Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Nutzungsausfallschaden: Wer kein Geld zur Schadenbeseitigung hat, darf warten

| Wenn der Geschädigte kein Geld für die Werkstattkosten hat, darf er die Regulierung durch den Versicherer abwarten, bevor er reparieren lässt. Das gilt auch, wenn sich daraus ein langer Zeitraum ergibt. Voraussetzung ist aber, dass er dies dem Versicherer vorher ausdrücklich mitgeteilt hat. |

So entschied es das Amtsgericht Leer im Fall eines Unfallgeschädigten, der für die Reparatur des Fahrzeugs kein eigenes Geld übrig hatte. Die Kreditfrage hatte sich wegen bereits laufender Kredite nicht gestellt. Der Versicherer hatte sich auf den Standpunkt gestellt, der Geschädigte habe den Unfall selbst verursacht. Etwa zehn Monate nach dem Unfall hat das Amtsgericht Leer mit diesem Urteil entschieden, dass der Unfallgegner und damit der Versicherer die volle Verantwortung für den Unfall tragen. Mit dem Urteil stellte das Amtsgericht auch fest, dass der Geschädigte Anspruch auf die Nutzungsausfallentschädigung bisher und bis zur Fertigstellung des nicht mehr fahrfähigen Fahrzeugs habe. Das waren mehr als 300 Tage.

Quelle | Amtsgericht Leer, Urteil vom 10.7.2017, 070 C 1166/16, Abruf-Nr. 197289 unter www.iww.de.

Gutachten: Geschädigter darf trotz Versicherungsgutachten eigenes Gutachten erstellen lassen

| Das Recht des Geschädigten, beim Haftpflichtschaden ein Schadengutachten einzuholen, erlischt nicht dadurch, dass der Versicherer mit dem Einverständnis des Geschädigten einen Sachverständigen entsendet. |

Hierauf wies das Amtsgericht München hin. In dem Münchener Fall kam hinzu, dass die Begutachtung durch den Sachverständigen des Versicherers etwa 15 Minuten dauerte. Dabei wurden keine Lichtbilder angefertigt. Von unten wurde das Fahrzeug auch nicht begutachtet. Zu einer Wertminderung hatte sich der Versicherungsgutachter gar nicht geäußert.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 24.7.2017, 335 C 7525/17, Abruf-Nr. 195686 unter www.iww.de.

Internet: Fahrerbewertungsportal muss geändert werden

| Das Internetportal „www.fahrerbewertung.de“ ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung datenschutzrechtlich unzulässig. |

Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschieden und damit die Anordnungen der NRW-Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zur Umgestaltung der Plattform bestätigt.

Die Klägerin betreibt ein Online-Portal, mit dem das Fahrverhalten von Verkehrsteilnehmern unter Angabe des Kfz-Kennzeichens im Wesentlichen anhand eines Ampelschemas (grün = positiv, gelb = neutral, rot = negativ) bewertet werden kann. Die abgegebenen Bewertungen können von jedermann ohne Registrierung eingesehen werden. Die Landesbeauftragte für Datenschutz sieht darin einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Sie gab der Klägerin unter anderem auf, die Plattform so umzugestalten, dass nur noch der jeweilige Halter oder die jeweilige Halterin eines Fahrzeugs die dafür abgegebenen Bewertungen einsehen kann und sich zu diesem Zweck zuvor registrieren muss. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Zur Begründung haben die Richter im Wesentlichen ausgeführt: Das Bundesdatenschutzgesetz sei vorliegend anwendbar. Die zu bestimmten Kfz-Kennzeichen abgegebenen Bewertungen seien personenbezogene Daten. Im Rahmen der Abwägung überwiege das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Kraftfahrzeughalter gegenüber den Interessen der Klägerin sowie der Nutzer des Portals. So sei eine vollständig anonyme Bewertung von in der Regel privat motiviertem Verhalten für eine unbegrenzte Öffentlichkeit einsehbar. Dem stünden keine gewichtigen Interessen der Klägerin und der Portalnutzer entgegen. Insbesondere das Ziel, die Fahrer zur Selbstreflexion anzuhalten, könne auch unter Geltung der Anordnungen erreicht werden.

Quelle | OVG NRW, Urteil vom 19.10.2017, 16 A 770/17, Abruf-Nr. 197797 unter www.iww.de.

Erbrecht: Erbeinsetzung im gemeinschaftlichen Ehegattentestament kann lebzeitige Schenkungen einschränken

| Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament einen Schlusserben verbindlich eingesetzt, kann der überlebende Ehegatte Teile des Vermögens nicht mehr ohne Weiteres verschenken. Der Beschenkte muss gegebenenfalls das Geschenk an den Schlusserben herausgeben. Voraussetzung dafür ist, dass der Erblasser kein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Zuwendung hatte. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Mannes, der im gemeinschaftlichen Testament seiner Eltern zum Schlusserben eingesetzt worden war. Nach dem Tod der Mutter lernte der Vater eine 20 Jahre jüngere Frau kennen und lebte mit ihr zusammen. Er schenkte ihr u.a. Fondsbeteiligungen und Lebensversicherungen für ca. 250.000 EUR. Der Sohn verlangte nach dem Tod des Vaters von ihr die Herausgabe der Vermögenswerte. Diese Geschenke würden seinen Erbteil beeinträchtigen. Die Frau argumentierte, sie habe die Vermögenswerte aus Dankbarkeit für und zur Sicherstellung weiterer intensiver Pflege erhalten. Sie habe den Vater während des Zusammenlebens quasi 24 Stunden am Tag gepflegt und betreut.

Die Klage hatte Erfolg. Das OLG hat die Frau verurteilt, die geschenkten Vermögenswerte herauszugeben. Die Schenkungen hätten die Erberwartung des Sohnes beeinträchtigt. Sie seien nicht durch ein – eine Benachteiligungsabsicht ausschließendes – anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Vaters veranlasst gewesen.

Nach dem Tode der Mutter habe der Vater die Einsetzung des Sohnes als Schlusserbe beachten müssen. Die Erbeinsetzung beruhe auf einer wechselbezüglichen Verfügung beider Ehegatten, an die der Überlebende nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten gebunden sei.

Die Frau habe nicht schlüssig nachgewiesen, dass die Schenkungen als Gegenleistung für die erbrachten oder erwarteten Pflegeleistungen vertraglich vereinbart gewesen seien. Zudem habe der Vater mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Orientiert am Schutzzweck des Gesetzes seien an das Vorliegen der Benachteiligungsabsicht zunächst nur geringe Anforderungen zu stellen. Die Beeinträchtigung des Vertragserben müsse nicht das einzige oder leitende Motiv für die Schenkung gewesen sein. Es genüge vielmehr, dass der Erblasser wisse, dass er durch die unentgeltliche Zuwendung das Erbe schmälere.

Um eine Benachteiligungsabsicht festzustellen, müssten die beteiligten Interessen abgewogen werden. Es müsse geprüft werden, ob der Erblasser ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Zuwendung habe. Nur in diesem Fall müsse der Erbe die ihn beeinträchtigende Schenkung hinnehmen. Ein derartiges Eigeninteresse könne zwar vorliegen, wenn ein Erblasser mit einer Schenkung seine Altersvorsorge und Pflege sichern wolle. Ein solches anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Vaters habe die Frau hier aber nicht schlüssig darlegen können. Die Schenkungen hätten den Nachlass weitgehend wertlos gemacht. Dem stünden behauptete Pflege- und Haushaltsleistungen über einen Zeitraum von ca. vier Jahren gegenüber. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Frau während dieser Zeit ohnehin in vollem Umfang freie Kost und Logis vom Vater erhalten habe. Zudem sei sie mit ihm zusammen auf dessen Kosten gereist. Außerdem habe ihr der Sohn für die Zeit nach dem Tode des Vaters ein Wohnrecht zugesagt. Vor diesem Hintergrund rechtfertigten die behaupteten Pflege- und Haushaltsleistungen die infrage stehenden Schenkungen nicht.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 12.9.2017, 10 U 75/16, Abruf-Nr. unter 197792 www.iww.de.

Erbrecht: Schadenersatzanspruch wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten kann nicht vererbt werden

| Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich. |

Hierauf wies der Bundesgerichtshof (BGH) in einer aktuellen Entscheidung hin. Die Richter machten darüber hinaus deutlich, dass dies auch gelte, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Geschädigten anhängig oder rechtshängig geworden ist.

Quelle | BGH, Urteil vom 23.5.2017, VI ZR 261/16, Abruf-Nr. 195586 unter www.iww.de.

Personenstandsgesetz: Personenstandsrecht muss weiteren positiven Geschlechtseintrag zulassen

| Die Regelungen des Personenstandsrechts sind mit den grundgesetzlichen Anforderungen insoweit nicht vereinbar, als § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG) neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ keine dritte Möglichkeit bietet, ein Geschlecht positiv eintragen zu lassen. |

Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschieden. Geklagt hatte eine Person, die beim zuständigen Standesamt ihren Geburtseintrag dahingehend ändern lassen wollte, dass die bisherige Geschlechtsangabe „weiblich“ gestrichen und die Angabe „inter/divers“, hilfsweise nur „divers“ eingetragen werden solle. Das Standesamt lehnte den Antrag ab. Nach deutschem Personenstandsrecht könne im Geburtenregister ein Kind entweder dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht zuzuordnen sein. Sofern dies nicht möglich sei, werde das Geschlecht nicht eingetragen.

Das hielt das BVerfG für verfassungswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) schützt nach Ansicht des Gerichts auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Darüber hinaus verstößt das geltende Personenstandsrecht auch gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 GG), soweit die Eintragung eines anderen Geschlechts als „männlich“ oder „weiblich“ ausgeschlossen wird. Der Gesetzgeber muss bis zum 31. Dezember 2018 eine Neuregelung schaffen. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die betreffenden Normen nicht mehr anwenden, soweit sie für Personen eine Pflicht zur Angabe des Geschlechts begründen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist und die sich deswegen dauerhaft weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen.

Dem Gesetzgeber stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die Verfassungsverstöße zu beseitigen. So kann er auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag generell verzichten. Er kann aber stattdessen auch für die betroffenen Personen die Möglichkeit schaffen, eine weitere positive Bezeichnung eines Geschlechts zu wählen, das nicht männlich oder weiblich ist. Dabei ist der Gesetzgeber nicht auf die Wahl einer der von der antragstellenden Person im fachgerichtlichen Verfahren verfolgten Bezeichnungen beschränkt.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017, 1 BvR 2019/16, Abruf-Nr. 197770 unter www.iww.de.

Auskunftsanspruch: Hotel muss bei One-Night-Stand mit Schwangerschaft keine Auskunft über Hotelgast geben

| Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf den eigenen Schutz der Ehe und Familie überwiegt das Recht auf Schutz der Ehe und Familie und auf den Unterhaltsanspruch. |

Das hat das Amtsgericht München im Fall einer Frau entschieden, die im Juni 2010 gemeinsam mit ihrem damaligen männlichen Begleiter ein Hotelzimmer gemietet hatte. Mit dieser Person nutzte die Klägerin in dem Zeitraum ein Hotelzimmer in der zweiten Etage.

Am 14.3.2011 brachte sie den Jungen Joel zur Welt. Ihr Begleiter aus dem Hotel könnte der Vater des Kindes sein. Die Frau weiß aber nur, dass er mit Vornamen „Michael“ hieß. Sei möchte nun von der Hotelleitung Auskunft über die Anschrift und den vollständigen Namen ihres damaligen Begleiters. Eigene Unterlagen dazu hat sie nicht. Mit diesen Auskünften möchte sie Kindesunterhaltsansprüche gegenüber ihrem damaligen Begleiter geltend machen. Sie meint, dass sie gegenüber dem Hotel einen Auskunftsanspruch nach dem Bundesdatenschutzgesetz hat. Das Hotel ist der Ansicht, dass kein Anspruch auf die Weitergabe der persönlichen Daten der Gäste besteht. In dem fraglichen Zeitraum wären insgesamt vier männliche Personen mit dem Vornamen Michael in dem Hotel zu Gast gewesen. Da die Frau die genannte Person nicht näher beschreiben könne, könne die infrage kommende Person auch nicht eindeutig ermittelt werden.

Daraufhin verklagte die Frau die Hotelleitung auf Auskunft. Das Amtsgericht wies die Klage jedoch ab. Die Frau könne nicht verlangen, dass ihr die geforderten Auskünfte erteilt werden. Das Gericht stellte fest, dass das Recht der betroffenen Männer auf informationelle Selbstbestimmung und auf den eigenen Schutz der Ehe und Familie das Recht der Frau auf Schutz der Ehe und Familie und auf den Unterhaltsanspruch überwiege. Außerdem hätten die betroffenen Männer das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre. Das schütze davor, geschlechtliche Beziehungen offenbaren zu müssen. Danach könne jeder selbst darüber befinden, ob und in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Leben gewährt wird. Dieses Recht sei durch die Preisgabe der Daten betroffen. Denn hierdurch sei bereits die Möglichkeit einer geschlechtlichen Beziehung zu der Frau als Mutter des Kindes letztlich unwiderlegbar in den Raum gestellt, so das Gericht. Für das Gericht steht weiter fest, dass die Gefahr bestehe, dass die Datenübermittlung ins Blaue hinein erfolgen würde. Der Frau sei es nicht möglich, weitere Umstände vorzutragen, durch die der unterhaltsverpflichtete Betroffene eingrenzbar wäre. Allein der Vorname, wobei sich die Frau nicht einmal sicher sei, ob es sich um den einzigen Vornamen handelt, und die Etagenzahl im Hotel seien für die erforderliche Eingrenzung nicht ausreichend. Auch sei nicht mit Sicherheit feststellbar, ob es sich bei dem Namen auch tatsächlich um den richtigen Namen des Betroffenen handelt.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 28.10.2016, 191 C 521/16, Abruf-Nr. 197791 unter www.iww.de.

Abmahnung: Wirksam abgemahnt wegen Fußballschauens während der Arbeitszeit

| Wer während seiner Arbeitszeit auf dem Dienstcomputer ein Fußballspiel schaut, kann abgemahnt werden. |

Das musste sich ein Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Köln sagen lassen. Er hatte während der Arbeitszeit jedenfalls für einen Zeitraum von 30 Sekunden ein Fußballspiel auf einem dienstlichen Computer angesehen. Das hatten mehrere Zeugen ausgesagt. Daraufhin war er von seinem Arbeitgeber abgemahnt worden. Mit seiner Klage wollte er die Abmahnung aus der Personalakte entfernen lassen. Das Arbeitsgericht wies die Klage jedoch ab. Es hielt die Abmahnung für gerechtfertigt. Zur Urteilsbegründung führte das Gericht aus, dass der Arbeitnehmer während der betreffenden Zeit seine Arbeitsleistung nicht erbracht habe.

Quelle | Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 28.8.2017, 20 Ca 7940/16, Abruf-Nr. 197786 unter www.iww.de.

Verhaltensbedingte Kündigung: Bei einer Schlechtleistung kommt es auf den Vergleich mit anderen Arbeitnehmern an

| Wie viele Fehler sind erlaubt? Bei dieser Frage muss die Leistung eines Einzelnen in Relation zu der aller vergleichbaren Arbeitnehmer beurteilt werden. |

Hierauf wies das Arbeitsgericht Siegburg hin, als es über die Kündigungsschutzklage eines Kfz-Mechanikers zu entscheiden hatte. Dem war wegen schlechter Arbeitsleistungen verhaltensbedingt gekündigt worden. Der Arbeitgeber warf ihm vor, bei einem Werkstatttest nur vier von sechs Fehlern erkannt zu haben. Außerdem habe er bei einem Auftrag anstehende Servicearbeiten nicht durchgeführt. Dies schade dem Ruf des Autohauses. Nach drei vorausgegangenen Abmahnungen könne man keinen Besserungswillen feststellen.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Der Arbeitgeber habe weder die Leistungen des Klägers über einen repräsentativen Zeitraum, noch die Fehlerquote vergleichbarer Arbeitnehmer dargelegt. So habe das Gericht nicht erkennen können, ob der Kläger seine vertraglichen Verpflichtungen vorwerfbar verletzt habe.

Quelle | Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 25.8.2017, 3 Ca 1305/17, Abruf-Nr. 197785 unter www.iww.de.

Befristung: Unangemessene Benachteiligung durch Verlängerung der Kündigungsfrist in AGB

| Wird die gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) erheblich verlängert, kann darin auch eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben liegen, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird. |

Diese Entscheidung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Arbeitgeberin, die den Beklagten in ihrer Leipziger Niederlassung seit Dezember 2009 als Speditionskaufmann beschäftigte. Ursprünglich vereinbart war eine 45-Stunden-Woche bei einer Vergütung von 1.400 EUR brutto. Im Juni 2012 unterzeichneten die Parteien eine Zusatzvereinbarung. Sie sah vor, dass sich die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängerte. Im Gegenzug wurde ein monatliches Bruttogehalt von 2.400 EUR vereinbart. Dies sollte bei einem monatlichen Reinerlös von 20.000 EUR auf 2.800 EUR steigen. Vereinbart wurde weiter, dass das Entgelt bis zum 30.5.2015 nicht erhöht werden sollte. Es sollte bei einer späteren Neufestsetzung wieder mindestens zwei Jahre unverändert bleiben.

Nachdem ein Kollege des Beklagten festgestellt hatte, dass auf den Computern der Niederlassung im Hintergrund das zur Überwachung des Arbeitsverhaltens geeignete Programm „PC Agent“ installiert war, kündigten der Beklagte und weitere fünf Arbeitnehmer am 27.12.2014 ihre Arbeitsverhältnisse zum 31.1.2015. Die Arbeitgeberin will festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten bis zum 31.12.2017 fortbesteht.

Ihre Klage hatte keinen Erfolg. Die in den AGB enthaltene Verlängerung der Kündigungsfrist benachteiligt den Beklagten im Einzelfall entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie ist deshalb unwirksam.

Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhält, aber wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Eine solche unausgewogene Gestaltung liegt hier trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist vor. Der Nachteil für den Beklagten wurde nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig einfror.

Quelle | BAG, Urteil vom 26.10.2017, 6 AZR 158/16, Abruf-Nr. 197784 unter www.iww.de.