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Dimitri Hense

Unfallhaftung: Wenn der Notfallbremsassistent ohne Not bremst

| Löst sich auf der Autobahn unverschuldet während freier Fahrt der Notfallbremsassistent eines vorausfahrenden Fahrzeugs und fährt der nachfolgende LKW ohne Einhalten des Sicherheitsabstands von mindestens 50 Metern auf das abrupt abgebremste Fahrzeug auf, überwiegt der Haftungsanteil des nachfolgenden LKW. |

Die unbegründete und erhebliche Unterschreitung des Sicherheitsabstands ist auf ein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen, während das vorausfahrende Fahrzeug aufgrund eines technischen Versagens abgebremst wurde. Dies rechtfertige eine Haftungsverteilung von 2/3 zulasten des LKW-Fahrers, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Die Klägerin nahm die Beklagten auf Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall auf der A5 Richtung Kassel/Hannover in Anspruch. Sie fuhr vor dem Beklagtenfahrzeug, einem Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse von über 3,5 Tonnen. Während ihrer Fahrt löste sich der Notfallbremsassistent. Der Beklagte konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und kollidierte mit dem klägerischen Fahrzeug.

Das Landgericht (LG) hatte der Klägerin 1/3 des geltend gemachten Schadens zugesprochen. Ihre hiergegen gerichtete Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das OLG sprach der Klägerin nun 2/3 ihres Schadens zu.

Bei dem erforderlichen Haftungsausgleich zwischen den Beteiligten sei, so das OLG, zu berücksichtigen, dass der Unfall durch das Beklagtenfahrzeug mitverursacht worden sei. Dieses habe aufgrund des zu geringen Sicherheitsabstands zum vorausfahrenden klägerischen Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig abbremsen können. Angesichts der Größe des Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 Tonnen hätte auf Autobahnen zu vorausfahrenden Fahrzeugen ein Mindestabstand von 50 Metern eingehalten werden müssen, wenn die Geschwindigkeit mehr als 50 km/h betrage. Sachverständig geklärt war im vorliegenden Fall, dass dieser Sicherheitsabstand trotz der gefahrenen Geschwindigkeit nicht eingehalten worden war.

Die Klägerin müsse sich aber als Verursachungsbeitrag vorwerfen lassen, dass sie ihr Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund auf freier Strecke abrupt abgebremst habe.

Die gebotene Abwägung dieser beiderseitigen Verursachungsbeiträge führe zu einer Haftungsverteilung von 2/3 zulasten der Beklagten und 1/3 zulasten der Klägerin. Hinsichtlich des LKW-Fahrers sei von einem Verschulden auszugehen, da der erforderliche Sicherheitsabstand ohne zwingende Gründe um etwa 30 Prozent unterschritten worden sei. Das abrupte Abbremsen der Klägerin sei dagegen unstreitig auf das Versagen der technischen Einrichtung ihres Kraftfahrzeugs zurückzuführen, sodass sie kein Verschulden treffe.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 9.3.2021, 23 U 120/20

Arbeitsunfähigkeit: Freistellung ist kein Urlaub

| Genehmigt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen tariflichen Freistellungstag wegen Schichtarbeit, erfüllt er schon hiermit den Anspruch des Arbeitsnehmers. Erkrankt der Arbeitnehmer in diesen Tagen arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber ihn für diese Tage nicht erneut freistellen. Das Risiko einer Erkrankung trägt in diesen Fällen also der Arbeitnehmer. So entschied es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg |

Etwas anderes gilt nur, wenn dies im Tarifvertrag ausdrücklich geregelt ist. Im hier zugrunde liegenden Tarifvertrag für die bayrische Metall- und Elektroindustrie war dies nicht der Fall. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, mit der Genehmigung des Freistellungstags sei dieser freie Tag „verbraucht“. Eine Arbeitsunfähigkeit falle in das Risiko der Arbeitnehmerin. Hiermit hat er sich auf ganzer Linie durchgesetzt.

Das LAG hielt Freistellungstag und Urlaub also für nicht miteinander vergleichbar. Es hat aber wegen der sog. grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Quelle | LAG Nürnberg, Urteil vom 8.4.2021, 2 Sa 343/20

Nutzungsausfall: Trotz abgelaufener Hauptuntersuchung sind Mietwagenkosten zu erstatten

| Der Schädiger muss Mietwagenkosten erstatten, auch wenn das verunfallte Fahrzeug bereits vor dem Unfall einen Riss in der Frontscheibe aufwies und die HU-Plakette abgelaufen war. Das hat das Landgericht (LG) Stuttgart entschieden und damit ein Urteil des Amtsgerichts (AG) Stuttgart korrigiert. |

Die Begründung des LG: Die Benutzung des verunfallten Fahrzeugs vor dem Unfall und die gedachte weitere Nutzung nach dem Unfall stelle zwar evtl. eine Ordnungswidrigkeit dar. Dennoch hatte der Geschädigte ein Fahrzeug, das er auch genutzt hat.

Wie lange der HU-Termin schon überzogen war, ist nicht bekannt. Ein solches Fahrzeug würde aber bei einer Kontrolle nicht sofort festgesetzt, wenn die HU nicht bereits jahrelang überfällig gewesen ist. So war für das LG entscheidend, dass der Geschädigte sowohl die Nutzungsmöglichkeit und auch den Nutzungswillen hatte.

Quelle | LG Stuttgart, Urteil vom 4.3.2021, 5 S 195/20, Abruf-Nr. 221584 unter www.iww.de

Kündigungsschutzklage: Erst die Abmahnung, dann die Kündigung

| Ein Arbeitgeber muss regelmäßig erst einmal abmahnen, bevor er das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen kann. Dies gilt insbesondere, wenn der betroffene Arbeitnehmer nur einmal unentschuldigt gefehlt hat und zwar auch, wenn dies bereits am dritten Arbeitstag passiert. Zu diesem Ergebnis kam jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein. |

Das war geschehen

Der Arbeitgeber hatte die Arbeitnehmerin zum 1.8.2019 eingestellt. Nachdem sie am 1. und 2.8. vor dem Wochenende gearbeitet hatte, blieb sie am 5. und 6.8. vereinbarungsgemäß zwecks Kindergarten-Eingewöhnung ihres Sohnes der Arbeit fern. Mit Schreiben vom 5.8. kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 12.8.2019. Am 7.8. fehlte die Arbeitnehmerin unentschuldigt. Für den 8. und 9.8. liegen Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen vor. Mit E-Mail vom 8.8. kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigung ging der Arbeitnehmerin am 9.8. schriftlich zu.

Kündigungsschutzklage

Mit ihrer Kündigungsschutzklage wandte sich die Arbeitnehmerin nur noch gegen die zweite, fristlose Kündigung und verlangte, die gesetzliche Kündigungsfrist hinsichtlich der ersten Kündigung einzuhalten. Der Arbeitgeber hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Die Arbeitnehmerin habe gerade einmal zwei Tage gearbeitet und dann unentschuldigt gefehlt. Es handele sich um ein „gescheitertes Arbeitsverhältnis“. Hier sei eine Abmahnung entbehrlich gewesen.

Fristlose Kündigung unwirksam

Das LAG hielt die außerordentliche fristlose Kündigung für unwirksam. Eine vorherige Abmahnung sei notwendig. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitnehmerin trotz Kündigungsandrohung der Arbeit weiter unentschuldigt ferngeblieben wäre. Ihre Pflichtverletzung sei auch nicht derart schwerwiegend, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre. Anders als der Arbeitgeber meint, müsse er die zweiwöchige gesetzliche Kündigungsfrist in der Probezeit einhalten. Die kürzere Frist im Arbeitsvertrag sei unwirksam. Es sei nicht gleichheitswidrig, wenn lediglich den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit der Vereinbarung kürzerer Kündigungsfristen zustehe. Deren Verhandlungsparität führe zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine vergleichbare Parität bestehe zwischen den Parteien des Individualarbeitsvertrags nicht.

Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3.6.2020, 1 Sa 72/20, Abruf-Nr. 218577 unter www.iww.de

Benachteiligungsverbot: Dem potenziellen Arbeitgeber muss Schwerbehinderung des Bewerbers bekannt sein

| Der objektive Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, kann die Vermutung der Benachteiligung eines erfolglosen schwerbehinderten Bewerbers wegen der Schwerbehinderung nach § 22 AGG regelmäßig nur begründen, wenn der Bewerber den Arbeitgeber rechtzeitig über seine Schwerbehinderung in Kenntnis gesetzt hat. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |

Die Parteien stritten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen seiner (Schwer)Behinderung zu zahlen.

Sachverhalt

Der Kläger ist Diplom-Verwaltungswirt (FH). Nach seinem Studium war er zunächst stellvertretender Sachgebietsleiter, später Sachgebietsleiter eines Ausländeramts. Dann war er als geschäftsleitender Beamter einer Gemeinde und als Geschäftsleiter einer anderen Gemeinde tätig. In der Zeit von April 1992 bis April 2008 war er erster Bürgermeister. Ausweislich des Bescheids des zuständigen Versorgungsamts von Dezember 2013 ist der Kläger mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehindert.

Die Beklagte, die in Teilbereichen der Verwaltungstätigkeit einer großen Kreisstadt gleichgestellt ist, schrieb im September 2017 die Stelle eines/einer Leiter/in des Sachgebietes Bauen und Wohnen aus. Der Kläger bewarb sich auf diese Stelle. Weder im Bewerbungsschreiben noch im beigefügten Lebenslauf informierte er die Beklagte über seine Schwerbehinderung.

Die Beklagte traf in der Folgezeit eine Vorauswahl unter den Bewerbern und lud die von ihr als geeignet erachteten zu Vorstellungsgesprächen ein. Der Kläger war nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Später entschied sich das Auswahlgremium für einen anderen Bewerber.

Benachteiligung lag vor…

Zwar wurde der Kläger dadurch, dass der Beklagte ihn im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren nicht berücksichtigt hatte, unmittelbar benachteiligt, denn er hat eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Darauf, ob es andere Bewerber gegeben hat, ob deren Bewerbungen Erfolg hatten und ob ein von der Beklagten ausgewählter Bewerber die Stelle angetreten hat, kommt es nicht an.

… aber nicht aufgrund der Schwerbehinderung

Der Kläger hat die unmittelbare Benachteiligung jedoch nicht wegen seiner (Schwer)Behinderung erfahren. Eine gesetzliche Vermutung, dass der Kläger die Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung erfahren hat, ergibt sich weder aus der Nichteinladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch noch aus sonstigen Umständen: Nach dem Sozialgesetzbuch IX melden die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder von einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

Arbeitgeber hatte keine Information über Schwerbehinderung

Hier hat der Arbeitgeber zwar gegen seine Pflicht verstoßen, den Kläger einzuladen. Dafür, dass dieser objektive Verstoß des Arbeitgebers aber wegen der (Schwer)Behinderung geschehen ist, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Denn dann hätte dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung des Bewerbers bekannt sein müssen. Deshalb muss ein Bewerber, der seine Schwerbehinderung bei der Behandlung seiner Bewerbung berücksichtigt wissen will, den (potenziellen) Arbeitgeber hierüber in Kenntnis setzen, soweit dieser nicht ausnahmsweise, so ggf. bei internen Bewerbern, bereits über diese Information verfügt. Andernfalls fehlt es an der (Mit-)Ursächlichkeit der (Schwer)Behinderung für die benachteiligende Maßnahme.

Quelle | BAG, Urteil vom 17.12.2020, 8 AZR 171/20, Abruf-Nr. 221800 unter www.iww.de

Frontalaufprall: Wann ist ein Unfall ein Unfall?

| Ein Unfall im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung liegt auch vor, wenn der Schaden durch den Versicherungsnehmer freiwillig herbeigeführt wurde. Ob dies vorsätzlich in Suizidabsicht geschah, was dazu führen würde, dass der Versicherer von seiner Leistung frei würde, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Indizien festgestellt werden. Die Beweislast hierfür trägt der Versicherer. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Dresden klargestellt. |

Was war geschehen?

Der Versicherungsnehmer prallte mit seinem Kfz frontal gegen einen Straßenbaum, nachdem er beim Anfahren das Fahrzeug stark beschleunigt hatte. Das Fahrzeug erlitt hierbei einen Totalschaden. Der Versicherer hat eine Regulierung des Schadens abgelehnt, weil der Versicherungsnehmer den Unfall vorsätzlich in Suizidabsicht herbeigeführt habe. Damit greife die vereinbarte Ausschlussklausel.

Das Landgericht (LG) hat ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt. Danach lasse sich keine Suizidabsicht beweisen. Gleichwohl hat es die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Sein Verhalten stelle sich jedenfalls deswegen als grob fahrlässig dar, weil er es versäumt habe, den durch die Beschleunigung ausgelösten Driftvorgang dadurch abzuwenden, dass er den Fuß vom Gaspedal genommen hätte. Dies stelle sich als so schwerwiegendes Versäumnis dar, dass hier ausnahmsweise eine Leistungskürzung auf Null gerechtfertigt sei.

So sieht es das OLG

Das OLG Dresden hat auf die Berufung des Versicherungsnehmers das Urteil geändert und den Versicherer antragsgemäß verurteilt. Es stellt klar: Es handelt sich bei dem o. g. Ereignis um einen „Unfall“ im Sinne des Versicherungsrechts. Ein solcher liege auch vor, wenn der Schadensfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei. Für das Vorliegen eines Unfalls komme es allein darauf an, dass der Schaden durch eine von außen plötzlich einwirkende mechanische Kraft herbeigeführt werde. Dies sei hier durch den Zusammenprall mit dem Straßenbaum der Fall.

Ein Haftungsausschluss wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Unfalls kommt nach den eindeutigen Versicherungsvereinbarungen nicht in Betracht. Dort heißt es nämlich ausdrücklich: „Wir verzichten in der Fahrzeugversicherung auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens.“ Gegen die Wirksamkeit dieser Verzichtsklausel hatte das OLG keine Bedenken.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 10.11.2020, 4 U 1106/20, Abruf-Nr. 221286 unter www.iww.de

BGH-Entscheidung: Scheidung: Auskunftspflicht der Ehegatten

| Ist ein Scheidungsantrag bei Gericht rechtshängig, müssen die Ehegatten auf Verlangen des Gerichts Auskunft über ihre Versorgungsanrechte erteilen, auch wenn sie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Scheidung bestreiten. Das Gericht darf zur Durchsetzung der Auskunftspflicht Zwangsmittel auch schon festsetzen, bevor geklärt ist, ob der Scheidungsantrag überhaupt begründet ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Zwischen den Eheleuten war ein Scheidungsverbundverfahren rechtshängig. Beide haben Scheidungsanträge gestellt, die Frau bestritt jedoch den Vortrag des Mannes, dass die Eheleute seit mehr als einem Jahr in der Ehewohnung getrennt leben würden.

Das Amtsgericht (AG) hatte noch keinen Verhandlungstermin bestimmt. Es hatte die Ehegatten dennoch aufgefordert, den ausgefüllten Fragebogen über ihre in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte vorzulegen. Nachdem die Frau dieser Aufforderung trotz Androhung von Zwangsmaßnahmen nicht nachgekommen war, hat es gegen sie ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt.

Die Rechtsmittel der Frau blieben erfolglos. Das liegt auch im Interesse des Scheidungswilligen. Denn so wird verhindert, dass der andere Ehegatte durch das Bestreiten materiell-rechtlicher Scheidungsvoraussetzungen (Ablauf des Trennungsjahrs, Scheitern der Ehe) seine Auskunft über Versorgungsanrechte und damit das Scheidungsverfahren verzögern kann.

Quelle | BGH, Beschluss vom 30.9.2020, XII ZB 438/18, Abruf-Nr. 219087 unter www.iww.de

Schadenersatz: So können sich Reparaturverzögerungen auf den Nutzungsausfallschaden auswirken

| Zu Störungen im Reparaturablauf nach einem Unfall kann es aus verschiedenen Gründen kommen. Unter dem Blickwinkel des Nutzungsausfallschadens können sie zulasten des Schädigers gehen, andererseits aber auch vom Geschädigten zu verantworten sein. Worauf es ankommt und welche Seite wofür darlegungs- und beweispflichtig ist, hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf geklärt. |

Zwischen dem Unfalltag und dem Tag der Fahrzeugrückgabe lagen 190 Tage. Die beklagte Versicherung sah sich nur für 31 Tage in der Ersatzpflicht. Die in diesem Zeitraum angefallenen Mietwagenkosten hat sie reguliert, jeden weiteren Ersatz aber abgelehnt. Das OLG Düsseldorf hat eine „abstrakte“ Nutzungsausfallentschädigung für weitere 104 Tage Zug um Zug gegen Abtretung eines (möglichen) Ersatzanspruchs gegen die Werkstatt zugesprochen. Den weitergehenden Anspruch hat es wegen Verstoß gegen die sog. Schadensminderungspflicht zurückgewiesen (hier: Verzögerungen bei der Erteilung des Gutachter- und des Werkstattauftrags).

Ohne Erfolg ist der Einwand der Beklagten geblieben, die Klägerin habe für den streitigen Ausfallzeitraum schon deshalb keinen Ersatzanspruch, weil sie auf einen „Zweitwagen“ habe zurückgreifen können. Nach dem unwiderlegten Vortrag der Klägerin handelte es sich um den Pkw ihres Sohnes und damit um eine den Schädiger nicht entlastende freiwillige Leistung eines Dritten. Damit stellte sich dem OLG die Frage, zu wessen Lasten die Verzögerung der Reparaturarbeiten geht. Die Werkstatt keine Markenwerkstatt begründet sie mit Lieferschwierigkeiten bei der Beschaffung eines Airbag-Moduls für die Beifahrerseite.

Was ein Geschädigter in dieser Situation nicht tun muss, also lassen darf, macht das OLG u. a. deutlich:

  • Den Geschädigten trifft kein Auswahlverschulden, wenn er eine freie Werkstatt beauftragt.
  • Er begeht keine sog. Obliegenheitsverletzung, wenn er die Reparatur nicht überwacht.
  • Er muss die Ausfallzeit nicht durch eine Teilreparatur verkürzen, also z. B. den Pkw vorübergehend ohne Beifahrerairbag weiternutzen.

Das OLG hält schließlich noch fest: Der Klägerin wird nur eine sog. sekundäre Darlegungslast auferlegt, der sie nicht zuletzt durch Vorlage des Reparaturablaufplans hier genügt hatte.

Beachten Sie | Den gegnerischen Versicherer bei längeren Verzögerungen zu informieren, ist ratsam, zumal bei Inanspruchnahme eines Mietwagens.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.3.2021, I-1 U 77/20, Abruf-Nr. 221698 unter www.iww.de

Interessenkonflikt: Erbeinsetzung eines Betreuers kann sittenwidrig sein

| Setzt ein Hilfsbedürftiger kurz nach Beginn der Betreuung seine Betreuerin als Erbin ein, kann das Testament wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG Celle) entschieden. |

Das war geschehen

Im Dezember 2004 erlitt ein damals 85-jähriger Mann einen schweren Schlaganfall. Neben einer Halbseitenlähmung hatte er erhebliche psychische Ausfallerscheinungen. Er war nicht orientiert, wusste nicht, dass er sich im Krankenhaus befand und musste zeitweise fixiert werden. Da er deshalb nicht in der Lage war, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, richtete das Amtsgericht (AG) Anfang Januar 2005 eine sog. rechtliche Betreuung ein und bestellte eine Berufsbetreuerin zur Betreuerin des Mannes, der keine Angehörigen hatte. Diese hatte u.a. die Aufgabe, die Gesundheits- und Vermögensangelegenheiten des Mannes in seinem Interesse zu regeln.

Anfang April 2005 zog der Mann aus dem Krankenhaus in eine Pflegeeinrichtung. Am 4. Mai 2005 setzte er die Betreuerin sowie eine weitere Person, die ihm von der Betreuerin für verschiedene Dienstleistungen wie Einkäufe und Spaziergänge vermittelt worden war, zu seinen Erben sein. Dieses Testament wurde im Beisein der Betreuerin von einer Notarin aufgenommen. Der Wert des Vermögens des Mannes war dort mit 350.000 Euro angegeben. Die Betreuerin verheimlichte diese Erbeinsetzung gegenüber dem AG, das die Betreuung im Dezember 2005 auf der Grundlage eines fachärztlichen Gutachtens und nach eigener Anhörung des Mannes verlängerte. Der Mann starb im April 2012. Die Betreuerin und die als weiterer Erbe eingesetzte Person teilten das Guthaben des Erblassers unter sich auf.

So entschieden die Vorinstanzen

Anfang 2014 bestellte das AG Hannover einen sog. Nachlasspfleger, der den Nachlass zugunsten der unbekannten Erben des Mannes sichern sollte. Dieser verlangte von der Betreuerin und der weiteren Person die Herausgabe der von diesen erlangten Vermögenswerte. Das Landgericht (LG) gab der Klage durch ein erstes Teilurteil im Grundsatz statt und wies die Widerklage der Beklagten ab, die die Feststellung begehrten, dass sie selbst Erben geworden seien.

Das sagt das OLG

Das OLG Celle wies die von den Beklagten hiergegen eingelegte Berufung nun zurück und stützte diese Entscheidung auf zwei Gesichtspunkte:

Erblasser nicht testierfähig

Zum einen war das OLG davon überzeugt, dass der Erblasser im Mai 2005 nicht testierfähig war. Grundsätzlich kann zwar jeder Mensch ab Vollendung des 16. Lebensjahrs wirksam ein Testament errichten. Diese Fähigkeit fehlt aber ausnahmsweise, wenn eine Person krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, sich ein klares Urteil u.a. darüber zu bilden, welche Tragweite und Auswirkungen ihre testamentarischen Anordnungen haben, oder wenn sie nicht frei von Einflüssen Dritter nach diesem Urteil handeln kann. Eine solche Ausnahmesituation hat der Senat im vorliegenden Fall ebenso wie das LG nach umfangreicher Auseinandersetzung mit verschiedenen ärztlichen Berichten und Gutachten sowie weiteren Beweismitteln angenommen.

Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung

Zum anderen hat das OLG festgestellt, dass das Testament sittenwidrig und damit nach § 138 BGB nichtig war. Zwar gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift (anders als im Heimrecht), die es Betreuern untersagt, neben der vereinbarten Vergütung Geschenke entgegenzunehmen, soweit diese über geringwertige Aufmerksamkeiten hinausgehen. Das OLG folgerte die Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung aber daraus, dass die Betreuerin die von Einsamkeit und Hilflosigkeit geprägte Situation des Erblassers zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt habe.

Erbeinsetzung verschwiegen

Denn das Testament wurde kurz nach der Krankenhausentlassung errichtet. Der Erblasser kannte die Betreuerin erst kurze Zeit. Im damaligen Zeitraum hatte er noch gegenüber der Betreuungsrichterin des AG angegeben, nichts von einer Betreuung zu wissen. Trotz der erheblichen Erkrankung hatte die Betreuerin keinen ärztlichen Rat eingeholt, ob er überhaupt testierfähig war. Sie selbst hatte die Notarin mit der Aufnahme des Testaments beauftragt und war ohne zwingenden Grund bei der gesamten Testamentsaufnahme anwesend. Dabei sei ihr bewusst gewesen, dass der Erblasser dieses notarielle Testament später aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht mehr durch ein eigenes handschriftliches Testament habe ersetzen können. Gegenüber dem AG habe sie u.a. die Erbeinsetzung verschwiegen, sodass das Gericht mögliche Interessenkonflikte nicht prüfen konnte.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 7.1.2021, 6 U 22/20, PM Nr. vom 9.4.2021

Nachlassgericht: Erlass eines quotenlosen Erbscheins: Wer muss zustimmen?

| Die Frage, wer bei der Beantragung eines quotenlosen Erbscheins zustimmen muss, ist umstritten. Die zwei bekanntesten obergerichtlichen Entscheidungen hierzu liegen diametral auseinander. Während das Oberlandesgericht (OLG) München fordert, dass alle in Betracht kommenden Erben auf die Aufnahme der Erbquoten im Erbschein verzichten müssen, lässt es das OLG Düsseldorf genügen, dass nur die Antragsteller auf die Angaben der Quoten verzichten. Jetzt ist das OLG Bremen dem OLG München beigesprungen. |

Im Fall des OLG Bremen hatte ein Beteiligter den Erlass eines Erbscheins ohne Erbteilsquoten beantragt, weil diese erst nach Aufklärung der Wertverhältnisse des Nachlasses sicher festgestellt werden könnten. Die hierzu angehörte andere Beteiligte hatte dem jedoch widersprochen, weil die Auslegung des Testaments ergebe, dass sie Alleinerbin geworden sei. Das Nachlassgericht hatte aufgrund des Widerspruchs verfügt, ein gemeinschaftlicher quotenloser Erbschein komme nicht in Betracht. Das OLG Bremen sah dies genauso.

Quelle | OLG Bremen, Urteil vom 28.10.2020, 5 W 15/20, Abruf-Nr. 221354 unter www.iww.de