| Verzögerungen, die sich für den Geschädigten aus der Corona-Pandemie ergeben, gehen zulasten des Schädigers. Zwar ist die Corona-Krise als höhere Gewalt einzustufen, doch hat der Geschädigte darauf keinen Einfluss. So entschied es jetzt das Amtsgericht (AG) Wolfsburg. |
Am Fahrzeug des Klägers war in der Zeit ein Totalschaden entstanden, als die Autohäuser behördlich geschlossen waren. Also konnte er weder potenzielle Ersatzfahrzeuge besichtigen, noch mit diesen eine Probefahrt unternehmen. Er muss sich nicht auf einen Kauf auf dem Privatmarkt verweisen lassen, weil die Gewährleistung bei solchen Käufen meist ausgeschlossen wird. Er war auch nicht verpflichtet, das nächstbeste Fahrzeug zu akzeptieren. Ein Geschädigter darf vielmehr suchen und auswählen, denn er kann nichts dafür, dass sein Fahrzeug beschädigt wurde.
Das AG sah die Dauer von einem Monat als angemessen an, in Corona-Zeiten ein vernünftiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen.
Quelle | AG Wolfsburg, Urteil vom 12.10.2020, 23 C 48/20, Abruf-Nr. 218296 unter www.iww.de
| Endlich haben die Angehörigen für die Seniorin einen Platz in einem Seniorenheim gefunden. Gut soll es ihr dort gehen und „auf Dauer“ soll sie dort bleiben. Mit einer Kündigung rechnet man nicht. Doch auch hier kann es zu Kündigungen kommen. Nicht jede Kündigung ist aber rechtens, wie eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg zeigt. |
Was war geschehen?
Völlig überrascht waren die Angehörigen einer Seniorin von der Kündigung des Heimvertrags. Die Dame war vor etwa fünf Jahren in die Demenzabteilung eines Heims gezogen. Nach einem Krankenhausaufenthalt zeigte sie sich viel unruhiger als zuvor. Das Heim erklärte die Kündigung und forderte den Auszug der Seniorin. Die Heimleitung behauptete, sie störe den Heimfrieden erheblich, laufe ständig umher, gehe in die Zimmer anderer Bewohner, öffne dort Türen und Fenster und schaue bei der Intimpflege zu. Sie sei aggressiv und boxe die Pflegekräfte, stelle ihnen und anderen Bewohnern das Bein und fahre sie mit dem Rollator an. Außerdem esse und trinke sie nicht mehr richtig. Sie sei eine Gefahr für sich und andere.
Keine Unzumutbarkeit für das Heim
Die Räumungsklage des Heims war erfolglos, die Kündigung unwirksam. Das OLG Oldenburg stellte klar: Die Seniorin darf im Heim wohnen bleiben. Ein Heimvertrag kann nämlich vonseiten des Heims nur aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn dem Heim ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist. Das sei hier nicht der Fall. Abzuwägen seien die Interessen des alten Menschen, einen Umzug und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden und die Interessen des Heims, sich von dem Vertrag zu lösen.
Verhalten bleibt im Rahmen
Im Fall des OLG war zu berücksichtigen, dass dem Heim die Demenzerkrankung der alten Dame bereits bei deren Einzug bekannt gewesen sei. Gewisse Verhaltensauffälligkeiten seien daher hinzunehmen. Es sei auch nicht erkennbar, dass es tatsächlich schon zu Sach- oder gar Körperschäden gekommen sei. Das Heim habe auch nicht dargestellt, dass es bereits Maßnahmen ergriffen habe, um die Seniorin von dem geschilderten Verhalten abzuhalten. Die Abwägung ergebe, dass sich das behauptete Verhalten der alten Dame in dem Rahmen bewege, der von dem Betreiber eines Pflegeheims von Bewohnern einer Demenzabteilung noch hingenommen werden müsse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 28.5.2020, 1 U 156/19, Abruf-Nr. 218330 unter www.iww.de
| Verursacht der Versicherungsnehmer unter Drogeneinfluss einen Verkehrsunfall, kann der Versicherer einen Regressanspruch gegen ihn haben. So hat es jetzt das Amtsgericht (AG) Hannover entschieden. |
Der Versicherer berief sich zu Recht auf die vereinbarten Versicherungsbedingungen. Danach sei er im Innenverhältnis in Höhe von 5.000 Euro leistungsfrei. Der Versicherungsnehmer sei nämlich als Fahrer infolge Genusses berauschender Mittel nicht in der Lage gewesen, das Fahrzeug sicher zu führen.
Der Versicherungsnehmer hat seine Behauptung, die Geschädigte habe zunächst noch etwas vor der Einmündung angehalten und sei gerade dann wieder losgefahren, als er selbst sein Fahrzeug wieder in Bewegung gesetzt habe, nicht ausreichend unter Beweis gestellt. Nach dem Unfallbericht hatte er dem aufnehmenden Polizeibeamten zunächst gesagt, er habe das von rechts kommende Fahrzeug nicht rechtzeitig erkannt.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 16.7.2020, 565 C 2401/20, Abruf-Nr. 218588 unter www.iww.de
| Auch wenn das volljährige Kind jeglichen Kontakt zu seinem getrennt lebenden Vater ablehnt, verwirkt es seinen Unterhaltsanspruch nicht. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden. |
Es müssten, so die Richter, weitere Umstände hinzukommen, die das allgemeine Verhalten als schwerwiegendes Fehlverhalten erscheinen lassen. Als Beispiel nannte das OLG zusätzliche schwere Beleidigungen. In seinem Fall war ein solches Verhalten jedoch „nicht ansatzweise erkennbar“. Außerdem habe der Vater bis kurz vor der Volljährigkeit der Tochter über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren keinen Kontakt zu ihr gesucht.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.8.2020, 8 UF 165/19, Abruf-Nr. 218885 unter www.iww.de
| Ein Arbeitgeber muss zunächst den bisher fortlaufend beschäftigten Leiharbeitskräften kündigen. Erst dann darf er den Stammbeschäftigten aus betriebsbedingten Gründen kündigen. Hält er sich nicht an diese Vorgehensweise, sind betriebsbedingte Kündigungen unwirksam. So entschied es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Was war geschehen? Ein Arbeitgeber hatte einen Personalüberschuss. Aus diesem Grund kündigte er u. a. den Klägern, die zur Stammbelegschaft gehörten. Sie wehrten sich dagegen. Ihr Argument: Der Arbeitgeber hatte bereits ca. zwei Jahre, bevor die Kündigungen ausgesprochen wurden, dauerhaft mit nur kurzen Unterbrechungen sechs Zeitarbeitskräfte beschäftigt. Sie verlangten, dass zunächst diesen Zeitarbeitskräften gekündigt werde.
Die Kläger fanden sowohl beim Arbeitsgericht (ArbG) als auch beim LAG Gehör. Die Gerichte bewerteten die Kündigung als unwirksam. Denn im Kündigungszeitpunkt gab es eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit für die Kläger. Die Beklagte hat im Kündigungszeitpunkt einen dauerhaft bestehenden Arbeitsbedarf gehabt, den sie dem Kläger hätte zuweisen können. Die Leiharbeitnehmer seien auch keine bloße Personalreserve gewesen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen.
Quelle | LAG Köln, Urteile vom 2.9.2020, 5 Sa 14/20, Abruf-Nr. 218705 unter www.iww.de; 5 Sa 295/20, Abruf-Nr. 218708 unter www.iww.de
| Das Landgericht (LG) Arnsberg hat jetzt einen Versicherer ausgebremst, der forsch behauptet hatte, dass Autovermieter bei Werkstätten stets zumindest auf Nachfrage einen Großkundenrabatt auf Ersatzteile und Lohnkosten erhalten. Damit wollte er den Ersatz des Unfallschadens eines Autovermieters drücken. |
Was war geschehen? Ein Autovermieter rechnete einen Unfallschaden an einem seiner Mietwagen fiktiv ab. Der Versicherer wendete ein, dass ein Autovermieter immer und überall als Großkunde mindestens 15 Prozent Rabatt auf die Reparaturkosten bekomme. Mindestens aber würde er den Rabatt bekommen, wenn er mit Nachdruck fragen würde. Also dürfe er die fiktiv abgerechneten Reparaturkosten, die auf normalen Marktpreisen der Werkstatt der Marke am Ort basieren, um diese 15 Prozent kürzen.
Doch das LG ging der Sache auf den Grund: Dabei stellte sich heraus, dass der geschädigte Autovermieter seine Fahrzeuge regelmäßig nach nur sechs Monaten „ausflottet“. Einen planmäßigen Werkstattaufenthalt brauchen die Fahrzeuge also nicht. Kleinere Schäden werden gar nicht beseitigt. Diese berücksichtigt der Autovermieter vielmehr beim Verkaufspreis. Fahrzeuge mit größeren Unfallschäden flottet er sofort aus.
Folge: Der geschädigte Autovermieter stellt seine Fahrzeuge nur selten in der Werkstatt vor. Die Beweisaufnahme ergab zudem, dass er dort keinen Rabatt bekommt und auch keinen bekäme, wenn er danach fragte.
Quelle | LG Arnsberg, Urteil vom 23.9.2020, I-3 S 2/20, Abruf-Nr. 218444 unter www.iww.de
| Eine Frau wollte nach der Trennung von ihrem Mann von ihrer Schwiegermutter in Ruhe gelassen werden. Die Schwiegermutter hatte der Frau in drei Wochen u. a. drei WhatsApp-Nachrichten geschrieben und sie dreimal angerufen, um Umgang mit dem minderjährigen Enkel zu erhalten. Die Frau stützte ihr Begehren allerdings ausdrücklich nicht auf das Gewaltschutzgesetz. Ein Fehler denn sie blieb in allen Instanzen erfolglos. |
Das Landgericht (LG) Karlsruhe hielt insoweit fest: Kontaktaufnahmen per Fernkommunikation verletzen das allgemeine Persönlichkeitsrecht hier das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden nur, wenn sie eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn die drei WhatsApp-Nachrichten und Anrufe innerhalb von drei Wochen hielten sich im üblichen Umfang für innerfamiliäre Kontakte. Absender von WhatsApp-Nachrichten können technisch unkompliziert blockiert werden. Das Störpotenzial sei damit gering gewesen. Auch ein sog. Nachstellen sah das Gericht nicht als gegeben an.
Die Frau konnte keine einstweilige Verfügung gegen ihre Schwiegermutter erwirken und musste die Kontaktaufnahmen dulden. Denn anderen Familienmitgliedern muss es möglich sein, einen Konflikt innerfamiliär zu klären, ohne dabei staatliche Eingriffe befürchten zu müssen.
Quelle | LG Karlsruhe, Beschluss vom 6.8.2020, 20 T 29/20, Abruf-Nr. 218144 unter www.iww.de
| Das Bundeskabinett hat am 23.9.20 den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf für ein Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts beschlossen. Der Entwurf sieht umfassende Änderungen vor, die die Rechte und Position betreuter Personen stärken. Der Entwurf geht nun in den Bundestag. |
Unter anderem finden sich im Entwurf zahlreiche Verbesserungen für betreute Personen:
Die einzelnen Punkte des Reformpakets werden vom Bundesjustizministerium zusammengefasst und sind hier abrufbar: www.iww.de/s4098.
Der Sozialverband VdK Deutschland fordert angesichts des Gesetzentwurfs weitere Verbesserungen, zum Beispiel eine niederschwellige, barrierefreie und für die Betreuten gut erreichbare Beschwerdestelle, und hat zum Entwurf umfassend Stellung genommen.
Hier können Sie die Stellungnahme des VdK abrufen: www.iww.de/s4099.
| Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat entschieden: Eine Lehrerin darf ohne Nebentätigkeitsgenehmigung nicht entgeltlich als spirituelle Lebensberaterin tätig sein. Eine Genehmigung für die Vergangenheit muss sie hierfür allerdings nachträglich nicht mehr beantragen. Sie hat ihrem Dienstherrn auch Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu geben. |
Im vorliegenden Fall ist die Klägerin verbeamtete Lehrerin eines Berliner Gymnasiums. Gegen sie wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet wegen des Verdachts, dass sie ohne Nebentätigkeitsgenehmigung auf verschiedenen Internetplattformen, die unter anderem eine „seriöse und professionelle Zukunftsdeutung“ anbieten, entgeltlich spirituelle Beratungen offerierte. Die Senatsverwaltung forderte die Klägerin mit zwei Bescheiden auf, diese Beratertätigkeit einzustellen und für die Vergangenheit noch eine Genehmigung zu beantragen sowie Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu erteilen.
Dies wollte die Klägerin nicht hinnehmen. Sie bestritt die ihr vorgeworfene Beratungstätigkeit. Allenfalls zeitweilig habe sie als Beraterin gewirkt, aktuell jedoch nicht mehr. Sie bestätigte, zwei Bücher publizieren zu wollen, was sie jedoch nicht als Nebentätigkeit ansah, sondern als eine bloße Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Kommunikation „teilweise außerhalb des logischen Systems“.
Die Weisungen seien im Wesentlichen nicht zu beanstanden, so das VG Berlin. Es gebe keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Klägerin Beratungsleistungen im Internet gegen Entgelt auch heute noch erbringt. Eine solche Tätigkeit sei genehmigungspflichtig. Ohne eine Genehmigung dürfe der Dienstherr der Klägerin die Tätigkeit untersagen. Auch die Weisung, Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten offenzulegen, sei rechtmäßig. Schriftstellerische Tätigkeiten seien zwar nicht genehmigungs-, aber anzeigepflichtig, falls hierfür ein Entgelt oder geldwerter Vorteil geleistet werde. Vorliegend habe es für die Senatsverwaltung einen begründeten Anlass gegeben, die Anzeigepflicht dieser Tätigkeit zu prüfen. Lediglich die Weisung, für die Vergangenheit eine Genehmigung zu beantragen, sei rechtswidrig.
Gegen das Urteil ist bereits Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt worden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 22.7.2020, VG 5 K 95.17, Abruf-Nr. 218345 unter www.iww.de; PM vom 18.8.2020
| Regelmäßig zahlt die Krankenkasse kein Krankengeld, wenn ihr die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (AU) nicht rechtzeitig vorlag. Der Arbeitnehmer trägt aber keine Schuld, wenn sein Arzt kurzfristig einen Termin verschiebt und die Bescheinigung deshalb verspätet zugeht. Das hat das Sozialgericht (SG) München entschieden. |
Der Arbeitnehmer (Kläger) war arbeitsunfähig geschrieben und erhielt Krankengeld. Er suchte seinen behandelnden Klinikarzt auf, um eine weitere AU-Bescheinigung zu erhalten. Dessen Termine hatten sich jedoch an diesem Tag verschoben, sodass der Kläger erst um 17 Uhr statt wie vorgesehen um 16 Uhr mit dem Arzt sprechen konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schreibkräfte nicht mehr anwesend. Daher stellte der Arzt die AU-Bescheinigung nicht am selben Tag aus. Der Kläger erhielt die Bescheinigung vielmehr erst fünf Tage später per Post zugeschickt. Er leitete die Bescheinigung sofort an seine Krankenkasse (Beklagte) weiter. Diese zahlte kein Krankengeld, da die Bescheinigung nicht innerhalb einer Woche bei ihr eingegangen sei. Das SG hat den Anspruch auf Krankengeld bestätigt. Der Kläger habe die Frist eingehalten.
Eine Krankenkasse kann sich nicht auf einen verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung berufen, wenn dieser auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste. Hier hatte die Beklagte diese Bescheinigung nicht am Tag der Untersuchung, sondern erst mit fünftägiger Verspätung erhalten. Dies könne jedoch nicht dem Kläger angelastet werden. Krankenkassen müssten sicherstellen, dass Ärzte als Leistungserbringer AU-Bescheinigungen unverzüglich aushändigen, so das SG.
Gegenüber dem Leistungserbringer habe die Krankenkasse zudem Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten, die ein Versicherter nicht habe. Keinesfalls darf die Krankenkasse die Ein-Wochen-Frist „kürzen“, indem sie auf den Tag der Untersuchung abstellt und nicht auf den Tag, an dem die AU-Bescheinigung dem Versicherten auch ausgehändigt wird bzw. zugeht.
Quelle | SG München, Urteil vom 17.6.2020, S 7 KR 1719/19, Abruf-Nr. 216664 unter www.iww.de