Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Elterngeld: BSG: Gehaltsnachzahlungen können berücksichtigt werden

| Nachgezahlter laufender Arbeitslohn, den der Elterngeldberechtigte außerhalb der für die Bemessung des Elterngelds maßgeblichen 12 Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes (Bemessungszeitraum) „erarbeitet“ hat, ist der Bemessung des Elterngelds zugrunde zu legen, wenn er im Bemessungszeitraum zugeflossen ist (BSG 27.6.19, B 10 EG 1/18 R). |

Diese Entscheidung traf das Bundessozialgericht (BSG). Die Richter machten deutlich, dass das Einkommen entscheidend sei, welches der Berechtigte „im Bemessungszeitraum hat“. Dies folgt aus der gesetzlichen Neuregelung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) zum 18.9.12.

Der beklagte Landkreis war deshalb nicht berechtigt, die von der Klägerin im Juni 13 vor dem Bemessungszeitraum (Juli 13 bis Juni 14) erarbeitete Gehaltsnachzahlung bei der Berechnung des Elterngelds auszuklammern. Maßgeblich war vielmehr, dass ihr diese Gehaltsnachzahlung im August 13 und damit im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossen war.

Quelle | BSG, Urteil vom 27.6.2019, B 10 EG 1/18 R, Abruf-Nr. 209644 unter www.iww.de.

Ordnungswidrigkeit: „Handyverstoß“ nach neuem Recht: In der Hand halten reicht

| Der neue § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung (StVO) verbietet es dem Fahrzeugführer, während der Fahrt ein elektronisches Gerät zu nutzen. Nach dem Wortlaut kommt es dabei nicht darauf an, ob das elektronische Gerät für die Benutzung grundsätzlich in der Hand gehalten werden muss. Entscheidend ist, ob es tatsächlich in der Hand gehalten wurde. |

So entschied es das Kammergericht (KG) in Berlin im Fall eines Autofahrers. Der hatte sich dahin eingelassen, dass es erforderlich war, das heiß gelaufene Mobiltelefon mit der Hand vor die Kühlung zu halten. Nur so hätte er das laufende Telefonat während der Fahrt über die aktivierte Freisprechanlage fortsetzen können. Das KG stellte auf den Zweck der Gesetzesvorschrift ab. Es sah darin eine zu ahnende Tätigkeit. Diese verhinderte nicht nur, dass dem Betroffenen beide Hände für die eigentliche Fahraufgabe zur Verfügung standen. Sie erforderte auch – wie das Führen eines Telefonats – eine erhöhte Konzentration.

Quelle | KG, Urteil vom 13.2.2019, 3 Ws (B) 50/19, Abruf-Nr. 209571 unter www.iww.de.

Kündigungsrecht: Diese Voraussetzungen hat die betriebsbedingte Änderungskündigung

| Bei der Änderungskündigung ist Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung, dass der geltend gemachte Kündigungsgrund geeignet ist, die angestrebte Vertragsänderung zu rechtfertigen. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist deshalb zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. |

Hierauf weist eine Entscheidung des Landearbeitsgerichts (LAG) Hessen hin. Darin wird der Prüfungsvorgang wie folgt präzisiert: Notwendig ist ein organisatorisches Konzept, aus dem sich das Bedürfnis nach Änderungen der Arbeitsbedingungen ergibt, also eine „konzeptionelle Unternehmerentscheidung“. Auch bei der betriebsbedingten Änderungskündigung unterliegt die ihr zugrunde liegende Unternehmerentscheidung nur einer Rechts- und Missbrauchskontrolle. Es ist jedoch zu prüfen, ob die Organisationsänderung eine Beendigungs- oder Änderungskündigung notwendig macht, und ob das unternehmerische Konzept nicht mit anderen Maßnahmen realisiert werden kann, ohne dass hierdurch die Organisationsentscheidung selbst einer inhaltlichen Prüfung unterliegt.

Quelle | LAG Hessen 5.12.18, 6 Sa 1103/17, Abruf-Nr. 209845 unter www.iww.de.

Umgangsrecht: Darf der Umgangsberechtigte an der Einschulung des Kindes teilnehmen?

| Ist ein Elternteil sorge-, der andere lediglich umgangsberechtigt, gibt es oft Streit darüber, welche Rechte der Umgangsberechtigte hat, insbesondere bezüglich individueller Feiertage. Dazu ein Fall aus der Praxis. |

Beispiel: Die Eltern V und M leben getrennt. Die Beziehung ist äußerst konfliktbehaftet. M hat das alleinige Sorgerecht übertragen bekommen. Das Kind K wird nach den Sommerferien eingeschult. V möchte gerne zur Einschulungsfeier kommen, M möchte das nicht. Fraglich ist, ob V hingehen darf.

Individuelle Feiertage, wie z. B. Geburtstag, Kommunion oder Konfirmation werden beim betreuenden Elternteil gefeiert. Insoweit hat der Umgangsberechtigte einen Anspruch auf Anwesenheit, z. B. bei der kirchlichen Feier, nicht aber auf Teilnahme an der Feier im Familienkreis.

V darf daher an der Einschulungsfeier in der Schule teilnehmen.

Es ist aber nicht auszuschließen, dass dies zu einer Eskalation führt, wenn M und V zusammentreffen. Die Eltern haben aber nach dem Gesetz eine Loyalitätspflicht. Diese allgemeine Wohlverhaltensvorschrift verpflichtet beide Elternteile dazu, alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen beeinträchtigt bzw. den Umgang oder die Erziehung erschwert.

Es kann daher sinnvoll sein, im Rahmen einer Umgangsvereinbarung auch den Umgang zu besonderen Anlässen, wie z. B. Geburtstagen des Kindes und des Umgangsberechtigten sowie der Einschulung des Kindes etc. zu regeln. Eine solche Regelung sollte durch einen Anwalt aufgesetzt werden. Dabei müssen nämlich verschiedene Punkte beachtet werden. So müssen z. B. die besonderen Anlässe in der Vereinbarung konkret bezeichnet werden, damit die Vereinbarung vollstreckbar ist.

Arbeitszeugnis: Betriebsratstätigkeit kommt nicht ins Zeugnis

| Auch wenn das nicht freigestellte Betriebsratsmitglied in den letzten drei Jahren des 16-jährigen Arbeitsverhältnisses fast ausschließlich Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat, darf dieser Zeitraum nicht von der Bewertung der Arbeitsleistung im Zeugnis ausgenommen werden. |

Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Nürnberg sei die ehrenamtliche Tätigkeit nur im Arbeitszeugnis aufzunehmen, wenn der Arbeitnehmer dies ausdrücklich wünsche. Das nicht freigestellte Betriebsratsmitglied übe ein Ehrenamt aus, das mit seinen arbeitsvertraglich geschuldeten Hauptleistungspflichten in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehe. Der Zweck eines qualifizierten Arbeitszeugnisses bestehe darin, ein möglichst vollständiges, wahres, klares, aber auch wohlwollendes Bild von Führung und Leistung des Arbeitnehmers im Hinblick auf seine arbeitsvertraglichen Pflichten darzustellen. Hierzu sei es nicht notwendig, die ehrenamtliche Betriebsratstätigkeit zu erwähnen.

Quelle | LAG Nürnberg, Urteil vom 11.10.2018, 5 Sa 100/18, Abruf-Nr. 208486 unter www.iww.de.

Abstandsverstoß: Vertrauen auf Abstandspiloten wird nicht geschützt

| Bei einem Abstandsverstoß kann sich der Betroffene nicht darauf berufen, auf die Funktion eines in seinem Fahrzeug als Teil eines Fahrerassistenz-Pakets verbauten sog. Abstandspiloten vertraut zu haben.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg. Die Richter wiesen darauf hin, dass dies mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflichten eines Fahrzeugführers unvereinbar sei. Folge dieser Ansicht ist, dass damit auch die Anerkennung eines privilegierenden sog. Augenblicksversagens ausscheidet.

Quelle | OLG Bamberg, Beschluss vom 6.11.2018, 3 Ss OWi 1480/18, Abruf-Nr. 207436 unter www.iww.de.

Prozessrecht: Familiengericht kann den Versorgungsausgleich nicht auf die Parteien übertragen

| Das Familiengericht muss den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich auch dann regeln, wenn sich die Eheleute formwirksam auf einen von der gesetzlichen Regelung abweichenden Ausgleich geeinigt haben. |

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. im Fall eines Ehepaares, das sich einvernehmlich scheiden lassen wollte. Die Eheleute hatten bereits vorgerichtlich eine notarielle Vereinbarung auch zum Versorgungsausgleich getroffen. Das Familiengericht hat die Ehe geschieden und entschieden, dass kein Versorgungsausgleich durch gerichtliche Entscheidung stattfinde. Hiergegen hatten die Versorgungsträger Rechtsmittel eingelegt.

Das OLG hat den Beschluss zum Versorgungsausgleich aufgehoben und die Sache an das Familiengericht zurückverwiesen. Die Richter stellten dazu fest: Entscheidet das Familiengericht, dass kein Versorgungsausgleich stattfindet, und entspricht dies materiell-rechtlich nicht der gesetzlichen oder von den Beteiligten vereinbarten Rechtslage, haben die Versorgungsträger ein Beschwerderecht.

In der Sache selbst ist das Amtsgericht einem Irrtum unterlegen, indem es davon ausging, dass die Eheleute den vereinbarten Versorgungsausgleich selbst durchführen können. Eine Übertragung von Anrechten durch interne Teilung kann ebenso wie die Begründung von Anrechten durch externe Teilung allein durch richterlichen Gestaltungsakt erfolgen. Die Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich war daher aufzuheben. Der Scheidungsausspruch ist davon nicht betroffen. Der Versorgungsausgleich muss nunmehr gerichtlich durchgeführt werden. Ob dabei die notarielle Vereinbarung der Ehegatten einer Inhaltskontrolle standhält und Grundlage für den Versorgungsausgleich sein kann, kann erst beurteilt werden, wenn sämtliche aktuellen Auskünfte der Versorgungsträger vorliegen.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 24.1.2019, 2 UF 266/18, Abruf-Nr. 208584 unter www.iww.de.

Nutzungsausfall: Fahrtüchtig trotz unfallbedingter Verletzung

| Eine unfallbedingte Verletzung, die nicht zur Fahruntüchtigkeit führt, hindert nicht den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. |

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht Donaueschingen in einer mittlerweile häufigen Fallgestaltung: Wenn Versicherer wegen erhobener Schmerzensgeldansprüche wissen, dass der Geschädigte verletzt war, stellen sie sich immer häufiger auf den Standpunkt, dass ihm dann kein Ersatzanspruch für den Ausfallschaden zustünde. Er hätte ja ohnehin nicht fahren können.

Im Donaueschinger Fall kam hinzu, dass der Geschädigte nach dem Unfall vorsorglich ein Krankenhaus aufsuchte, dort aber nach einer Untersuchung noch am selben Tag entlassen wurde. Weil der Geschädigte im Prozess nachgewiesen hat, fahrtüchtig gewesen zu sein, sprach ihm das Gericht die Nutzungsausfallentschädigung zu.

Quelle | Amtsgericht Donaueschingen, Urteil vom 12.6.2019, 1 C 37/18, Abruf-Nr. 209481 unter www.iww.de.

Erbrecht: Nachlasspfleger verliert seine Vergütung bei massivem Verstoß gegen Sorgfaltspflichten

Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a. M. Dort hatte sich der eingesetzte Nachlasspfleger vom Girokonto der Erblasserin 2.500 EUR überwiesen. Als Verwendungszweck hatte er „vorgelegte Räumungskosten“ angegeben. Davon zahlte er angeblich einem Entrümpler 1.500 EUR in bar – eine ordnungsgemäße Rechnung war nicht erteilt worden – und einem Erbenermittler 1.000 EUR. Die Rechnungsstellung des Erbenermittlers erfolgte wesentlich später als die Überweisung und zu einem wesentlich höheren Betrag, wobei allerdings tatsächlich nur 1.000 EUR gezahlt wurden. Das OLG sah in diesem Verhalten einen massiven Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten des Nachlasspflegers. Es versagte ihm daher seinen Vergütungsanspruch.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22.1.2019, 20 W 316/16, Abruf-Nr. 209070 unter www.iww.de.

Verwaltungsrecht: Autokennzeichen „HH 1933“ darf eingezogen werden

| Die Kfz-Zulassungsbehörde durfte das Auto-Kennzeichen „HH 1933“ einziehen. Es erinnert an die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ist daher sittenwidrig. |

Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden. Das Straßenverkehrsamt des Kreises Viersen hatte das Kennzeichen „HH 1933“ zunächst als Wunschkennzeichen vergeben. Auf eine Bürgerbeschwerde zog es das Kennzeichen jedoch wieder ein. Dagegen wandte sich der Fahrzeughalter im Wege der Klage und eines Eilrechtschutzverfahrens.

Das VG hat im Eilrechtsschutzverfahren festgestellt, dass das Straßenverkehrsamt bei der Einziehung des Kennzeichens rechtmäßig gehandelt hat. Der durchschnittliche Bürger assoziiere „HH 1933“ mit dem Nationalsozialismus im Dritten Reich. 1933 sei das Jahr, das zeitgeschichtlich für die Machtergreifung der Nationalsozialisten stehe, und „HH“ sei eine Abkürzung des im Dritten Reich üblichen Grußes „Heil Hitler“, der in der rechtsextremistischen Szene verwendet werde.

Nur soweit das Straßenverkehrsamt den Halter zugleich dazu verpflichtet hat, die alten Kennzeichen entwerten und neue prägen und anbringen zu lassen, ist die Behörde nach Auffassung des Gerichts zu weit gegangen. Die Fahrzeug-Zulassungsverordnung sehe nicht vor, die Behebung von Mängeln des Fahrzeugs mit Befehl und Zwang durchzusetzen. Ob der Halter den Wagen mit einem neuen Kennzeichen ausstatte, entscheide er allein. Ohne neues Kennzeichen könne das Straßenverkehrsamt den Wagen allerdings stilllegen. Er dürfe dann auf öffentlichen Straßen nicht mehr gefahren werden.

Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.4.2019, 6 L 175/19, Abruf-Nr. 209636 unter www.iww.de.