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Dimitri Hense

Schadenersatz: Arbeitgeber haftet bei verspäteter Lohnzahlung für geringeres Elterngeld

| Zahlt ein Arbeitgeber den Arbeitslohn verspätet aus, haftet er für finanzielle Nachteile, den der Arbeitnehmer dadurch erleidet, z.B. bei der Berechnung von Elterngeld. |

Das musste sich ein Zahnarzt vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf sagen lassen. Er hatte seiner schwangeren Arbeitnehmerin den monatlichen Bruttolohn für die Monate Oktober, November und Dezember 2017, der ihr aufgrund eines allgemeinen mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots zustand, erst im März des Jahres 2018 gezahlt. Dies führte dazu, dass diese drei Monate für die Berechnung des Elterngelds der Arbeitnehmerin mit 0 EUR angesetzt wurden.

Nach dem Gesetz werden Einkünfte nicht für die Berechnung des Elterngelds zugrunde gelegt, die lohnsteuerrechtlich sog. „sonstige Bezüge“ sind. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch für eine monatliche Lohnzahlung, wenn diese dem Arbeitnehmer später als drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres zufließt. Weil der zu spät gezahlte Lohn nicht berücksichtigt wurde, betrug das monatliche Elterngeld der Arbeitnehmerin nur 348,80 EUR anstatt monatlich 420,25 EUR.

Die Klage der Arbeitnehmerin gegen den Zahnarzt auf Erstattung der so entstandenen monatlichen Elterngelddifferenz hatte im Wesentlichen Erfolg. Der Zahnarzt schuldet die Differenz als Schadenersatz. Er befand sich mit dem Lohn in Verzug und handelte schuldhaft. Denn die Arbeitnehmerin hatte ihm eine Kopie des Mutterpasses gegeben. Zudem hatte der beauftragte Betriebsarzt das Beschäftigungsverbot bereits im September 2017 festgestellt. Der Umstand, dass der Zahnarzt das zum 6.9.2017 begründete Arbeitsverhältnis angefochten hatte, weil die Klägerin ihn bei Abschluss des Arbeitsvertrags nicht über die Schwangerschaft unterrichtet hatte, entlastete ihn nicht. Diese Anfechtung war unwirksam.

Allerdings hatte auch die Arbeitnehmerin eine Ursache für die Lohnnachzahlung nach Ablauf der dritten Kalenderwoche des Folgejahres gesetzt. Sie hatte sich nämlich am 11.1.2018, d.h. noch vor Ablauf dieser Frist, auf einen Vergleich mit einer Widerrufsfrist bis zum 9.3.2018 eingelassen, nach dem die Zahlung nur gegen Vorlage einer weiteren Bescheinigung erfolgen sollte. Die Richter sahen den deutlich größeren Verschuldensanteil beim Arbeitgeber. Sie verurteilten ihn, der Arbeitnehmerin 70 Prozent des entgangenen Elterngelds zu zahlen. Außerdem muss der Zahnarzt 341,32 EUR an Steuerberatungskosten tragen. Diese musste die Arbeitnehmerin aufwenden, um zu ermitteln, welcher auf den Ersatzanspruch anrechenbare Steuervorteil sich aus der verspäteten Elterngeldzahlung in 2018 ergab.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 27.5.2020, 12 Sa 716/19, Abruf-Nr. 216242 unter www.iww.de.

Versorgungsausgleich: Externe Teilung im Versorgungsausgleich ist mit dem Grundgesetz vereinbar

| Bei verfassungskonformer Anwendung ist die Regelung zur externen Teilung bestimmter Anrechte aus der betrieblichen Altersvorsorge mit den Eigentumsgrundrechten der ausgleichspflichtigen und der ausgleichsberechtigten Person vereinbar. |

Diese Klarstellung traf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Es entschied damit, dass § 17 VersAusglG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nach Ansicht der Richter wahrt die Regelung bei entsprechender Anwendung auch die verfassungsrechtlichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen. Dafür müssen die Gerichte den Ausgleichswert bei der Begründung des Anrechts bei einem anderen Versorgungsträger so bestimmen, dass die ausgleichsberechtigte Person keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungsleistungen zu erwarten hat. Der Versorgungsträger muss dabei entstehende Belastungen vermeiden können, indem ihm die Wahl der internen Teilung stets möglich bleibt.

Quelle | BVerfG, Urteil vom 26.5.2020, 1 BvL 5/18, Abruf-Nr. 216245 unter www.iww.de.

Parkverstoß: Parken neben einem befestigten Parkstreifen

| Das Parken am Fahrbahnrand neben einem ausreichend befestigten Parkstreifen oder einer Parkbucht verstößt grundsätzlich gegen § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO. |

Hierauf machte das Kammergericht (KG) Berlin aufmerksam. Eine Ausnahme gelte nach Ansicht der Richter allerdings, wenn der Parkstreifen unterbrochen werde, zum Beispiel durch die Anpflanzung von Straßenbäumen. Dann dürfe in diesem Bereich am rechten Fahrbahnrand geparkt werden. Voraussetzung sei aber, dass andere Verkehrsteilnehmer hierdurch nicht gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert werden. Außerdem müsse die Unterbrechung des Parkstreifens länger als das abgestellte Fahrzeug sein. Parke der Autofahrer wenn auch nur teilweise neben dem Parkstreifen, sei dies immer ordnungswidrig. Dann komme es nicht mehr darauf an, ob er andere Verkehrsteilnehmer behindert hat.

Quelle | KG, Beschluss vom 24.10.2019, 3 Ws (B) 345/19 – 162 Ss 141/19, Abruf-Nr. 215893 unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Am Unfallort repariert und danach nach Hause transportiert

| Ereignet sich der Unfall im Haftpflichtfall fernab des Heimatorts, und wird das Fahrzeug in einer Werkstatt am Unfallort repariert, kann der Geschädigte das Fahrzeug danach an den Heimatort transportieren lassen. Die Kosten dafür muss der Schädiger erstatten. |

Das folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Eckernförde. Die Schadenminderungspflicht, so das Gericht, gebietet nicht, dass der Geschädigte Urlaub oder Freizeit opfert, um das reparierte Fahrzeug zurückzuholen. Wenn sich die Transportkosten in etwa in dem Rahmen halten, der in der Größenordnung von Überführungskosten von Neuwagen liegt (lt. Recherche des Gerichts zwischen 400 und 1.000 EUR), können die Kosten als erforderlich betrachtet werden.

Quelle | Amtsgericht Eckernförde, Urteil vom 15.10.2019, 6 C 682/18, Abruf-Nr. 211894 unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Kein Neu-für-alt-Abzug bei einem Kindersitz

| Kann aus dem Schadenbild am Fahrzeug der Schluss gezogen werden, dass auf den Kindersitz erhebliche Kräfte eingewirkt haben, kann der Geschädigte einen neuen Kindersitz beanspruchen. |

Er kann nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck den aktuellen Neupreis verlangen. Beim Kauf eines gebrauchten Kindersitzes besteht nämlich die Gefahr, auch einen vorgeschädigten zu bekommen. Ein Neu-für-alt-Abzug ist dem Geschädigten deshalb nicht zumutbar.

Dass die Kaufrechnung für den beim Unfall benutzten Sitz auf die Ehefrau lautet, und der Ehemann nun den Anspruch gemeinsam mit dem Anspruch wegen des Fahrzeugschadens geltend macht, schadet nicht. Denn der Kauf von Alltagsgegenständen wird dem jeweiligen Ehepartner zugerechnet.

Quelle | Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck, Urteil vom 13.2.2020, 3 C 700/19, Abruf-Nr. 214495 unter www.iww.de.

Kfz-Zubehör: E-Bikes sind oft zu schwer für Fahrradträger

| Fahrradurlaub statt Fernreise in diesem Sommer planen viele Deutsche einen Urlaub im eigenen Land. Auf dem Auto mit dabei: das Fahrrad, oft auch mit elektrischem Antrieb. Allerdings ist nicht jedes Trägersystem für die schwereren Zweiräder geeignet. |

1. Pedelecs und E-Bikes lieber nicht aufs Dach

Pedelecs und E-Bikes sind durch Motor und Akku deutlich schwerer als normale Fahrräder. Deshalb eignen sich beispielsweise Heckträger oft nicht für den Transport. Denn diese sind meist nur für maximal 20 Kilogramm Gewicht ausgelegt ein Elektrofahrrad wiegt leicht 25 Kilogramm oder mehr. Auch der Transport auf dem Dach kann gefährlich sein, wenn sich die schweren Fahrräder bei einem Unfall aus der Verankerung lösen. Zudem können Urlauber beim Transport mehrerer Räder schnell die zulässige Dachlast ihres Fahrzeugs überschreiten.

Besser geeignet sind daher Kupplungsträger, die für Elektrofahrräder geeignet sind. Auch das Beladen ist bei diesem System deutlich einfacher. Allerdings bedeutet dies unter Umständen höhere Kosten, insbesondere wenn noch eine Anhängerkupplung nachgerüstet werden muss.

2. Auch bei der Anhängerkupplung: Stützlast beachten

Fahrradfans sollten allerdings beachten, dass nicht jede Anhängerkupplung für den Transport von Fahrrädern mit Hilfsmotor geeignet ist. Das gilt besonders, wenn sie mit mehreren Fahrrädern beladen werden soll. Entscheidend ist die sogenannte Stützlast. In der Regel liegt sie zwischen 50 und 100 Kilogramm, sie kann jedoch je nach Fahrzeugtyp und Art der Kupplung sehr unterschiedlich sein“. Bei einem Kleinwagen beispielsweise kann sie zu gering für mehrere E-Bikes sein. Dann gehört nur ein einzelnes Elektrofahrrad auf die Anhängerkupplung.

Wenn die Stützlast nur geringfügig überschritten wird, kann es ausreichen, den schweren Akku auszubauen und im Kofferraum zu deponieren. Das ist für längere Fahrten ohnehin besser, um die Akkus vor Sonneneinstrahlung und Erschütterungen zu schützen. Das gleiche gilt für das Display des Bordcomputers.

Quelle | R + V Infocenter

Steuerrecht: Anspruch auf Zusammenveranlagung nach der Trennung

| Ein Ehepartner ist auch nach der Trennung dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine von diesem für die Zeit des Zusammenlebens gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch dessen Steuerschuld verringert wird und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehepartner keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt ist. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden. Dies verwies zur Begründung darauf, dass Ehepartner einander grundsätzlich verpflichtet sind, die finanziellen Lasten des anderen nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Hingegen kann ein Ehepartner nicht wegen des Scheiterns der Ehe von dem anderen den Betrag ersetzt verlangen, den er nach der im Vergleich zur getrennten Veranlagung ungünstigeren Lohnsteuerklasse V zuvor mehr gezahlt hat.

Das Familiengericht hatte eine Verpflichtung, der gemeinsamen Veranlagung zuzustimmen zumindest für den Fall verneint, wenn dem auf Zustimmung in Anspruch genommenen Ehepartner im Gegenzug ein Ausgleichsanspruch entstünde, weil sein Einkommen durch die gemeinsame Veranlagung nach einer Lohnsteuerklasse besteuert würde, die sich im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung ungünstiger auswirkt (sogenannter dolo agit-Einwand: Arglistig handelt, wer etwas verlangt, das er augenblicklich zurückgeben muss).

Dieser Argumentation ist das OLG entgegengetreten. Aus dem Wesen der Ehe ergebe sich für beide Ehepartner die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung der eigenen Interessen möglich sei. Ein Ehepartner sei daher dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert werde und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehepartner keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt werde. Das gelte auch bei getrennt lebenden Ehepartnern, wenn noch eine Zusammenveranlagung für die Zeit des Zusammenlebens verlangt werde. Hingegen könne ein Ehepartner grundsätzlich nicht wegen des Scheiterns der Ehe von dem anderen den Mehrbetrag ersetzt verlangen, den er zuvor nach der im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung ungünstigeren Lohnsteuerklasse V mehr gezahlt hat. Denn der ehelichen Lebensgemeinschaft liege die Auffassung zugrunde, mit dem Einkommen der Ehepartner gemeinsam zu wirtschaften und finanzielle Mehrbelastungen auszugleichen. Es bedürfe deshalb einer besonderen Vereinbarung, wenn sich ein Ehepartner die Rückforderung der mit der Wahl der Steuerklasse V verbundenen steuerlichen Mehrbelastung für den Fall der Trennung vorbehalten will. Eine solche Vereinbarung sei in dem entschiedenen Fall nicht ersichtlich gewesen. Deshalb habe die Zustimmung zur Zusammenveranlagung nicht von einem Ausgleich der im Falle der gemeinsamen Veranlagung bestehen bleibenden steuerlichen Mehrbelastung abhängig gemacht werden können.

Quelle | OLG Koblenz, Beschluss vom 12.6.2019, 13 UF 617/18, Abruf-Nr. 213704 unter www.iwww.de.

Erbrecht: Testament kann durch Zerreißen eines von zwei Originalen widerrufen werden

| Wer wird Erbe, wenn nur eines von zwei Originalen vernichtet wird? Existieren zwei Originale eines Testaments, genügt die Vernichtung nur eines der beiden Dokumente, wenn der Aufhebungswille der Erblasserin feststeht. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Fall einer Erblasserin entschieden, die zunächst ihren Urenkel als Erben eingesetzt hatte. Später verfasste sie ein handschriftliches Testament, mit dem anstelle des Urenkels ihre Haushälterin zur Alleinerbin bestimmt wurde. Außerdem erteilte sie der Haushälterin eine Vorsorge- und Bankvollmacht und verkaufte dieser gegen einen Barkaufpreis sowie eine Betreuungs- und Pflegeverpflichtung ihr Hausgrundstück. Nachdem die Haushälterin mit Hilfe der Bankvollmacht 50.000 EUR vom Konto der späteren Erblasserin abgehoben hatte, widerrief diese die Vollmacht. Sie suchte außerdem einen Rechtsanwalt auf, um sich wegen einer möglichen Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Haus beraten zu lassen. Das Nachlassgericht hatte zu entscheiden, ob dem Urenkel ein Erbschein erteilt werden kann. Dem Gericht lag ein Original des Testaments zugunsten der Haushälterin vor, welches der Rechtsanwalt der Haushälterin übersandt hatte. Der Urenkel behauptete dagegen, die Erblasserin habe das Testament widerrufen. Es habe ein zweites Original des Testaments gegeben. Dieses habe die Erblasserin im Rahmen der Beratung zur Rückabwicklung des Hauskaufs ihrem Rechtsanwalt gezeigt und es vor seinen Augen zerrissen. Deshalb gelte wieder die frühere Erbeinsetzung zu seinen Gunsten.

Das Nachlassgericht hat die Rechtsanwälte der Erblasserin und die Haushälterin als Zeugen vernommen. Es kam dann zu dem Ergebnis, dass der Urenkel Alleinerbe geworden und ihm ein Erbschein zu erteilen ist.

Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Haushälterin zurückgewiesen. Zur Begründung führten die Richter aus, dass der Erblasser ein Testament jederzeit ohne besonderen Grund widerrufen könne. Dazu könne zum Beispiel einfach die Testamentsurkunde vernichtet werden. Sofern jedoch mehrere Urschriften vorhanden seien, könne die Vernichtung lediglich einer Urkunde nur genügen, wenn keine Zweifel über den Aufhebungswillen des Erblassers bestünden. Dies sei hier der Fall. Der Anwalt der Erblasserin, der kein erkennbares persönliches Interesse am Ausgang des Streits gehabt habe, habe glaubhaft ausgesagt, dass die Erblasserin ein Original des Testaments in seiner Anwesenheit zerstört habe. Dabei habe sie zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin festhalten wolle. Dazu passe, dass die Erblasserin keinen Kontakt mehr zur Haushälterin gehabt habe und unstreitig versucht habe, die Übertragung des Grundstücks an sie rückgängig zu machen. Angesichts ihres Alters von über 90 Jahren könne angenommen werden, dass sie das zweite Original schlicht vergessen habe. Trotz der Existenz dieses weiteren Originals sei daher vom Widerruf des die Haushälterin begünstigenden Testaments auszugehen.

Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 22.4.2020, 2 Wx 84/20, Abruf-Nr. 216246 unter www.iww.de.

Fahrerlaubnisrecht: Bei Schlaganfallpatienten muss die Fahrerlaubnis für Lkw entzogen werden

| Liegen kreislaufabhängige Störungen der Hirntätigkeit (Schlaganfall) vor, ist die Fahreignung für die Fahrerlaubnisklassen der zweiten Gruppe („LKW-Führerschein“) ohne Einschränkung zu verneinen. |

Das bekräftigte das Verwaltungsgericht (VG) Aachen im Fall eines Lkw-Fahrers, der einen Schlaganfall erlitten hatte. Daraufhin entzog ihm die Behörde die Fahrerlaubnis für die Gruppe 2 („Lkw-Führerschein“). Die Klage des Mannes hiergegen blieb ohne Erfolg.

Das VG verwies auf das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach ist einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. So stellt die FeV ausdrücklich klar, dass beim Vorliegen von kreislaufabhängigen Störungen der Hirntätigkeit keine Fahreignung für die Fahrerlaubnisklassen der zweiten Gruppe (u.a. C1, C1E, C und CE) besteht.

Zwar kann der Entzug der Fahrerlaubnis die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch hinnehmen. Angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ist der Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben vorrangig.

Es lagen auch keine besonderen Umstände vor, aufgrund derer der Fall hätte ausnahmsweise abweichend bewertet werden können. Insbesondere reicht das geltend gemachte Abklingen der Symptome dafür nicht aus. Maßgeblich sind vielmehr die typischerweise bei Schlaganfallpatienten mit dem Risikohintergrund „arterieller Hypertonie und Nikotinabusus“ bestehenden Rückfallgefahren. Diese rechtfertigen im öffentlichen Interesse der Verkehrssicherheit den sofortigen Entzug des „Lkw-Führerscheins“.

Quelle | VG Aachen, Beschluss vom 15.4.2020, 3 L 2/20, Abruf-Nr. 215585 unter www.iww.de.

Führerscheinentzug: Messis kann Führerschein entzogen werden

| Kommt ein Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein Messi-Syndrom (Persönlichkeitsstörung im Sinne eines zwanghaften Hortens) vorliegt, kann dies zu einer bedingten Fahreignung führen. Dann sind Auflagen zur Fahrerlaubnis möglich, die sogar in einem Entzug der Fahrerlaubnis münden können. |

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe. Geklagt hatte eine Frau. Bei mehreren Polizeikontrollen war festgestellt worden, dass ihr Fahrzeug bis zum Dach mit Unrat gefüllt war und stark nach Müll roch. Ihre unsichere Fahrweise war darauf zurückzuführen, dass auch die Bedienelemente wie Pedale, Gangschaltung etc. mit Müll bedeckt waren. Eine verkehrsmedizinische Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass bei der Frau eine Zwangsstörung im Sinne eines zwanghaften Hortens, ein sog. Messi-Syndrom, vorliegt.

Die Behörde ordnete daraufhin an, dass die Frau in den nächsten zwei Jahren in halbjährlichen Abständen eine Bescheinigung eines sozialpsychologischen Dienstes vorlegen müsse, aus welcher ersichtlich sei, dass eine Aufarbeitung des pathologischen Hortens in Fahrzeug und Wohnhaus stattfinde und die Erfolge durch engmaschige Kontrollen des Fahrzeugs und des Wohnhauses sichergestellt würden. Zudem müsse sie durch eine entsprechende Bescheinigung nachweisen, dass sie die fachpsychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten des zwanghaften Hortens bzw. der zwanghaften Persönlichkeitsstörung mit einem Facharzt für Psychiatrie abgeklärt habe.

Widerspruch und Klage der Frau blieben erfolglos. Die Richter am VG machten deutlich, dass die Frau lediglich bedingt fahrgeeignet sei. Das Zustellen/Zumüllen von Bedienelementen in ihrem Fahrzeug sei fahrerlaubnisrelevant. Die Folgen dieser Störung und die fehlende Einsicht der Frau seien ein Sicherheitsrisiko. Die Frau halte ihr Fahrzeug durch das Beladen mit Gesammeltem bis unter das Dach nicht durchgehend in einem fahrbereiten Zustand. Daher sei sowohl die Sicht als auch die Bedienfunktion eingeschränkt. Die Frau erfülle die körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1/2 (FE Klasse 3) nur unter Auflagen. Dies deckt sich mit den polizeilichen Feststellungen, wonach zum einen das Bedienen der Gangschaltung, der Handbremse und der Pedale wegen der gesammelten Dinge nur schwer möglich sei und zum anderen das Herausschauen aus dem Fahrzeug beeinträchtigt werde.

Es sei daher zulässig, dass die Behörde Auflagen zur Fahrerlaubnis erteile. Ein Entzug der Fahrerlaubnis im Falle einer noch bedingten Eignung wäre unverhältnismäßig, weil er nicht das mildeste Mittel darstelle. In einem solchen Fall sei vorrangig, die Fahrerlaubnis zu beschränken oder Auflagen anzuordnen, wenn die Mängel hierdurch ausgeglichen werden könnten. Die Anordnung der Behörde bewege sich in diesem Ermessensrahmen.

Quelle | VG Karlsruhe, Urteil vom 25.2.2020, 9 K 4395/18, Abruf-Nr. 215586 unter www.iww.de.