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Monats-Archive: Oktober 2022

Entzug der Fahrerlaubnis: Kein Beweisverwertungsverbot bei anonymer Anzeige wegen Drogenkonsum

| Eine Fahrerlaubnis kann auch aufgrund einer anonymen Anzeige entzogen werden. Das machte das Verwaltungsgericht (VG) Cottbus deutlich und lehnte den Eilantrag eines Autofahrers gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis ab. |

Das war geschehen

Ursache des Verfahrens war, dass die zuständige Straßenverkehrsbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen hatte, nachdem sie von einem der Polizei anonym zugespielten Drogengutachten Kenntnis erlangt hatte. Das Drogengutachten war beim Antragsteller in einem familienrechtlichen Verfahren durchgeführt worden. Es wies den Konsum von Kokain und Amphetamin nach. Der Antragsteller wandte sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis. In seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz machte er hinsichtlich des Gutachtens ein Beweisverwertungsverbot geltend. Außerdem habe er vor drei Monaten ein Entzugsprogramm durchgeführt und befinde sich in Behandlung. Daher sei ein weiterer Drogenkonsum nicht zu erwarten.

Schutzinteresse der Allgemeinheit überwiegt

Das Gericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des Gutachtens nicht bestehe. Es sei zu unterscheiden zwischen strafrechtlichen und gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis diene dem Schutz von Leben und Gesundheit unbeteiligter Verkehrsteilnehmer vor Gefahren, die von ungeeigneten Kraftfahrern ausgingen. Dieses Schutzinteresse überwiege das Interesse des Antragstellers, anzunehmen, dass das ihn betreffende Gutachten außerhalb des familienrechtlichen Verfahrens keine Folgen habe. Im Hinblick auf staatliche Schutzpflichten sei es nicht hinnehmbar, wenn die Fahrerlaubnisbehörde trotz Kenntnis von der Ungeeignetheit eines Fahrerlaubnisinhabers nicht einschreiten dürfte und die Gefahr in Kauf nehmen müsste.

Harte Drogen: kein Führen von Kraftfahrzeugen

Durch den Konsum harter Drogen (Kokain, Amphetamin) habe sich der Antragsteller auch zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erwiesen, weshalb ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen sei. Dabei sei es zum jetzigen Zeitpunkt unerheblich, dass der Antragsteller an einer Drogenentzugstherapie teilgenommen habe und sich auch weiterhin in Behandlung befinde. Eine Entwöhnung und Entgiftung sei erst nach einer einjährigen Abstinenzphase anzunehmen. Da eine einjährige Abstinenz noch nicht nachgewiesen sei, habe der Antragsteller seine Fahreignung noch nicht wiedererlangt.

Quelle | VG Cottbus, Beschluss vom 28.4.2022, VG 7 L 82/22

Unfallflucht: Auch Fußgänger können sich strafbar machen

| Eine Strafbarkeit wegen Unfallflucht unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ist nicht nur Autofahrern vorbehalten. Auch Fußgänger können sich strafbar machen. Das musste eine 57-jährige Frau vor dem Amtsgericht (AG) München erfahren. Das AG verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu jeweils 60 Euro. |

Die Angeklagte war im Sommer 2021 abends mit ihrem Hund am Isarhochufer spazieren gegangen. Direkt neben dem Fußweg verläuft ein Radweg. Auf diesem fuhr die Geschädigte mit ihrem Rad. Die Angeklagte ließ ihren Hund von der Leine, der zusammen mit dem Hund ihrer Begleiterin umhertollte. Dabei geriet er vor das Rad der Geschädigten, deren Vorderrad blockierte. Die Geschädigte überschlug sich und blieb zunächst bewegungslos liegen. Am Rad entstand ein Schaden von etwa 120 Euro. Die Geschädigte wurde dabei erheblich verletzt. Sie erlitt u.a. ein Schleudertrauma, Schürfwunden und Prellungen. Sie war eine Woche arbeitsunfähig krankgeschrieben. Eine Begleiterin der Geschädigten kümmerte sich um die Erstversorgung. Die Angeklagte hingegen entfernte sich, ohne sich um die gestürzte Person zu kümmern, und ohne ihre Personalien zu hinterlassen. Die Angeklagte räumte ihr Fehlverhalten in der Hauptverhandlung ein. Sie erklärte, es tue ihr leid, dass der Unfall passiert sei. Ihre Reaktion begründete sie damit, dass sie ihren Hund habe suchen müssen. Er sei so panisch gewesen, dass sie Angst gehabt habe, er laufe auf die Straße. Der Hund habe seit dem Vorfall Angst vor Fahrrädern, es habe monatelanger Arbeit mit Hundetrainern bedurft, bis der Hund wieder Gassi gehen wollte. Zudem verpflichtete sie sich, 800 Euro Schmerzensgeld an die Geschädigte zu zahlen.

Das AG sah zwar zugunsten der Angeklagten, dass sie die Tatumstände eingeräumt hat, bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und ihr Bedauern über die Tatfolgen nicht nur für ihren eigenen Hund, sondern auch für die Geschädigte in Wort und vor allem im zu Protokoll gegebenen Schuldanerkenntnis über ein Schmerzensgeld von 800 Euro zum Ausdruck gebracht hat. Zugunsten der Angeklagten sprach, dass sie sich spontan wegen der Suche nach ihrem abgängigen Hund vom Unfallort entfernt hat. Es wäre der Angeklagten jedoch durch kurze Angabe ihrer Personalien möglich gewesen wie später geschehen ihren Hund wiederzufinden.

Quelle | AG München, Urteil vom 11.4.22, 941 Cs 442 Js 190826/21, PM 19/22 vom 20.5.2022

Showbeleuchtung eines Sattelzugs: Erlöschen der Betriebserlaubnis nicht automatisch

| Das Anbringen von 110 zusätzlichen LED-Leuchten an einem Lastkraftwagen führt nicht zwingend dazu, dass die Betriebserlaubnis erlischt. Hierfür muss das Gericht feststellen, dass die Beleuchtung eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer erwarten lässt. Dies hat das Pfälzische Oberlandesgericht (OLG) in einem Rechtsbeschwerdeverfahren entschieden. |

Das war geschehen

Der Betroffene hatte an seiner Sattelzugmaschine mehr als 110 zusätzliche LED-Leuchteinheiten angebracht gesondert schaltbar durch einen eigenen Stromkreis. Die Zusatzbeleuchtung diente dazu, das Fahrzeug bei einer Showveranstaltung zu verwenden. Sie war während einer Fahrt in den Abendstunden im September 2020 auf der Bundesautobahn 6 eingeschaltet, weshalb die Polizei den Mann anhielt und kontrollierte. Da die Polizei meinte, dass die Betriebserlaubnis durch die Zusatzbeleuchtung erloschen war, leitete sie ein Bußgeldverfahren ein.

Das Amtsgericht (AG) verurteilte den Fahrzeugführer wegen vorsätzlicher Inbetriebnahme eines LKW trotz erloschener Betriebserlaubnis zu einer Geldbuße von 360 Euro. Doch seine Rechtsbeschwerde hatte vorläufig Erfolg. Der Bußgeldsenat hat das Urteil aufgehoben und das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.

Nach der Entscheidung des OLG hat das AG eine von der Zusatzbeleuchtung ausgehende Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht hinreichend festgestellt. Die einschlägige Vorschrift der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) setze zwar keine konkrete Gefährdung voraus. Es sei aber erforderlich, dass der Bußgeldrichter im Einzelfall ermittele, ob die Änderungen eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern erwarten lasse. Der reine Verweis auf die hohe Zahl der LED-Leuchten genüge nicht. Denn allein die hieraus folgende besondere Auffälligkeit des LKW bei eingeschalteter Beleuchtung begründe nicht die Erwartung, dass andere Verkehrsteilnehmer in gefährdender Weise vom Verkehrsgeschehen abgelenkt werden.

Das AG hätte sich zumindest mit der Leuchtkraft und Farbgebung der LED-Leuchten und einer daraus möglicherweise folgenden Blendwirkung auseinandersetzen müssen. Dass der Einbau lichttechnischer Anlagen per se zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führe wovon das Amtsgericht ausgegangen war hält der Senat nicht für zutreffend. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Einbau der Leuchten eine Veränderung der notwendigen lichttechnischen Anlagen des Fahrzeugs (wie beispielsweise bei getönten Rückleuchten) zur Folge hätte. Da die zusätzlichen LED-Leuchten in einem gesonderten Stromkreis getrennt von der notwendigen Beleuchtung schaltbar gewesen seien, sei diese Voraussetzung nicht gegeben.

Zurück zum Amtsgericht

In dem erneuten Verfahren wird das AG nun klären müssen, ob die Showbeleuchtung zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen kann. Dabei wird ggf. auch zu beachten sein, dass das Anbringen von nicht vorgeschriebenen oder unzulässigen lichttechnischen Einrichtungen am Fahrzeug gemäß der Straßenverkehrszulassungsordnung (§§ 69a Abs. 3 Nr. 18 i.V.m. 49a StVZO) auch ungeachtet einer möglichen Gefährdung bußgeldbewehrt ist (Regelsatz nach Bußgeldkatalog-Verordnung (Nr. 221.2 BKatV) 20 Euro).

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.5.22, 1 OWi SsBs 101/21

Parkmanöver: Wenn der Blumenkübel im Weg steht…

| Muss eine Stadt Schadenersatz leisten, wenn ein Autofahrer bei Dunkelheit mit einem zur Verkehrsberuhigung in einer Spielstraße aufgestellten Blumenkübel kollidiert? Diese Frage hat nun das Landgericht (LG) Koblenz entschieden. |

Ein Autofahrer hatte seine Tochter besucht. Diese wohnte in einer Spielstraße. Zur Verkehrsberuhigung hatte die Stadt dort zwei anthrazitfarbene Blumenkübel aufgestellt. Eine besondere Markierung oder Kennzeichnung fehlte. Als der Mann abends gegen 18:00 Uhr in die Straße einbog, übersah er einen der beiden Kübel und kollidierte mit ihm. An seinem Auto entstand ein Schaden von rund 1.300 Euro.

Der Kläger verlangte nun von der Stadt den Ersatz des Schadens. Seine Begründung: An jenem Abend sei es dunkel, regnerisch und neblig gewesen. Die Blumenkübel seien von der Stadt nicht ausreichend gekennzeichnet worden, sodass er sie trotz äußerst langsamer Fahrweise nicht habe erkennen können. Die Stadt habe auch nichts unternommen, nachdem es in der Vergangenheit schon mehrfach zu Unfällen gekommen sei. Der Kläger meinte daher, nicht er, sondern die Beklagte sei für den Schaden verantwortlich. Die Stadt verweigerte die Zahlung. Sie meinte, der Kläger müsse für die Folgen seiner eigenen Unachtsamkeit selbst aufkommen.

So sah es auch das LG: Zwar habe der Stadt die Sicherung des Verkehrs in der Straße oblegen. Die Begrenzung einer verkehrsberuhigten Straße durch Blumenkübel sei aber zulässig. Der Autofahrer sei in jedem Fall ganz überwiegend selbst an dem Unfall schuld. Ihm sei nämlich von früheren Besuchen bei seiner Tochter bekannt gewesen, dass in der Straße Blumenkübel aufgestellt waren. Bei Dunkelheit habe er nur so schnell fahren dürfen, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke hätte anhalten können. Außerdem habe er in dem verkehrsberuhigten Bereich ohnehin nur Schritttempo fahren dürfen. Einen Fahrer, der bei Dunkelheit auf ein unbeleuchtetes unbewegtes Hindernis auffahre, treffe regelmäßig ein Verschulden. Unter diesen Umständen sei dem Kläger ein derart schwerwiegender Verkehrsverstoß unterlaufen, dass es auf die Frage nicht mehr ankomme, ob die Blumenkübel ausreichend gekennzeichnet waren.

Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 5.8.2022, 5 O 187/21

Erbschaft: Vermächtnisnehmer ist nicht am Verfahren zur Ernennung des Testamentsvollstreckers zu beteiligen

| Der Vermächtnisnehmer ist an dem Verfahren des Nachlassgerichts zur Ernennung des Testamentsvollstreckers und zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses nicht zu beteiligen. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. |

Der Vermächtnisnehmer war durch letztwillige Verfügung des Erblassers mit zwei Vermächtnissen bedacht worden. Das eine Vermächtnis räumt ihm das lebenslange Recht ein, eine Wohnung des Erblassers sowie ein zu dieser Wohnung gehörendes Zimmer unentgeltlich zu bewohnen. Das zweite Vermächtnis bezieht sich auf die Wohnungseinrichtung nebst dem dazugehörigen Hausrat. Der Erblasser hatte zudem einen Testamentsvollstrecker berufen. Das notariell beurkundete Testament sieht dazu eine Abwicklungsvollstreckung sowie nach erfolgter Erbauseinandersetzung eine daran anschließende Dauervollstreckung vor, diese allerdings befristet.

Das Amtsgericht (AG) führt den Vorgang über die Ernennung des Testamentsvollstreckers und die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses. Der Vermächtnisnehmer möchte an beiden Verfahren beteiligt werden und begehrt, die betreffenden Akten des Nachlassgerichts einzusehen.

Nach Ansicht des OLG ist er aber nicht zu beteiligen. Das Gesetz (hier: § 345 des „Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ FamFG) liste für verschiedene Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit abschließend die Personen auf, die von Amts wegen oder auf Antrag hinzugezogen werden müssen und die das Gericht darüber hinaus am Verfahren beteiligen kann.

Das Verfahren zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers und zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses sei in Absatz 3 der o. g. Vorschrift geregelt. An jenem Verfahren sei der Testamentsvollstrecker zwingend beteiligt. Daneben könne das Gericht die Erben und einen etwaigen Mitvollstrecker hinzuziehen. Auf ihren Antrag hin seien diese Personen zu beteiligen. Ein Recht auf Einsicht in die Testamentsvollstreckerakte könne sich zwar ergeben, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse an der Einsicht glaubhaft gemacht werden kann. Der Vermächtnisnehmer habe hier aber weder dargelegt noch sei sonst ersichtlich, inwieweit es ihm die Akteneinsicht erleichtern könnte, seinen Anspruch aus den beiden Vermächtnissen durchzusetzen.

Quelle | OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.22, I-3 Wx 86/21, Abruf-Nr. 229853 unter www.iww.de

10-jährige Haltefrist: Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim

| Ein Erbe verliert nicht die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim, wenn ihm die eigene Nutzung des Familienheims aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt entschieden. |

Die Klägerin hatte das von ihrem Vater ererbte Einfamilienhaus zunächst selbst bewohnt, war aber bereits nach sieben Jahren ausgezogen. Im Anschluss wurde das Haus abgerissen. Die Klägerin machte gegenüber dem Finanzamt und dem Finanzgericht (FG) erfolglos geltend, sie habe sich angesichts ihres Gesundheitszustands kaum noch in dem Haus bewegen und deshalb ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben können. Das FG war der Ansicht, das sei kein zwingender Grund für den Auszug, da sich die Klägerin fremder Hilfe hätte bedienen können.

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Grundsätzlich setzt die Steuerbefreiung gemäß Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ daran gehindert. „Zwingend“, so der BFH, erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen, wie etwa die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung, genügten zwar nicht. Anders liege es, wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen für eine Fortnutzung des Familienheims so erheblicher Unterstützung bedürfe, dass nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung zu sprechen sei. Das FG muss deshalb unter Mitwirkung der Klägerin das Ausmaß ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen prüfen.

Quelle | BFH, Urteil vom 1.12.21, II R 18/20, PM 28/22 vom 7.7.2022

Scheidung und Versorgungsausgleich: Wenn sich die Ehefrau von ihrem inhaftierten Mann trennen möchte …

| Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat nun entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Trennungswille eines Ehegatten zu erkennen ist, wenn der andere inhaftiert ist. |

Die Eheleute schlossen 2002 die Ehe. Der Ehemann hatte keine abgeschlossene Ausbildung, war seit Jahren drogenabhängig und führte nur kurzzeitige Hilfstätigkeiten aus. Die Ehefrau war hingegen durchgehend berufstätig. 2020 wurde dem Mann, der eine Haftstrafe verbüßte, der Scheidungsantrag in der Justizvollzugsanstalt (JVA) zugestellt. Das Amtsgericht (AG) hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Mannes blieb erfolglos.

Eine Ehe kann erst nach Abschluss des Trennungsjahrs geschieden werden. Fehlt das tägliche Zusammenleben, ist darauf abzustellen, wann der Trennungswille des einen Ehegatten für den anderen erkennbar war. Von dem Trennungswillen der Ehefrau hat der Mann jedenfalls mit Zugang des Antrags auf Verfahrenskostenhilfe für den beabsichtigten Scheidungsantrag erfahren. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens ist daher das Trennungsjahr abgelaufen.

Die Ehefrau hatte Beschwerde eingelegt, da sie den Versorgungsausgleich für grob unbillig hielt. Das OLG sah dies anders. Die Erwerbslosigkeit und die Straftaten des Mannes schließen den Versorgungsausgleich nicht wegen grober Unbilligkeit aus. Für das Gericht war wichtig: Der Ehefrau war bei der Heirat bekannt, dass aufgrund der Drogenabhängigkeit ihres Mannes, der über keine Ausbildung verfügt, voraussichtlich nicht mit erheblichen Rentenanwartschaften zu rechnen ist. Daran hat sich während der Ehe nichts Wesentliches geändert.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.4.2021, 2 UF 159/20, Abruf-Nr. 229284 unter www.iww.de

Adoptionsverfahren: Stiefkindadoption, wenn der leibliche Vater inhaftiert ist

| Heutzutage gibt es immer mehr „Patchwork“-Familien. In manchen Fällen stellt sich dann die Frage, ob die Adoption eines Kindes durch den neuen Lebenspartner des einen Elternteils in Frage kommt. Hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg kürzlich in einem interessanten Fall entschieden. |

Adoption: Kindeswohl steht im Vordergrund

Grundsätzlich kann eine Adoption ausgesprochen werden, wenn dies dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Vor allem bei der Stiefkindadoption ist das schützenswerte Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung der familiären Bande zu seinem leiblichen anderen Elternteil zu beachten, wenn dieses Band infolge der Stiefkindadoption durchtrennt würde. Für die Adoption des Kindes durch den Stiefelternteil kann dabei etwa sprechen, dass zwischen Kind und dem durch die Adoption zurücktretenden leiblichen Elternteil keine Beziehung (mehr) besteht, etwa weil dieser verstorben oder unbekannt ist oder die Beziehung so stark gelockert ist, dass sich das zwischen dem Kind und dem leiblichen Elternteil bestehende Eltern-Kind-Verhältnis nur noch als leere rechtliche Hülle darstellt. Als gewichtiger Vorteil der Annahme als Kind kann sich in diesem Fall der Umstand erweisen, dass der Stiefelternteil nach der Annahme des Kindes eine bisher bereits faktisch gemeinsam wahrgenommene elterliche Verantwortung auch rechtlich in Gestalt der gemeinsamen elterlichen Sorge ausüben kann.

Das war geschehen

In dem vom OLG entschiedenen Fall beantragte der Stiefvater eines achtjährigen Kindes die Adoption. Der leibliche Vater ist seit 2016 inhaftiert und hat der Adoption zunächst widersprochen.

Das Amtsgericht (AG) Familiengericht hatte den Antrag des Stiefvaters auf Ersetzung der Einwilligung des leiblichen Vaters nach Einholung einer fachlichen Stellungnahme des Jugendamtes und mit der nun angefochtenen Entscheidung auch den Antrag des Antragstellers auf Adoption mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle die Einwilligung des leiblichen Vaters.

Leiblicher Vater: Einwilligung zur Adoption zurückgenommen

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG hat der leibliche Vater zunächst seine Einwilligung in die Adoption erklärt, diese aber im Hinblick auf die erwartete Haftentlassung wieder zurückgenommen. Das OLG hat die Beschwerde des Stiefvaters mit der Begründung zurückgewiesen, dass der durch den Ausspruch der Adoption eventuell entstehende Vorteil den Nachteil des irreversiblen Abschneidens des rechtlichen Bandes des Kindes zu seinem leiblichen Vater und dessen Verwandten nicht ausgleichen kann.

Kindeswunsch: mehr Kontakt zu leiblichem Vater

Das Kind habe zwar erklärt, dass sich der von ihm ebenfalls als „Papa“ bezeichnete Stiefvater sehr gut um es kümmere, indem er z.B. für das Kind koche und es zur Schule bringe. Das Kind hatte aber ebenso auch den Wunsch geäußert, häufiger Kontakt zu seinem leiblichen Vater haben zu können und diesen ebenfalls als Vater angesehen.

Oberlandesgericht: Hier kann man auf eine Adoption verzichten

Das OLG hat die Zurückweisung des Adoptionsantrags weiter damit begründet, dass das Gesetz auch den Stiefeltern z.B. in Angelegenheiten des täglichen Lebens weitreichende rechtliche Befugnisse einräume. Folglich müsse immer geprüft werden, ob diese rechtliche Flankierung der Stiefeltern nicht ausreichend sei, um dem Interesse des Kindes an der Verfestigung einer zum Stiefelternteil bestehenden sozialen Eltern-Kind-Beziehung Genüge zu tun und deshalb auf eine Adoption verzichtet werden könne. Dies sei vorliegend der Fall.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 8.4.2022 4 UF 101/21, PM 26/22

Kündigung: Urlaub bei einem anderen Arbeitgeber wird angerechnet

| Der Arbeitnehmer muss sich den ihm während des Kündigungsschutzrechtsstreits von einem anderen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf seine Urlaubsansprüche gegen den alten Arbeitgeber anrechnen lassen. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen. Voraussetzung: Der Arbeitnehmer hätte die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig erfüllen können. Das gilt auch für den vertraglich vereinbarten Urlaub, der den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt. |

Eine Verkäuferin hatte nach ihrer fristlosen Kündigung eine Kündigungsschutzklage erhoben. Während des Verfahrens arbeitete sie bei einem anderen Arbeitgeber und nahm dort auch Urlaub.

Das LAG machte deutlich: Auch bei der Anrechnung des Urlaubs ist eine Gesamtberechnung anhand des im gesamten Anrechnungszeitraum gewährten Urlaubs vorzunehmen. Die Arbeitnehmerin konnte daher nicht einerseits bei dem neuen Arbeitgeber Urlaub nehmen und andererseits beim alten Arbeitgeber für die gleiche Zeit Urlaubsabgeltung verlangen.

Quelle | LAG Niedersachsen, Urteil vom 2.5.2022, 15 Sa 885/21

Rettungsassistent: Gleiche Arbeit, gleicher Lohn

| Die Differenzierung im Stundenlohn (17 Euro/12 Euro) zwischen „hauptamtlichen“ (Voll- und Teilzeit) und „nebenamtlichen“ Arbeitnehmern (geringfügige Beschäftigung) ist nicht sachlich gerechtfertigt. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) München. |

Ein als Minijobber beschäftigter Rettungsassistent wehrte sich, weil er fünf Euro weniger als die „hauptamtlichen“ Kollegen verdiene, obwohl er die gleiche Arbeit leiste. Seine Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) München verlor der Arbeitnehmer zunächst.

Doch er blieb hartnäckig. Mit Erfolg: Das LAG München sah das nämlich anders als das ArbG: Die Tatsache, dass der Arbeitgeber die „hauptamtlich“ Beschäftigten in den Dienstplan einteilen würden und die „nebenamtlich“ Beschäftigten mitteilen müssten, welche angebotenen Dienste sie übernehmen bzw. wann sie Zeit haben, rechtfertige die unterschiedliche Bezahlung nicht. Hierfür seien keine objektiven Gründe gegeben, die einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen würden und zur Zielerreichung geeignet und erforderlich seien. Auch würde die Unterscheidung nicht dem Zweck der Leistung entsprechen.

Die Sache ist noch nicht rechtskräftig. Denn der Arbeitgeber hat Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt.

Quelle | LAG München, Urteil vom 19.1.2022, 10 Sa 582/21, Abruf-Nr. 228533 unter www.iww.de