Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

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Urteilsarchiv

Geschwindigkeitsüberschreitung: In gut einer Stunde elfmal geblitzt kostet den Raser 1.504 EUR und drei Monate Fahrverbot

| Das Amtsgericht München verurteilte einen 24-jährigen Mann wegen einer fahrlässigen und fünf vorsätzlichen Überschreitungen der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von insgesamt 1.504 EUR und zu einem dreimonatigen Fahrverbot. |

Der Mann war am 23.5.2018 zwischen 0.00 und 1.27 Uhr mit seinem Pkw in München unterwegs. In der Zeit wurde er innerorts elfmal wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt. Er war dabei zwischen 34 und 64 km/h zu schnell. Der Mann machte zunächst keine Angaben zur Sache. Das Gericht hörte die zuständigen polizeilichen Messbeamten, verlas Messprotokolle und Eichscheine und sah die gefertigten Licht- und Messbilder ein. Über seinen Verteidiger ließ der Mann schlussendlich die Fahrereigenschaft einräumen.

Die zuständige Strafrichterin ist zugunsten des Betroffenen hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitungen Nr. 1 und Nr. 2 von Fahrlässigkeit ausgegangen. Sie verwies darauf, dass aber spätestens ab der Geschwindigkeitsüberschreitung Nr. 3 von Vorsatz ausgegangen werden muss. Dies ergibt sich daraus, dass der Betroffene während eines Zeitraums von 00.19 Uhr bis 00.33 Uhr zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen von 34 und 39 km/h vorgenommen hat. Daraus ist ersichtlich, dass er am Tattag während der insgesamt über eine Stunde dauernden Fahrt sich bewusst an keine Geschwindigkeitsbeschränkung innerhalb des Stadtgebiets München gehalten hat und damit die Geschwindigkeitsüberschreitungen zumindest billigend in Kauf nahm. Spätestens nach den ersten 14 Minuten Fahrtstrecke ist dieser Entschluss auch hinreichend deutlich nach außen in Erscheinung getreten, dass von einem vorsätzlichen Verhalten ausgegangen werden kann.

Da einige Geschwindigkeitsüberschreitungen zeitlich jeweils innerhalb weniger Minuten begangen wurden, ist das Gericht zugunsten des Betroffenen jeweils von Tateinheit ausgegangen. Für diese „zusammengefassten“ Taten wurde jeweils die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelbuße festgesetzt.

Die einzelnen Regelbußen hätten zusammengerechnet eine Summe von 3.760 EUR ergeben. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen hat das Gericht sich entschlossen, von diesen Sätzen lediglich jeweils 40 Prozent in Ansatz zu bringen. Somit ergebe sich der Bußgeldbetrag von 1.504 EUR. Außerdem wurde ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Dieses konnte im Hinblick der Vielzahl der Geschwindigkeitsüberschreitungen sowie die Vorahndungen des Betroffenen nicht reduziert werden. Der Betroffene hatte bereits am 13. und 20.5.2018 Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen, für die er zwischenzeitlich ebenfalls Bußgelder und Fahrverbote erhalten hat.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 1.3.2019, 953 OWi 435 Js 216208/18, Abruf-Nr. 209383 unter www.iww.de.

Hausratsverordnung: Voraussetzungen für die Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung

| Kann einer der Ehepartner nach einer Scheidung nicht nachweisen, dass er Eigentümer oder zumindest Miteigentümer des Hundes ist, kann er ihn von dem anderen Ehepartner nicht herausverlangen. |

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem Fall, in dem es um die Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung der Hundehalter ging. Der Entscheidung lag die Beschwerde einer geschiedenen Ehefrau zugrunde. Die Frau verlangte nach der Scheidung die von den Eheleuten bereits vorehelich angeschaffte Labradorhündin L. heraus. Nachdem sich die Eheleute noch in einer ersten mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht über einen regelmäßigen Umgang des Frauchens mit L. geeinigt hatten, hatte das Familiengericht nach einem streitigen zweiten Verhandlungstermin den Antrag der Ehefrau auf Herausgabe und Umgang mit L. zurückgewiesen.

Die Richter am OLG folgen der Auffassung des Familiengerichts, die Ehefrau habe ihr Eigentum oder ein gemeinsames Eigentum an der Hündin nicht nachgewiesen. Vielmehr sei aus dem Abgabevertrag des Tierhilfevereins, bei dem die späteren Eheleute den Welpen kurz vor der Heirat gekauft hatten, ersichtlich, dass der Ehemann Eigentümer von L. geworden sei. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Frau sich um L. wie ein Kind gekümmert haben will.

Das OLG verweist auf seine frühere Rechtsprechung. Danach sind auf Tiere grundsätzlich die für Sachen geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) anzuwenden. Die Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung richtet sich somit nach den für Haushaltsgegenstände geltenden Vorschriften. Danach kann das Gericht den betroffenen Haushaltsgegenstand nur an einen der Eheleute überlassen, wenn er im gemeinsamen Eigentum beider Eheleute steht. Steht der Haushaltsgegenstand – oder das Tier – demgegenüber im Alleineigentum eines Ehegatten, ist eine Zuteilung an den anderen Ehepartner nicht mehr gesetzlich vorgesehen. Darüber hinaus ist nach der Überzeugung des Gerichts selbst bei nachgewiesenem Miteigentum der Frau aus Kontinuitätsgründen rund drei Jahre nach der Trennung der Eheleute eine Aufenthaltsveränderung von L. für das Tierwohl nicht gut. L. lebte seither beim Ehemann im früheren ehegemeinsamen Haus mit großem Garten.

Der Familiensenat bestätigte auch die Feststellungen des Familiengerichts, dass ein gesetzlicher Anspruch auf die Regelung eines Umgangsrechts mit dem Hund nicht besteht. Ein derartiges Recht lässt sich weder aus der Hausratsverordnung noch aus den gesetzlichen Regelungen zum Umgangsrecht mit Kindern herleiten.

Quelle | OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.4.2019, 18 UF 57/19, Abruf-Nr. 208592 unter www.iww.de.

Adoption: Vollständiger Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien ist verfassungswidrig

| Der vollständige Ausschluss der Stiefkindadoption allein in nichtehelichen Familien verstößt gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es ist mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar, dass der Stiefelternteil in nichtehelichen Stiefkindfamilien die Kinder des anderen Elternteils nicht adoptieren kann, ohne dass die Verwandtschaft der Kinder zu diesem erlischt, wohingegen in einer ehelichen Familie ein solches Kind gemeinschaftliches Kind beider Eltern werden kann. |

Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschieden und die zugrunde liegenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches für verfassungswidrig erklärt. Gleichzeitig hat er dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31.3.2020 eine Neuregelung zu treffen. Die Richter haben ihre Entscheidung damit begründet, dass gegen die Stiefkindadoption vorgebrachte allgemeine Bedenken die Benachteiligung von Kindern in nichtehelichen Familien nicht rechtfertigen. Der Schutz des Stiefkinds vor einer nachteiligen Adoption lässt sich hinreichend wirksam auf andere Weise als den vollständigen Adoptionsausschluss sichern.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 26.3.2019, 1 BvR 673/17, Abruf-Nr. 208649 unter www.iww.de.

Erbrecht: Erbscheinverfahren: Eidesstattliche Versicherung eines Vorsorgebevollmächtigten

| Ist der Vertretene in einem Erbscheinverfahren nicht mehr in der Lage, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, kann sein gesetzlicher Vertreter, z. B. ein Betreuer, die Erklärung abgeben. Dies jedoch nur als eigene Erklärung und nicht für den Vertretenen. Dabei steht ein Vorsorgebevollmächtigter einem gesetzlichen Vertreter gleich. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Celle im Fall einer 95-jährigen Frau, die an Demenz erkrankt war. Sie war Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns geworden und wollte einen Erbschein beantragen. Dabei ließ sie sich durch einen mit notarieller General- und Vorsorgevollmacht versehenen Bevollmächtigten vertreten.

Der Bevollmächtigte hat vor dem Nachlassgericht an Eides statt versichert, dass ihm nicht bekannt ist, was der Richtigkeit seiner zur Begründung des Erbscheinantrags gemachten Angaben entgegensteht. Das für die Entscheidung über den Erbscheinantrag zuständige Amtsgericht hat den Antrag auf Erteilung des Erbscheins mit der Begründung abgelehnt, der Bevollmächtigte sei zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als gewillkürter Vertreter nicht berechtigt. Er sei nicht ausdrücklich dazu bevollmächtigt worden, sondern im Wege der Vorsorgevollmacht nur zur Vertretung in nicht-vermögensrechtlichen Angelegenheiten berechtigt, sofern eine Stellvertretung rechtlich zulässig ist. Das sei hinsichtlich der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht der Fall. Die eidesstattliche Versicherung könne nur von einem gesetzlichen Vertreter abgegeben werden, also einem Betreuer.

Das sahen die Richter am OLG anders. Sie entschieden, dass der Bevollmächtigte berechtigt sei, die Richtigkeit der zur Begründung des Erbscheinantrags erforderlichen Angaben an Eides statt zu versichern. Der Bevollmächtigte stehe hier einem Betreuer gleich. Die notarielle General- und Vorsorgevollmacht berechtige ihn auch, die eidesstattliche Versicherung abzugeben. Dies werde durch deren Wortlaut gedeckt.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 20.6.2018, 6 W 78/18, Abruf-Nr. 202424 unter www.iww.de.

Kindesunterhalt: Keine Verjährung von Unterhaltsansprüchen vor Vollendung des 21. Lebensjahres

| Die Verjährung titulierter Kindesunterhaltsansprüche ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Berechtigten gehemmt. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. Die Richter wiesen darauf hin, dass die Ansprüche auch nicht verwirkt sind, wenn der Beistand des Berechtigten ausschließlich wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zwar von einer Vollstreckung absieht, aber stets zu erkennen gibt, dass das Kind an seinen Ansprüchen festhält.

Das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment kann bei Ansprüchen auf Zahlung rückständigen Unterhalts gegeben sein, wenn der Gläubiger von einer erstmaligen gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche absieht, weil das Einkommen des Schuldners unter dem Selbstbehalt liegt. Das gilt aber nicht, wenn die Rückstände bereits tituliert sind.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 4.3.2019, 4 WF 170/18, Abruf-Nr. 208583 unter www.iww.de.

Arbeitsförderung: Fahrgastbegleiter mit Ein-Euro-Job hat keinen Anspruch auf Tariflohn

| Ein kostenloser Fahrgastbegleitservice für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste im ÖPNV ist eine Zusatzarbeit im Sinne des SGB II. Wer dort im Ein-Euro-Job beschäftigt ist, kann keinen Tariflohn verlangen. |

Das verdeutlicht eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen. Geklagt hatte ein ehemaliger Hartz-IV-Empfänger, der vom Jobcenter in eine Eingliederungsmaßnahme als Fahrgastbegleiter der Verkehrsbetriebe vermittelt wurde. Drei Jahre lang half er Senioren und Rollstuhlfahrern beim Einsteigen, unterstützte Eltern mit Kinderwagen und begleitete Patienten zum Arzt.

Als er in einer Praxis den Werbeflyer eines Begleitdienstes fand, kamen ihm Zweifel, ob er wirklich eine Zusatzarbeit ausübt. Vom Jobcenter verlangte der Mann nun Tariflohn als Wertersatz für seine Arbeit. Nach seiner Ansicht erbringe der Verkehrsbetrieb eine kostenlose Leistung, die bei anderen Anbietern im Rahmen von Betreuungen oder Eingliederungsleistungen Geld koste. Hierdurch entstehe eine wettbewerbsverzerrende Konkurrenz, die auch noch intensiv beworben werde.

Das LSG hat die Rechtsauffassung des Jobcenters bestätigt. Ein kostenloser Fahrgastbegleitservice für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste im ÖPNV sei eine Zusatzarbeit im Sinne des SGB II, soweit er nicht zum eigentlichen Leistungsspektrum des Personentransports gehöre. Dem stehe nicht entgegen, dass es bei dem Verkehrsbetrieb etwa 70 Fahrgastbegleiter gebe, für die Werbung gemacht werde.

Das Gericht hat die Unternehmensstatistiken ausgewertet und sich entscheidend darauf gestützt, dass dem Unternehmen durch den kostenlosen Service keine Zusatzeinnahmen entstünden. Gemessen an 176 Mio. Fahrgästen pro Jahr könne aus mehreren Hundert Personenbegleitungen pro Monat kein ernsthaftes wirtschaftliches Interesse am Ticketverkauf folgen. Ebenso wenig bestehe ein Verdrängungspotential anderer Anbieter, die zumeist auch ganz andere Leistungen wie Individualbetreuung erbringen würden.

Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.12.2018, L 11 AS 109/16, Abruf-Nr. 208586 unter www.iww.de.

Bildungsurlaub: Auch Yoga kann Bildung sein

| Ein Yogakurs kann unter bestimmten Voraussetzungen Bildungsurlaub rechtfertigen. |

Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschieden und einen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Bildungsurlaub für einen von der Volkshochschule angebotenen fünftägigen Kurs „Yoga I – erfolgreich und entspannt im Beruf mit Yoga und Meditation“ bejaht.

Zur Begründung hat das LAG ausgeführt, der Kurs erfülle die Voraussetzungen gemäß § 1 Berliner Bildungsurlaubsgesetz. Es reiche aus, dass eine Veranstaltung entweder der politischen Bildung oder der beruflichen Weiterbildung diene. Der Begriff der beruflichen Weiterbildung sei nach der Gesetzesbegründung weit zu verstehen. Hiernach solle unter anderem Anpassungsfähigkeit und Selbstbehauptung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter den Bedingungen fortwährenden und sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels gefördert werden. Auch ein Yogakurs mit einem geeigneten didaktischen Konzept könne diese Voraussetzungen erfüllen.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.4.2019, 10 Sa 2076/18, Abruf-Nr. 208587 unter www.iww.de.

Probezeit: Zehn weitverbreitete Mythen zur Probezeit

| Um die Probezeit ranken sich einige Mythen, die oft einen Kern arbeitsrechtlicher Wahrheit in sich bergen. Was Sie zur Probezeit und den mit ihr verbundenen Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis wissen müssen, klärt der vorliegende Beitrag. |

Mythos 1: Während der Probezeit darf es keine Befristung geben

Auch während des Laufs der Probezeit kann eine Befristung vereinbart werden. Die Erprobung ist als Sachgrund gesetzlich anerkannt. Ihre Dauer darf aber nicht unangemessen lang sein. Dies bedeutet, dass nur die zur Erprobung notwendige Dauer vereinbart werden darf. Wie aus der gesetzgeberischen Wertung hervorgeht, darf dabei die Dauer von sechs Monaten nicht überschritten werden.

Mythos 2: Die Probezeit ist gesetzlich vorgeschrieben

Die Probezeit ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Es gibt aber gesetzliche Vorgaben zu ihrer Ausgestaltung. So darf sie sechs Monate nicht überschreiten (§ 622 Abs. 3 BGB). Das KSchG ist erst nach sechs Monaten anwendbar. In Ausbildungsverhältnissen muss nach § 20 BBiG die Probezeit mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate dauern.

Mythos 3: Die Kündigung in der Probezeit ist stets möglich

Während der ersten sechs Monate benötigt der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund. Es gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Erst dann ist der Arbeitnehmer in Betrieben, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, durch das KSchG geschützt. Gleichwohl sind zum Beispiel Schwangere, unabhängig von der Vereinbarung einer Probezeit, vom ersten Tag der Beschäftigung an vor einer Kündigung geschützt. Für schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer gilt der besondere Kündigungsschutz aber erst nach sechs Monaten.

Mythos 4: In der Probezeit darf kein Urlaub genommen werden

Richtig ist, dass der volle Urlaubsanspruch erstmals nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben wird. Aber in jedem Monat wird ein Zwölftel des Jahresurlaubs erworben, den der Arbeitnehmer in Absprache mit dem Arbeitgeber auch während der Probezeit nehmen kann. Manche Arbeitgeber sind sogar froh darüber, wenn sich nicht der gesamte Jahresurlaub auf die Zeit nach der Probezeit verlagert.

Mythos 5: Eine Kündigungsschutzklage in der Probezeit ist erfolglos

Generell hat der Arbeitnehmer, der während der Probezeit gekündigt wird, wegen der Unanwendbarkeit des KSchG schlechtere Karten im Kündigungsschutzprozess. Aber auch während der Probezeit kann eine unterbliebene oder fehlerhafte Betriebsratsanhörung oder eine falsche bzw. fehlende Unterschrift unter dem Kündigungsschreiben die Kündigung unwirksam machen und damit zum Erfolg der Klage führen.

Mythos 6: Am besten verhält man sich während der Probezeit ruhig

Das ist im Prinzip – oft auch nach Ablauf der Probezeit – nicht völlig verkehrt. Um sich auf den neuen Arbeitsplatz einzustellen, kann es darüber hinaus sinnvoll sein, sich die Namen und Funktionen der neuen Kollegen, Merkhilfen oder Fragen zu Betriebsabläufen zu notieren und nach Feierabend kurz Revue passieren zu lassen. Echtes Interesse an der Arbeit und am Team werden in der Regel positiv bewertet und helfen, die Probezeit zu überstehen.

Mythos 7: Probezeit verlängert sich bei AU oder Urlaub des Arbeitnehmers

Das Wichtigste vorab: Weder Urlaub noch Krankheit verlängern automatisch die vereinbarte Probezeit. Eine Verlängerung über sechs Monate hinaus ist auch bei einvernehmlicher Vereinbarung unwirksam. Möchte man schon im ersten Monat einen einwöchigen Urlaub nehmen, so muss man dies mit dem Arbeitgeber absprechen.

Auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht schon in der Probezeit, allerdings nicht in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses. In den ersten vier Wochen gibt es nur einen Anspruch auf Krankengeld von der Krankenkasse.

Mythos 8: Probezeit-Arbeitnehmer dürfen sich zur Betriebsratswahl aufstellen lassen

Für die Wahl des Betriebsrats ist keine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit notwendig. Arbeitnehmer des Betriebs sind ab dem ersten Tag wahlberechtigt, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben (Aktives Wahlrecht). Etwas anderes gilt für Leih-Arbeitnehmer. Diese dürfen nur wählen, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Innerhalb der Probezeit dürfen sich Arbeitnehmer aber nicht zur Wahl stellen (Passives Wahlrecht). Das Recht, in den Betriebsrat gewählt zu werden, haben Arbeitnehmer, die dem Betrieb sechs Monate angehören.

Mythos 9: Bei Leih-Arbeitnehmern gibt es keine Probezeit

Der Einsatz von Leih-Arbeitnehmern erfolgt aufgrund eines Überlassungsvertrags, der zwischen dem Verleiher und dem Entleiher geschlossen wird. Der Leih-Arbeitnehmer hat spätestens nach neun Monaten Anspruch auf das gleiche Entgelt wie die Stammbelegschaft, Tarifverträge können hiervon abweichen.

Mythos 10: Probezeit bei demselben Arbeitgeber geht nicht

Die Vereinbarung einer Probezeit bei demselben Arbeitgeber ist nur möglich, wenn sich die Tätigkeit so wesentlich von der vorherigen unterscheidet, dass die Erprobung erforderlich ist.

Aktuelle Gesetzgebung: Bundesrat gibt grünes Licht für E-Scooter

| Elektrische Tretroller mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 20 km/h dürfen künftig im Straßenverkehr fahren: der Bundesrat stimmte einer Verordnung der Bundesregierung zu, die den Umgang mit „Elektrokleinstfahrzeugen“ regelt. |

Nicht auf Gehwegen und erst ab 14

Anders als in der Regierungsverordnung ursprünglich vorgesehen, dürfen die E-Scooter aber nicht auf Gehwegen und in Fußgängerzonen fahren, sondern ausschließlich auf Radwegen bzw. Radfahrstreifen. Gibt es solche nicht, müssen die Roller auf die Straße. Für alle E-Scooter gilt ein Mindestalter von 14 Jahren. Dies machte der Bundesrat zur Bedingung für seine Zustimmung.

Versicherungs-, aber keine Helmpflicht

Die Roller müssen bremsen können und eine Beleuchtungsanlage haben. Zum Versicherungsnachweis wurde von der Bundesregierung eigens eine aufklebbare Versicherungsplakette zur Anbringung an E-Scootern konzipiert. Eine Helmpflicht besteht aber nicht.

Inkrafttreten bestimmt Bundesregierung

Ab wann die E-Scooter tatsächlich fahren dürfen, entscheidet die Bundesregierung: sie muss die vom Bundesrat beschlossenen Änderungen noch umsetzen, dann kann sie die Verordnung im Bundesgesetzblatt verkünden.

Freigabe für Einbahnstraßen

In einer begleitenden Entschließung spricht sich der Bundesrat dafür aus, dass E-Scooter Einbahnstraßen auch entgegen der Fahrtrichtung befahren dürfen, sofern dies für Fahrräder erlaubt ist. Er bittet die Bundesregierung, die Straßenverkehrsordnung entsprechend zu ändern.

Keine Ausnahmeverordnung zu Hoverboards

Außerdem greift er in der Entschließung Überlegungen der Bundesregierung auf, eine Ausnahmeverordnung für Hoverboards und sonstige Fahrzeuge ohne Lenk- und Haltestangen zu erlassen: Eine solche lehnt der Bundesrat ab. Er plädiert für ein Mindestniveau an Verkehrssicherheit: Die Strategie „Vision Zero“ im Straßenverkehr dürfe nicht gefährdet werden.

Quelle | Plenarsitzung des Bundesrats vom 17.5.2019

Haftungsrecht: Kein Schadenersatzanspruch bei Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung

| Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Deshalb hat ein Erbe keinen Schadenersatzanspruch, wenn ein bewegungs- und kommunikationsunfähiger Patient über Jahre künstlich ernährt wird. Das gilt zumindest für den Fall, dass keine Patientenverfügung besteht. |

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines dementen Patienten. Dieser war bewegungs- und kommunikationsunfähig. In den letzten beiden Jahren seines Lebens kamen Lungenentzündungen und eine Gallenblasenentzündung hinzu. Bis zu seinem Tod wurde er über mehrere Jahre mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt. Der Mann hatte keine Patientenverfügung errichtet. Sein Wille hinsichtlich des Einsatzes lebenserhaltender Maßnahmen ließ sich auch nicht anderweitig feststellen. Es war damit nicht über die Fallgestaltung zu entscheiden, dass die künstliche Ernährung gegen den Willen des Betroffenen erfolgte.

Sein Sohn hat nun den behandelnden Arzt verklagt. Er macht geltend, die künstliche Ernährung habe nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens seines Vaters geführt. Der Arzt hätte daher das Therapieziel dahingehend ändern müssen, dass das Sterben des Patienten durch Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen zugelassen werde. Der Sohn verlangt aus ererbtem Recht seines Vaters Schmerzensgeld sowie Ersatz für Behandlungs- und Pflegeaufwendungen.

Der BGH wies die Klage ab. Der Sohn habe keinen Anspruch auf ein Schmerzensgeld. Es könne dahinstehen, ob der Arzt Pflichten verletzt habe. Denn jedenfalls fehlt es an einem immateriellen Schaden. Hier steht der durch die künstliche Ernährung ermöglichte Zustand des Weiterlebens mit krankheitsbedingten Leiden dem Zustand gegenüber, wie er bei Abbruch der künstlichen Ernährung eingetreten wäre, also dem Tod. Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu. Deshalb verbietet es sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Weiterleben – als Schaden anzusehen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Auch wenn ein Patient selbst sein Leben als lebensunwert erachten mag mit der Folge, dass eine lebenserhaltende Maßnahme gegen seinen Willen zu unterbleiben hat, verbietet die Verfassungsordnung aller staatlichen Gewalt einschließlich der Rechtsprechung ein solches Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der Schlussfolgerung, dieses Leben sei ein Schaden.

Dem Sohn steht auch kein Anspruch auf Ersatz der durch das Weiterleben des Patienten bedingten Behandlungs- und Pflegeaufwendungen zu. Schutzzweck etwaiger Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen ist es nicht, wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben und den dem Leben anhaftenden krankheitsbedingten Leiden verbunden sind, zu verhindern. Insbesondere dienen diese Pflichten nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten.

Quelle | BGH, Urteil vom 2.4.2019, VI ZR 13/18, Abruf-Nr. 208523 unter www.iww.de.