Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

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Urteilsarchiv

Unfallschadensregulierung: Kein Anspruch bei einem So-Nicht-Unfall in Bezug auf die Schadenshöhe

| Ein Geschädigter bekommt trotz nachgewiesenem Unfallgeschehen keinen Schadenersatz, wenn er nicht auch beweisen kann, dass der von ihm konkret ersetzt verlangte Schaden insgesamt oder zumindest als abgrenzbarer Teil bei dem Unfall entstanden ist (sog. „So-Nicht-Unfall“ in Bezug auf die Schadenshöhe). |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines 26-jährigen Autofahrers entschieden. Dieser verlangt von der beklagten Versicherung Schadenersatz aufgrund eines Unfallgeschehens, das sich auf schneeglatter Fahrbahn ereignet hatte. Der Mann hatte seinen Pkw Passat im Bereich einer Laterne geparkt. Der von dem weiteren Unfallbeteiligten gesteuerte und bei der Beklagten versicherte Mietwagen, ein Touran, geriet auf der glatten Fahrbahn ins Rutschen. Dabei stieß er mit dem Passat zusammen. Die Laterne blieb, wie bei der polizeilichen Unfallaufnahme festgestellt, unbeschädigt. Das Gericht hat den Autofahrer, den Fahrer des Mietfahrzeugs sowie seinen Begleiter und auch die den Unfall aufnehmende Polizeibeamtin vernommen. Danach stand fest, dass sich tatsächlich ein Unfall ereignet hatte.

Dennoch blieb die auf dieses Unfallgeschehen gestützte Schadenersatzklage des Autofahrers erfolglos. Das Gericht hatte ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten eingeholt. Danach ließen sich die behaupteten Unfallschäden der feststellbaren Kollision mit dem Touran nicht zuordnen. Die technische Unfallanalyse komme zwar zu dem Ergebnis, dass der Passat – vom Touran angestoßen – verunfallt wäre, indem er über den Bordstein gerutscht und gegen die Laterne geprallt wäre. Demgegenüber habe die technische Analyse aber nicht mit der für den Kausalitätsnachweis notwendigen, &uuuuml;berwiegenden Wahrscheinlichkeit bestätigt, dass der Passat bei dem nachweisbaren Unfallgeschehen die vom Kläger vorgetragenen Schäden in ihrer Gesamtheit oder – abgrenzbar – zum Teil erlitten hätte.

  • So sei die Laterne unbeschädigt geblieben, obwohl sie nach den am Passat vorhandenen Schäden ebenfalls hätte beschädigt sein müssen.
  • Auch setze das tatsächlich vorhandene Schadensbild einen Höhenversatz bei den am Unfall beteiligten Fahrzeugen voraus, der sich beim feststellbaren Unfallgeschehen nicht habe ergeben können.
  • Nach diesem hätten die Räder des Passat zudem mit der Bordsteinkante kollidieren müssen. Auch das dann zwangsläufig zu erwartende Schadensbild wiesen sie nicht auf.

Dieses Beweisergebnis gehe zulasten des Autofahrers. Er habe nicht nur das Unfallgeschehen, sondern auch die haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Unfallgeschehen und dem erlittenen Schaden zu beweisen. Die Frage einer Unfallmanipulation habe dabei nicht weiter geklärt werden müssen, da dem Autofahrer bereits der Kausalitätsnachweis nicht gelungen sei.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 10.3.2015, 9 U 246/13, Abruf-Nr. 144474 unter www.iww.de.

Vermögenssorgepflicht: Schadenersatzanspruch des Kindes gegen seine Eltern wegen Abhebungen vom Sparbuch

| Haben die Eltern ein Sparbuch auf den Namen ihres Kindes angelegt, damit auf dieses Einzahlungen Dritter wie z.B. der Großeltern vorgenommen werden können, spricht dies für das Kind als Forderungsinhaber, auch wenn die Eltern das Sparbuch im Besitz behalten. |

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Bremen im Falle zweier Kinder, die ihren Vater auf Schadenersatz in Anspruch nehmen. Dieser habe von den für sie angelegten Sparbüchern Geld abgehoben und nach ihrem Vortrag nur teilweise wieder eingezahlt.

Die Richter verurteilten den Vater antragsgemäß. Nach ihrer Entscheidung sei die Vermögenssorgepflicht verletzt, wenn die Eltern aus dem Vermögen des Kindes Aufwendungen bestreiten, für die sie vom Kind nach den Unterhaltsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) keinen Ersatz verlangen können. Ein Ersatzanspruch gegenüber dem Kind besteht nicht, wenn die Eltern die Aufwendungen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht tätigen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sie die Abhebungen vom Sparbuch des Kindes für Kinderzimmermöbel, Urlaubsreisen, Geschenke und Kleidung für das Kind ausgeben.

Quelle | OLG Bremen 3.12.2014, 4 UF 112/14, Abruf-Nr. 144210  unter www.iww.de.

Kindesunterhalt: Wohnvorteil ist bei Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen

| Wohnt der Unterhaltsschuldner mietfrei im eigenen Haus, muss er sich diesen Vorteil als weiteres Einkommen zurechnen lassen.|

Auf diese Rechtslage wies das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg in einem Unterhaltsrechtsfall hin. Dabei machten die Richter allerdings auch deutlich, dass der Unterhaltsschuldner die Finanzierungslasten des Hausgrundstücks in Abzug bringen könne. Demgegenüber müssten die Kosten für die Wohngebäudehaftpflichtversicherung und die Grundsteuer unberücksichtigt bleiben. Hierbei handele es sich um verbrauchsunabhängige umlagefähige Kosten. Diese müssten auch von einem Mieter regelmäßig über die Nebenkostenabrechnung gezahlt werden. Sie seien also keine besondere Belastung des Wohneigentümers. Entsprechend seien sie aus dem notwendigen Selbstbehalt zu finanzieren.

Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2014, 9 UF 140/13, Abruf-Nr. 144467 unter www.iww.de.

Schenkungsrecht: Wer eine Schenkung wegen groben Undanks anfechten will, muss gute Gründe vorweisen

| Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anfechtung einer Schenkung wegen Undanks des Beschenkten sind durchaus erheblich. Sie müssen vom Schenker vollständig bewiesen werden, sonst ist seine Anfechtung unwirksam. |

Diese Klarstellung traf das Landgericht (LG) Coburg im Fall eines Vaters, der von seinem Sohn die Rückübertragung von geschenkten Grundstücken verlangt. Der Vater hatte insgesamt 14 Grundstücke jeweils zur Hälfte auf seine beiden Kinder übertragen. Dabei hatte er sich jedoch kein Wohnrecht zusichern lassen oder eine Vereinbarung über Wart- und Pflegeleistungen mit seinen Kindern getroffen, obwohl er vom Notar darauf hingewiesen worden war. Auf einem dieser Grundstücke, auf dem auch der Vater lebt, hatte er schon vor der Übertragung auf seine Kinder verschiedene Teiche und eine Fischzuchtanlage verpachtet. Der neue Pächter der Teiche unterhält nunmehr auf diesem Grundstück einen Fischverkauf mit Publikumsverkehr.

Zwischen Vater und Sohn hatte es in der Vergangenheit zunächst über mehrere Jahrzehnte keinen Kontakt gegeben, bevor sich das Verhältnis wieder verbesserte. In jüngerer Vergangenheit kam es jedoch auch zu Beschimpfungen seiner Kinder durch den Vater. Er hatte behauptet, vor der Grundstücksübertragung sei ihm von den Kindern ein lebenslanges Wohnrecht und eine Verköstigung zugesichert worden. Zudem sei ihm versprochen worden, er könne die Teiche nutzen. Auch habe auf dem Grundstück gerade kein Fischverkauf, keine Räucherung und kein Publikumsverkehr stattfinden sollen. Der beklagte Sohn habe sich nicht an diese Abrede gehalten. Zudem habe er ihn beleidigt und körperlich angegriffen. Daher hat der Vater die Schenkungen wegen groben Undanks widerrufen. Der beklagte Sohn bestritt Zusicherungen an den Vater vor Abschluss des Notarvertrags ebenso wie die weiteren erhobenen Vorwürfe. Ein auf Anzeige des Vaters gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen der behaupteten Handgreiflichkeiten war eingestellt worden.

Das Gericht hat die Klage auf Kosten des Vaters abgewiesen. Es konnte die Voraussetzungen für einen wirksamen Schenkungswiderruf wegen groben Undanks nicht sehen. Hierfür muss zunächst objektiv eine Verfehlung von gewisser Schwere vorliegen. Diese muss weiterhin subjektiv auf eine Gesinnung des Beschenkten schließen lassen, welche die erwartete Dankbarkeit vermissen lässt.

Die hier vom Vater ins Feld geführten Umstände erfüllten zum Teil bereits diese Voraussetzungen nicht oder konnten von ihm nicht bewiesen werden. Die behaupteten mündlichen Zusagen seiner Kinder hat der Vater nicht nachweisen können. Gleiches gilt für den weiter ins Feld geführten körperlichen Übergriff. Die behauptete Beleidigung war nach der Auffassung des Gerichts nicht gravierend genug, um die Rückübertragung der verschenken Grundstücke verlangen zu können. Das gelte insbesondere, da es auch von Seiten des Vaters in der Vergangenheit zu Beschimpfungen gegenüber seinem Sohn gekommen war.

Hinweis | Die Entscheidung führt deutlich vor Augen, dass auch bei Verträgen unter Familienmitgliedern auf die vollständige schriftliche Niederlegung evtl. mündlicher Zusagen Wert gelegt werden sollte. Auf eine vorherige Beratung sollte nicht verzichtet werden.

Quelle | LG Coburg, Urteil vom 30.9.2014, 11 O 204/14, Abruf-Nr. 144468 unter www.iww.de.

Erbrecht: Erbverzicht kann Folgen für die eigenen Kinder haben

| Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben. Wer auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, schließt auch seine Kinder vom Erbteil aus, wenn die Verzichtsvereinbarung nichts anderes bestimmt. Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z. B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Falle eines Mannes entschieden. Dessen Eltern hatten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel errichtet. Darin hatten sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den betroffenen Sohn und seine Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben eingesetzt. Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Sohn und der Schwester im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag. Darin übertrug die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Sohn. Sie erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die sie bereits von der Mutter erhalten hatte. Die Schwester verstarb im Jahre 2002. Sie hinterließ u.a. ihre Tochter (das Enkelkind). In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahre 2013 bestimmte die Mutter dieses Enkelkind und einen anderen Verwandten zu Erben. Als die Mutter 2013 verstarb, stritten sich die Beteiligten um die Erbfolge. Der Sohn war der Ansicht, Alleinerbe zu sein. Demgebenüber meinten das Enkelkind und der andere Verwandte, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.

Das OLG entschied, dass der Sohn Alleinerbe seiner Mutter geworden ist. Er sei zusammen mit seiner 2002 verstorbenen Schwester durch das 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 habe die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie sei deswegen als Erbin weggefallen.

Ihre Kinder seien nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwendungsverzicht der Schwester erstrecke sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung sei im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit sei der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem Sohn angewachsen. Insoweit enthalte auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.

Die Erblasserin durfte nach dem Tode ihres Ehemanns weder ihre Enkelin noch den anderen Verwandten als Erben einsetzen. Dem stehe das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen. Dieses sei hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Sohnes bindend. Seine Bindungswirkung erfasse auch den Erbteil des Sohnes, der ihm nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsen ist. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheide, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlange. Auch in diesem Fall wachse sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar sei die Schwester nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen. Sie habe aber – vergleichbar mit einem solchen Verlangen – ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten habe.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 28.1.2015, 15 W 503/14, Abruf-Nr. 144425 unter www.iww.de.

Arbeitsvertragsrecht: Nichtigkeit eines Ausbildungsvertrags zur FN-geprüften Pferdepflegerin

| Ein Ausbildungsvertrag für einen staatlich nicht anerkannten Ausbildungsberuf mit einem Minderjährigen ist wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 4 Abs. 2 BBiG nichtig. Bei Volljährigen erfordert ein solches wirksames Ausbildungsverhältnis einen ordnungsgemäßen Ausbildungsgang. Voraussetzung hierfür ist die Erstellung eines betrieblichen Ausbildungsplans, der Gegenstand des Berufsausbildungsvertrags wird und an dem sich die Ausbildungsleistungen zu orientieren haben. Findet danach eine Berufsausbildung in einem solchen geordneten Ausbildungsgang tatsächlich nicht statt, ist der Ausbildungsvertrag nichtig. |

Diese Klarstellung traf das Arbeitsgericht Osnabrück im Fall einer volljährigen Frau. Diese hatte nach einer abgebrochenen Berufsausbildung im staatlich anerkannten Ausbildungsberuf zur Pferdewirtin mit der Beklagten einen Ausbildungsvertrag zur sogenannten FN-geprüften Pferdepflegerin geschlossen. Hierbei handelte es sich nicht um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf. Ab Beginn des Vertragsverhältnisses wurde sie tatsächlich als Gestütshilfskraft mit 45 Stunden pro Woche zuzüglich Überstunden eingesetzt. Hierzu gehörten schwere körperliche Arbeiten, aber auch das Bereiten der Pferde. Die Ausbildungsordnung für die Zulassung zur Prüfung zur FN-geprüften Pferdepflegerin vor der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. sah eine etwa zweijährige hauptberufliche Tätigkeit im Umfang und in der Pflege von Pferden in einem Reit- oder Zuchtbetrieb vor.

Die Beklagte und ihr Ehemann hatten diese Zulassungsvoraussetzungen in ein formelles „Ausbildungsverhältnis“ eingekleidet, ohne tatsächlich eine Ausbildung im Rahmen eines Ausbildungsplans durchzuführen. Die Klägerin besuchte während ihrer Beschäftigungszeit nicht die Berufsschule. Die Beklagte verfügte weder über einen Meistertitel noch gab es in ihrem Betrieb einen angestellten Meister. Die Klägerin wurde über einen Zeitraum von zehn Monaten mit 530 EUR brutto pro Monat vergütet. Danach kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis.

Das Arbeitsgericht Osnabrück hat die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen. Das Beschäftigungsverhältnis der Parteien ist mit dem Rechtsmangel der Nichtigkeit behaftet, da die Klägerin in dem staatlich nicht anerkannten Ausbildungsberuf keine Berufsausbildung in einem geordneten Ausbildungsgang im Betrieb der Beklagten erfahren hatte. Für den Zeitraum der Durchführung des nichtigen Vertrags liegt lediglich ein sog. faktisches Arbeitsverhältnis vor. Für die Zukunft können die Parteien eines faktischen Arbeitsverhältnisses sich ohne Weiteres und ohne Ausspruch einer Kündigung voneinander lösen.

Dem Zahlungsantrag über 9.478,19 EUR brutto hat das Arbeitsgericht dagegen entsprochen. Für faktische Arbeitsverhältnisse ist eine angemessene Vergütung zugrunde zu legen. Für die Tätigkeit als Gestütshilfskraft hat das Arbeitsgericht vorliegend einen Bruttostundenlohn von 7,00 EUR als angemessen angesehen.

Quelle | Arbeitsgericht Osnabrück, 2 Ca 431/14, Abruf-Nr. 144463 unter www.iww.de.

Arbeitslosenversicherungsrecht: Die Einschreibung an einer Hochschule steht der Verfügbarkeit nicht entgegen

| Arbeitslosengeld kann nur beanspruchen, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Diese Verfügbarkeit wird bei Studierenden regelmäßig verneint, weil sie – so die gesetzliche Vermutung – nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Beginnt das Studium für den Studierenden erst mit Beginn der Lehrveranstaltungen, so kann diese Vermutung widerlegt werden. |

Dies entschied der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) im Fall einer ehemals als Sachbearbeiterin tätigen Frau. Diese hatte Arbeitslosengeld bezogen, nachdem ihr Arbeitsvertrag aufgehoben wurde. Nachdem sie der Bundesagentur für Arbeit (BA) mitgeteilt hatte, dass sie ein Studium der Betriebswirtschaft aufnehmen werde, hob die BA die Bewilligung des Arbeitslosengelds ab Semesterbeginn (1. September 2010) auf. Als eingeschriebene Studentin könne sie nur eine versicherungsfreie Beschäftigung ausüben und stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Die 29-jährige Frau war hingegen der Auffassung, dass dies für die Zeit zwischen Semesterbeginn und Vorlesungsbeginn (4. Oktober 2010) nicht gelte.

Die Richter beider Instanzen gaben der Studentin recht. Allein durch die Immatrikulation (Einschreibung an einer Hochschule) sei keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten, aufgrund derer die Bewilligung des Arbeitslosengelds aufzuheben gewesen sei. Denn die Studentin habe nachgewiesen, dass sie in der Zeit zwischen Semesterbeginn und Vorlesungsbeginn keinen Studienanforderungen ausgesetzt gewesen sei und ihr Studium im 1. Fachsemester tatsächlich erst am 4. Oktober 2010 begonnen habe. Somit habe – so die Richter – die Studentin bis zum 3. Oktober 2010 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Die gesetzliche Vermutung sei insoweit widerlegt.

Quelle | LSG Hessen, Urteil vom 30.3.2015, L 9 AL 148/13, Abruf-Nr. 144464 unter www.iww.de.

Vorsorge: Rechtzeitig vorsorgen durch Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung

| Alter und Gebrechlichkeit, aber auch ein Verkehrsunfall oder eine schwere Erkrankung können dazu führen, dass man plötzlich auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Wer regelt dann den Alltag, wer die Bankangelegenheiten? Wer entscheidet, ob und wie man im Krankheitsfall behandelt wird? Die Notarkammern raten dazu, für solche Fälle mit Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung vorzusorgen. |

„Viele Bürger glauben zu Unrecht, sie müssten für den Ernstfall nichts regeln. Sie meinen, ihr Ehegatte oder ihre Kinder könnten im Ernstfall alles Notwendige in ihrem Sinne in die Wege leiten. Tatsächlich existiert aber keine gesetzliche Vollmacht für die Vertretung Volljähriger – weder für nahe Familienangehörige noch für den Ehegatten. Nur für Minderjährige sieht das Gesetz grundsätzlich eine Vertretung durch die Eltern vor“, erklärt Dr. Steffen Breßler, Geschäftsführer der Notarkammer Koblenz.

Wenn keine Vorsorge getroffen wurde und jemand aufgrund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung seine Angelegenheiten nicht mehr selbst wahrnehmen kann, wird durch das Betreuungsgericht ein Betreuer bestellt. Den meisten behagt jedoch der Gedanke, dass womöglich ein Fremder ihre Angelegenheiten regeln könnte und dafür auch noch bezahlt werden muss, ganz und gar nicht. „Selbst wenn ein Familienangehöriger zum Betreuer bestellt wird, ist eine Dauerbetreuung wegen des Erfordernisses gerichtlicher Genehmigungen für bestimmte Rechtsgeschäfte sowie der Rechnungslegungspflichten sehr belastend“, weiß Dr. Breßler.

Das Gesetz sieht jedoch vor, dass eine Betreuung nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut besorgt werden können. Eine Betreuungssituation kann daher effektiv mit einer sogenannten Vorsorgevollmacht vermieden werden. Eine solche berechtigt regelmäßig eine Vertrauensperson, für den Vollmachtgeber in vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten tätig zu werden.

Wichtig ist, dass eine Vorsorgevollmacht mindestens schriftlich verfasst sein muss, wenn der Bevollmächtigte auch in gesundheitlichen Angelegenheiten entscheiden können soll. Viele Rechtsgeschäfte des Alltags erfordern jedoch eine über die Schriftform hinausgehende notarielle Vollmacht, insbesondere Grundstücksgeschäfte, gesellschaftsrechtliche Vorgänge und der Abschluss von Darlehensverträgen. Den meisten Banken genügt auch bei den sonstigen Bankgeschäften eine privatschriftliche Vollmacht nicht. Daher ist letztlich nur eine notarielle Vorsorgevollmacht wirklich umfassend und kann die Anordnung einer Betreuung weitestgehend aus-schließen. Denn wie das LG Detmold kürzlich entschieden hat, muss eine Bank eine umfassende notarielle Vorsorgevollmacht anerkennen und darf nicht etwa eine gesonderte Bankvollmacht fordern (10 S 110/14).

Eine solch weitreichende Vollmacht sollte jedoch trotz der großen Vorteile nicht unüberlegt erteilt werden. „Eine Vollmacht ist stets Vertrauenssache“, mahnt Dr. Steffen Breßler. Der Vollmachtgeber sollte sich genau überlegen, wen er als Bevollmächtigten einsetzt. Wenn niemand vorhanden ist, dem ausreichendes Vertrauen entgegengebracht wird, kann statt einer Vollmacht eine Betreuungsverfügung errichtet werden, mit der dem Gericht eine bestimmte Person als Betreuer vorgeschlagen oder auch ausgeschlossen wird. Außerdem können Anweisungen zu Art und Weise einer etwaigen Betreuung getroffen werden.

Von der Vorsorgevollmacht und der Betreuungsverfügung ist die Patientenverfügung zu unterscheiden. Eine Patientenverfügung ist eine persönliche Handlungsanweisung an Ärzte, welche Behandlung gewünscht wird oder unterlassen werden soll, insbesondere im Falle einer schweren und lebensbedrohlichen Erkrankung oder Verletzung. Eine bloße Patientenverfügung führt jedoch nicht dazu, dass eine Vertrauensperson berechtigt ist, Entscheidungen in Gesundheitsfragen oder gar in Vermögensangelegenheiten zu treffen. Hierzu bedarf es einer Vorsorgevollmacht. Dies wird oftmals verkannt.

„Die notarielle Beratung stellt sicher, dass der Wille des Beteiligten rechtlich sicher umgesetzt wird und die verschiedenen Erklärungen optimal aufeinander abgestimmt werden“, so Dr. Steffen Breßler. Die Kosten einer beurkundeten Vorsorgevollmacht sind dabei moderat. Sie richten sich in erster Linie nach dem Vermögen des Vollmachtgebers. Bei einem Vermögen von 100.000 EUR kostet eine umfängliche General- und Vorsorgevollmacht maximal 165 EUR zuzüglich Umsatzsteuer und Auslagen, die Beratung des Notars inklusive.

Fahrgastbeförderung: Kein Rechtsanspruch auf Beförderung mit „E-Scooter“ im Bus

| Bürger, die sich aufgrund körperlicher Einschränkungen mit einem Elektromobil (sog „E-Scooter“) fortbewegen, haben keinen generellen Rechtsanspruch darauf, mit ihrem Elektromobil in öffentlichen Verkehrsmitteln befördert zu werden. |

Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. Der Antragsteller hatte geltend gemacht, ohne die begehrte Beförderung mit seinem Elektromobil werde er erheblich in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Daher müsse ihm ein Anspruch auf Beförderung zustehen. Dieser Argumentation folgte die Kammer, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich eine summarische Überprüfung vorzunehmen hatte, jedoch nicht. Eine aktuelle Untersuchung habe ergeben, dass eine Beförderung von Elektromobilen in Linienbussen erhebliche Gefahren sowohl für die Benutzer der Elektromobile als auch für die übrigen Fahrgäste begründe. Auch wenn er dadurch erheblich beeinträchtigt sei, müsse der Antragsteller wegen der Gefahren die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit hinnehmen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass eine Beförderung des Antragstellers in einem Rollstuhl möglich sei.

Quelle | VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23.1.2015, 7 L 31/15, Abruf-Nr. 143934 unter www.iww.de.

Mietwagen: Hinweis auf Mietpreis von 37 EUR netto allein genügt nicht

| Trägt der Versicherer im Rechtsstreit um die Erstattung der Mietwagenkosten nur vor, er habe dem Geschädigten einen telefonischen Hinweis auf einen durch seine Vermittlung erzielbaren Mietwagenpreis von 37 EUR netto pro Tag gegeben, genügt das nicht den prozessualen Anforderungen. |

So entschied es das Amtsgericht Schwandorf. Nach Ansicht des Gerichts müsse der Versicherer insbesondere auch vortragen, wie bezahlt wird, wo das Fahrzeug übernommen werden kann und welche Nebenkosten gegebenenfalls entstehen.

Quelle | Amtsgericht Schwandorf, Urteil vom 15.12.2014, 2 C 718/14, Abruf-Nr. 143569 unter  www.iww.de.