| Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) begründen. |
Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Sekretärin der Geschäftsleitung. Sie war ab dem 27. Dezember 2011 arbeitsunfähig erkrankt, zunächst mit Bronchialerkrankungen. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31. Januar 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie.
Der Arbeitgeber bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Beobachtet wurden u.a. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthält elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen.
Die Klägerin hält die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig und fordert ein Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Sie hält 10.500 EUR für angemessen. Sie habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten, die ärztlicher Behandlung bedürften.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.000 EUR stattgegeben. Die Revisionen beider Parteien blieben vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg.
Die Richter dort waren der Ansicht, dass die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen rechtswidrig war. Der Arbeitgeber hatte keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Höhe des Schmerzensgeldes war in der Revisionsinstanz nicht zu beanstanden.
Hinweis | Es war nicht zu entscheiden, wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2015, 8 AZR 1007/13, Abruf-Nr. 143970 unter www.iww.de.
| Der Konzernbetriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Facebook-Seite des Arbeitgebers. |
Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf im Fall eines Konzernbetriebsrats, der im Beschlussverfahren von der Arbeitgeberin verlangt, ihre Seite auf www.facebook.com abzuschalten. Die Arbeitgeberin nimmt in fünf Transfusionszentren Blutspenden entgegen, verarbeitet und veräußert diese. Sie eröffnete ohne Beteiligung des Konzernbetriebsrats eine konzernweite Facebook-Seite. Die Nutzer erhielten die Möglichkeit, Kommentare abzugeben, die auf der virtuellen Pinnwand eingestellt und von den Facebook-Nutzern betrachtet bzw. weiter kommentiert werden können. Die Arbeitgeberin informierte die Mitarbeiter über die Seite und wies auf diese bei den Spendenterminen in Flugblättern hin. Auf der Facebook-Seite wurden mehrere negative Kommentare über die Qualität der Mitarbeiter bei Blutspenden veröffentlicht.
Der Konzernbetriebsrat meint, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht zu. Die Facebook-Plattform sei als technische Einrichtung geeignet, die Mitarbeiter zu überwachen. Hierfür stünden der Arbeitgeberin weitere Programme zur Verfügung, um personenbezogene Daten zu erhalten, zumal anhand der Dienstpläne eine Zuordnung der Beschwerden zu den Mitarbeitern möglich sei. Die Arbeitgeberin sieht in der Facebook-Seite lediglich einen Kummerkasten und ein Marketinginstrument. Außerdem nutze sie die Seite und die ergänzenden technischen Möglichkeiten nicht zu Kontrollzwecken.
Das LAG hat auf die Beschwerde der Arbeitgeberin den Antrag des Konzernbetriebsrats zurückgewiesen. Dem Betriebsrat stehe bei der Einrichtung der Facebook-Seite kein Mitbestimmungsrecht zu. Dieses folge insbesondere nicht aus den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Seite als solche sei keine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen. Eine solche Einrichtung setze voraus, dass sie – jedenfalls teilweise – aus sich heraus Aufzeichnungen über die Mitarbeiter automatisiert erstellt. Dies sei nicht der Fall, wenn Dritte dort Beschwerden anlässlich ihrer Blutspenden über Mitarbeiter eintragen. Die Möglichkeit, die Facebook-Seite mittels der integrierten Werkzeuge zu durchsuchen, sei ebenfalls keine automatische Aufzeichnung im Sinne der Mitbestimmungsregeln des Betriebsverfassungsgesetzes. Anders sei dies bei den Mitarbeitern, welche die Facebook-Seite pflegen, weil deren Aktivität nach Datum und Uhrzeit aufgezeichnet werde. Da dies aber zehn Mitarbeiter betreffe, welche alle den gleichen allgemeinen Zugang benutzen, seien Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Mitarbeiter nicht möglich.
Quelle | LAG Düsseldorf, Beschluss vom 12.1.2015, 9 Ta BV 51/14, Abruf-Nr. 143808 unter www.iww.de.
| Ein Arbeitgeber, der Strafanzeige gegen seinen Arbeitnehmer erstattet hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein, die Kosten für dessen anwaltliche Vertretung zu übernehmen. |
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Köln. Betroffen war der bei einem Werttransportunternehmen beschäftigte Fahrer. Er hatte den Geldschein eines Kunden zur Überprüfung seiner Echtheit der Polizei übergeben. Nach Rückerhalt des Geldscheins gab er diesen in einer Filiale der Arbeitgeberin ab, was allerdings nicht quittiert wurde. Als der Kunde später nach dem Verbleib des Geldscheins fragte und der Vorgang nicht nachvollzogen werden konnte, erstattete die Arbeitgeberin Strafanzeige gegen den zwischenzeitlich ausgeschiedenen Kläger, ohne diesen hierzu zu befragen. Nach Aufklärung des Sachverhalts stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein. Der Kläger hatte einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt. Er verlangt nun von der Arbeitgeberin die Kosten hierfür erstattet.
Das Arbeitsgericht Köln hat dem Mann recht gegeben und die Arbeitgeberin zur Zahlung der Anwaltskosten verurteilt. Zwar dürfe jemand, der gutgläubig eine Anzeige erstatte, nicht mit dem Risiko eines Schadenersatzanspruchs belegt werden, wenn sich der Verdacht später nicht bestätige. Dieser vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Grundsatz gelte im Arbeitsverhältnis jedoch nicht uneingeschränkt. Im Arbeitsverhältnis bestünden besondere Fürsorgepflichten, nach denen die eine Partei der anderen nicht grundlos Nachteile zufügen dürfe. Die Arbeitgeberin hätte den Kläger im konkreten Fall vor Erstattung der Anzeige befragen und den Sachverhalt auf diese Weise ggf. aufklären müssen.
Quelle | Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 18.12.2014, 11 Ca 3817/14, Abruf-Nr. 143636 unter www.iww.de .
| Wer im Zusammenhang mit einer einmaligen Eskalation bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Arbeitgeber beleidigt, ist nicht immer verpflichtet, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. |
Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein im Fall einer Arbeitgeberin. Diese hatte der in einer kleinen Filiale beschäftigten verklagten Arbeitnehmerin innerhalb der Probezeit gekündigt und sie sofort freigestellt. Trotz Arbeitsunfähigkeit bestand sie auf einer sofortigen Herausgabe von Firmeneigentum. Bei der Übergabe soll die Arbeitnehmerin in Anwesenheit des Shop-Leiters zu ihrer neu eingestellten Nachfolgerin u.a. gesagt haben, sie werde auch nur verarscht und angelogen. Den abwesenden Geschäftsführer bezeichnete sie mindestens sinngemäß als „Arschloch“. Die Arbeitnehmerin war nach der Übergabe nie wieder in der Filiale und hatte keine Berührungspunkte mehr zur Firma.
Die Arbeitgeberin verlangte von ihr, eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Darin sollte sie sich verpflichten, konkret bezeichnete, aber streitige Äußerungen wörtlich oder sinngemäß zu unterlassen und für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von mehr als 5.000 Euro zu zahlen. Dazu war die Arbeitnehmerin nicht bereit. Daraufhin erhob die Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht eine entsprechende Unterlassungsklage. Sie meinte, hier bestünde Wiederholungsgefahr. das zeige sich schon aus der Weigerung, die Erklärung abzugeben. Die verklagte Arbeitnehmerin hat im Rahmen des Rechtsstreits wiederholt versichert, dass sie sich über die Arbeitgeberin und deren Geschäftsführer seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr geäußert habe und auch nicht mehr äußern werde.
Die Klage der Arbeitgeberin war vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht nicht erfolgreich. Die Gerichte haben die Unterlassungsklage mangels Wiederholungsgefahr abgewiesen. Seien Äußerungen bereits einmal gefallen, werde zwar an sich das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr vermutet. Liege aber eine einmalige eskalierende Situation vor, in der etwaige ehrverletzende Äußerungen über den Arbeitgeber abgegeben wurden, spreche das gegen eine Wiederholungsgefahr. Das gelte insbesondere bei einem beendeten Arbeitsverhältnis. Nichts anderes gelte, wenn die Arbeitnehmerin sich weigere, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und sich gegen eine Unterlassungsklage verteidige. Alle Einzelumstände des Falles und auch das Prozessverhalten müssten betrachtet werden.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.8.2014, 3 Sa 153/14, Abruf-Nr. 172245 unter www.iww.de.
| Es verstößt gegen das Verfassungsrecht, wenn Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, um nach Ladenschluss am vorausgegangenen Werktag um 24.00 Uhr noch anwesende Kunden zu bedienen oder Abwicklungsarbeiten vorzunehmen. |
Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Fall einer Supermarkt-Handelskette klargestellt. Dieser war vom beklagten Land Berlin aufgegeben worden, die Öffnungszeiten an Samstagen und vor Wochenfeiertagen so zu gestalten, dass nach 24.00 Uhr keine Arbeitnehmer zur Bedienung von Kunden oder zur Erledigung von Abwicklungsarbeiten beschäftigt werden müssen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das Berliner Ladenöffnungsgesetz sei nach den Vorgaben des Grundgesetzes einschränkend so auszulegen, dass die fehlende Begrenzung der Ladenöffnung an Werktagen den Arbeitgebern nicht das Recht gebe, an den darauffolgenden Sonn- oder Feiertagen nach 0.00 Uhr Arbeitnehmer zur Bedienung noch anwesender Kunden oder zur Vornahme von Abschlussarbeiten zu beschäftigen.
Das BVerwG hat diese Auffassung bestätigt. Daher hat es die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe nach dem Grundgesetz gesetzlich so auszugestalten, dass an diesen Tagen grundsätzlich die Verrichtung abhängiger Arbeit ruht. Es müsse als Regel gelten, dass die Sonn- und Feiertage Tage der Arbeitsruhe sind. Ausnahmen seien nur zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglich. Dazu würden nicht das Umsatzinteresse der Ladeninhaber und das alltägliche Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer zählen. Danach dürften Arbeitnehmer nicht regelmäßig an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, um es Ladeninhabern und Kunden zu ermöglichen, die gesetzlich zugelassene Ladenöffnung an Samstagen und vor Wochenfeiertagen bis 24.00 Uhr voll auszuschöpfen.
Quelle | BVerwG, Beschluss vom 4.12.2014, 8 B 66.14, Abruf-Nr. 143807 unter www.iww.de.
| Notariatsmitarbeitern steht kein Kurzarbeitergeld zu, wenn das Amt des Notars mit Vollendung seines 70. Lebensjahres erlischt und in der Folge die Arbeitszeit von Mitarbeitern der Notars- und Rechtsanwaltskanzlei reduziert wird. Die Auftragsschwankungen in der Kanzlei bis ein neuer Notar bestellt ist, stellen keine wirtschaftlichen Gründe im Sinne des Kurzarbeitergelds dar. |
Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen bestätigt. In dem betreffenden Fall hatte eine Rechtsanwaltskanzlei (Klägerin) – bestehend aus einem Rechtsanwalt und einem ursprünglich sowohl als Notar als auch als Rechtsanwalt zugelassenen Kollegen – für einen Teil ihrer Arbeitnehmer bei der Bundesagentur für Arbeit (Beklagte) Kurzarbeitergeld beantragt. Zuvor war das Notaramt des einen Rechtsanwalts mit Vollendung seines 70. Lebensjahres erloschen. Der andere Rechtsanwalt war ein weiteres Jahr als Notariatsverwalter bestellt. Für die Zeit danach reduzierte die Kanzlei die Arbeitszeit und dementsprechend auch das Arbeitsentgelt von vier Angestellten von 40 auf 32 Wochenstunden. Die Kanzlei macht geltend, die zum 1. Mai 2011 in Kraft getretenen Änderungen der Zugangsvoraussetzungen zum Notariat (Umstellung von einem Punktesystem auf eine abzulegende Notariatsfachprüfung) seien als außerökonomische Rahmenbedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu qualifizieren. Nach dem altersbedingten Verlust des Notaramts könne aufgrund der neuen Gesetzeslage das Notariat nicht nahtlos besetzt werden, der Umsatzrückgang betrage 20 Prozent.
Der 7. Senat des LSG hat die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit, die Zahlung von Kurzarbeitergeld abzulehnen, bestätigt. Zwar stelle das Erlöschen des Notariatsamts mit Vollendung des 70. Lebensjahres eine äußere Ursache i.S.d. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) a.F. dar, die Einfluss auf den Betrieb der Kanzlei habe. Dies beruhe jedoch nicht auf einer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die bestehende Rechtslage und die damit zusammenhängenden außerökonomischen Rahmenbedingungen hätten seit zwei Jahrzehnten festgestanden. Das Bundesverfassungsgericht habe die Verfassungsmäßigkeit der durch die Bundesnotarordnung (BNotO) eingeführte Altersgrenze bejaht. Aus demselben Grund liege nach Ansicht des Senats auch kein unabwendbares Ereignis i.S.d SGB III a.F. vor. Zudem beruhe das Erlöschen des Notariats aufgrund einer gesetzlichen Regelung, die alle Notare betreffe und keine Folge einer behördlichen Maßnahme im Einzelfall darstelle. Auch die geänderten Zulassungsvoraussetzungen würden für alle Notariatsbewerber gelten. Es liege auch kein vorübergehender Arbeitsausfall i.S.d. des SGB III a.F. vor, da das Auswahlverfahren für die ausgeschriebene Notarstelle nicht nur von der Note des Rechtsanwalts abgehangen habe, sondern auch von den Noten der Mitbewerber. Darüber hinaus sei der Arbeitsausfall nicht unvermeidbar, da nach Angaben der Kanzlei ein Auftragsrückgang regelmäßig beim Erlöschen eines Notaramts eintrete.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen 21.10.14, L 7 AL 16/13, Abruf-Nr. 143656 unter www.iww.de.
| Ein Berufskraftfahrer verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblichem Maße, wenn er das ihm überlassene Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss führt. Beruht dieses Verhalten jedoch auf einer Alkoholabhängigkeit, ist dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen. |
Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall eines Berufskraftfahrers hin. Dieser hatte mit seinem Lkw unter Alkoholeinfluss (0,64 Promille) einen Unfall verursacht. Dabei gab es Verletzte und größeren Sachschaden. Das Arbeitsgericht hat die ordentliche Kündigung auch ohne Abmahnung für sozial gerechtfertigt gehalten. Die Alkoholerkrankung könne den Arbeitnehmer nicht entlasten. Ihm sei weiterhin vorzuwerfen, eine Fahrt mit dem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss angetreten und hierdurch andere gefährdet zu haben.
Dem ist das LAG nicht gefolgt. Die Richter verwiesen darauf, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur dann möglich sei, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommen könne. Hieran fehle es, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit war. Im Übrigen könne bei einer bestehenden Therapiebereitschaft von dem Arbeitgeber in der Regel erwartet werden, das Fehlverhalten abzumahnen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.8.2014, 7 Sa 852/14, Abruf-Nr. 143280 unter www.iww.de.
| Eine Vertragsklausel in allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen, die die Beendigung einer vereinbarten alternierenden Telearbeit für den Arbeitgeber voraussetzungslos ermöglicht, ist unwirksam, wenn sie nicht erkennen lässt, dass bei der Entscheidung auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. |
Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf im Fall eines Arbeitnehmers, der bei einer überregional tätigen Bank als Firmenkundenbetreuer tätig war. Er hatte mit seinem Arbeitgeber im Jahr 2005 alternierende Telearbeit vereinbart. Nach dieser Vereinbarung war er zu mindestens 40 Prozent an der häuslichen Arbeitsstätte tätig. Die betriebliche Arbeitsstätte war die Niederlassung des Arbeitgebers, die je nach Verkehrsweg 70 bis 90 km vom Wohnort des Arbeitnehmers entfernt lag. In der Vereinbarung zur Telearbeit hieß es, dass ein Rechtsanspruch auf einen alternierenden Telearbeitsplatz nicht begründet wird. Weiter war vereinbart, dass die häusliche Arbeitsstätte von beiden Parteien mit einer Ankündigungsfrist von vier Wochen aufgegeben werden kann. Nachdem die Parteien im Herbst 2013 erfolglos über die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhandelt hatten, kündigte der Arbeitgeber die Vereinbarung der Telearbeit. Dabei beteiligte er den Betriebsrat nicht.
Der Arbeitnehmer ist der Ansicht, die Beendigung der Telearbeit sei unwirksam. Diese sei nur erfolgt, weil er sich nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingelassen habe. Der Arbeitgeber meint, die Beendigung der Telearbeit sei nach der Vereinbarung wirksam. Er habe zudem eine Umstrukturierung des Vertriebs vorgenommen. Das neue Vertriebskonzept stehe der Telearbeit entgegen.
Das LAG hat der Klage ebenso wie das Arbeitsgericht stattgegeben. Es hat festgestellt, dass die Beendigung der alternierenden Telearbeit unwirksam sei. Die Richter haben daher den Arbeitgeber verurteilt, den Arbeitnehmer weiter zu mindestens 40 Prozent an seiner häuslichen Arbeitsstätte zu beschäftigen. Sie begründeten ihre Entscheidung mit den folgenden Argumenten. Eine Abrede in allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen, welche die Beendigung einer vereinbarten alternierenden Telearbeit für den Arbeitgeber voraussetzungslos ermögliche und nicht erkennen lasse, dass dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, sei unwirksam. Sie weiche von dem gesetzlichen Leitbild ab, wonach die Bestimmung des Arbeitsorts durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu erfolgen habe. Es fehle zudem an der Zustimmung des Betriebsrats. Die Beendigung alternierender Telearbeit stelle regelmäßig eine Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes dar. Dies gelte auch, wenn ein Ortswechsel für das Arbeitsverhältnis typisch ist, weil der Arbeitnehmer als Marktverantwortlicher seine Arbeit zu einem Großteil bei den Kunden erbringe. Die Einbindung des Arbeitnehmers in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung sei auch bei teilweiser Telearbeit aufgrund von deren Besonderheiten eine völlig andere als ohne Telearbeit. Daher ändere sich bei der Beendigung der Telearbeit das Bild der Tätigkeit grundsätzlich.
Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.9.2014, 12 Sa 505/14, Abruf-Nr. 172665 unter www.iww.de.
| Der Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbings kann zwar verwirken, dafür genügen jedoch ein bloßes „Zuwarten“ oder die Untätigkeit des Anspruchstellers nicht. |
Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Mannes, der gegen seinen früheren Vorgesetzten einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Höhe von mindestens 10.000 EUR geltend macht. Er stützt sich dabei auf Vorfälle in den Jahren 2006 bis 2008, die er als Isolierung, Herabwürdigung und Schikane wertet. Der letzte Vorgang soll am 8. Februar 2008 stattgefunden haben. Der Kläger war 2007 an 52 Tagen, 2008 an 216 Tagen und 2009 durchgängig bis August arbeitsunfähig, unter anderem wegen Depression. Die Klage ging Ende Dezember 2010 bei Gericht ein.
Die Vorinstanz hat einen möglichen Schmerzensgeldanspruch allein wegen Verwirkung abgelehnt. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Eine Verwirkung, die nur unter ganz besonderen Umständen zu bejahen ist, scheide nach Ansicht des BAG hier aus. Ein bloßes Zuwarten sei nicht als „treuwidrig“ anzusehen. Ein Unterlassen begründe nur dann ein Umstandsmoment, wenn aufgrund zusätzlicher besonderer Umstände eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung bestehe. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung dürfe nicht auf eventuelle Beweisschwierigkeiten aufseiten des Anspruchsgegners abgestellt werden. Das durch Richterrecht geschaffene Institut der Verwirkung dürfe in seiner Anwendung nicht dazu führen, dass die gesetzliche Verjährung unterlaufen werde. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob tatsächlich ein Mobbinggeschehen festzustellen ist.
Quelle | BAG, Urteil vom 11.12.2014, 8 AZR 838/13, Abruf-Nr. 143657 unter www.iww.de.
| Insbesondere Arbeitgeber, die als Träger der öffentlichen Jugendhilfe anerkannt sind, müssen sich von Mitarbeitern ein Führungszeugnis vorlegen lassen. Dabei müssen aber die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters und das Informationsinteresse des Arbeitgebers gegeneinander abgewogen werden. Deswegen muss ein erweitertes Führungszeugnis nur derjenige Mitarbeiter vorlegen, der tatsächlich mit Minderjährigen arbeitet. |
So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm im Fall einer Mitarbeiterin eines Kinder- und Jugendhilfe-Vereins. Sie hatte die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verweigert. Der Verein mahnte sie deswegen ab. Das LAG gab der Mitarbeiterin Recht. Ein erweitertes Führungszeugnis müsse nur vorgelegt werden, wenn Mitarbeiter Kontakt zu Minderjährigen hätten, der zu einer besonderen Gefahrensituation führen könne. Das sei hier nicht der Fall. Die bloße Möglichkeit aber, dass ein Arbeitnehmer künftig mit minderjährigen Klienten, Praktikanten oder Auszubildenden in Kontakt treten könne – etwa durch Versetzung in einen anderen Arbeitsbereich – rechtfertigt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht.
Quelle | LAG Hamm, Urteil vom 25.4.2014, 10 Sa 1718/13, Abruf-Nr. 171731 unter www.iww.de.