Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

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Urteilsarchiv

Unfallschadensregulierung: Oberlandesgericht Hamm klärt Vorfahrtsregel auf Zufahrtsstraßen von Parkplätzen

| Auf öffentlichen Parkplätzen kann der fließende Verkehr – ausnahmsweise – auf ein Warten des aus einem Stellplatz ein- oder ausfahrenden Verkehrsteilnehmers vertrauen, wenn die Fahrspuren zwischen den Parkplätzen Straßencharakter haben und vorrangig der Zu- und Abfahrt von Fahrzeugen dienen. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Lkw-Eigentümers entschieden. Dessen Fahrer befuhr auf dem an der BAB 44 gelegenen Rastplatz Eringerfeld in Geseke den zur Autobahnauffahrt führenden Zufahrtsweg. An diesen grenzen rechtsseitig ca. 18 schräg angeordnete Lkw-Stellplätze, von denen die Einfahrt in die Zufahrtsstraße möglich ist. Auf dem letzten Stellplatz rangierte der Lastzug der beklagten Transportfirma aus Bautzen. Beide Lastzüge stießen zusammen, als der klägerische Lastzug den Lastzug der Beklagten passierte. Vorprozessual hat die Haftpflichtversicherung der Beklagten den Schaden auf der Grundlage einer 50-prozentigen Haftungsquote reguliert. Im Prozess hat der Kläger geltend gemacht, er könne 100 Prozent seines Schadens ersetzt verlangen, und hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer ca. 12.000 EUR begehrt.

Das OLG hat dem Kläger Recht gegeben. Auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen seien die Regeln der Straßenverkehrsordnung anzuwenden. Parkplätze dienten dem ruhenden Verkehr. Deswegen treffe der Ein- oder Ausparkende in der Regel nicht auf fließenden Verkehr, sondern auf Benutzer der Parkplatzfahrbahn. Im Verhältnis dieser Verkehrsteilnehmer gelte kein Vertrauensgrundsatz zugunsten eines “fließenden“ Verkehrs gegenüber einem dann wartepflichtigen Ein- oder Ausfahrenden.

Etwas anderes könne aber anzunehmen sein, wenn die zwischen den Parkplätzen angelegten Fahrspuren eindeutig Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen, sondern der Zu- und Abfahrt dienten. Handele es sich um eine baulich größer und breiter ausgestaltete Zufahrtsstraße, könne § 10 Straßenverkehrsordnung zur Anwendung kommen. Nach dieser Vorschrift sei von dem Ausparkenden zu verlangen, sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen sei. Einem fließenden Verkehr auf der Zufahrtsstraße habe er deswegen Vorrang einzuräumen. Den Charakter einer derartig bevorrechtigten Zufahrtsstraße habe der Zufahrtsweg, auf dem die Lastzüge der Parteien kollidiert seien. Der beklagte Lastzug sei deswegen gegenüber dem klägerischen Lastzug wartepflichtig gewesen. Da sich ein Verschulden des klägerischen Fahrers nicht feststellen lasse, sei es angesichts des schwerwiegenden Verschuldens des Fahrers der Beklagten gerechtfertigt, allein die Beklagte für den Unfall haften zu lassen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 29.8.2014, 9 U 26/14, Abruf-Nr. 142917 unter www.iww.de  .

Ausfallschaden: Neun Tage Mietwagen plus vier Monate Nutzungsausfall

| Fehlen dem Geschädigten die finanziellen Mittel, ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen, muss der Versicherer für den gesamten Zeitraum bis zu seiner Zahlung für den Ausfallschaden einstehen. |

Das hat das Landgericht (LG) Bamberg einem Versicherer ins Stammbuch geschrieben. Die Geschädigte hatte eine Putzstelle, der Ehemann war arbeitslos, zwei Kinder waren zu versorgen. Zwar ging es „nur“ um einen Wiederbeschaffungsaufwand von 1.600 EUR. Aber dass auch dieses Geld nicht zur Verfügung stand, hat das Gericht unter den gegebenen Umständen als selbstverständlich betrachtet. Die Geschädigte hatte aber den Versicherer nicht gewarnt. Erst als sie einen Anwalt einschaltete – da waren schon mehr als drei Monate verstrichen – wurde die Warnung nachgeholt. Prompt hatte der Versicherer im Prozess eingewandt, er sei ja nicht von Anfang an gewarnt gewesen. Das half ihm jedoch ausnahmsweise nichts, denn auch nach der Warnung hatte er sich noch 22 Tage Zeit gelassen, bis er wenigstens teilweise zahlte. Daraus schloss das Gericht, dass er auch bei sofortiger Warnung nicht schneller gezahlt hätte

PRAXISHINWEIS | Bei drohender Schadenerweiterung wegen fehlender finanzieller Mittel muss der Versicherer vom Geschädigten gewarnt werden. Sinn dieser Vorschrift ist, dass der Versicherer durch eine schnellere Erledigung den erhöhten Schaden abwenden können soll. Insoweit hat die Geschädigte im Urteilsfall Glück gehabt. Eine professionelle Bearbeitung von Anfang an wäre jedoch bei Weitem sicherer gewesen.

Quelle | LG Bamberg, Urteil vom 18.8.2014, 2 O 23/14, Abruf-Nr. 143003  unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Abbieger von Feldweg auf Bundesstraße haftet bei Unfall voll

| Wer aus einem Feldweg auf eine Bundesstraße abbiegt, haftet im Falle eines Unfalls voll. Ein Mitverschulden des Unfallgegners aus Betriebsgefahr ist ausgeschlossen. |

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Coburg. Geklagt hatte ein Autofahrer, der mit 100 Stundenkilometern auf einer Bundesstraße unterwegs war. Als der Beklagte mit seinem Fahrzeug aus einem Feldweg auf die Bundesstraße auffuhr, kam es zur Kollision. Der Kläger hielt das gegnerische Fahrzeug für allein verantwortlich. Er wollte deshalb seinen Schaden von dem Gegner und dessen Versicherung ersetzt haben. Der beklagte Unfallgegner und seine Versicherung räumten im Laufe des Prozesses den Unfallhergang ein. Die Beklagten meinten aber, der Kläger hätte nicht darauf vertrauen können, dass das gegnerische Fahrzeug vor der Einfahrt wartet. Das sah das LG jedoch anders. Die Richter stellten fest, dass der Beklagte für den Unfall voll verantwortlich sei. Er habe das Vorfahrtsrecht des Klägers missachtet. Dieser Fehler wiege so schwer, dass auch die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs völlig zurücktrete.

Quelle | LG Coburg, Urteil vom 31.5.2013, 13 O 505/12, rkr., Abruf-Nr. 143479 unter www.iww.de.

Kindschaftsrecht: Vaterschaft kann auch noch posthum angefochten werden

| Eine Vaterschaft kann auch noch nach dem Tod des Kindes und seiner Mutter angefochten werden. |

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht Hannover zugunsten eines Scheinvaters. Dieser ist lange Zeit als Matrose, bzw. Maschinist zur See gefahren. Zum Zeitpunkt der Zeugung seiner Tochter zwischen Dezember 1966 bis April 1967 befand er sich ausweislich seines Seemannbuchs auf großer Fahrt. Die Tochter wurde im Oktober 1967 geboren. Zu diesem Zeitpunkt lebten der Mann und die Mutter bereits getrennt. Von der Geburt „seiner“ Tochter erfuhr der Mann zunächst nichts. Erst als ihn die Stadt Frankfurt a.M. 2013 auf Übernahme der Begräbniskosten „seiner“ Tochter i.H.v. 1228 EUR in Anspruch nahm, erfuhr er von der Existenz einer Tochter. Die Kindesmutter war mittlerweile ebenfalls verstorben. Die Ehe des Seemanns war am 10.4.1969 geschieden worden. Im Rahmen dieses Verfahrens hatte die Ehefrau erklärt, dass der Seemann sie 1965 verlassen habe, seitdem habe sie ihn nicht mehr gesehen. Aufgrund der Vorlage des Seemannbuchs und des Scheidungsurteils hat das Gericht es als erwiesen angesehen, dass der Mann nicht Vater der 2009 verstorbenen Tochter ist und der Vaterschaftsanfechtung stattgegeben. Aus diesem Grund wird der Seemann die Kosten der Beerdigung „seiner“ Tochter nicht tragen müssen. Da ausreichend nachprüfbare Dokumente vorlagen, war eine Exhuminierung der Scheintochter zur Durchführung eines Vaterschaftstests nicht mehr erforderlich.

Quelle | Amtsgericht Hannover, 631 F 366/14, Abruf-Nr. 143474 unter www.iww.de.

Erbrecht: Hessen als sechstes Bundesland vollständig ins Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer überführt

| Die Testamentsverzeichnisüberführung schreitet planmäßig voran. Bislang konnten neben der ehemaligen Hauptkartei für Testamente beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin die Testamentsverzeichnisse der Bundesländer Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen vollständig in das Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer überführt werden. |

Nun ist das Bundesland Hessen hinzugekommen. Seit Beginn der Testamentsverzeichnisüberführung wurden insgesamt rund 1.250 Standesämter angefahren und etwa 3 Mio. Verwahrungsnachrichten über erbfolgerelevante Urkunden (sog. „gelbe Karteikarten“) und ca. 1,4 Mio. Mitteilungen über nichteheliche oder einzeladoptierte Kinder (sog. „weiße Karteikarten“) abgeholt und digital erfasst. Das entspricht einem Viertel der Gesamtmenge der im Rahmen der Testamentsverzeichnisüberführung durch die Bundesnotarkammer im gesetzlichen Auftrag zu übernehmenden Karteikarten. Gegenwärtig werden die rund 400 Standesämter aus Nordrhein-Westfalen überführt, wobei deren Abschluss zum Ende des ersten Quartals 2015 vorgesehen ist.

Das Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer ist für alle erbfolgerelevanten Urkunden (z.B. Erbverträge und Testamente) konzipiert, die in notarielle oder gerichtliche Verwahrung gelangen. Das Register enthält deren Verwahrdaten (z.B. Angaben zur verwahrenden Stelle) und wird in jedem Sterbefall darauf geprüft, ob solche Verwahrangaben speziell für die verstorbene Person vorliegen.

Dadurch können Nachlassverfahren schneller und effizienter durchgeführt werden, weil das zuständige Nachlassgericht vom Zentralen Testamentsregister elektronisch darüber informiert wird, ob und welche erbfolgerelevanten Urkunden zu beachten sind. Zugleich wird der Notar oder das Gericht, bei dem die Urkunde verwahrt wird, informiert und um Ablieferung an das zuständige Nachlassgericht gebeten. Dadurch wird sichergestellt, dass der letzte Wille einer verstorbenen Person nach deren Ableben auch tatsächlich umgesetzt wird.

Zur Inbetriebnahme des Zentralen Testamentsregisters gehört auch, die schon existierenden Verwahrangaben über erbfolgerelevante Urkunden, die bislang dezentral bei den jeweiligen Geburtsstandesämtern und der Hauptkartei für Testamente beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin geführt wurden, schrittweise zu überführen. Dieser Vorgang hat Mitte 2013 begonnen. Die Verwahrangaben in den Testamentsverzeichnissen der übrigen Standesämter werden noch bis Ende 2016 in das Zentrale Testamentsregister überführt. Die Bundesnotarkammer arbeitet zum Zwecke der Überführung vertrauensvoll mit den Standesämtern und dem Amtsgericht Schöneberg in Berlin zusammen.

Quelle | Bundesnotarkammer Berlin

Vaterschaftsklärung: Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung geht vor postmortalem Persönlichkeitsrecht des Vaters

| Das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen tritt im Falle einer für die Feststellung der Vaterschaft erforderlichen DNA-Untersuchung und einer damit einhergehenden Exhumierung regelmäßig hinter das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurück. |

Diese Grundsatzentscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer 1944 geborenen und in der früheren DDR aufgewachsenen Frau. Diese begehrt die Feststellung, dass der 2011 verstorbene S. ihr Vater sei. Sie hat behauptet, dass S. in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit ihrer Mutter gehabt habe. Diese habe ihr an ihrem 18. Geburtstag die Vaterschaft von S. offenbart. Ihre Mutter habe sie in den Nachkriegsjahren zu der Familie S. in Westdeutschland reisen lassen, wo sie engen Kontakt zu ihrer „S.-Oma“ gehabt habe. Bei einem späteren Treffen mit S. sei dieser selbstverständlich davon ausgegangen, ihr Vater zu sein.

Das Oberlandesgericht (OLG) hat die Exhumierung der Leiche des S. angeordnet, um ein DNA-Abstammungsgutachten zu erstellen. Der eheliche Sohn von S. hat die Einwilligung in die Exhumierung und Gewebeprobenentnahme verweigert. Mit einem Zwischenbeschluss hat das OLG diese Weigerung für unberechtigt erklärt. Hiergegen wendet sich der Sohn des Verstorbenen mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde blieb erfolglos. Der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft ist zulässig, weil die Angaben der Antragstellerin ausreichende Anhaltspunkte für eine Vaterschaft des S. enthalten, ihre Behauptung also nicht ins Blaue hinein erfolgt ist. Die Exhumierung ist auch deshalb erforderlich, weil sich der Sohn des S. geweigert hat, eigenes DNA-Material für die Begutachtung zur Verfügung zu stellen.

Dem verfassungsrechtlich geschützten Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist gegenüber der Totenruhe des Verstorbenen grundsätzlich der Vorrang einzuräumen. Sowohl nach der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch nach dem Grundgesetz kommt dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung besondere Bedeutung zu. Sofern im Einzelfall durch die Untersuchung eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen droht und damit das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurückzutreten hat, kann dem im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung hinreichend Rechnung getragen werden. Solche besonderen Gründe, die gegen eine Exhumierung und eine Begutachtung sprechen könnten, lagen im vorliegenden Fall nicht vor.

Das Interesse der Antragstellerin an der Feststellung der Vaterschaft wird nicht dadurch geschmälert, dass sie seit langer Zeit über die mögliche Vaterschaft des S. informiert gewesen war bzw. keine Zweifel mehr an seiner Vaterschaft hatte. Ihr Interesse ist auch nicht geringer zu bewerten, weil sie damit vor allem die Geltendmachung eines Erbrechts verfolgt. Das Wissen um die eigene Herkunft ist von zentraler Bedeutung für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Individualität. Daran ändert nichts, dass im Einzelfall bei der Klärung der Abstammungsfrage vermögensrechtliche Interessen im Vordergrund stehen können. Zudem stellt die Teilhabe an dem väterlichen Erbe ein legitimes Interesse des leiblichen Kindes dar.

Quelle | BGH, Beschluss vom 29.10.2014, XII ZB 20/14, Abruf-Nr. 0173071 unter www.iww.de.

Kindesunterhalt: Erwerbschance eines ausländischen Elternteils ohne Berufsausbildung

| Für die Feststellung, dass für einen Unterhaltsschuldner keine reale Beschäftigungschance bestehe, sind – insbesondere im Bereich der gesteigerten Unterhaltspflicht – strenge Maßstäbe anzulegen. |

Das machte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Rechtsstreit um Kindesunterhalt deutlich. Der Unterhaltspflichtige hatte sich in dem Verfahren darauf berufen, dass er aus dem Ausland stamme und über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge. Das ließen die Richter jedoch nicht gelten. Sie wiesen in ihrer Entscheidung darauf hin, dass dies allein noch nicht die Schlussfolgerung rechtfertige, dass für ihn keine reale Beschäftigungschance im Hinblick auf eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle bestehe. Auch die bisherige Tätigkeit des Unterhaltspflichtigen in Zeitarbeitsverhältnissen sei noch kein hinreichendes Indiz dafür, dass es ihm nicht gelingen könne, eine besser bezahlte Stelle zu finden. Dies gelte auch, wenn er überwiegend in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet habe.

Quelle | BGH, Urteil vom 22.1.2014, XII ZB, 185/12, Abruf-Nr. 140693 unter www.iww.de.

Zeugnisrecht: Anspruch des Arbeitgebers auf erweitertes Führungszeugnis

| Insbesondere Arbeitgeber, die als Träger der öffentlichen Jugendhilfe anerkannt sind, müssen sich von Mitarbeitern ein Führungszeugnis vorlegen lassen. Dabei müssen aber die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters und das Informationsinteresse des Arbeitgebers gegeneinander abgewogen werden. Deswegen muss ein erweitertes Führungszeugnis nur derjenige Mitarbeiter vorlegen, der tatsächlich mit Minderjährigen arbeitet. |

So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm im Fall einer Mitarbeiterin eines Kinder- und Jugendhilfe-Vereins. Sie hatte die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verweigert. Der Verein mahnte sie deswegen ab. Das LAG gab der Mitarbeiterin Recht. Ein erweitertes Führungszeugnis müsse nur vorgelegt werden, wenn Mitarbeiter Kontakt zu Minderjährigen hätten, der zu einer besonderen Gefahrensituation führen könne. Das sei hier nicht der Fall. Die bloße Möglichkeit aber, dass ein Arbeitnehmer künftig mit minderjährigen Klienten, Praktikanten oder Auszubildenden in Kontakt treten könne – etwa durch Versetzung in einen anderen Arbeitsbereich – rechtfertigt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht.

Quelle | LAG Hamm, Urteil vom 25.4.2014, 10 Sa 1718/13, Abruf-Nr. 171731 unter www.iww.de.

Vergütungsrecht: Annahmeverzug bei polizeilichem Einsatzverbot

| Untersagt die Polizeibehörde dem Arbeitgeber die Beschäftigung eines Arbeitnehmers, trägt der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn der Arbeitnehmer keine Gründe für das Einsatzverbot gegeben hat und er auch nicht Adressat der behördlichen Anordnung ist. Der Arbeitgeber bleibt nach einem Arbeitskraftangebot trotz Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet, die vertraglich geschuldete Vergütung zu zahlen. |

Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall eines Arbeitgebers entschieden, der Sicherheitsmitarbeiter auf einem Flughafen beschäftigte. Der Arbeitnehmer nimmt in dieser Funktion als Beliehener der Luftsicherheitsbehörde Sicherungsaufgaben nach dem Luftsicherheitsgesetz wahr. Nachdem eine Kollegin den Arbeitnehmer u.a. beschuldigt hatte, er habe gegen Zahlung von Geld die Mitnahme unerlaubter Flüssigkeiten im Flugzeug erlaubt, verbot die Polizeibehörde dem Arbeitgeber vorläufig eine weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber suspendierte daraufhin den Arbeitnehmer und zahlte an ihn auch nach einem Arbeitskraftangebot keine Vergütung. Das Einsatzverbot wurde aufgehoben, nachdem sich die gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe als haltlos erwiesen hatten.

Das LAG hat den Arbeitgeber zur Zahlung einer Annahmeverzugsvergütung verurteilt. Die unternehmerische Tätigkeit des Arbeitgebers bringe es mit sich, dass die von ihm beschäftigten Sicherheitsmitarbeiter einer behördlichen Aufsicht unterliegen. Es gehöre daher zu seinem unternehmerischen Risiko, dass die Behörde einen seiner Mitarbeiter auf seine Zuverlässigkeit hin überprüfen wolle und seinen Einsatz bis zum Abschluss der Überprüfung untersage. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen der Arbeitnehmer nichts zu der entstandenen Situation beigetragen habe und sich die behördliche Anordnung auch nicht an ihn richte. Untersage die Behörde hingegen dem Arbeitnehmer selbst eine Tätigkeit, entfielen die Vergütungsansprüche.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.10.2014, 17 Sa 285/14, Abruf-Nr. 143472 unter www.iww.de.

Kündigungsrecht: Einschlafen als Kündigungsgrund?

| Ist eine Arbeitnehmerin während der Arbeitszeit eingeschlafen, kann der Arbeitgeber ohne vorherige Abmahnung das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. |

So entschied es das Arbeitsgericht Köln im Fall einer Stewardess, die im Bordservice einer Bahngesellschaft tätig war. Ihr war gekündigt worden, nachdem sie in einem Zugabteil eingeschlafen war und erst nach mehreren Stunden die Arbeit aufgenommen hat. Die Arbeitnehmerin hatte bei Dienstbeginn über Unwohlsein geklagt, sich jedoch nicht förmlich krankgemeldet. Die Arbeitgeberin hatte das Einschlafen als Arbeitsverweigerung gewertet und darauf hingewiesen, dass die Klägerin bereits abgemahnt worden war, unter anderem wegen Verschlafens des Dienstbeginns.

Dieser Argumentation ist das Gericht nicht gefolgt und hat die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Es hat offengelassen, ob die Klägerin eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt hat, indem sie sich nicht förmlich krankgemeldet hat und im Abteil eingeschlafen ist. Selbst im Fall einer Pflichtverletzung hätte es einer weiteren Abmahnung bedurft. Die bereits erteilten Abmahnungen hat das Gericht für nicht einschlägig und die Kündigung damit für unverhältnismäßig gehalten. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle | Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 19.11.2014, 7 Ca 2114/14, Abruf-Nr. 143464 unter www.iww.de.