| Verlangt der gegnerische Haftpflichtversicherer die Vorlage eines Reparaturablaufplans, darf die Werkstatt für die Erstellung dieses Dokuments einen Betrag berechnen. |
Diese Kosten muss der Versicherer erstatten, entschied das Amtsgericht Schwandorf. Im konkreten Fall ging es um 73,90 EUR. Der Versicherer wandte ein, es gehöre zu den Nebenpflichten aus dem Werkvertrag, einen Reparaturablaufplan zu erstellen. Die Werkstatt dürfe dafür gar nichts berechnen. Außerdem dauere das Ausfüllen nur wenige Minuten.
Das Gericht verneinte die Nebenpflicht zur kostenlosen Erstellung des Plans und ergänzte, dass es darauf schadenrechtlich gar nicht ankomme. Entscheidend sei nur, dass die Werkstatt die Kosten an den Geschädigten berechne. Und selbst wenn das Ausfüllen selbst nur Minuten dauere, so müssten doch zuvor die Informationen recherchiert werden.
Quelle | Amtsgericht Schwandorf, Urteil vom 3.11.2016, 1 C 653/16, Abruf-Nr. 189810 unter www.iww.de.
| Stürzt ein Radfahrer auf einer schmalen breiten Straße ohne ein entgegenkommendes Fahrzeug zu berühren, muss der geschädigte Radfahrer beweisen, dass sein Sturz durch die Betriebsgefahr des Fahrzeugs mit beeinflusst wurde. Die bloße Anwesenheit eines fahrenden Fahrzeugs an der Unfallstelle reicht insoweit nicht aus. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer 75-jährigen Frau entschieden. Diese war mit ihrem Fahrrad einen drei Meter breiten Weg gefahren. Dabei kam ihr eine Pkw-Fahrerin mit einem 1,70m breiten Mercedes-Benz entgegen. Noch bevor sich die beiden begegneten, stürzte die Radfahrerin. Dabei fiel sie mit dem Kopf auf die Fahrbahn. Die Pkw-Fahrerin wich aus und geriet mit ihrem Fahrzeug in den rechtsseitigen Bewässerungsgraben. Bei dem Geschehen berührten sich Pkw und Fahrrad bzw. Radfahrerin nicht. Die Radfahrerin erlitt durch den Sturz schwere Kopfverletzungen, durch die sie ins Koma fiel. Ein Jahr später verstarb sie. Die für sie zuständige Krankenkasse und die Pflegekasse verlangten von der Fahrerin, der Fahrzeughalterin sowie der Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs aufgewandte Behandlungs- und Pflegekosten erstattet. Die Haftpflichtversicherung regulierte diese außergerichtlich zu einem Viertel. Im Rechtsstreit machen die klagenden Kassen weitere Behandlungskosten in Höhe von ca. 14.000 EUR sowie Pflegekosten in Höhe von ca. 16.000 EUR geltend.
Ihre Klage blieb jedoch erfolglos. Es stehe nicht fest, so die Richter, dass sich die von dem Pkw ausgehende Betriebsgefahr beim Sturz der Radfahrerin ausgewirkt habe. Hierzu müsse das Fahrzeug durch seine Funktion als Fortbewegungs- und Transportmittel den Unfall in irgendeiner Form mit beeinflusst haben. Bei einem Unfall ohne Berührung der Verkehrsteilnehmer müsse ein Fahrzeug durch seine Fahrweise dazu beigetragen haben, dass der Unfall entsteht. Die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Fahrzeugs an der Unfallstelle reiche hierzu nicht aus.
Dass sich beim Unfall die Betriebsgefahr des Fahrzeugs ausgewirkt habe, müssten im Streitfall die klagenden Kassen beweisen, weil es um eine Haftungsvoraussetzung gehe. Dieser Nachweis sei nicht geführt. Nach der Darstellung der beklagten Fahrerin sei die Geschädigte bereits in einer Entfernung von ca. 30 bis 35 Metern von ihrem Fahrzeug gestürzt. Hiernach habe das Fahrzeug den Sturz nicht mit veranlasst. Ein abweichender Unfallhergang, nach welchem ein Zusammenhang zwischen der vom Beklagtenfahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr und dem Sturz der Radfahrerin anzunehmen sei, etwa ein vom Pkw veranlasstes Ausweichmanöver der Radfahrerin, sei nicht feststellbar.
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 2.9.2016, 9 U 14/16, Abruf-Nr. 190499 unter www.iww.de.
| Wer einen Werbeanhänger an einer Straße abstellt ohne eine Sondernutzungserlaubnis dafür zu haben begeht eine Ordnungswidrigkeit. |
Das musste sich der Geschäftsführer eines FKK-Clubs vor dem Amtsgericht München sagen lassen. Er hatte über mehrere Wochen zwei Pkw-Anhänger an Ausfallstraßen in München abgestellt. Die Seitenflächen der Anhänger waren vollständig mit Plakaten beklebt, auf denen deutlich sichtbar der Namen, die Anschrift und die Öffnungszeiten des Clubs angegeben waren. Außerdem war auf den Plakaten eine leicht bekleidete Frau zu sehen, die mit gespreizten Beinen posiert und mit einer Hand ihren Schambereich verdeckt. Halter der Anhänger ist eine Projektfirma in der Leopoldstraße in München.
Das Amtsgericht München verurteilte den Geschäftsführer wegen der Ordnungswidrigkeit des vorsätzlichen unerlaubten Gebrauchs einer Straße zur Sondernutzung zu einer Geldbuße in Höhe von 150 EUR. Der zuständige Richter war davon überzeugt, dass die Anhänger an den beiden Ausfallstraßen abgestellt wurden, um die daran vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmer auf den FKK Club aufmerksam zu machen und für diesen Betrieb zu werben. Dafür wäre jedoch eine Sondernutzungserlaubnis nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz notwendig gewesen. Die lag aber nicht vor.
Der Geschäftsführer hatte in der Gerichtsverhandlung zugegeben, einen der Anhänger leer und unversperrt abgestellt zu haben. Der Anhänger gehöre jedoch einer Projektfirma und werde regelmäßig benutzt, um Bauschutt, Müll, Laub und Ähnliches zu beseitigen. Er selbst habe den Anhänger vor dem Abstellen für eine Müllentsorgung verwendet und ihn zur Weiternutzung durch die Halterin abgestellt. Für die Plakate an den Anhängern werde extra bezahlt. Ein Verantwortlicher der Halterin der Anhänger wurde als Zeuge vernommen. Er gab an, dass es fünf oder sechs Anhänger mit Werbeaufdrucken des FKK Clubs gäbe, die durch die Halterin selbst oder durch andere Firmen benutzt würden. Das Gericht glaubte der Einlassung nicht, dass der Anhänger zum Transport von Bauschutt und Abfällen verwendet werde. Der Anhänger sei seiner äußeren Gestaltung nach, insbesondere durch den verhältnismäßig hohen kastenförmigen Aufbau, dafür prädestiniert, auf seinen Seitenflächen großflächige Werbeplakate anzubringen. Im Gegensatz dazu ist der Zugang zu dem Laderaum des Anhängers über die beiden rückwärtigen Flügeltüren denkbar ungeeignet, um den Anhänger mit Abfällen und insbesondere mit Bauschutt zu beladen. Gerade für den Transport von Bauschutt werden üblicherweise Container verwendet, die von oben befüllt werden, so das Urteil.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 15.2.2016, 1123 OWi 239 Js 100247/16, Abruf-Nr. 190498 unter www.iww.de.
| Wenn Urgroßeltern nicht mehr leben, bestimmt § 1928 Abs. 3 BGB, dass von deren Abkömmlingen alleine derjenige erbt, der mit dem Erblasser dem Grade nach am nächsten verwandt ist. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. hält diese Regelung für verfassungsgemäß. |
Der Verwandtschaftsgrad wird durch die Zahl der Geburten bestimmt, aus denen sich die Verwandtschaft zum Erblasser ergibt. Um den nächsten Verwandten zu ermitteln, genügt Folgendes: Ausgehend von den Urgroßeltern sind die vermittelnden Geburten zu zählen.
Dieser Übergang vom Parentelsystem zum Gradualprinzip für die gesetzlichen Erben ab der vierten Ordnung ist nach Ansicht des OLG verfassungsgemäß. Verfassungsrechtlich garantiert wird ohnehin nur die gesetzliche Erbfolge der engeren Familie. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Auswahl der Verwandten anhand des Grades der Verwandtschaft zum Erblasser für gesetzliche Erben ab der vierten Ordnung unterfällt nicht der verfassungsrechtlichen Garantie des in Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Erbrechts. Auch Art. 6 GG schützt nur die engere Familie.
Quelle | OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21.7.2016, 21 W 82/16, Abruf-Nr. 189595 unter www.iww.de.
| Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Ausspruch der Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres nicht vor, wird ein Scheidungsantrag zurückgewiesen. |
Das stellte das Amtsgericht Langenfeld noch einmal klar. Das Gericht verwies darauf, dass eine Ehe geschieden werden könne, wenn sie gescheitert ist. Eine Ehe ist nach den Vorschriften des BGB gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben. Das Getrenntleben setzt aber voraus, dass die häusliche Gemeinschaft aufgehoben ist. Voraussetzung für ein Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung ist, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt wird und zwischen den Ehegatten keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestehen.
Das sei nach der Entscheidung des Gerichts vorliegend nicht der Fall gewesen. Beide Eheleute hätten bestätigt, dass sie bis kurz vor dem Gerichtstermin noch in der gemeinsamen Ehewohnung zusammengelebt haben. Während dieser Zeit habe man gemeinsam in einem Bett geschlafen, zudem habe es „ganz normale sexuelle Kontakte“ zwischen den Ehegatten gegeben. Zwar könne die Ehe auch geschieden werden, wenn die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt leben. Dann müsse aber nachgewiesen werden, dass es für den Antragsteller eine unzumutbare Härte sein müsse, die Ehe fortzusetzen. Die Gründe dafür müssten in der Person des anderen Ehegatten liegen. Auch dies sei vorliegend nicht nachgewiesen worden. Daher sei der Scheidungsantrag zurückzuweisen.
Quelle | Amtsgericht Langenfeld, Urteil vom 11.8.2016, 8 F 69/12, Abruf-Nr. 190497 unter www.iww.de.
| Ein gemeinsamer Immobilienkauf von unverheirateten Paaren birgt viele rechtliche Risiken. Um Interessenkonflikte zu vermeiden und auch ohne Trauschein Rechtssicherheit zu haben, sollten sich die Paare vor dem Kauf einer Immobilie beraten lassen und vertragliche Regelungen treffen. |
Käufer von Immobilien sind immer öfter unverheiratete Paare. Oft merken sie erst bei einer Trennung, welche Rechte und Pflichten sie eingegangen sind, da das Gesetz für Unverheiratete – anders als für Ehepaare – die Vermögensauseinandersetzung bei einer Trennung nicht regelt. „Die Situation wird dann häufig als ungerecht empfunden“, erklärt Lisa Sönnichsen, Geschäftsführerin der Hamburgischen Notarkammer, und rät zu einem vorherigen „selbstbestimmten Ausgleich durch individuelle Verträge“. So kann verhindert werden, dass Auseinandersetzungen der Ex-Partner über die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens nach der Trennung zum Verlust des Immobilieneigentums führen.
Wer ist Eigentümer der Immobilie – vor und nach der Trennung?
Wer der gesetzliche Eigentümer einer Immobilie ist, bestimmt sich danach, was im Grundbuch steht. Erwerben zwei Personen eine Immobilie, können sie beispielsweise zu gleichen Teilen eingetragen werden. Die Immobilie gehört dann beiden je zur Hälfte. Finanziert einer der Partner mehr als der andere, besteht alternativ die Möglichkeit, die Miteigentumsanteile an der Immobilie entsprechend anzupassen. Soll unterschiedlichen Finanzierungsbeiträgen flexibel Rechnung getragen werden, kann eine Immobilie zudem in Gesellschaft bürgerlichen Rechts erworben werden. Schließlich besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass einer der Partner die Immobilie alleine erwirbt und als alleiniger Eigentümer im Grundbuch eingetragen wird. Egal, welches Erwerbsmodell im Einzelfall gewählt wird: die im Grundbuch eingetragenen Eigentumsverhältnisse bleiben von Finanzierungsmodellen, Absprachen der Partner bezüglich der Nutzung der Immobilie und möglichen Trennungen unberührt.
Wer haftet in welchem Umfang für die eingegangenen Darlehen?
Obwohl ebenso getrennte Darlehen aufgenommen werden könnten, bestehen Banken meistens auf dem Abschluss eines Darlehensvertrags. „Die Bank kann dann in der Regel beide Partner unabhängig voneinander und in Höhe der gesamten Darlehenssumme in die Haftung nehmen“, erklärt Sönnichsen. Dies gilt unabhängig davon, wer Eigentümer des Grundstücks ist. Auch eine Trennung oder ein Auszug aus dem finanzierten Objekt ändert nichts an der Rechtslage.
Was sollten unverheiratete Paare beim Immobilienkauf beachten?
Vor diesem Hintergrund und weil bei einem Immobilienerwerb beide Partner meistens erhebliche finanzielle Beiträge und/oder persönliche Arbeitsleistungen leisten, sollten Nutzungsrechte und Ausgleichsansprüche zwischen den Partnern, insbesondere für den Fall der Trennung, im Vorfeld geregelt werden. Darüber hinaus kann zwischen den Partnern in einer Miteigentümervereinbarung oder einem Gesellschaftsvertrag geregelt werden, wie die Lasten zu verteilen sind und wer im Fall einer Trennung in der Immobilie verbleibt. „Ratsam ist darüber hinaus, Vorsorge für den Todesfall zu treffen“, so Sönnichsen, denn das Gesetz sieht Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht als Erben vor.
Quelle | Hamburgische Notarkammer
| Hat der Vater eines volljährigen Kindes keine Kenntnis über dessen Absicht, ein Studium aufzunehmen, hat das Kind keinen Anspruch auf weitergehenden Unterhalt. Das gilt zumindest, wenn das Kind nach der Hochschulreife eine studiennahe Berufsausbildung absolviert hat und über einen nicht unerheblich langen Zeitraum (hier über zwei Jahre) in dem erlernten Beruf gearbeitet hat. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. Nacht Ansicht der Richter sei es dem Vater unzumutbar, das Studium zu finanzieren. Dafür spreche vor allem der Umstand, dass der Vater angesichts des Alters seiner Tochter nicht mehr damit rechnen musste, dass diese noch ein Studium aufnehmen würde. Dies würden auch die finanziellen Dispositionen zeigen, die der Vater gemeinsam mit seiner jetzigen Ehefrau getroffen hat, wie etwa der Erwerb eines Eigenheims oder die Inanspruchnahme verschiedener Konsumkredite. Dies lasse darauf schließen, dass er darauf vertraut hat, nicht mehr für weiteren Kindesunterhalt in Anspruch genommen zu werden. Auch sei es nicht von vornherein naheliegend, bei einer Abiturnote von 2,3 ein Medizinstudium anzustreben. Die Tochter habe wegen des insoweit bestehenden Numerus Clausus durchaus damit rechnen müssen, auch dauerhaft keinen Studienplatz zu erhalten.
Quelle | OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 28.7.2016, 5 UF 370/15, Abruf-Nr. 190496 unter www.iww.de.
| Zum 1.1.2017 steigt der Mindestlohn in der Altenpflege für die gut 400.000 Pflegehilfskräfte der voll- und teilstationären sowie der ambulanten Altenpflege und für die nahezu 45.000 Betreuungskräfte erneut deutlich an. |
Der Mindestlohn, also die absolute Untergrenze, die mindestens bezahlt werden muss, liegt dann bei 10,20 EUR je Zeitstunde im Westen und bei 9,50 EUR im Osten. Aktuell beträgt der Pflegemindestlohn 9,75 EUR in den alten und 9,00 EUR in den neuen Bundesländern. Mit der erneuten Erhöhung ab 1.1.2017 liegt der Pflege-Mindestlohn weiter deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn, der zum 1.1.2017 bundesweit einheitlich von 8,50 EUR auf 8,84 EUR angehoben wurde.
| Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, muss er nicht auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb erscheinen, um dort an einem Gespräch zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit teilzunehmen. |
Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Krankenpflegers. Dieser war nach einem Unfall über ein Jahr arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber lud ihn während der Arbeitsunfähigkeit zweimal zu einem Personalgespräch ein. Hier sollte die weitere Beschäftigungsmöglichkeit geklärt werden. Der Krankenpfleger sagte beide Termine unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab. Er legte auch das für den zweiten Termin geforderte spezielle ärztliche Attest nicht vor. Daraufhin mahnte ihn der Arbeitgeber ab.
Zu Unrecht, entschied das BAG. Grundsätzlich müsse der Arbeitnehmer zwar an einem Personalgespräch teilnehmen, in dem Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung besprochen werden sollen. Allerdings muss der erkrankte Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen. Daher ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen.
Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist es dem Arbeitgeber allerdings nicht schlechthin untersagt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse aufzeigt. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet, hierzu auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn dies ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich in der Lage ist. Dabei muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass das Erscheinen im Betrieb unverzichtbar ist.
Das konnte der Arbeitgeber im vorliegenden Fall nicht. Darum musste der Krankenpfleger der Anordnung nicht nachkommen, im Betrieb zu einem Personalgespräch zu erscheinen. Die Abmahnung ist daher zu Unrecht erfolgt. Der Krankenpfleger kann daher verlangen, dass sie aus der Personalakte entfernt wird.
Quelle | BAG, Urteil vom 2.11.2016, 10 AZR 596/15, Abruf-Nr. 190038 unter www.iww.de.
| Einem ArbN, der dem Betriebsratsvorsitzenden mit einem Hitlergruß gegenübertritt, darf fristlos gekündigt werden. Diese Geste ist ein nationalsozialistisches Kennzeichen, das in einem Arbeitsverhältnis nicht hingenommen werden muss. |
So entschied es das Arbeitsgericht Hamburg im Fall eines Transportfahrers. Dieser nahm Ende 2015 an einer Betriebsversammlung teil. Hierbei kam es zu einer Auseinandersetzung mit dem Betriebsratsvorsitzenden. Kurze Zeit später traf der Arbeitnehmer auf den Betriebsratsvorsitzenden und hob seinen ausgestreckten Arm zum Hitlergruß. Gleichzeitig sagte er: „Du bist ein Heil, du Nazi!“ Nachdem der Betriebsrat der Kündigung zustimmte, beendete der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich.
Nach Ansicht des Arbeitsgerichts beendete die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Der Hitlergruß durch Erheben des ausgestreckten Armes ist aus Sicht der Kammer ein wichtiger Kündigungsgrund. Diese Geste sei ein nationalsozialistisches Kennzeichen, das in einem Arbeitsverhältnis nicht hingenommen werden muss. Dies gelte umso mehr, wenn man noch die Aussage hinzuziehe: „Du bist ein Heil, du Nazi“. Hierdurch werde der Adressat grob beleidigt.
Soweit der ArbN meint, dass eine solche Handlung für ihn „nur“ als beleidigend und nicht rechtsradikal zu werten sei, da er türkischer Abstimmung sei, und deshalb kein deutsch-nationalsozialistisches Gedankengut aufweisen könne, vermochte die Kammer dieser Ansicht nicht zu folgen. Die Frage der Abstammung beinhalte keine Antwort auf die Frage der inneren Haltung.
Quelle | Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 20.10.2016, 12 Ca 348/15, Abruf-Nr. 190036 unter www.iww.de.