Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Elternzeit: Arbeitszeitverringerung: Arbeitgeber muss fundierte Ablehnungsgründe vorweisen

| Der Arbeitnehmer kann gegenüber dem Arbeitgeber während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung der Arbeitszeit beanspruchen. Der Arbeitgeber kann die Verringerung ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Allerdings sind an das objektive Gewicht der Ablehnungsgründe erhebliche Anforderungen zu stellen. |

Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen deutlich gemacht. So kann der Arbeitgeber alleine mit der Behauptung, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit, regelmäßig nicht schlüssig begründen, weshalb die Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit verweigert wird. Er muss vielmehr die zugrunde liegenden Tatsachen begründen. Dazu muss er auf die Tätigkeit abstellen, die der Arbeitnehmer zu Beginn der Elternzeit auf seinem Arbeitsplatz ausgeübt hat. In die erforderliche Darlegung sind alle Aufgaben einzubeziehen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seines Weisungsrechts übertragen kann. Regelmäßig wird das erfordern, dass der Arbeitgeber seinen insoweit bestehenden Gesamtbedarf an Arbeitszeitkapazität darlegt und dem die tatsächliche Besetzungssituation gegenüberstellt. Dabei muss der Arbeitgeber klarstellen, ob und warum die Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Ablehnung der Teilzeitbeschäftigung weggefallen sein könnten.

Quelle | LAG Hessen, Urteil vom 3.7.17, 7 Sa 1341/16, Abruf-Nr. 199282 unter www.iww.de.

Zeugnis: Im Ausbildungszeugnis dürfen keine Rechtschreibfehler sein

| Das Ausbildungszeugnis ist äußerlich ordnungsgemäß zu erstellen, muss objektiv richtig sein und einer verkehrsüblichen Bewertung entsprechen. |

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen. Die Richter stellten in ihrer Entscheidung klar, dass durch die äußere Form eines Zeugnisses nicht der Eindruck erweckt werden dürfe, dass sich der Aussteller vom buchstäblichen Wortlaut seiner inhaltlichen Erklärungen distanziere. Aus § 109 Abs. 2 GewO folge zudem, dass ein Zeugnis keine Merkmale enthalten dürfe, die

  • eine andere als aus der äußeren Form und dem Wortlaut ersichtliche Aussage treffen,
  • die Aussage des Zeugnisses entwerten oder
  • Anlass zu sonstigen negativen Schlussfolgerungen geben.

Im Zeitalter der mit Rechtschreibkontrolle ausgestatteten Computerprogramme bestehe auch ein Anspruch auf ein von Schreibfehlern freies Zeugnis. Da derartige Fehler nicht mehr als Ausdruck der Rechtsschreibschwäche des Ausstellers gedeutet werden können, sondern leicht vermeidbar sind, geben sie Anlass zur negativen Vermutung, der Aussteller des Zeugnisses könnte sich – durch bewusst mangelnde Sorgfalt – vom Inhalt des Zeugnisses distanzieren.

Quelle | LAG Hessen, Urteil vom 19.7.2017, 8 Ta 133/17, Abruf-Nr. 199836 unter www.iww.de.31

Haftungsrecht: Keine Schadenersatzansprüche bei ungeklärter Schuldfrage

| Stoßen zwei Radfahrer zusammen, sind gegenseitige Schadenersatzansprüche unbegründet, wenn sich nicht aufklären lässt, wer von beiden den Unfall verursacht hat. |

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. in einem entsprechenden Fall. Zwar habe der eine Radfahrer im Bußgeldverfahren angegeben, er sei wohl „sehr weit links gefahren“. Das reichte den Richtern jedoch nicht aus, um die Schuldfrage zutreffend beantworten zu können. Die Angabe sei viel zu unspezifiziert. Selbst wenn der Radfahrer „sehr weit links gefahren“ wäre, müsse er nicht unbedingt in die Gegenfahrspur geraten sein. Sie wiesen daher die Schadenersatzklage des anderen Radfahrers ab.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 6.12.2017, 13 U 230/16, Abruf-Nr. 200130 unter www.iww.de.

Erbrecht: Feststellung der Vaterschaft und Verjährung des Pflichtteils

| Wird eine Vaterschaft erst 30 Jahre nach dem Tod des Erblassers rechtskräftig festgestellt, ist ein Pflichtteilsanspruch des Kindes bereits verjährt. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Die Richter erläuterten, dass hier § 2332 Abs. 1 Alt. 2 BGB in der vom 2.1.2002 bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung anzuwenden war. Danach verjährt der Pflichtteilsanspruch kenntnisunabhängig in 30 Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an. Zwar kann das Kind nach § 1600d Abs. 4 BGB seinen Pflichtteilsanspruch erst geltend machen, wenn seine Abstammung nach dem Erblasser rechtskräftig festgestellt wurde. § 2332 Abs. 1 Alternative 1 BGB a.F. stellte aber nach seinem ausdrücklichen Wortlaut hinsichtlich des Beginns der 30-jährigen Verjährungsfrist allein auf den objektiven Umstand des Erbfalls ab. Unerheblich ist, wann der Anspruch entstanden ist, und ob der Gläubiger eine subjektive Kenntnis hatte. Die Regelung ist eindeutig.

Hinweis: Nach neuem Recht dürfte dies anders sein: Nach § 199 Abs. 3a BGB verjähren Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen, kenntnisunabhängig in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an. § 1600d Abs. 4 BGB hindert die Entstehung des Anspruchs in diesem Sinne bis zur rechtskräftigen Feststellung seiner Abstammung.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.6.2017, 7 U 78/16, Abruf-Nr. 199651 unter www.iww.de.

Aktuelle Gesetzgebung: Bundesrat billigt Aussetzung des Familiennachzugs bis Juli 2018

| Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus bleibt bis Ende Juli 2018 ausgesetzt. Der Bundesrat billigte in seiner letzten Sitzung einen entsprechenden Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags. Dieser geht auf einen Kompromiss von CDU, CSU und SPD aus den Koalitionsverhandlungen zurück. |

Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen

Bis zum 31. Juli 2018 bleibt es dabei, dass Flüchtlinge, die keinen vollen, sondern nur einen sogenannten subsidiären Schutz in Deutschland erhalten, ihre nahen Angehörigen nicht nachholen dürfen. Ab dem 1. August 2018 sollen monatlich insgesamt 1000 Ehepartner und minderjährige Kinder subsidiärer Flüchtlinge oder Eltern minderjähriger Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erhalten. Die Einzelheiten dazu sollen in einem weiteren Bundesgesetz geregelt werden.

Die Aussetzung des Familiennachzugs hatte der Bundestag 2016 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise beschlossen – damals eigentlich befristet bis zum 16. März 2018. Diese Frist wird nun um viereineinhalb Monate verlängert.

Härtefallregeln unberührt

Die Härtefallregelungen des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltserlaubnis aus dringenden humanitären Gründen zulassen, bleiben unberührt. Gleiches gilt für die Möglichkeit für oberste Landesbehörden, aus humanitären Gründen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis anzuordnen. Sie werden nicht auf das Kontingent angerechnet.

Wer ist „subsidiär Schutzberechtigter“?

Nach dem Asylgesetz erhält eine Person subsidiären Schutz, wenn sie stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihr in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Unterzeichnung und Verkündung

Mit dem Bundesratsbeschluss ist das parlamentarische Verfahren beendet. Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zugeleitet und kann nach dessen Unterzeichnung im Bundesgesetzblatt verkündet werden und anschließend in Kraft treten.

Quelle | Plenarsitzung des Bundesrats am 2.3.2018

Unfallschadensregulierung: Reparatur gemäß Gutachten auch bei unbezahlter Rechnung

| Grundsätzlich darf sich der Geschädigte auf das Schadengutachten verlassen und den Auftrag zur Reparatur gemäß den gutachterlichen Feststellungen erteilen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er die Rechnung bereits bezahlt hat. |

So sieht es das Amtsgericht Hattingen. Das Urteil begründet das damit, dass das Vertrauen des Geschädigten in das Schadengutachten geschützt sei. Anders als bei den sonstigen Schadenpositionen, so z. B. bei den Gutachtenkosten, wird der Reparaturauftrag vom Geschädigten nicht „freihändig“, sondern gestützt auf das Gutachten, erteilt. Und das macht den Unterschied aus. Wörtlich heißt das beim Amtsgericht: „Der Unterschied ist, dass in diesem Fall bereits ein Sachverständigengutachten zur Schadenschätzung eingeholt wurde, während bei der Beauftragung eines Sachverständigen noch keine Anhaltspunkte für die möglichen Kosten vorliegen.“

Quelle | Amtsgericht Hattingen, Urteil vom 14.11.2017, 6 C 11/17, Abruf-Nr. 198526 unter  www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Pkw mit Allrad, ein Reifen beschädigt, zwei ersetzt

| Wird bei einem Haftpflichtschaden ein Reifen beschädigt und werden auf der Achse beide Reifen erneuert, um Unterschiede beim Abrollumfang zu vermeiden, so kommt ein „Neu für alt-Abzug“ zwar in Betracht. Er ist aber im Einzelfall nicht vorzunehmen, wenn dem Geschädigten daraus kein wirtschaftlicher Vorteil erwächst. |

So entschied es das Amtsgericht Stuttgart. Die Reifen hatten noch ca. 5 mm Profil. Damit bekommt der Geschädigte nun 2,5 bis 3 mm Profil hinzu. Damit ist er zwar auf den ersten Blick wirtschaftlich bessergestellt, denn er muss die Reifen nun später ersetzen. Weil jedoch beim Allradfahrzeug alle vier Räder etwa den gleichen Abrollumfang haben sollen, muss er sie erneuern, wenn er irgendwann die anderen beiden Reifen ersetzt. Also kann er das unfallbedingt hinzugekommene Profil nicht aufbrauchen.

Quelle | Amtsgericht Stuttgart, Urteil vom 21.11.2017, 43 C 2284/17, Abruf-Nr. 198795 unter www.iww.de.

Erbrecht: Auch als „Vollmacht“ bezeichnete Schriftstücke können Testamente sein

| Eigenhändig ge- und unterschriebene Schriftstücke können Testamente sein, auch wenn die Erblasserin die Schriftstücke nicht mit „Testament“ oder „mein letzter Wille“, sondern mit einer anderen Bezeichnung wie z.B. „Vollmacht“ überschrieben hat. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einer Erbstreitigkeit entschieden. Die Erblasserin hatte in einem als „Testament“ überschriebenen Schriftstück bestimmt, dass ihre Schwestern ihr Haus je zur Hälfte erben sollten. Wenige Tage später erteilte sie ihrer Nichte in einem mit „Vollmacht“ überschriebenen Schriftstück Vollmacht, „über meinen Bausparvertrag bei der … Bausparkasse über meinen Tod hinaus, zu verfügen und sich das Guthaben auszahlen zu lassen“ und „über sämtliches Vermögen, welches bei der Volksbank … besteht, über meinen Tod hinaus, zu verfügen“.

Die Beteiligten stritten nun darüber, ob das als „Vollmacht“ bezeichnete Schriftstück ebenfalls als Testament anzusehen ist. Die Klägerin sieht das so. Sie hat gemeint, die Erblasserin habe ihr die Guthaben als Vermächtnisse zugewandt. Ihre Tante – die Beklagte – hat die Auffassung vertreten, die Erblasserin habe der Klägerin lediglich Vollmachten erteilt und ihr keine Vermächtnisse zugewandt.

Die Richter am OLG gaben der Klägerin recht. Die Erblasserin habe ihr die Guthaben bei der Volksbank und der Bausparkasse im Rahmen von Vermächtnissen zugewiesen. Die beiden mit „Vollmacht“ überschriebenen Schriftstücke seien rechtswirksam errichtete privatschriftliche Testamente. Sie seien von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden. Damit würden sie die formalen gesetzlichen Anforderungen an ein privatschriftliches Testament erfüllen.

Dabei sei unerheblich, dass die Schriftstücke nicht mit „Testament“ oder „mein letzter Wille“ überschrieben seien. Das sei auch nicht erforderlich, weil sie auf einem ernstlichen Testierwillen beruhten. Auf die exakte Wortwahl komme es insofern nicht an. Auch der Text des zuvor errichteten Testaments lasse erkennen, dass sich die Erblasserin mit den üblichen Formulierungen letztwilliger Verfügungen nicht ausgekannt habe.

Die Erblasserin habe die Schriftstücke zudem gemeinsam mit dem wenige Tage zuvor errichteten Testament in ihrer Wohnung hinterlegt. Ihr Einsatz im Rechtsverkehr sei aus Sicht der Erblasserin auch nicht notwendig gewesen, nachdem sie ihrer einen Schwester, der Mutter der Klägerin, bereits postmortale Vollmachten für die Bankkonten erteilt habe. Die Mutter der Klägerin habe als Zeugin zudem glaubhaft bekundet, dass die Erblasserin sie und nicht (auch) die Klägerin als ihre Bevollmächtigte angesehen habe.

Vor diesem Hintergrund seien die beiden Schriftstücke so aufzufassen, dass die Erblasserin der Klägerin ihre auf den Konten bestehenden Guthaben als Vermächtnisse habe zuwenden wollen. Dabei habe sie mangels juristischer Beratung gemeint, dies geschehe bei den Forderungen gegen eine Bank dadurch, dass sie postmortale Vollmachten ausstelle. Die Formulierungen in dem Text, die Klägerin solle sich die Guthaben auszahlen lassen, spreche ebenfalls für eine Zuwendung. Gleiches gilt für die Formulierung, dass sie die Zuwendung behalten solle.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 11.5.2017, 10 U 64/16, Abruf-Nr. 199672 unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Kosten für Entfernung von Reparaturschmutz sind zu erstatten

| Der Geschädigte muss nicht hinnehmen, dass sein Unfallwagen bedingt durch die Reparatur verschmutzt wird. Wenn die reparaturausführende Werkstatt die Reinigungsarbeiten berechnet, sind ihm daher entsprechende Schadenkosten entstanden. Der Haftpflichtversicherer muss sie erstatten. |

So urteilte das Amtsgericht Landau in der Pfalz. Nach Ansicht des Gerichts ist es dabei auch unerheblich, ob manche andere Werkstätten für die Reinigung des Fahrzeugs im Hinblick auf unfall- oder reparaturbedingte Verschmutzungen nichts berechnen.

Quelle | Amtsgericht Landau in der Pfalz, Urteil vom 10.9.2017, 6 C 724/17, Abruf-Nr. 198886 unter www.iww.de.