Die Gefahr für das Kind geht somit über das allgemeine Lebensrisiko hinaus. Daher ist die geplante Reise vorliegend nicht mehr von der Alleinentscheidungsbefugnis der Mutter umfasst.

Quelle | OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.7.2016, 5 UF 206/16, Abruf-Nr. 188152 unter www.iww.de.

Erbrecht: Streit vermeiden – rechtzeitig den Nachlass regeln

| Das Vermögen der deutschen Haushalte wächst stetig. Im Jahr 2014 lag das Geldvermögen laut Bundesbank bei rund 5,2 Billionen EUR. Gegenüber dem Jahr 2004 bedeutet dies eine Zunahme von mehr als 1,2 Billionen EUR. „Damit gewinnen auch Vermögensübertragungen in Form von Erbschaften zunehmend an Bedeutung“, berichtet Dr. Carsten Walter, Geschäftsführer der Notarkammer Baden-Württemberg. |

Doch auf den Erbfall sind nur die wenigsten vorbereitet, wie eine repräsentative Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Bank ergeben hat. Nur jeder fünfte Deutsche hat sich bereits intensiver mit der Thematik befasst. Der Tod ist in Deutschland noch immer ein Tabuthema. Hinzu kommt, dass das Erbrecht als kompliziert empfunden wird. So überrascht es nicht, dass nicht einmal die Hälfte der Befragten ein Testament gemacht hat.

„Sich auf die gesetzliche Erbfolge zu verlassen, kann jedoch verhängnisvoll sein“, warnt Dr. Walter. Das gesetzliche Leitbild geht noch immer von einer traditionellen Familiensituation aus. Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Patchworkfamilien und Familien mit Pflegekindern finden ihre persönlichen Verhältnisse oft nur unzureichend in den gesetzlichen Regelungen berücksichtigt. Aber auch bei einer Familie traditioneller Prägung entspricht die gesetzliche Erbfolge häufig nicht den Vorstellungen der Betroffenen: Der überlebende Ehegatte erbt grundsätzlich neben den Kindern und wird mit diesen in eine Erbengemeinschaft gezwungen. Der Streit um das Erbe ist damit oft vorprogrammiert. Dabei ist der Mehrheit der Befragten gerade besonders wichtig, dass ein Streit um das Erbe vermieden wird. Die Aufteilung des Erbes soll klar geregelt sein und den Erben sollen im Erbfall alle notwendigen Dokumente wie Testamente und Vollmachten vorliegen.

„Es ist deshalb wichtig, den vom Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraum zu nutzen und den Nachlass rechtzeitig zu regeln“, weiß Dr. Walter. Hier bieten Anwalt und Notar Hilfestellung: Sie klären die individuellen Bedürfnisse, informieren über rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und formulieren rechtssicher den letzten Willen der Beteiligten. Durch eine Registrierung im Zentralen Testamentsregister ist zudem sichergestellt, dass das Testament im Erbfall aufgefunden und zügig vom Nachlassgericht eröffnet wird.

Zur rechtlichen Vorsorge gehört es aber auch, rechtzeitig an eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung zu denken. Während die Vorsorgevollmacht eine Vertrauensperson berechtigt, für den Vollmachtgeber in vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten tätig zu werden, legt die Patientenverfügung fest, welche Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe gestattet werden und welche zu unterbleiben haben.

„Gerade die Erteilung einer Vorsorgevollmacht kann eine sinnvolle Ergänzung zur letztwilligen Verfügung sein“, erläutert Dr. Walter. Sofern die Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten soll, sichert diese nämlich auch die Verwaltung des Nachlasses bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Erben ermittelt sind bzw. sie ihre Erbenstellung nachweisen können. Dadurch ist gewährleistet, dass stets ein Berechtigter über den Nachlass verfügen kann.

Man sollte also nicht lediglich darauf vertrauen, dass sich die Erben über die Aufteilung des Erbes schon einigen werden. Wer rechtzeitig vorsorgt und seinen Nachlass regelt, hat es vielmehr selbst in der Hand, den befürchteten Streit um das Erbe zu vermeiden.

Quelle | Hamburgische Notarkammer

Witwerrente: Bei 25 Jahren Beziehung und vier Tagen Ehe liegt Versorgungsehe vor

| Liebe allein ist kein Umstand, der geeignet ist, bei einer nur vier Tage währenden Ehe, die gesetzliche Vermutung des Sozialgesetzbuchs VI über das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen. Das gilt insbesondere, wenn die Beziehung bereits 25 Jahre andauerte und eine Trauung bis dato keine Rolle gespielt hat. |

Diese Klarstellung traf das Sozialgericht (SG) Stuttgart im Fall eines Paares, dass sich nach 25-jähriger Beziehung zur Heirat entschlossen hatte. Die Frau war schwer an Krebs erkrankt. Am 25.10.13 wurde die Ehe angemeldet, die Trauung fand am 29.10.13 in der gemeinsamen Wohnung des Klägers und der Versicherten statt, da diese bereits bettlägerig war. Noch am Tage der Eheschließung wurde die Versicherte notfallmäßig stationär aufgenommen und verstarb letztlich vier Tage später an der Krebserkrankung. Am 2.12.13 beantragte der Kläger eine Witwerrente. Diese wurde von der Beklagten unter Verweis auf das SGB VI abgelehnt. Danach haben Hinterbliebene keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat. Eine Ausnahme gilt nur, wenn nach den besonderen Umständen des Falls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Kammer hat sich der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung diverser Landessozialgerichte angeschlossen, wonach auch die Behauptung einer reinen Liebesheirat die gesetzliche Vermutung nicht zu widerlegen vermag, und die Klage abgewiesen.

Quelle | SG Stuttgart, Urteil vom 27.5.16, S 6 R 2504/14, Abruf-Nr. 188821 unter www.iww.de.