Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

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Urteilsarchiv

Ausländischer Führerschein: Wer einen anderen sein Fahrzeug fahren lässt, muss erst dessen Führerschein prüfen

| Wer es fahrlässig anordnet oder zulässt, dass ein anderer ein Fahrzeug ohne Fahrerlaubnis führt, macht sich strafbar. |

Das musste sich der Betriebsleiter einer Bäckerei vor dem Amtsgericht München sagen lassen. Der Mann führte und leitete eine Bäckerei, zu der auch ein Auslieferungs-Lkw gehörte. Für diesen Lkw stellte der Mann einen Fahrer ein und überließ ihm das Fahrzeug. Er hatte jedoch nicht überprüft, ob der Fahrer auch eine ausreichende Fahrerlaubnis besitzt.

Bei einer Verkehrskontrolle stellte sich heraus, dass der Fahrer keine Fahrerlaubnis hatte. Er besaß lediglich eine katarische Fahrerlaubnis. Diese galt nicht mehr zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, weil der Fahrer am Tag der Kontrolle bereits seit mehr als sechs Monaten seinen Wohnsitz in Deutschland hatte.

Vor Gericht gab der verurteilte Betriebsleiter an, er hätte nicht wissen können, dass die katarische Fahrerlaubnis in Deutschland nicht gilt. Die zuständige Richterin hat ihn dennoch verurteilt. Der Mann habe sich zwar den Führerschein vorzeigen lassen. Er habe jedoch keine näheren Informationen eingeholt, ob dieser Führerschein mit der hiesigen Fahrerlaubnisvoraussetzung des C 1 übereinstimmt und ob die ausländische Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt gültig ist. Bei Anwendung der im Verkehr erforderliche Sorgfalt hätte er erkennen müssen und können, ggf. durch Nachfrage bei den Verwaltungsbehörden, ob der Fahrer am konkreten Tattag mit dem Firmen-Lkw zum Transport auf öffentlichen Straßen zugelassen werden darf.

Es gelte also: Der Fahrzeughalter, der einen Dritten mit seinem Kraftfahrzeug fahren lässt, muss vorher prüfen, ob dieser die erforderliche Fahrerlaubnis hat. Hierbei sind an seine Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen zu stellen. Speziell bei ausländischen Fahrerlaubnissen muss sich der Halter vergewissern, ob der Führerschein in Deutschland gültig ist. Der Angeklagte hätte hierbei gegebenenfalls beim Landratsamt oder einem Automobilverband rückfragen müssen, ob (der Fahrer) im Besitz einer gültigen deutschen Fahrerlaubnis ist.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 21.10.2016, 912 Cs 413 Js 141564/16, Abruf-Nr. unter www.iww.de.

Adoption: Kein Adoptionsrecht für nicht miteinander verheiratete und nicht verpartnerte Lebensgefährten

| Eine mit ihrem Lebensgefährten weder verheiratete noch in einer Lebenspartnerschaft lebende Person kann dessen Kind nicht annehmen, ohne dass zugleich das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihrem Lebensgefährten und dem Kind erlischt. |

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall von zwei nicht miteinander verheirateten Antragstellern. Die eine Antragstellerin ist die leibliche Mutter von zwei Kindern. Der leibliche Vater ist 2006 verstorben. Der zweite Antragsteller lebt seit 2007 mit der Kindesmutter in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Beide wünschen die Adoption der beiden Kinder in der Weise, dass diese dann als gemeinschaftliche Kinder der beiden Antragsteller gelten. Das Amtsgericht hatte den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller war erfolglos geblieben.

Der BGH hat die Entscheidungen bestätigt. Anders als bei der Stiefkindadoption durch Ehegatten oder Lebenspartner hat der Gesetzgeber für nicht verheiratete Personen keine vergleichbare Regelung geschaffen. Deshalb kann eine nicht verheiratete und nicht verpartnerte Person ein Kind nur allein annehmen. Das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu ihrem Lebensgefährten erlischt dann. Diese eindeutigen Regelungen lassen keine andere Auslegung zu.

Der BGH hält das nicht für verfassungswidrig. Der Antragsteller kann sich nicht auf das aus dem Grundgesetz folgende Elternrecht berufen. Er ist nämlich lediglich sozialer, nicht aber rechtlicher bzw. leiblicher Elternteil. Das Familiengrundrecht ist nicht verletzt, weil dieses keinen Anspruch der Familienmitglieder auf Adoption umfasst. Auch der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt, weil der Gesetzgeber die zu vergleichenden Sachverhalte (nicht verheiratete Lebensgefährten einerseits und Ehegatten oder Lebenspartner andererseits) unterschiedlich behandeln darf. Der von ihm erstrebte Zweck, den anzunehmenden Kindern eine stabile Elternbeziehung zu gewährleisten, ist legitim. Wenn der Gesetzgeber hierfür maßgeblich auf eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft in Form einer Ehe bzw. einer eingetragenen Lebenspartnerschaft abstellt, liegt das noch in seinem gesetzgeberischen Ermessen.

Die hier im Streit stehenden Adoptionsregelungen verletzen die Antragsteller auch nicht in ihrem durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützten Recht auf Achtung des Familienlebens. Zwar erlaubt das im Jahr 2008 geänderte Europäische Adoptionsübereinkommen den Vertragsstaaten, die Adoption eines Kindes u.a. durch zwei Personen verschiedenen Geschlechts zuzulassen. Voraussetzung ist aber, dass diese „in einer stabilen Beziehung“ leben. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine Öffnungsklausel, nicht aber bereits um eine (bindende) Wertentscheidung. Ebenso wenig fordert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte es nicht verheirateten Lebensgefährten zu ermöglichen, durch Adoption die Stellung gemeinschaftlicher Eltern minderjähriger Kinder zu erlangen. Vielmehr hat der Gerichtshof bei der Adoption Minderjähriger den Abbruch der Beziehung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern im Grundsatz anerkannt. Eine Verletzung der EMRK hat er dagegen nur für den Ausnahmefall der Adoption eines volljährigen, aber behinderten Kindes durch den Lebensgefährten der Mutter mit Erlöschen der verwandtschaftlichen Beziehungen zur Mutter festgestellt. Demgegenüber geht es bei dem vom BGH zu entscheidenden Fall um minderjährige Kinder. Für die hat der deutsche Gesetzgeber im Interesse des Kindeswohls eine Stiefkindadoption weiterhin an eine besonders gefestigte Beziehung der Annehmenden in Form einer Ehe oder Lebenspartnerschaft geknüpft.

Quelle | BGH, Beschluss vom 8.2.2017, XII ZB 586/15, Abruf-Nr. unter www.iww.de  .

Hausratsverteilung: Kriterien für die Zuweisung von Hunden im Rahmen der Haushaltsauseinandersetzung

| Waren Hunde als Haustiere für das Zusammenleben von Ehegatten bestimmt, sind sie im Rahmen der Hausratsverteilung nach Billigkeitsgesichtspunkten einem Ehegatten zuzuweisen. Dabei ist die Wertung des Gesetzes zu berücksichtigen, nach der Tiere keine Sachen sind. |

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg im Fall getrennt lebender Eheleute hin. Diese hatten in ihrem gemeinsamen Hausstand zuletzt sechs Hunde gehalten. Diese Hunde holte die Ehefrau kurz nach ihrem Auszug aus dem ehelichen Anwesen zu sich und kümmerte sich in der Folgezeit um sie. Zwei der Hunde verstarben zeitnah nach dem Auszug. Der Ehemann beantragte beim Amtsgericht im Rahmen des dort wegen der Hausratsteilung geführten Verfahrens die Herausgabe von zwei Hunden und deren Zuweisung als Haushaltsgegenstand an ihn. Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag ab. Es entschied, dass alle Hunde bei der Ehefrau verbleiben sollten. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.

Das OLG hat die Beschwerde des Ehemanns zurückgewiesen. Die Richter machten deutlich, dass Hunde Haushaltsgegenstände im Sinne des Gesetzes sind. Daran ändere nichts, dass sie Lebewesen seien. Da die Tiere nicht im Alleineigentum eines Ehegatten standen, müssten sie nach Billigkeitsgesichtspunkten zugewiesen werden.

Bei dieser Entscheidung seien mehrere Kriterien zu berücksichtigen. Insbesondere könne auch das Affektionsinteresse eine Rolle spielen. Das OLG konnte jedoch nicht feststellen, dass einer der Eheleute ein größeres Interesse an den Tieren gehabt hätte. Nachdem vorrangige Entscheidungskriterien nicht zu einem eindeutigen Ergebnis geführt hatten, waren Gesichtspunkte des Tierschutzes maßgeblich. Dabei ließen die Richter die gesetzliche Wertung miteinfließen, wonach Tiere keine Sachen sind. Der Gesetzgeber hat sich hier zum ethisch fundierten Tierschutz bekannt.

  • Das OLG stellte zunächst fest, dass das körperliche Wohl der Hunde weder bei der Zuweisung an den Ehemann noch bei der Zuweisung an die Ehefrau gefährdet wäre. Beide könnten sich gleichermaßen um die Hunde kümmern. Die Ehefrau erfahre hierbei Unterstützung durch ihren neuen Lebensgefährten und dessen Mutter.
  • Maßgeblich für die Entscheidung war letztlich, dass bei einer Zuweisung von zwei Hunden an den Ehemann das Rudel erneut auseinandergerissen würde. Die Hunde hatten sich in den vergangenen Monaten durch den Auszug aus dem ehelichen Anwesen, den Tod eines Teils der Tiere, den Verlust des Ehemanns als „Rudelmitglied“ und das Kennenlernen des Lebensgefährten der Ehefrau an zahlreiche neue Umstände gewöhnen müssen. Ein erneuter Umgebungswechsel und die Trennung von der seit einem Dreivierteljahr maßgeblichen Bezugsperson ist den Hunden nach Auffassung des Familiensenats nicht zumutbar.

Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 7.12.2016, 10 UF 1429/16, Abruf-Nr. unter www.iww.de.

Verletzung des Persönlichkeitsrechts: Bei Persönlichkeitsrechtsverletzung ist Anspruch grundsätzlich nicht vererblich

| Verletzt die gesetzliche Krankenkasse das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Patientin, indem sie ein schriftliches, die Patientin betreffendes, unzureichend anonymisiertes sozialmedizinisches Gutachten mit personenbezogenen Daten in anderen sozialgerichtlichen Verfahren benutzt, kann die Erbin der Patientin keine immaterielle Entschädigung verlangen. |

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). Die Richter stellten dabei heraus, dass der Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung grundsätzlich nicht vererblich ist. Ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz folgt auch nicht aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Auch wenn man die dortigen Vorschriften richtlinienkonform auslegt, ergibt sich für diesen Fall nicht-automatisierter Datenverarbeitung kein Anspruch auf eine immaterielle Entschädigung.

Quelle | BGH, Urteil vom 29.11.2016, VI ZR 530/15, Abruf-Nr. 191158 unter www.iww.de.

Aktuelle Gesetzgebung: Auskunft über die eigene Abstammung für Kinder aus künstlicher Befruchtung

| Kinder aus künstlicher Befruchtung sollen künftig jederzeit Auskunft über ihre Abstammung erhalten können. Dazu soll ein zentrales Register für Samenspender eingerichtet werden. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, der dem Bundestag zur Beratung vorliegt. |

Mit dem Gesetzentwurf wird nach Angaben der Regierung ein Auskunftsanspruch für jene Personen festgelegt, die durch eine Samenspende und künstliche Befruchtung gezeugt worden sind. Das bundesweite Samenspenderregister wird beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eingerichtet. Dort sollen für eine Zeitspanne von 110 Jahren Angaben über die Samenspender und Empfängerinnen einer Samenspende gespeichert werden.

Geregelt werden die nötigen Aufklärungs-, Dokumentations- und Meldepflichten. So können künftig Personen, die meinen, durch eine Samenspende gezeugt zu sein, bei der Registerstelle eine Auskunft beantragen.

Zugleich wird dem Entwurf zufolge durch eine Ergänzung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die gerichtliche Feststellung der rechtlichen Vaterschaft des Samenspenders ausgeschlossen. So soll verhindert werden, dass an Samenspender im Sorge-, Unterhalts- und Erbrecht Ansprüche gestellt werden.

Das Gesetz soll 2018 in Kraft treten und bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats.

Quelle | Deutscher Bundestag, BT-Drucksache 18/11291

Europarecht: Unterscheide: Diffamierung versus „whistle-blowing“

| Die Kündigung eines Angestellten, der schriftlich und mündlich einem Vorgesetzten Rechtsbeugung vorgeworfen hat, verstößt nicht gegen Europarecht. |

Zu diesem Ergebnis kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Gegenstand der Individualbeschwerde war die Frage, ob die Kündigung eines städtischen Angestellten rechtmäßig war, nachdem er dem Wirtschaftsbürgermeister mündlich in einer Personalversammlung und anschließend auch schriftlich Rechtsbeugung vorgeworfen hat. Der Beschwerdeführer sah sich durch die Kündigung in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt.

Der EGMR kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass die deutschen Gerichte (Sächsisches LAG, BAG) die Verhältnismäßigkeit der Kündigung des Beschwerdeführers eingehend und unter Berücksichtigung von dessen Meinungsfreiheit geprüft haben. Das Urteil setzt sich eingehend mit der Qualität der Äußerung des Beschwerdeführers auseinander, die zur Kündigung führte. Der Gerichtshof stellte fest, dass der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der „Rechtsbeugung“ unter den konkreten Umständen des Falls keinen Schutz genießt. Er war auf Diffamierung gerichtet und sei nicht als sachliche Kritik im Sinne eines „whistle-blowing“ zu werten. Der EGMR entschied einstimmig, dass keine Konventionsverletzung vorliege.

Quelle | EGMR, Urteil vom 17.9.2015, Nr. 14464/11, L. gegen Deutschland, Abruf-Nr. 191976  ).

Kündigungsrecht: Bei beharrlichem Überschreiten der zulässigen Minusstundenzahl kann fristlos gekündigt werden

| Das beharrliche Überschreiten der zulässigen Zahl von Minusstunden kann ein wichtiger Grund an sich für eine fristlose Kündigung eines ordentlich nicht mehr kündbaren Angestellten sein. |

Hierauf wies das Landearbeitsgericht (LAG) Hamburg hin. Die Richter machten dabei deutlich, dass sich auch bei einer Interessenabwägung das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr verhindern lasse, wenn sich dieser Vertragsverstoß als Glied in einer Reihe weiterer Vertragsverstöße darstellt und Abmahnungen vorliegen, die Verstöße gegen Arbeitszeitbestimmungen rügen.

Quelle | LAG Hamburg, Urteil vom 2.11.2016, 5 Sa 19/16, Abruf-Nr. 191166 unter www.iww.de.30

Urlaubsrecht: In Gehaltsabrechnung enthaltene Urlaubstage sind nicht verfallen

| Erfasst der Arbeitgeber fortlaufend die offenen Urlaubstage in den Gehaltsabrechnungen, lässt das auf den Vertragswillen schließen, dass der im laufenden Arbeitsverhältnis erworbene, aufgezeichnete Urlaub nicht verfallen soll. |

Es verstößt dann gegen Treu und Glauben, wenn sich der Arbeitgeber trotz dieser fortlaufenden Erfassung der offenen Urlaubstage darauf beruft, diese seien verfallen. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen.

Quelle | LAG Hessen, Urteil vom 17.8.2016, 6 Sa 12/16, Abruf-Nr. 192119 unter www.iww.de.

Hinterbliebenenversorgung: Beschränkung einer Versorgung auf „jetzige“ Ehefrau ist unwirksam

| Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel, mit der nur der „jetzigen“ Ehefrau des Arbeitnehmers eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt ist, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Diese Einschränkung der Zusage ist daher unwirksam. Aber trotz dieser Unwirksamkeit hat die „neue“ Frau nicht in jedem Fall einen Anspruch beim Tod des Arbeitnehmers. |

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Arbeitnehmers hin. Dieser war von Februar 1974 bis Oktober 1986 bei einem Werftunternehmen bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über dessen Vermögen beschäftigt. Mit Wirkung ab dem 1.7.1983 erteilte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer eine Versorgungszusage. Deren Allgemeine Geschäftsbedingungen sehen vor, dass die „jetzige“ Ehefrau eine lebenslängliche Witwenrente erhalten soll, wenn die Ehe zwischenzeitlich nicht geschieden wird. Seit April 2006 ist der Arbeitnehmer in zweiter Ehe verheiratet. Er nimmt den Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung auf Feststellung in Anspruch, dass der Ehefrau, mit der er zum Zeitpunkt seines Ablebens verheiratet ist, eine Witwenrente zusteht.

Das BAG hat die Klage – ebenso wie die Vorinstanzen – abgewiesen. Die Versorgungszusage bezog sich nur auf die Ehefrau, mit der der Arbeitnehmer am 1.7.1983 verheiratet war. Diese Einschränkung ist zwar nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unangemessen und daher unwirksam, weil dafür keine berechtigten Gründe bestehen. Als die Versorgungszusage im Jahr 1983 erteilt wurde, war aber eine AGB-Kontrolle gesetzlich noch nicht vorgesehen. Darum ist nach Ansicht der Richter eine ergänzende Vertragsauslegung geboten, um die entstehende Lücke zu schließen. Die Witwenrente ist danach nur zu gewähren, wenn – anders als im vorliegenden Fall – die Ehe bereits während des Arbeitsverhältnisses bestanden hat.

Quelle | BAG, Urteil vom 21.2.2017, 3 AZR 297/15, Abruf-Nr. unter www.iww.de.

Kündigungsrecht: Offenkundige Schwerbehinderteneigenschaft muss nicht nachgewiesen werden

| Eine Schwerbehinderteneigenschaft muss dem Arbeitgeber gegenüber nicht nachgewiesen werden, wenn die Schwerbehinderung offenkundig ist. |

Das ist die Hauptaussage einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz. In dem Fall wollte ein Unternehmer seinen Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen stilllegen. Er erstattete eine Massenkündigungsanzeige und kündigte allen Arbeitnehmern.

Am gleichen Tag beantragte einer der Arbeitnehmer beim Versorgungsamt, seinen bisherigen Grad der Behinderung (GdB) von 40 auf 50 festzulegen. Das Versorgungsamt entsprach später diesem Antrag. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin gegen die Kündigung. Er hielt sie für unwirksam, weil das Integrationsamt der Kündigung hätte zustimmen müssen. Es sei aber vom Arbeitgeber nicht eingeschaltet worden. Der Arbeitgeber trug vor, dass ihm eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht bekannt gewesen sei. Dieser habe auch den früheren Bescheid nicht vorgelegt, in dem ein GdB von 40 festgestellt worden sei.

Das LAG wies wie die Vorinstanz die Klage ab. Zwar müsse der Arbeitnehmer seine Schwerbehinderteneigenschaft beim Arbeitgeber nicht nachweisen, wenn diese offenkundig sei. Allerdings müsse dabei nicht nur das Vorliegen einer oder mehrerer Beeinträchtigungen offenkundig sein. Vielmehr müsse auch offenkundig sichtbar sein, dass der Grad der Behinderung auf wenigstens 50 in einem Feststellungsverfahren festgesetzt würde.

Das sei vorliegend aber nicht der Fall. Das Versorgungsamt habe folgende Funktionsstörungen berücksichtigt: Herzerkrankung, Nierenfunktionseinschränkung, Funktionsstörung der Wirbelsäule, Ohrgeräusche, Schlafstörungen, Erschöpfungsdepression, Funktionsstörung der Zehen und Oberbauchbeschwerden. Dabei sei nicht ersichtlich, dass diese Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich waren oder sind, dass sie auch vom Arbeitgeber ohne sozialmedizinische Vorbildung als offensichtliche Schwerbehinderung wahrzunehmen und einzustufen waren. Die in den vorgelegten Bescheiden angeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht so auffallend, dass sie ohne Weiteres „ins Auge springen“. Daher habe der Arbeitgeber vorliegend das Integrationsamt nicht einbinden müssen. Die Kündigung sei daher wirksam.

Quelle | LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.1.2017, 5 Sa 361/16, Abruf-Nr. 192120 unter www.iww.de.