Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Kündigungsrecht: Fristlose Kündigung der telefonierenden Reinigungskraft

| Unterbricht eine Reinigungskraft in erheblichem Umfang ihre Arbeit, um in den zu reinigenden Büros mit den dort installierten dienstlichen Telefonen privat zu telefonieren und ausgiebig Zeitschriften zu lesen, kann dies eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. |

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hin. Voraussetzung sei allerdings eine einschlägige Abmahnung. Die Arbeitnehmerin sei hier zwar nicht wegen Telefonaten oder Zeitunglesen abgemahnt worden. So eng müsse die Abmahnung aber auch nicht gefasst sein. Sie sei vielmehr in einer vorherigen Abmahnung aufgefordert worden, unmittelbar nach Anmeldung im Zeiterfassungssystem die Arbeit aufzunehmen. Diese Abmahnung behandelt grundsätzlich einen Sachverhalt, in welchem die Arbeitszeit der Arbeitnehmerin bereits lief und diese dennoch noch keine Reinigungsarbeiten vorgenommen hatte. Für die Warnfunktion der Abmahnung genügt, dass die Pflichtverletzungen aus demselben Bereich stammen und der Arbeitnehmer bei gehöriger Sorgfalt erkennen konnte, dass der Arbeitgeber ein neuerlich störendes Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern eventuell mit einer Kündigung reagieren werde .

Mit dieser Abmahnung wurde der Arbeitnehmerin ausreichend deutlich vor Augen geführt, dass die unterbliebene sofortige Aufnahme der Arbeit nach Anmeldung im Zeiterfassungssystem als ein kündigungsrechtlich relevantes Arbeitszeitvergehen gewertet wird. Ein solches liegt auch bei Einstellung der Arbeitstätigkeit während der Arbeitsschicht und zu deren Ende vor. Insoweit macht es für die kündigungsrechtliche Bewertung der Einstellung der Arbeitstätigkeit keinen Unterschied, wann innerhalb der Arbeitsschicht die beanstandete Arbeitsbummelei erfolgte.

Quelle | LAG Nürnberg, Urteil vom 20.2.2019, 4 Sa 349/19, Abruf-Nr. 212557 unter www.iww.de.

Vertragsrecht: Muss eine Partei keine Leistung erbringen, liegt kein Arbeitsvertrag vor

| Eine Vereinbarung, wonach die eine Partei eine Zahlung leisten muss, für die die andere Partei nach ausdrücklicher Vereinbarung gerade keine Leistung erbringen muss, ist kein Austauschvertrag und damit auch kein Dienstvertrag und kein Arbeitsvertrag. |

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf. Schließen die Vertragsparteien den bewusst und gewollt auf die Vereinbarung einer solch einseitigen Leistungsverpflichtung gerichteten Vertrag gleichwohl unter der Bezeichnung „Arbeitsvertrag“ ab, so handelt es sich um ein Scheingeschäft. Dieses ist gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 2.8.2019, 10 Sa 1139/18, Abruf-Nr. 211902 unter www.iww.de.

Gesetzliche Unfallversicherung: Kein bisschen angestaubt: Sicherheitsbeauftragte werden heute genauso gebraucht wie vor 100 Jahren

| Seit über einhundert Jahren gibt es in deutschen Betrieben die „Sicherheitsbeauftragten“, die sich um Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit kümmern. 1919 beschloss der Verband der Deutschen Berufsgenossenschaften in allen größeren Betrieben dieses neue Ehrenamt einzuführen damals hieß es noch Unfallvertrauensmann. |

Hintergrund dieser Neuerung war die hohe Zahl der Arbeitsunfälle in jener Zeit. Das Jahr 1917 brachte einen traurigen Rekord: 7904 tödliche Arbeitsunfälle wurden aus deutschen Betrieben gemeldet so viele wie nie zuvor und danach. Wie konnte die Unfallgefahr gemindert werden? Die bereits bestehenden Kontrollen reichten offenbar nicht aus.

Die Beschäftigten eines Betriebs sollten deshalb eine „Vertrauensperson“ wählen, die „sich von dem Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung der vorgeschriebenen Schutzvorrichtung fortlaufend zu überzeugen, vorgefundene Mängel dem Betriebsleiter zu melden, aufgrund ihrer Erfahrungen und Beobachtungen selbst Vorschläge zur Verbesserung der Schutzvorrichtungen zu machen, auch das Interesse ihrer Arbeitsgenossen für den Unfallschutz zu wecken, sowie den mit der Überwachung betrauten staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Aufsichtsbeamten bei Betriebsbesichtigungen zu begleiten“ (*) habe.

Diese ‚Vertrauensperson‘, die im Betrieb Ansprechpartner ist für alle Fragen von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, gibt es bis heute. Hat ein Unternehmen mehr als 20 Beschäftigte, sind Unternehmerinnen und Unternehmer dazu verpflichtet, Sicherheitsbeauftragte zu bestellen. „Aktuell leisten 670.000 Sicherheitsbeauftragte ihren Beitrag zum Arbeitsschutz in Deutschland“, sagt Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): „Sie verankern Sicherheit und Gesundheit im Betrieb und sind Seismographen für Probleme oder akut auftretende Gefährdungen. Das macht ihre Arbeit so wertvoll für den Arbeitsschutz. Wir freuen uns deshalb, dass so viele Sicherheitsbeauftragte an unseren Fortbildungen teilnehmen.“

Das Aufgabenspektrum der Sicherheitsbeauftragten hat sich in den letzten 100 Jahren allerdings stark gewandelt so wie die Arbeitswelt selbst. Stand im Jahr 1919 noch die praktische Unfallverhütung im Mittelpunkt, gewinnen heute Fragen von Gesundheitsschutz und der Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren an Bedeutung. Neben der fachlichen Qualifikation werden methodische und soziale Kompetenzen immer wichtiger. Aus dem Sicherheitsbeauftragten ist ein Beauftragter oder eine Beauftragte für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit geworden.

Geblieben ist bei allem Wandel die besondere Qualität dieses Amtes: Die Sicherheitsbeauftragten sind ansprechbar für Kolleginnen und Kollegen, sie können unmittelbar auf Mängel hinweisen und ihre Ideen für mögliche Verbesserungen einbringen. Für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb sind sie auch heute unverzichtbar.

(*) Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses des Verbandes der Deutschen Berufsgenossenschaften am 20. Oktober 1919. In: Die Berufsgenossenschaft. Zeitschrift für die Reichs-Unfallversicherung, Ausgabe 1/1920, S. 5

Quelle | Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)

Erbrecht: Anfechtung der Erbschaft wegen Überschuldung

| Ist die Erbschaft überschuldet, kann dies eine verkehrswesentliche Eigenschaft sein, die zur Anfechtung berechtigen kann. Das gilt allerdings nur, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses beruht, also bezüglich des Bestands an Aktiva oder Passiva. |

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hin. Ein solcher Irrtum liegt nach Ansicht der Richter nur vor, wenn der Erbe von der Werthaltigkeit des Nachlasses ausgegangen ist. Daran fehlt es, wenn dem Erben die Möglichkeit der Überschuldung bewusst war, weil er selbst keine genauen Vorstellungen vom Nachlassbestand hatte. Insofern kann derjenige die Annahme der Erbschaft nicht anfechten, der sich eine falsche Vorstellung über die Größe des Nachlasses gemacht hat, ohne dessen Zusammensetzung näher zu kennen. Mit anderen Worten kann sich derjenige nicht auf einen Anfechtungsgrund berufen, der nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt war, die Erbschaft wolle er annehmen oder ausschlagen, sondern seine Entscheidung auf spekulativer  bewusst ungesicherter Grundlage getroffen hat.

Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.7.2019, 3 W 55/19, Abruf-Nr. 212528 unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Ohne Sicherheitsgurt droht ein Mitverschulden

| Wer als Beifahrer den Sicherheitsgurt nicht nutzt, muss sich bei einem vom Fahrer verschuldeten Unfall ein Mitverschulden anrechnen lassen. Die Verschuldensquote richtet sich nach dem jeweiligen Einzelfall. |

Diese Grundsatzentscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Rostock im Fall eines 16-jährigen Mädchens, die zu zwei Bekannten ins Auto gestiegen war. Nach kurzer Fahrt kam das vom damals 21-jährigen Beklagten geführte Fahrzeug von der Straße ab und kollidierte mit Straßenbäumen. Der Fahrer und das Mädchen erlitten schwere Verletzungen. Der weitere Beifahrer verstarb noch an der Unfallstelle. Das Mädchen erlitt u.a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und ist seit dem Unfall schwerbehindert. Sie benötigt eine Betreuung rund um die Uhr und besucht eine Einrichtung zur Förderung von behinderten Menschen. Die Haftpflichtversicherung des Fahrers zahlte ein Schmerzensgeld von 30.000 EUR.

Das Mädchen verlangt vom Fahrer und dessen Haftpflichtversicherung ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 320.000 EUR sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von mindestens 500 EUR monatlich sowie den Ersatz ihres Verdienstausfalls.

Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme festgestellt, dass das Mädchen als Beifahrerin auf der Rückbank des Fahrzeugs beim Unfall nicht angeschnallt war. Hätte sie den Sicherheitsgurt angelegt, hätte sie einen wesentlichen Teil der Verletzungen nicht erlitten. Das Landgericht hat deshalb das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 EUR für ausreichend erachtet und die Klage abgewiesen.

Vor dem OLG ging es insbesondere um die Rechtsfrage, nach welchen Kriterien das Mitverschulden des Mädchens zu bewerten ist.

In seinem Grundsatzurteil stellt das OLG fest, dass die geltend gemachten Ansprüche (Schmerzensgeld, monatliche Schmerzensgeldrente, Verdienstausfall ab dem Unfall bis zum fiktiven Renteneintritt und weiterer Schadensersatz), zu 2/3 berechtigt sind. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, weil ein Schmerzensgeld von 30.000 EUR die Ansprüche erfüllt hätte. Abweichend vom Landgericht hat das OLG nunmehr entschieden, dass die Mitverursachung nicht danach zu bemessen ist, welche unfallbedingten Verletzungen des Mädchens aus dem nicht angelegten Sicherheitsgurt resultieren. Vielmehr müsse in der Gesamtheit betrachtet werden, wie der Schaden entstanden ist. Dabei müssten alle Umstände abgewogen werden. Um eine so zu bildende Mithaftungsquote müssten die Ansprüche dann gekürzt werden.

Vorliegend hat das OLG die Mitverursachung des Mädchens mit 1/3 bemessen. Der Anteil des Unfallverursachers habe deutlich überwogen. Er habe die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um mehr als 25 Prozent überschritten und eine Kurve geschnitten.

Durch das Grundurteil besteht die Möglichkeit, im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde ggf. die Überprüfung durch den Bundesgerichtshof herbeizuführen. Da die genauen gesundheitlichen Folgen für die Klägerin und auch ihre Verdienstchancen noch nicht feststehen, wird der Senat weiteren Beweis zu erheben haben. Ein entsprechender Beweisbeschluss, mit dem ein fachärztliches Gutachten beauftragt worden ist, ist ebenfalls verkündet worden.

Quelle | OLG Rostock, Grundurteil vom 25.10.19, 5 U 55/17, Abruf-Nr. 212530 unter www.iww.de.

Erbrecht: Persönliche Haftung eines Erben bei Eintritt in das Mietverhältnis

| Tritt der Erbe kraft Gesetzes in das Mietverhältnis ein, weil der Erblasser alleine in der Wohnung lebte, kündigt er das Mietverhältnis aber nicht innerhalb eines Monats, liegt allein hierin keine Verwaltungsmaßnahme, welche die nach Ablauf dieser Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zu Nachlasserbenschulden beziehungsweise Eigenverbindlichkeiten werden lässt, für die der Erbe auch persönlich haftet. |

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Fall. Die Richter machten jedoch deutlich, dass der Erbe dann persönlich hafte, wenn er nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses seiner (fälligen) Pflicht zur Räumung und Herausgabe der Mietsache nicht nachkommt.

Quelle | BGH, Urteil vom 25.9.2019, VIII ZR 138/18, Abruf-Nr. 211702 unter www.iww.de.

Vorfahrtregelung: Wer sein Fahrrad schiebt, gibt sein Vorfahrtsrecht nicht auf

| Ein Fahrradfahrer verliert nicht sein Vorfahrtsrecht an einer unübersichtlichen Kreuzung, wenn er sein Fahrrad über eine kurze Wegstrecke schiebt. |

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Bremen. Die Richter argumentierten, dass sich für einen Fahrradfahrer an seiner Einordnung als Fahrzeugführer in Sinne der Straßenverkehrsordnung nichts ändert, wenn er anhält, absteigt und sein Fahrrad kurzfristig schiebt. Es besteht ein so enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang mit dem Führen des Fahrrads, dass eine derartige Differenzierung nicht geboten ist.

Quelle | OLG Bremen, Urteil vom 14.2.2018, 1 U 37/17, Abruf-Nr. 212531 unter www.iww.de.

Handynutzung: „Wegdrücken“ eines Anrufs beim Fahren ist eine Ordnungswidrigkeit

| Wer beim Fahren einen eingehenden Anruf auf seinem Mobiltelefon „wegdrückt“, handelt ordnungswidrig und kann mit einem Bußgeld belegt werden. |

Das ist das Ergebnis eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Die Richter machten in ihrer Begründung deutlich, dass ein Kraftfahrzeugführer ein Mobiltelefon bereits verbotswidrig nutzt, wenn seine beanstandete Handlung einen Bezug zu einer Funktion des Geräts hat. Damit sind nur solche Handlungen erlaubt, die keinen Zusammenhang zu einer bestimmungsgemäßen Nutzung des Geräts haben, z. B. das bloße Aufheben oder Umlagern. Entscheidend für den Vorwurf der Ordnungswidrigkeit ist, ob der Betroffene im Moment des Verstoßes beide Hände frei hat, um seine Fahraufgabe bewältigen zu können.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 26.9.2019, 4 RBs 307/19, Abruf-Nr. 212529 unter www.iww.de.

Aktuelle Gesetzgebung: Regierung beschließt Gesetzentwürfe zur Stiefkindadoption und Adoptionshilfe

| Mit zwei Gesetzentwürfen will die Bundesregierung die Möglichkeiten von Adoptionen und die Begleitung der daran beteiligten Familien verbessern. Das Bundeskabinett hat sowohl den Gesetzentwurf zur Stiefkindadoption aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) als auch den Entwurf des Adoptionshilfe-Gesetzes aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) beschlossen. |

1. Gesetzentwurf zur Stiefkindadoption (BMJV)

Der Gesetzentwurf zur Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien dient der Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.3.2019. Das Bundesverfassungsgericht hat im Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien einen Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot gesehen und diesen deshalb für verfassungswidrig erklärt. Zugleich hat es den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.3.2020 eine verfassungsmäßige Neuregelung zu treffen.

Die Neuregelungen eröffnen Personen in verfestigter Lebensgemeinschaft, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, die Möglichkeit der Adoption eines Kindes ihres Partners. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft liegt nach dem Gesetzesentwurf in der Regel vor, wenn die Betroffenen eheähnlich vier Jahre zusammengelebt haben oder eheähnlich mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben.

Mit dem Gesetzentwurf soll der Kritik des Bundesverfassungsgerichts begegnet und gleichzeitig die Situation der Kinder in diesen Familien verbessert werden. Auch wenn der Stiefelternteil und der Elternteil nicht heiraten, soll der Stiefelternteil das Kind seines Partners oder seiner Partnerin adoptieren können, damit die betroffenen Kinder zwei rechtliche Elternteile in der Familie haben, in der sie tatsächlich leben. Die Bundesregierung hat mit ihrem Entwurf das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet; Bundestag und Bundesrat haben jetzt eine Grundlage für ihre Beratungen.

2. Adoptionshilfe-Gesetz (BMFSFJ)

Jeden Tag werden in Deutschland zehn Kinder adoptiert seit 1990 mehr als 150 000. Eine Adoption endet nicht mit dem gerichtlichen Adoptionsbeschluss, sondern begleitet die abgebenden Eltern, die Kinder und die Adoptivfamilien ein Leben lang.

Mit dem Adoptionshilfe-Gesetz sollen die Herkunftsfamilien und die Adoptionsfamilien so unterstützt werden, wie sie es brauchen. Die rund 400 Adoptionsvermittlungsstellen in Deutschland sollen fachlich fundiert beraten und unterstützen und zwar vor, während und auch nach einer Adoption. Es geht sowohl um einen selbstverständlichen Umgang mit der Adoption in der Adoptionsfamilie, als auch um den Austausch und Kontakt mit der Herkunftsfamilie. Wenn beides sensibel begleitet wird, kann mehr Offenheit bei einer Adoption gelingen. Das soll Vertrauen schaffen, die kindliche Entwicklung fördern und die Familie stärken.

Das Gesetz enthält vier Bausteine, um die Adoptionshilfe in Deutschland zu verbessern:

1. Bessere Beratung aller an einer Adoption Beteiligten

Ein Rechtsanspruch auf eine Begleitung auch nach der Adoption soll die gute Beratung und Unterstützung aller Menschen sichern, die an einer Adoption durch die Adoptionsvermittlungsstellen beteiligt sind. Die unterschiedlichen Phasen der Adoption werden so als Ganzes betrachtet und begleitet. Zudem wird eine verpflichtende Beratung vor einer Stiefkindadoption eingeführt. Sie soll sicherstellen, dass eine Adoption tatsächlich das Beste für das Kind ist. Außerdem werden die Adoptionsvermittlungsstellen in ihrer Lotsenfunktion gestärkt, damit die Familien die Hilfen bekommen, die sie brauchen.

2. Aufklärung und Förderung eines offenen Umgangs mit Adoption

Der Gesetzentwurf soll zu einem offenen Umgang mit dem Thema Adoption beitragen: Zum einen sollen Adoptiveltern durch die Adoptionsvermittlungsstellen ermutigt und dabei unterstützt werden, ihr Kind altersgerecht über die Tatsache ihrer Adoption aufzuklären. Zum anderen soll die Vermittlungsstelle vor Beginn der Adoptionspflege mit den Herkunftseltern und den Adoptionsbewerbern erörtern, ob und wie ein Informationsaustausch oder Kontakt zum Wohl des Kindes gestaltet werden kann. Die Herkunftseltern sollen in ihrer Rolle gestärkt werden, indem sie gegenüber der Adoptionsvermittlungsstelle einen Anspruch auf allgemeine Informationen über das Kind bekommen, welche von der Adoptivfamilie freiwillig zur Verfügung gestellt wurden. Der Schutz von Informationen, deren Weitergabe nicht gewünscht ist, bleibt weiterhin gesichert.

3. Stärkung der Adoptionsvermittlungsstellen

Die Adoptionsvermittlungsstellen erhalten einen konkreten Aufgabenkatalog, der Klarheit über ihre Aufgaben schafft. Ein an die Adoptionsvermittlungsstellen gerichtetes Kooperationsgebot soll den fachlichen Austausch und die Vernetzung mit den verschiedenen Beratungsstellen fördern etwa mit der Schwangerschaftsberatung, der Erziehungsberatung und dem Allgemeinen Sozialen Dienst damit auf die Bedürfnisse der Familien sensibel reagiert werden kann.

4. Verbot von unbegleiteten Auslandsadoptionen und neues Anerkennungsverfahren

Auslandsadoptionen sollen künftig in jedem Fall durch eine Adoptionsvermittlungsstelle begleitet werden, damit die zukünftigen Eltern auf die Herausforderungen einer Auslandsadoption vorbereitet und die Interessen der Kinder ausreichend berücksichtigt werden können. International vereinbarte Schutzstandards sollen zukünftig bei allen Auslandsadoptionen eingehalten werden. Auslandsadoptionen ohne Begleitung einer Vermittlungsstelle werden untersagt. Für mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wird ein verpflichtendes Anerkennungsverfahren für ausländische Adoptionsbeschlüsse eingeführt.

Adoptionswesen in Zahlen

  • Zahl der Adoptionen im Jahr: 3.733 (2018), 3.888 (2017), 3.976 (2016), 3.812 (2015); 3.805 (2014)
  • Zahl der Adoptionen im Inland: 3.562 (2018), 3.662 (2017), 3.719 (2016), 3.548 (2015); 3.506 (2014)
  • Zahl der Adoptionen aus dem Ausland: 176 (2018), 238 (2017), 294 (2016), 314 (2015); 344 (2014)

Quelle | Bundesregierung

Aktuelle Gesetzgebung: Noch vor dem Weihnachtsgeschäft: Mehr Schutz für Paketboten

| Seit dem 23.11.2019 gilt das Paketboten-Schutz-Gesetz. Ziel ist, die Nachunternehmerhaftung, die bereits seit Jahren in der Fleischwirtschaft und am Bau wirkt, auf die Paketbranche auszuweiten. Die Neuregelung soll künftig sicherstellen, dass die Sozialversicherungsbeiträge korrekt gezahlt werden. Die Neuregelungen treten damit noch vor dem Weihnachtsgeschäft in Kraft. |

Einführung der Nachunternehmerhaftung

Das Gesetz führt in der Versandbranche die sogenannte Nachunternehmerhaftung ein: Sie verpflichtet Versandunternehmen, Sozialbeiträge für säumige Subunternehmer nachzuzahlen. Damit stellt sie sicher, dass Sozialversicherungsbeiträge auch bei Nachunternehmerketten abgeführt werden. In der Bau- und Fleischbranche gilt diese Haftungsregel bereits und hat sich laut Gesetzesbeschluss auch bewährt.

Ausnahme: Unbedenklichkeitsbescheinigung

Umgehen können Unternehmen die Haftung nur, wenn sie mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung belegen, dass ihre Subunternehmen vorab besonders geprüft sind. Krankenkassen und Berufsgenossenschaften stellen eine solche Bescheinigung aus, wenn Subunternehmen die Sozialbeiträge bisher ordnungsgemäß abgeführt haben.

Forderung der Länder aufgegriffen

Der Gesetzesbeschluss geht auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zurück, die damit eine Forderung der Länder aufgegriffen hat: Sie haben sich bereits im April diesen Jahres dafür ausgesprochen, die Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche einzuführen (siehe BR-Drs. 92/19).

Bundestag schafft Ausnahme für Speditionsunternehmen

Der Bundestag hat den Regierungsentwurf teilweise geändert, um Speditionsunternehmen von der Nachunternehmerhaftung auszunehmen. Bei ihnen sei die finanzielle Leistungsfähigkeit aufgrund anderer Bestimmungen gewährleistet, heißt es zur Begründung. Ausdrücklich in den Anwendungsbereich der Haftung aufgenommen hat er jedoch die stationäre Bearbeitung von Paketen. Gemeint ist damit das Sortieren von Paketen für den weiteren Versand in Verteilzentren. Diese erfolge regelmäßig durch Beschäftigte von Subunternehmen, deren soziale Absicherung verbessert werden müsse.

Quelle | Bundesrat, Bundestag