Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Kündigungsrecht: Unberechtigte Vorwürfe gegen Kollegen können Kündigung rechtfertigen

Wirft eine Arbeitnehmerin ihren Kollegen Alkoholexzesse und sexuelle Handlungen während der Arbeitszeit vor, sollte sie dies beweisen können. Ansonsten sind solche Vorwürfe als Ehrverletzungen einzustufen, die eine ordentliche Kündigung rechtfertigen.

Zu diesem Ergebnis kam das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall einer Arbeitnehmerin, die gegen ihre Kollegen schwere Vorwürfe erhoben hatte. So würde es am Arbeitsplatz zu Alkoholexzessen und sexuellen Handlungen während des Dienstes kommen. Der Arbeitgeber kündigte der Arbeitnehmerin fristgemäß.

Das LAG hat die ordentliche Kündigung nach der Vernehmung von Zeugen für berechtigt gehalten. Es hat die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin abgewiesen. Sie habe ihre Kollegen zu Unrecht beschuldigt. Hierdurch habe sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt. Dem Arbeitgeber sei es nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen (LAG Berlin-Brandenburg, 19 Sa 322/13).

Bewerbung: Fingierte Testbewerbung kann Altersdiskriminierung nicht unbedingt beweisen

Allein der Altersunterschied zwischen zwei unterschiedlich behandelten Bewerbern lässt noch keine Diskriminierung wegen Alters vermuten. Notwendig ist größtmögliche Vergleichbarkeit der Personen, der Bewerbungssituation und das Fehlen anderer Aspekte. Eine fiktive Testbewerbung kann gegen Gesetze verstoßen.

Das sind die Ergebnisse eines Rechtsstreits vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein. Auslöser hierfür war die Suche einer Arbeitgeberin nach einem Mitarbeiter. Der 50-jährige Kläger bewarb sich. Er verfügte über die nach der Ausschreibung notwendigen Kenntnisse. Einige der geforderten Praxiserfahrungen lagen aber bereits mehrere Jahre zurück. Der Kläger schickte zusätzlich eine Testbewerbung einer von ihm fingierten, 18 Jahre jüngeren Person ab, die auch über die nach der Ausschreibung notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügte. Dafür hatte er sich einen in Teilen ähnlichen Lebenslauf aber mit anderen Tätigkeiten ausgedacht, Briefkopfbögen von Schulen und teilweise existierenden, teilweise nicht existierenden Firmen genutzt bzw. kreiert und Zeugnisse erstellt sowie ein altes Foto von sich verwendet. Die gewünschten Praxiserfahrungen dieser Testperson waren aber wesentlich aktueller und teilweise auch spezieller. Die unbemerkt getestete Arbeitgeberin lud den fiktiven Bewerber umgehend zum Vorstellungsgespräch ein. Dieser sagte sofort ab. Dem Kläger schickte die Arbeitgeberin einige Zeit später eine allgemeine Absage. Daraufhin klagte dieser auf Zahlung einer Entschädigung von mindestens 10.500 EUR wegen Altersdiskriminierung.

Das Arbeitsgericht Neumünster hat dem Kläger 2.000 Euro zugesprochen. Beide Parteien zogen vor das LAG. Das gab der getesteten Arbeitgeberin Recht und wies die Klage insgesamt ab.

Nach der Entscheidung des LAG liegen keine Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger „wegen“ seines Alters nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen, also benachteiligt worden ist. Allein auf das Bestehen eines Altersunterschieds könne nicht abgestellt werden. Andere Indizien hätte der Kläger nicht darlegen können. Inszenierte Testverfahren zur Klärung von Diskriminierungsfällen sind nach der Gesetzesbegründung zum Antidiskriminierungsgesetz zwar zulässig. Sie müssten aber, so das LAG, einen Auslöser haben, die Strafgesetze beachten und dürften nicht rechtsmissbräuchlich sein. Ob all das beachtet wurde, sei hier bedenklich gewesen, letztendlich aber nicht mehr entscheidend. Sei aufgrund konkreter Tatsachen, die im Arbeitsleben üblicherweise von Bedeutung sind, für den getesteten Arbeitgeber Raum für eine andere Auswahlentscheidung, bestehe keine Vermutung für eine Altersdiskriminierung. Das sei hier der Fall. Aus Sicht des LAG habe die Arbeitgeberin ihre Auswahlentscheidung auf die nach der Papierform aktuelleren Erfahrungen des fiktiven Bewerbers im Bereich der elektronischen Entwicklung und von diesem jahrelang durchgeführten Kundensupport gestützt (LAG Schleswig-Holstein, 3 Sa 401/13).

Urlaubsrecht: Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub

Wird dem Arbeitnehmer unbezahlter Sonderurlaub gewährt, darf deshalb der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht gekürzt werden.

So entschied es aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Krankenschwester. Diese hatte vom 1. Januar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. September 2011 unbezahlten Sonderurlaub. Danach verlangte sie erfolglos von ihrem Arbeitgeber die Abgeltung von 15 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Der von den Parteien vereinbarte Sonderurlaub habe dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahres 2011 nicht entgegengestanden. Er habe den Arbeitgeber auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt. Nach § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) habe jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Diese Vorschrift sei unabdingbar. Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordere nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartezeit. Das BUrlG binde den Urlaubsanspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis noch ordne es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an. Allerdings sehen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeitgeber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit (§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 S. 1 ArbPlSchG) vor. Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses während einer Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG) finde sich dagegen nicht. Komme es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindere dies grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch sei der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt (BAG, 9 AZR 678/12).

Kündigungsrecht: Kein Freibrief in der Freistellungsphase der Altersteilzeit

Einem Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes kann auch während der Freistellungsphase der Altersteilzeit fristlos gekündigt werden, wenn er während dieser Zeit Straftaten begeht.

Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein im Fall eines Arbeitnehmers. Vor und während der Freistellungsphase der Altersteilzeit hatte dieser für sich verschiedene nautische Befähigungszeugnisse beantragt, für die er die Voraussetzungen nicht erfüllte. Ein Kollege unterstützte ihn dabei und bescheinigte ihm wahrheitswidrig den erfolgreichen Besuch der erforderlichen Lehrgänge und die notwendigen Fahrenszeiten als verantwortlicher Schiffsführer. Wegen dieser Taten ist gegen den Kläger ein Strafbefehl über 65 Tagessätze ergangen, der rechtskräftig ist. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos.

Das LAG wies die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ab. Der Arbeitnehmer habe durch seine Straftaten mit dienstlichem Bezug gegen seine Treuepflicht verstoßen. Es handele sich um derartig schwere Pflichtverletzungen, dass eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich war. Die Kündigung sei trotz der altersteilzeitbedingten Freistellung von der Arbeit berechtigt. Der Arbeitnehmer habe seine Stellung im öffentlichen Dienst ausgenutzt, um mehrere Straftaten zu begehen, darunter eine auch nach Eintritt in die Freistellungsphase. Auch während dieser bestehe das Arbeitsverhältnis mit beiderseitigen Pflichten weiter. Ein Arbeitgeber müsse unredliches Verhalten eines Arbeitnehmers nicht hinnehmen. Das habe auch dem Arbeitnehmer bewusst sein müssen (LAG Schleswig-Holstein, 2 Sa 410/14).

Führerscheinentzug: Durchsuchung nach Entziehung der Fahrerlaubnis

Die Tendenz, dass die Polizei bei allgemeinen und bei anlassbezogenen Verkehrskontrollen Führerscheine zunehmend überprüft, lässt das staatliche Interesse an der Abgabe eines Führerscheins nach Entzug der Fahrerlaubnis sinken. Daher kann eine Wohnungsdurchsuchung zur Auffindung eines Führerscheins unverhältnismäßig sein.

So entschied es das Amtsgericht Elmshorn. Nach der Entscheidung ist eine Wohnungsdurchsuchung zur Auffindung des Führerscheins dann unzulässig, wenn die Behörde zuvor als einzige Konsequenz aus der Nichtabgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld angedroht hat, eine Zwangsgeldfestsetzung aber bisher unterblieben ist (AG Elmshorn, 52 II 12/13).

Belehrung: Unverwertbare Angaben nach Belehrungsverstoß

Wird der einer Unfallflucht verdächtige Fahrzeughalter bei einer Befragung nicht als Beschuldigter belehrt, sind seine Angaben gegenüber einem Polizeibeamten unverwertbar.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hin. Die Richter verlangten in ihrer Entscheidung eine frühzeitige Belehrung des „verdächtigen Fahrzeughalters“. Die Belehrung sei immer schon erforderlich, wenn der Fahrzeughalter als möglicher Täter in Betracht komme. Das sei der Fall, wenn er ggf. nicht mehr nur als „Auskunftsperson“ befragt werde, sondern als Beschuldigter, gegen den sich bereits ein Tatverdacht richtet. Werde die Belehrung unterlassen, bestehe für die Angaben des Befragten ein Beweisverwertungsverbot (OLG Nürnberg, 2 OLG Ss 113/13).

Fahrradtour: Nachzügler müssen im Straßenverkehr selbst aufpassen

Organisatoren einer als Gruppenfahrt veranstalteten Fahrradtour sind nicht verpflichtet, die für die Gruppe im Straßenverkehr ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auch für einzeln fahrende Nachzügler aufrechtzuerhalten.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines 20-jährigen Radfahrers entschieden. Dieser hatte an einer vom beklagten Schützenverein organisierten Fahrradtour der Jungschützen teilgenommen. Die in einer Gruppe fahrenden Teilnehmer wurden von Sicherungsposten begleitet, die größere, verkehrsträchtige Straßen absperrten und der Gruppe so ein gefahrloses Überqueren ermöglichten. Weil ein Teilnehmer eine Panne hatte, löste sich der Radfahrer von der Gruppe. Anschließend folgte er dieser dann alleine. Als er von einem Waldweg kommend eine übergeordnete Straße überquerte, stieß er mit einem Pkw zusammen, weil er dessen Vorfahrt nicht beachtet hatte. Er erlitt schwere Kopfverletzungen und befindet sich seit dem Unfall in einem komatösen Zustand. Er meint, der beklagte Verein habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Sicherungsposten hätten ihm das gefahrlose Überqueren der Straße nicht ermöglicht. Daher verlangt er unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 EUR.

Die Klage blieb vor dem OLG erfolglos. Die Richter konnten nicht feststellen, dass der Unfall auf einer dem beklagten Verein zuzurechnenden Pflichtverletzung beruhe. Der Verein habe die Radtour mit ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen und unter Berücksichtigung der einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften organisiert. Er sei nicht verpflichtet gewesen, dem Radfahrer als Nachzügler zu der vorausfahrenden Gruppe von Fahrrädern ein gefahrloses Überqueren der Straße zu ermöglichen. Für den Nachzügler habe sich eine veränderte Situation ergeben, nachdem er sich aus dem geschlossenen Verband der Fahrräder gelöst habe. Er habe nicht mehr darauf vertrauen können, dass ihm die für die Gruppe vorgesehenen Sicherungskräfte des Vereins ein gefahrloses Überqueren bevorrechtigter Straßen ermöglichen würden. Vielmehr hätten die Organisatoren darauf vertrauen dürfen, dass einzeln fahrende Nachzügler selbst auf das Einhalten der Verkehrsvorschriften achten würden (OLG Hamm, 6 U 80/13).

Unfallschadensregulierung: Haftungsquoten beim ungeklärten Ablauf eines Kettenauffahrunfalls

Der durch das Auffahren des hinteren Fahrzeugs beim Vordermann verursachte Schaden kann bei einem Kettenauffahrunfall hälftig zu teilen sein, wenn der Ablauf der Zusammenstöße der beteiligten Fahrzeuge nicht mehr aufzuklären ist.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Kettenauffahrunfalls entschieden. Bei dem Unfall war die Beklagte mit ihrem Fahrzeug als letzte der an dem Unfall insgesamt beteiligten vier Fahrzeuge auf das vor ihr fahrende Fahrzeug des Klägers aufgefahren. Das Fahrzeug des Klägers erlitt neben dem durch das Auffahren der Beklagten verursachten Heckschaden durch eine Kollision mit dem ihm vorausfahrenden Fahrzeug auch einen Frontschaden. Im Prozess konnte nicht aufgeklärt werden, ob der Kläger zuerst auf das vor ihm fahrende Fahrzeug aufgefahren war und damit den Bremsweg für die ihm folgende Beklagte verkürzt hat. Möglicherweise wurde er mit seinem Pkw auch auf den vor ihm befindlichen Wagen aufgeschoben, als die Beklagte auf seinen Pkw auffuhr. Der Kläger meinte, der Beweis des ersten Anscheins spreche für die Unaufmerksamkeit der auffahrenden Beklagten. Daher verlangte er den 100-prozentigen Ersatz des an seinem Wagen entstandenen Heckschadens von ca. 5.300 EUR.

Die Richter am OLG sprachen ihm einen 50-prozentigen Schadenersatz zu. Er könne sich hier nicht auf einen Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden der auffahrenden Beklagten berufen. Dass ein Verschulden der Beklagten die Betriebsgefahr ihres Fahrzeuges erhöht habe, stehe nicht fest. Dies sei nicht bewiesen und ergebe sich nicht aus einem Beweis des ersten Anscheins. Zwar spreche bei gewöhnlichen Auffahrunfällen regelmäßig der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende mit einem zu geringen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug gefahren sei oder zu spät reagiert habe. Dieser Beweis des ersten Anscheins sei bei Kettenauffahrunfällen wie dem vorliegenden aber nicht anzuwenden. Der von dem Beweis des ersten Anscheins vorausgesetzte typische Geschehensablauf liege nicht vor, wenn nicht feststehe, ob das vorausfahrende Fahrzeug rechtzeitig hinter seinem Vordermann zum Stehen gekommen sei. In diesem Fall bestehe die Möglichkeit, dass der Vorausfahrende für den auffahrenden Verkehrsteilnehmer unvorhersehbar und ohne Ausschöpfung des Anhaltewegs „ruckartig“ zum Stehen gekommen sei, in dem er seinerseits auf seinen Vordermann aufgefahren sei. Da auch ein Verschulden des Klägers nicht feststehe, sei es gerechtfertigt, die Betriebsgefahr der Fahrzeuge der beiden Parteien gleich hoch zu bewerten. Daraus ergebe sich eine Haftungsteilung zu gleichen Teilen (OLG Hamm, 6 U 101/13).

Aktuelle Gesetzgebung: Warnwestenpflicht ab 1. Juli 2014 in Deutschland

Spätestens ab 1. Juli 2014 muss in jedem Pkw eine Warnweste mitgeführt werden. Das sieht § 53a Abs. 2 Nr. 3 der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) vor. Die Warnweste muss orange-rot, orange oder gelb sein und über zwei reflektierende Streifen im unteren Bereich der Rück- und Vorderseite verfügen.

Hinweis: Es ist ratsam – auch wenn es nicht vorgeschrieben ist – weitere Warnwesten für Mitfahrer mitzuführen, die Westen im Fahrzeug griffbereit zu lagern und im Fall einer Panne oder eines Unfalls auch tatsächlich anzulegen.

Erbrecht: Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks

Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn der Beschenkte objektiv eine Verfehlung von gewisser Schwere begangen hat. Es muss zudem in subjektiver Hinsicht hinzutreten, dass diese Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten darf.

So formuliert der Bundesgerichtshof (BGH) die Voraussetzungen für den Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks. In dem betreffenden Fall verlangen die Erben der vormaligen Klägerin von deren Sohn die Rückübereignung eines bebauten Grundstücks, nachdem die zugrunde liegende Schenkung widerrufen wurde. Der Sohn hatte das Grundstück von seiner Mutter 2004 geschenkt bekommen. Anfang 2009 erteilte ihm die Mutter eine notariell beurkundete General- und Betreuungsvollmacht. Ein halbes Jahr später wurde die Mutter nach einem Sturz zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert. Kurz darauf wurde sie statt wie zunächst vorgesehen in eine Kurzzeitpflege auf Veranlassung des Sohns in eine Pflegeeinrichtung für demenzkranke Menschen aufgenommen. Hier hatte der Sohn bereits einen unbefristeten Heimvertrag abgeschlossen. Daraufhin widerrief die Mutter die erteilte Vorsorge- und Betreuungsvollmacht. Zugleich kündigte sie den Langzeitpflegevertrag und beantragte eine Kurzzeitpflege, bis die häusliche Pflege organisiert sei. Die entsprechenden Schreiben wurden von Nachbarn der Mutter auf ihre Bitte hin verfasst. Noch vor der Entscheidung des Betreuungsgerichts über die Einrichtung einer Betreuung teilte der Sohn dem Pflegeheim mit, dass eine Kündigung des Langzeitpflegevertrags nur von ihm erklärt werden dürfe. Zudem sollten weder andere Familienmitglieder noch Nachbarn zu seiner Mutter vorgelassen werden. Unter Berufung hierauf erklärte die Mutter den Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks.

Das Landgericht hat der von den Rechtsnachfolgern der während des Rechtsstreits verstorbenen Mutter weiterverfolgten Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen, da ein zum Widerruf der Schenkung berechtigendes schweres Fehlverhalten nicht angenommen werden könne.

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der Widerruf einer Schenkung setzte objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere voraus. In subjektiver Hinsicht müsse diese Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten sein, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lasse, die der Schenker erwarten dürfe. Ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, müsse aufgrund einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Das Oberlandesgericht habe vorrangig darauf abgestellt, dass der Sohn aufgrund verschiedener Gutachten über den Gesundheitszustand und die Pflegebedürftigkeit von einer möglichen Geschäftsunfähigkeit seiner Mutter habe ausgehen dürfen. Dabei habe es außer Acht gelassen, dass die Mutter als Schenkerin unabhängig von der Frage ihrer Geschäftsfähigkeit erwarten durfte, dass der von ihr umfassend bevollmächtigte Sohn ihre personelle Autonomie respektierte. Dazu hätte er sie zunächst nach ihrem Willen hinsichtlich ihrer weiteren Pflege befragen müssen. Soweit es die Umstände zuließen, hätte er diesen Willen berücksichtigen müssen. Soweit dies unmöglich gewesen wäre, hätte er mit ihr zumindest die Gründe hierfür besprechen müssen. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, aus welchen objektiven oder subjektiven Gründen dies unterblieben ist, konnte der BGH die Sache nicht abschließend entscheiden (BGH, X ZR 94/12).