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Monats-Archive: Oktober 2019

Arbeitszeit: Anspruch auf Korrektur eines Arbeitszeitkontos

| Ist ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, dass dieses Konto korrekt geführt wird. |

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern. Die Richter erläuterten, dass ein Arbeitszeitkonto festhält, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste. Es drückt damit – in anderer Form – seinen Vergütungsanspruch aus. Wird das Arbeitszeitkonto falsch geführt, kann der Arbeitnehmer eine Korrektur des Fehlers verlangen und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen. Das gilt nicht nur für den Fall, dass der Arbeitgeber unberechtigt zuvor gebuchte Stunden streicht. Es gilt nach der Entscheidung auch, wenn der Arbeitgeber tatsächlich geleistete Arbeitsstunden nicht verbucht.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.3.2019, 2 Sa 11/18, Abruf-Nr. 210736 unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Haftung des Fahrzeughalters kann beim Fußgängerunfall im Einzelfall vollständig entfallen

| Die von einem Kraftfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr kann bei grob verkehrswidrigem Verhalten eines Fußgängers vollständig entfallen. Ob dies im Einzelfall so ist, muss durch eine Abwägung geklärt werden. |

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hin. Geklagt hatte die Krankenkasse einer Frau, die bei einem Unfall schwer verletzt wurde. Die Frau hatte ihren Pick-up zunächst neben einer siebenspurigen Fahrbahn im Stadtgebiet geparkt. Dann hatte sie ein mannshohes Plakat ausgeladen. Dieses Plakat wollte sie auf einem Grünstreifen aufstellen, der sich in der Mitte der Fahrspuren befand. Nur wenige Meter von dem geparkten Pick-up entfernt hätte die Frau an einer Ampelanlage gefahrlos die Straße überqueren und zu dem Grünstreifen gelangen können. Sie wollte jedoch unmittelbar am Ausladeort mit dem großen Plakat in Händen über die Straße gehen. Dabei hätte sie insgesamt vier Spuren überqueren müssen. Beim Überqueren der Straße wurde sie vom Fahrzeug des Beklagten erfasst und dabei schwer verletzt. Der Mann war mit seinem Pkw auf dem zweiten Fahrstreifen unterwegs.

Die Krankenkasse der Frau verlangt vom Beklagten Schadenersatz für aufgewendete Heilbehandlungskosten. Außerdem will sie festgestellt wissen, dass der Beklagte den künftig noch entstehenden Schaden ersetzen muss. Dabei geht die Krankenkasse von einer Haftungsquote von 50 Prozent aus. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat der Klage mit einer Haftungsquote von 1/3 zulasten des Beklagten stattgegeben.

Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Das OLG hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es die Klage komplett abgewiesen. Die Richter gehen von einer Alleinhaftung der geschädigten Frau aus. Der Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass diese plötzlich die Straße überqueren werde. Der Pick-up sei neben der Fahrbahn geparkt gewesen. Er habe kein Verkehrshindernis dargestellt. Es habe für den Beklagten ferngelegen, damit zu rechnen, dass jemand mit einer mannshohen Plakatwand nicht den 15 m entfernten ampelgeregelten Fußgängerüberweg nehmen würde, sondern versuchen könnte, die vier Fahrbahnen zu dem bewachsenen Trennstreifen in einem Zug zu überqueren.

Der Beklagte habe deshalb auch nicht schon beim ersten Schritt der Geschädigten auf die Fahrbahn mit einer Vollbremsung reagieren müssen. Zwar hätte er bremsen müssen, als die Frau weiter auf die Fahrbahn lief. Allerdings sei da der Unfall aber selbst mit einer Vollbremsung nicht mehr vermeidbar gewesen. Die Geschädigte habe sich grob verkehrswidrig verhalten. Sie hätte die mehrspurige Straße nur an der Ampel überqueren dürfen. Zudem habe sie sich auch beim Überqueren der Straße nicht richtig verhalten. Das sich annähernde Fahrzeug des Beklagten sei für sie erkennbar gewesen. Sie hätte deshalb stehen bleiben müssen. Das galt besonders, da sie ein sperriges Plakat mit sich führte.

Quelle | Urteil des OLG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 31.1.2018, 4 U 1386/17, Abruf-Nr. 211181 unter www.iww.de.

Sachgrundlose Befristung: Zwei Jahre sind zwei Jahre und ein Tag zu viel ist ein Tag zu viel

| Eine sachgrundlose Befristung ist nur für die Dauer von bis zu zwei Jahren zulässig. Sie wird bereits unwirksam, wenn die Dauer auch nur um einen Tag überschritten ist. |

Diese Klarstellung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf kam einem Arbeitnehmer zugute, der sich Mitte August 2016 auf eine Ausschreibung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beworben hatte. Die Bewerbung war erfolgreich und der Mann wurde zunächst befristet für sechs Monate am Standort Düsseldorf eingestellt. Das Arbeitsverhältnis begann ausweislich des Arbeitsvertrags am Montag, den 5.9.2016. In der Zeit vom 5.9.2016 bis zum 23.9.2016 besuchte der Mann eine Schulung in Nürnberg. Hierzu reiste er im Einvernehmen mit dem BAMF bereits am Sonntag, den 4.9.2016 an. Das BAMF erstattete ihm die Reisekosten und die Hotelkosten für die Übernachtung vom 4.9.2016 auf den 5.9.2016. Im Februar 2017 wurde das Arbeitsverhältnis bis zum 4.9.2018 verlängert. Nach Ablauf der Befristung erhielt der Arbeitnehmer keine unbefristete Stelle. Seine darauf gerichtete Bewerbung war erfolglos.

Daraufhin erhob der Arbeitnehmer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Er wollte festgestellt wissen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch Befristung zum 4.9.2018 beendet worden ist, sondern weiter fortbesteht. Mit dieser Klage war er vor dem LAG erfolgreich. Die sachgrundlose Befristung seines Arbeitsvertrags ist unwirksam. Diese ist nach dem Gesetz nur bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Diese Zeitdauer war hier um einen Tag überschritten, weil die Dienstreise am 4.9.2016 bereits Arbeitszeit war. Die einvernehmliche und von der Arbeitgeberin bezahlte Dienstreise wurde nicht in der Freizeit des Arbeitnehmers, sondern bereits innerhalb des Arbeitsverhältnisses erbracht. Sie war Teil der arbeitsvertraglich versprochenen Dienste. Das Arbeitsverhältnis hatte damit nicht erst am 5.9.2016, sondern bereits am 4.9.2016 begonnen. Der Zwei-Jahres-Zeitraum endete mit Ablauf des 3.9.2018. Die Überschreitung der Höchstdauer von zwei Jahren für die sachgrundlose Befristung auch um nur einen Tag aufgrund der Dienstreise führt dazu, dass mit dem Arbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 9.4.2019, 3 Sa 1126/18, Abruf-Nr. 211188 unterwww.iww.de.