Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Reinigungskosten: Zusätzlicher Sachschaden durch Erste-Hilfe-Maßnahme muss vom Versicherer erstattet werden

| Lässt sich wegen eines Auffahrunfalls die Heckklappe nicht öffnen und muss der Verbandskasten zur Versorgung des Schädigers über die mit Glassplittern übersäte Rückbank aus dem Kofferraum geholt werden, ist eine dabei entstandene Schnittverletzung im Leder der Rückbank eine Unfallfolge, für die der Haftpflichtversicherer des Schädigers aufkommen muss. |

Diese Klarstellung traf das Amtsgericht München. In dem Fall war ein Motorrollerfahrer aufgefahren und hatte mit seinem Körper die Heckscheibe durchschlagen. Das Gericht entschied weiter, dass es im schadenrechtlichen Sinne hinsichtlich der Reparaturkosten auch erforderlich sei, die Rückbank auszubauen, um die Glassplitter vollständig aus dem Fahrzeug zu entfernen.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 16.1.2015, 344 C 17790/14, Abruf-Nr. 143822 unter www.iww.de.

OWi-Recht: Mobiltelefon: Beim Fahren auch als Navigationshilfe oder zur Internetrecherche verboten

| Der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm bestätigt die obergerichtliche Rechtsprechung, nach der § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO) auch die Nutzung der Navigationshilfe oder eines anderen Hilfsdienstes eines Mobiltelefons regelt. |

In dem betreffenden Fall ging es um einen Autofahrer, der während der Fahrt sein Mobiltelefon, ein sog. „Smartphone“, für mehrere Sekunden in der Hand hielt und dessen Funktionen nutzte. Gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamten gab er an, nicht telefoniert, sondern nur auf das Gerät „geguckt“ zu haben. Er habe eine Werkstatt gesucht, nachdem die Motorkontrollleuchte aufleuchtete. Wegen dieser Tat verurteilte ihn das Amtsgericht Castrop-Rauxel wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer zu einer Geldbuße von 40 EUR. Den Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts zuzulassen, hat das OLG verworfen.

Der Senat folge der obergerichtlichen Rechtsprechung, nach der auch die Nutzung der Navigationsfunktion des Mobiltelefons unter § 23 Abs. 1a StVO falle. Nach § 23 Abs. 1a darf ein Fahrzeugführer ein Mobiltelefon nicht benutzen, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnehmen oder halten muss. Das ist nur dann erlaubt, wenn das Fahrzeug steht und wenn bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist. So habe bereits der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 18.2.2013 (5 RBs 11/13) zutreffend ausgeführt, dass eine gemäß § 23 Abs. 1a StVO verbotene „Benutzung“ in jeder bestimmungsgemäßen Bedienung des Geräts liege, also neben dem Telefonieren auch den Abruf von Navigationsdaten erfasse. § 23 Abs. 1a StVO solle gewährleisten, dass der Fahrzeugführer auch dann, wenn er ein Mobiltelefon benutze, beide Hände frei habe, um die „Fahraufgabe“ zu bewältigen. Dementsprechend falle auch der Einsatz des Mobiltelefons für Abfragen über das Internet o.ä. unter § 23 Abs. 1a StVO.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 15.1.2015, 1 RBs 232/14, Abruf-Nr. 143931 unter www.iww.de.

Umgangsrecht: Zur Untersuchung durch psychologischen Sachverständigen darf Begleitperson mitgenommen werden

| Ein aufgrund einer gerichtlichen Anordnung medizinisch oder psychologisch zu begutachtender Verfahrensbeteiligter hat das Recht, eine Begleitperson zu einem Untersuchungstermin bzw. einem Explorationsgespräch des Sachverständigen mitzubringen. Die Begleitperson darf sich aber nicht äußern oder sonst am Verfahren beteiligen. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Kindesvaters beschlossen. Dieser erstrebt eine Umgangsregelung mit seinen 2001 und 2004 geborenen minderjährigen Kindern. Die Richter haben eine psychologische Begutachtung angeordnet. Die gerichtlich bestellte Sachverständige hat den Kindesvater zum Explorationsgespräch einbestellt. Sie war bereits im erstinstanzlichen Verfahren tätig. Dabei wurde sie vom Kindesvater erfolglos abgelehnt, weil er sie für befangen hielt. Er konnte allerdings eine von ihm behauptete unsachliche Äußerung der Sachverständigen nicht beweisen. Nun wollte der Kindesvater das bevorstehende Gespräch im Ton aufzeichnen oder eine Begleitperson mitbringen. Das hat die Sachverständige verweigert. Der Kindesvater hat sie deswegen erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Auch dieses Ablehnungsgesuch des Kindesvaters blieb erfolglos. Die beanstandete Verfahrensweise der Sachverständigen gebe keinen Grund, so die Richter, an ihrer Unparteilichkeit zu zweifeln. Sie sei nachvollziehbar begründet und verstoße nicht gegen eine eindeutige Rechtslage. Eine gefestigte oder höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, dass ein psychologisch oder auch medizinisch zu Begutachtender eine Begleitung durch einen Beistand oder eine Tonaufzeichnung beanspruchen könne, gebe es bislang nicht.

In der Sache hat das OLG die Sachverständige angewiesen, bei den mit dem Kindesvater durchzuführenden Explorationsgesprächen die Anwesenheit einer vom Kindesvater mitgebrachten, sich an den Gesprächen nicht beteiligenden Begleitperson in angemessener Hörweite zuzulassen. Andernfalls habe ein zu Begutachtender keine Möglichkeit, gegenüber abstrakt immer denkbaren Wahrnehmungsfehlern des Sachverständigen effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Behaupte er nach dem Vorliegen des schriftlichen Gutachtens ein in diesem in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend dargestelltes Explorationsgespräch, werde sich der Sachverständige in der Regel auf die Richtigkeit seiner Aufzeichnungen berufen. Wenn dann nicht ausnahmsweise objektive Umstände deren Unrichtigkeit belegen würden, habe der Beteiligte ohne das Hinzuziehen einer später als Zeuge zur Verfügung stehenden Begleitperson keine Möglichkeit, die von ihm behauptete Unrichtigkeit zu beweisen. Gegenüber diesem wesentlichen Verfahrensgesichtspunkt müsse die Besorgnis einer etwaigen Beeinflussung des Untersuchungsgangs durch die bloße Anwesenheit einer Begleitperson hingenommen werden. Eine etwaige Beeinflussung könne der gerichtliche Sachverständige zudem in seinem Gutachten thematisieren. Das Gericht könne diesen Umstand dann bei seiner Entscheidung würdigen.

Die Begleitperson dürfe sich allerdings am Untersuchungsgespräch weder durch Fragen, Vorhalte oder sonstige Äußerungen beteiligen. Andernfalls wäre eine Störung oder Beeinflussung der medizinischen oder psychologischen Begutachtung zu befürchten. Die Rechte des zu Begutachtenden würden durch die Möglichkeit einer nachträglichen Stellungnahme gewahrt. Das OLG weist im Übrigen darauf hin, dass auch mit einer zwischen der Sachverständigen und dem Kindesvater vereinbarten Tonaufzeichnung der Weisung des Senats Genüge getan werde.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 2.2.2015, erlassen am 03.02.2015, 14 UF 135/14, Abruf-Nr. 144230 unter www.iww.de.

Adoption: Adoption durch eingetragene Lebenspartnerin der Mutter bei verweigerter Angabe des Samenspenders

| Eine (Stiefkind-)Adoption darf durch die Lebenspartnerin der Mutter bei fehlender rechtlicher Vaterschaft grundsätzlich nur ausgesprochen werden, wenn das Familiengericht dem leiblichen Vater zuvor die Möglichkeit gegeben hat, sich am Adoptionsverfahren zu beteiligen. Möglicher leiblicher Vater kann dabei auch ein Samenspender sein. |

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer Frau, die eingetragene Lebenspartnerin der Mutter des Kindes ist. Das Kind ist mithilfe einer „privaten“ Samenspende gezeugt worden und wurde im November 2010 geboren. Die Lebenspartnerin der Mutter hat die Annahme des Kindes beantragt. Sie hat allerdings keine Zustimmungserklärung des leiblichen Vaters vorgelegt. Dazu hat sie erklärt, ihr seien zwar Name und Aufenthaltsort des Samenspenders bekannt. Dieser habe sie aber aufgefordert, ihn nicht zu benennen. Hieran würden sie und die Mutter sich gebunden fühlen.

Das Amtsgericht hatte den Adoptionsantrag mangels Zustimmung des leiblichen Vaters zurückgewiesen. Das Kammergericht hatte die dagegen gerichtete Beschwerde der Lebenspartnerin zurückgewiesen. Dagegen richtete sich deren Rechtsbeschwerde, mit welcher sie ihren Adoptionsantrag weiterverfolgte. Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Kammergericht.

Die Richter am BGH erläuterten, dass zur Annahme eines Kindes nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Einwilligung der Eltern erforderlich sei. Sofern kein anderer Mann als rechtlicher Vater anzusehen sei, gelte insoweit als Vater, wer glaubhaft macht, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Darunter falle nach Sinn und Zweck des Gesetzes auch ein Samenspender. Es könne auch in dessen grundrechtlich geschütztem Interesse liegen, in die Elternstellung einrücken zu können. Das Gesetz solle verhindern, dass diese Möglichkeit durch eine nach der Geburt durchgeführte Adoption vereitelt wird. Der leibliche Vater sei allerdings im Gegensatz zum rechtlichen Vater nicht zwingend am Adoptionsverfahren zu beteiligen. Daher sei seine Einwilligung nur erforderlich, wenn er von seiner Beteiligungsmöglichkeit auch Gebrauch macht. Eine Beteiligung setze aber voraus, dass Kenntnis von der Geburt des Kindes und dem Adoptionsverfahren besteht. Entsprechend müsse der leibliche Vater die Möglichkeit haben, rechtzeitig vor einer Adoption seines Kindes durch Dritte seine Vaterschaft – auch gegen den Willen der Mutter – geltend zu machen. Etwas anderes gelte aber, wenn zuverlässig davon ausgegangen werden könne, dass er die rechtliche Vaterstellung zu dem Kind von vornherein nicht einnehmen will. Dies sei etwa bei der anonymen Samenspende regelmäßig der Fall. Unabhängig davon sei eine Unterrichtung des leiblichen Vaters auch entbehrlich, wenn etwa sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist. Liege keiner der genannten Ausnahmefälle vor, sei das Familiengericht verpflichtet, den leiblichen Vater vom Adoptionsverfahren zu benachrichtigen. Werde dies dadurch vereitelt, dass der Annahmewillige die Angabe des ihm bekannten leiblichen Vaters verweigert, müsse die Adoption abgelehnt werden.

Da die Vorinstanzen die Anforderungen an die Adoption zu hoch angesetzt und in jedem Fall eine Einwilligung des leiblichen Vaters verlangt hatten, war die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Damit wird der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, Angaben zum leiblichen Vater nachzuholen, um eine Ablehnung der Adoption zu vermeiden.

Quelle | BGH, Beschluss vom 18.2.2015, XII ZB 473/13, Abruf-Nr. 144229 unter www.iww.de.

Unterhaltsregress: Keine Grundlage für Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter über geschlechtliche Beziehungen

| Die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Unterhaltsregressanspruchs des sogenannten Scheinvaters geschlechtliche Beziehungen zu bestimmten Personen preiszugeben, stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Dafür bedarf es einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht, an der es fehlt. |

Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschieden. Einen Beschluss des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts, durch den die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren zur Auskunftserteilung verpflichtet worden war, hat der Senat aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Im Falle einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung entfallen die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den ehemals rechtlichen Vater (sogenannter Scheinvater) rückwirkend. In dem Umfang, in dem dieser bis dahin tatsächlich Unterhalt geleistet hat, gehen die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den leiblichen Vater auf den Scheinvater über. Ein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter, wer als mutmaßlich leiblicher Vater in Betracht kommt, ist gesetzlich nicht geregelt. Der Bundesgerichtshof hat in einer Reihe von neueren Entscheidungen einen gemäß § 242 BGB auf Treu und Glauben gestützten Auskunftsanspruch zuerkannt und diesen näher konturiert.

Das hat das BVerfG im vorliegenden Fall für fehlerhaft erachtet. Die Ausgangsentscheidung, mit der die Frau zur Auskunftserteilung verurteilt wurde, verletze sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird. Dies umschließt das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen.

Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mutter stehe das finanzielle Regressinteresse eines Scheinvaters gegenüber. Dieses könne durchaus in bestimmten Konstellationen etwa wegen eines früheren Verhaltens der Mutter schutzwürdiger sein. Eine Verpflichtung der Mutter, dem Scheinvater zur Durchsetzung seines Regressanspruchs auch gegen ihren Willen Auskunft über die Person des Vaters zu erteilen, ist darum verfassungsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen.

Im vorliegenden Fall war dies jedoch nicht der Fall. Das Gericht könne einen Auskunftsanspruch in der vorliegenden Konstellation nämlich nicht allein auf die Generalklausel des § 242 BGB stützen. Vielmehr setzt die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter zur Preisgabe des Partners oder der Partner geschlechtlicher Beziehungen konkretere gesetzliche Anknüpfungspunkte voraus. Solche Anknüpfungspunkte fehlen hier. Es gibt keine gesetzliche Regelung. Während Auskunftsansprüche an anderen Stellen geregelt sind, sieht das Gesetz sie hier gerade nicht vor. Soll der Regressanspruch des Scheinvaters gestärkt werden, müsste daher der Gesetzgeber tätig werden.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 24.2.2015, 1 BvR 472/14, Abruf-Nr. 144228 unter www.iww.de

Arbeitsentgelt: Mindestlohn – Keine Anrechnung von Urlaubsgeld und jährlicher Sonderzahlung

| Der Arbeitgeber darf ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, ist unwirksam. |

Dies hat das Arbeitsgericht Berlin im Fall einer Arbeitnehmerin entschieden. Diese wurde von der Arbeitgeberin gegen eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt. Sie erhielt ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis und bot ihr gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgelds und der Jahressonderzahlung fortzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig.

Quelle | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 4.3.2015, 54 Ca 14420/14, Abruf-Nr. 144030 unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Schmerzensgeld und Schadenersatz zwischen Auszubildenden

| Auszubildende, die durch ihr Verhalten bei einem Beschäftigten desselben Betriebs einen Schaden verursachen, haften ohne Rücksicht auf ihr Alter nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer. |

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Kfz-Betriebs hin. Dort arbeitete der damals 19-jährige Auszubildende an der Wuchtmaschine. Er warf ohne Vorwarnung ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht hinter sich. Dieses traf einen anderen Auszubildenden am linken Auge. Dieser wurde in einer Augenklinik behandelt. Im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 unterzog er sich erneut Untersuchungen und Eingriffen. Dabei wurde eine Kunstlinse eingesetzt. Es verblieben Einschränkungen aufgrund einer Hornhautnarbe. Die zuständige Berufsgenossenschaft zahlt dem Kläger eine monatliche Rente i.H.v. 204,40 EUR.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) in der Vorinstanz ist zu dem Ergebnis gekommen, der Wurf sei nicht betrieblich veranlasst gewesen. Der Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Das LAG hat ihn zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR verurteilt. Die Revision des Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Das Urteil des LAG ist nach Ansicht der BAG-Richter ohne Rechtsfehler. Die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses nach § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 SGB VII seien nicht erfüllt. Die vom LAG angenommene Höhe des Anspruchs des Klägers sei auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle | BAG, Urteil vom 19.3.2015, 8 AZR 67/14, Abruf-Nr. 144224 unter www.iww.de.

Ausbildungsvergütung: Vergütungshöhe bei mit öffentlichen Geldern gefördertem Ausbildungsplatz

| Ausbildende haben Auszubildenden auch dann eine angemessene Vergütung zu gewähren, wenn die Ausbildungsplätze mit öffentlichen Geldern gefördert werden. |

So entschied es das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Beklagten, die als überörtlicher Ausbildungsverbund Förderprogramme für zusätzliche Ausbildungsplätze in Ostthüringen organisiert. Die Ausbildung erfolgt bei Praxispartnern in der Privatwirtschaft. Die zur Verkäuferin im Einzelhandel ausgebildete Klägerin erhielt nach Maßgabe der Förderrichtlinien im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Ausbildungsvergütung von 210 EUR und im zweiten Ausbildungsjahr von 217 EUR. Dies entsprach etwa einem Drittel der tariflichen Ausbildungsvergütung.

Die Klägerin hielt diese Ausbildungsvergütungen für nicht angemessen. Sie verlangte die Zahlung der tariflichen Ausbildungsvergütung. Die Vorinstanzen haben der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin Ausbildungsvergütung in Höhe von zwei Dritteln des einschlägigen BAföG-Satzes zugesprochen.

Die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht habe den ihm zustehenden Spielraum bei der Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht überschritten. So sei bei der Beurteilung der Angemessenheit auf die Funktion der Ausbildungsvergütung abzustellen. Sie solle dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern bei der Finanzierung des Lebensunterhalts eine Hilfe sein, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und in gewissem Umfang eine Entlohnung darstellen. Eine an einschlägigen Tarifverträgen ausgerichtete Ausbildungsvergütung sei stets angemessen. Der BAföG-Satz könne für die Ermittlung der Lebenshaltungskosten eines Auszubildenden ebenfalls ein Anhaltspunkt sein.

Seine beschränkten finanziellen Mittel entbinden den Beklagten nicht von der Verpflichtung zur Zahlung angemessener Ausbildungsvergütungen. Die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung habe sich nicht am Budget zu orientieren. Sie ist vielmehr bereits bei der Vereinbarung des Budgets für die vorgesehene Anzahl von Ausbildungsplätzen zu berücksichtigen.

Die Richter wiesen allerdings auch darauf hin, dass bei öffentlich geförderten Ausbildungsplätzen Besonderheiten zu berücksichtigen seien. Hätte ohne die Förderung der Ausbildungsplatz nicht zur Verfügung gestanden und verwerte der Ausbilder die Leistungen des Auszubildenden nicht selbst, komme die Ausbildung ausschließlich dem Auszubildenden zugute. Dann verliere der Gesichtspunkt einer Entlohnung an Bedeutung. Diese Voraussetzung sei vorliegend aber nicht erfüllt gewesen.

Quelle | BAG, Urteil vom 17.3.2015, 9 AZR 732/13, Abruf-Nr. 144223 unter www.iww.de.

Entgeltfortzahlung: Entgeltfortzahlung bei langjähriger Alkoholabhängigkeit

| Eine Arbeitsunfähigkeit ist nur dann verschuldet i.S. des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Nur dann verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehlt es suchtbedingt auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden. |

Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines alkoholabhängigen Arbeitnehmers. Dieser wurde am 23. November 2011 mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert. In der Folge war er für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Es kam jedoch immer wieder zu Rückfällen. Seine gesetzliche Krankenkasse zahlte an ihn für die Zeit vom 29. November bis zum 30. Dezember 2011 Krankengeld i.H.v. 1.303,36 EUR. In dieser Höhe macht die Krankenkasse nun Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht gegenüber dem Arbeitgeber geltend. Sie meint, ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitbeger habe bestanden. Es liege nämlich kein Verschulden des Arbeitnehmers für seinen Alkoholkonsum am 23. November 2011 vor. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, ein Verschulden sei bei einem Rückfall nach mehrfachem stationärem Entzug und diesbezüglich erfolgter Aufklärung zu bejahen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Zehnten Senat des BAG keinen Erfolg. Bei einer Alkoholabhängigkeit handele es sich nach Ansicht der Richter um eine Krankheit. Werde ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, könne nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts ausgegangen werden. Die Entstehung der Alkoholsucht habe vielmehr viele Gründe. Dabei würden sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingen. Dies gelte im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie. Im Hinblick auf eine Abstinenzrate von 40 bis 50 Prozent je nach Studie und Art der Behandlung könne nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme jedoch ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber könne deshalb in diesem Fall das fehlende Verschulden bestreiten. Das Arbeitsgericht müsse dann ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage einholen, ob der Arbeitnehmer den Rückfall schuldhaft im Sinne des EFZG herbeigeführt hat. Lasse sich dies nicht eindeutig feststellen, weil ein Ursachenbündel hierfür vorliegt, gehe dies zulasten des Arbeitgebers.

Das im konkreten Fall eingeholte sozialmedizinische Gutachten hat ein Verschulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus folgenden „Suchtdruck“ ausgeschlossen. Mangels Verschulden war der Arbeitgeber daher zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Entsprechend konnte die Krankenkasse vom ihm den ausgelegten Betrag fordern.

Quelle | BAG, Urteil vom 18.3.2015, 10 AZR 99/14, Abruf-Nr. 144222 unter www.iww.de.

Verkehrssicherungspflicht: Hobelspäne sind ungeeignete Streumittel bei glatten Gehwegen

| Hobelspäne ohne abstumpfende Wirkung sind keine geeigneten Streumittel für einen eisglatten Gehweg. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in dem Schadenersatzprozess einer auf einem eisglatten Gehweg gestürzten Fußgängerin festgestellt. Entsprechend hat es die für die Verkehrssicherungspflicht Verantwortlichen zum Schadenersatz verurteilt. Die im Jahre 1954 geborene Klägerin stürzte im Januar 2011 auf dem Gehweg vor einem Haus. Den eisglatten Gehweg hatte die Mieterin mit Hobelspänen abgestreut. Bei dem Sturz brach sich die Klägerin einen Oberarm. Ihre Verletzung musste in der Folgezeit operiert werden. Im vorliegenden Prozess verlangt sie die Feststellung, dass Mieterin und Vermieter verpflichtet sind, ihr die durch den Sturz verursachten, derzeit noch nicht näher zu beziffernden Schäden zu ersetzen. Vermieter und Mieterin haben gemeint, ihrer winterlichen Streupflicht mit dem Aufbringen der Hobelspäne genügt zu haben. Die Mieterin hatte zudem geltend gemacht, dass ihre Streumittel aufgrund der seit Dezember 2010 herrschenden extremen winterlichen Verhältnisse seinerzeit aufgebraucht und andere Streumittel nicht mehr zu erwerben gewesen seien.

Die Richter am OLG entschieden, dass Mieterin und Vermieter verpflichtet seien, der Klägerin 50 Prozent des ihr durch den Sturz auf dem Gehweg entstandenen Schadens zu ersetzen. Die Klägerin habe nachgewiesen, dass sie auf dem glatten Bürgersteig vor dem Haus der beiden ausgerutscht und gestürzt sei. Die Glätte beruhe auf einem verkehrswidrigen Zustand des Gehwegs, für den Mieterin und Vermieter verantwortlich seien.

Die Mieterin habe nach dem Mietvertrag den Winterdienst zu erledigen gehabt. Diese Pflicht habe sie mit dem Streuen der Hobelspäne verletzt. Nach den Feststellungen des vom Gericht gehörten Sachverständigen hätten die verwandten Hobelspäne keine abstumpfende Wirkung gehabt. Sie hätten sich mit Feuchtigkeit vollgesaugt und seien so zu einer Art Eisflocken mit Rutscheffekt geworden. Sie seien deswegen als Streumittel ungeeignet gewesen. Das hätte die Mieterin durch eine Untersuchung vor Ort leicht feststellen können. Sie könne sich auch nicht darauf berufen, keine anderen Streumittel zur Verfügung gehabt zu haben. Sie habe nämlich nicht konkret dargetan, in welchem Umfang sie sich zuvor bevorratet, und wo sie vergeblich Streugut zu beschaffen versucht habe.

Der Vermieter hafte ebenfalls. Ihr sei der Einsatz der Hobelspäne bekannt gewesen. Damit habe sie die ihr insoweit obliegende Aufsichts- und Kontrollpflicht verletzt.

Die Schadenersatzverpflichtung von Mieterin und Vermieter bestehe jedoch nur in einem reduzierten Umfang, weil die Klägerin zu 50 Prozent für den Unfall mitverantwortlich sei. Sie habe eine erkennbar glatte Stelle betreten und sei gestürzt, nachdem sie zuvor den als vereist erkannten Gehweg gemieden habe und auf dem freigeregneten Bereich der Fahrbahn gegangen sei. Zwar sei sie wegen eines Pkw kurz vor dem Unfall von der Fahrbahn auf den Gehweg gewechselt. Zu ihrem Eigenschutz wäre es aber geboten gewesen, die Vorbeifahrt des Pkw am Fahrbahnrand abzuwarten und den Weg erst dann auf dem freigeregneten Bereich der Fahrbahn fortzusetzen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 24.11.2014, 6 U 92/12, Abruf-Nr. 143815 unter www.iww.de.