Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Haftungsrecht: Schmerzensgeld und Schadenersatz zwischen Auszubildenden

| Auszubildende, die durch ihr Verhalten bei einem Beschäftigten desselben Betriebs einen Schaden verursachen, haften ohne Rücksicht auf ihr Alter nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer. |

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Kfz-Betriebs hin. Dort arbeitete der damals 19-jährige Auszubildende an der Wuchtmaschine. Er warf ohne Vorwarnung ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht hinter sich. Dieses traf einen anderen Auszubildenden am linken Auge. Dieser wurde in einer Augenklinik behandelt. Im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 unterzog er sich erneut Untersuchungen und Eingriffen. Dabei wurde eine Kunstlinse eingesetzt. Es verblieben Einschränkungen aufgrund einer Hornhautnarbe. Die zuständige Berufsgenossenschaft zahlt dem Kläger eine monatliche Rente i.H.v. 204,40 EUR.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) in der Vorinstanz ist zu dem Ergebnis gekommen, der Wurf sei nicht betrieblich veranlasst gewesen. Der Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Das LAG hat ihn zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR verurteilt. Die Revision des Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Das Urteil des LAG ist nach Ansicht der BAG-Richter ohne Rechtsfehler. Die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses nach § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 SGB VII seien nicht erfüllt. Die vom LAG angenommene Höhe des Anspruchs des Klägers sei auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle | BAG, Urteil vom 19.3.2015, 8 AZR 67/14, Abruf-Nr. 144224 unter www.iww.de.

Ausbildungsvergütung: Vergütungshöhe bei mit öffentlichen Geldern gefördertem Ausbildungsplatz

| Ausbildende haben Auszubildenden auch dann eine angemessene Vergütung zu gewähren, wenn die Ausbildungsplätze mit öffentlichen Geldern gefördert werden. |

So entschied es das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Beklagten, die als überörtlicher Ausbildungsverbund Förderprogramme für zusätzliche Ausbildungsplätze in Ostthüringen organisiert. Die Ausbildung erfolgt bei Praxispartnern in der Privatwirtschaft. Die zur Verkäuferin im Einzelhandel ausgebildete Klägerin erhielt nach Maßgabe der Förderrichtlinien im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Ausbildungsvergütung von 210 EUR und im zweiten Ausbildungsjahr von 217 EUR. Dies entsprach etwa einem Drittel der tariflichen Ausbildungsvergütung.

Die Klägerin hielt diese Ausbildungsvergütungen für nicht angemessen. Sie verlangte die Zahlung der tariflichen Ausbildungsvergütung. Die Vorinstanzen haben der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin Ausbildungsvergütung in Höhe von zwei Dritteln des einschlägigen BAföG-Satzes zugesprochen.

Die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht habe den ihm zustehenden Spielraum bei der Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht überschritten. So sei bei der Beurteilung der Angemessenheit auf die Funktion der Ausbildungsvergütung abzustellen. Sie solle dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern bei der Finanzierung des Lebensunterhalts eine Hilfe sein, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und in gewissem Umfang eine Entlohnung darstellen. Eine an einschlägigen Tarifverträgen ausgerichtete Ausbildungsvergütung sei stets angemessen. Der BAföG-Satz könne für die Ermittlung der Lebenshaltungskosten eines Auszubildenden ebenfalls ein Anhaltspunkt sein.

Seine beschränkten finanziellen Mittel entbinden den Beklagten nicht von der Verpflichtung zur Zahlung angemessener Ausbildungsvergütungen. Die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung habe sich nicht am Budget zu orientieren. Sie ist vielmehr bereits bei der Vereinbarung des Budgets für die vorgesehene Anzahl von Ausbildungsplätzen zu berücksichtigen.

Die Richter wiesen allerdings auch darauf hin, dass bei öffentlich geförderten Ausbildungsplätzen Besonderheiten zu berücksichtigen seien. Hätte ohne die Förderung der Ausbildungsplatz nicht zur Verfügung gestanden und verwerte der Ausbilder die Leistungen des Auszubildenden nicht selbst, komme die Ausbildung ausschließlich dem Auszubildenden zugute. Dann verliere der Gesichtspunkt einer Entlohnung an Bedeutung. Diese Voraussetzung sei vorliegend aber nicht erfüllt gewesen.

Quelle | BAG, Urteil vom 17.3.2015, 9 AZR 732/13, Abruf-Nr. 144223 unter www.iww.de.

Entgeltfortzahlung: Entgeltfortzahlung bei langjähriger Alkoholabhängigkeit

| Eine Arbeitsunfähigkeit ist nur dann verschuldet i.S. des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Nur dann verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehlt es suchtbedingt auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden. |

Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines alkoholabhängigen Arbeitnehmers. Dieser wurde am 23. November 2011 mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert. In der Folge war er für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Es kam jedoch immer wieder zu Rückfällen. Seine gesetzliche Krankenkasse zahlte an ihn für die Zeit vom 29. November bis zum 30. Dezember 2011 Krankengeld i.H.v. 1.303,36 EUR. In dieser Höhe macht die Krankenkasse nun Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht gegenüber dem Arbeitgeber geltend. Sie meint, ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitbeger habe bestanden. Es liege nämlich kein Verschulden des Arbeitnehmers für seinen Alkoholkonsum am 23. November 2011 vor. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, ein Verschulden sei bei einem Rückfall nach mehrfachem stationärem Entzug und diesbezüglich erfolgter Aufklärung zu bejahen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Zehnten Senat des BAG keinen Erfolg. Bei einer Alkoholabhängigkeit handele es sich nach Ansicht der Richter um eine Krankheit. Werde ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, könne nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts ausgegangen werden. Die Entstehung der Alkoholsucht habe vielmehr viele Gründe. Dabei würden sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingen. Dies gelte im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie. Im Hinblick auf eine Abstinenzrate von 40 bis 50 Prozent je nach Studie und Art der Behandlung könne nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme jedoch ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber könne deshalb in diesem Fall das fehlende Verschulden bestreiten. Das Arbeitsgericht müsse dann ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage einholen, ob der Arbeitnehmer den Rückfall schuldhaft im Sinne des EFZG herbeigeführt hat. Lasse sich dies nicht eindeutig feststellen, weil ein Ursachenbündel hierfür vorliegt, gehe dies zulasten des Arbeitgebers.

Das im konkreten Fall eingeholte sozialmedizinische Gutachten hat ein Verschulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus folgenden „Suchtdruck“ ausgeschlossen. Mangels Verschulden war der Arbeitgeber daher zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Entsprechend konnte die Krankenkasse vom ihm den ausgelegten Betrag fordern.

Quelle | BAG, Urteil vom 18.3.2015, 10 AZR 99/14, Abruf-Nr. 144222 unter www.iww.de.

Verkehrssicherungspflicht: Hobelspäne sind ungeeignete Streumittel bei glatten Gehwegen

| Hobelspäne ohne abstumpfende Wirkung sind keine geeigneten Streumittel für einen eisglatten Gehweg. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in dem Schadenersatzprozess einer auf einem eisglatten Gehweg gestürzten Fußgängerin festgestellt. Entsprechend hat es die für die Verkehrssicherungspflicht Verantwortlichen zum Schadenersatz verurteilt. Die im Jahre 1954 geborene Klägerin stürzte im Januar 2011 auf dem Gehweg vor einem Haus. Den eisglatten Gehweg hatte die Mieterin mit Hobelspänen abgestreut. Bei dem Sturz brach sich die Klägerin einen Oberarm. Ihre Verletzung musste in der Folgezeit operiert werden. Im vorliegenden Prozess verlangt sie die Feststellung, dass Mieterin und Vermieter verpflichtet sind, ihr die durch den Sturz verursachten, derzeit noch nicht näher zu beziffernden Schäden zu ersetzen. Vermieter und Mieterin haben gemeint, ihrer winterlichen Streupflicht mit dem Aufbringen der Hobelspäne genügt zu haben. Die Mieterin hatte zudem geltend gemacht, dass ihre Streumittel aufgrund der seit Dezember 2010 herrschenden extremen winterlichen Verhältnisse seinerzeit aufgebraucht und andere Streumittel nicht mehr zu erwerben gewesen seien.

Die Richter am OLG entschieden, dass Mieterin und Vermieter verpflichtet seien, der Klägerin 50 Prozent des ihr durch den Sturz auf dem Gehweg entstandenen Schadens zu ersetzen. Die Klägerin habe nachgewiesen, dass sie auf dem glatten Bürgersteig vor dem Haus der beiden ausgerutscht und gestürzt sei. Die Glätte beruhe auf einem verkehrswidrigen Zustand des Gehwegs, für den Mieterin und Vermieter verantwortlich seien.

Die Mieterin habe nach dem Mietvertrag den Winterdienst zu erledigen gehabt. Diese Pflicht habe sie mit dem Streuen der Hobelspäne verletzt. Nach den Feststellungen des vom Gericht gehörten Sachverständigen hätten die verwandten Hobelspäne keine abstumpfende Wirkung gehabt. Sie hätten sich mit Feuchtigkeit vollgesaugt und seien so zu einer Art Eisflocken mit Rutscheffekt geworden. Sie seien deswegen als Streumittel ungeeignet gewesen. Das hätte die Mieterin durch eine Untersuchung vor Ort leicht feststellen können. Sie könne sich auch nicht darauf berufen, keine anderen Streumittel zur Verfügung gehabt zu haben. Sie habe nämlich nicht konkret dargetan, in welchem Umfang sie sich zuvor bevorratet, und wo sie vergeblich Streugut zu beschaffen versucht habe.

Der Vermieter hafte ebenfalls. Ihr sei der Einsatz der Hobelspäne bekannt gewesen. Damit habe sie die ihr insoweit obliegende Aufsichts- und Kontrollpflicht verletzt.

Die Schadenersatzverpflichtung von Mieterin und Vermieter bestehe jedoch nur in einem reduzierten Umfang, weil die Klägerin zu 50 Prozent für den Unfall mitverantwortlich sei. Sie habe eine erkennbar glatte Stelle betreten und sei gestürzt, nachdem sie zuvor den als vereist erkannten Gehweg gemieden habe und auf dem freigeregneten Bereich der Fahrbahn gegangen sei. Zwar sei sie wegen eines Pkw kurz vor dem Unfall von der Fahrbahn auf den Gehweg gewechselt. Zu ihrem Eigenschutz wäre es aber geboten gewesen, die Vorbeifahrt des Pkw am Fahrbahnrand abzuwarten und den Weg erst dann auf dem freigeregneten Bereich der Fahrbahn fortzusetzen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 24.11.2014, 6 U 92/12, Abruf-Nr. 143815 unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Kein Verweis bei Kalkulation auf Basis mittlerer Preise

| Hat der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige die voraussichtlichen Reparaturkosten auf der Basis durchschnittlicher Arbeitswerte der Region kalkuliert, muss sich der Geschädigte nicht auf noch günstigere Stundenverrechnungssätze verweisen lassen. |Mit diesen klaren Worten wies das Amtsgericht München einen Versicherer in seine Schranken, der die Reparaturkosten eines Unfallgeschädigten nicht vollständig ausgeglichen hatte. Stattdesen hatte er darauf verwiesen, dass eine bestimmte Werkstatt die Reparatur günstiger durchgeführt hätte. Das Gericht hielt diese Argumentation aber nicht für stichhaltig. Es stellte in der Erforderlichkeitsfrage auf die durchschnittlichen ortsüblichen Sätze ab. Damit sei dem Wirtschaftlichkeitsgebot Genüge getan, sodass ein Verweis des VR auf eine noch günstigere Werkstatt ins Leere gehe.

Quelle | AG München, Urteil vom 1.12.2014, 335 C 11782/14, Abruf-Nr. 143426  unter www.iww.de.

Nutzungsausfall: 64 Tage Mietwagen, weil der Versicherer trödelt

| Ist der Geschädigte nachweislich aufgrund fehlender Mittel nicht zur Ersatzbeschaffung in der Lage, sind die Mietwagenkosten auch für einen Zeitraum von 64 Tagen zu erstatten, wenn der Versicherer entsprechend gewarnt wurde. |

Diese Klarstellung traf das Landgericht (LG) Mönchengladbach. Der Geschädigte war ein Gewerbetreibender, der als einziges Fahrzeug einen Ford Transit hatte. Der war finanziert. Ohne die Schadenzahlung des gegnerischen Versicherers konnte er kein Ersatzfahrzeug beschaffen. Er konnte auch das verunfallte Fahrzeug nicht verkaufen, weil die Bank die Zulassungsbescheinigung Teil II erst gar nicht und dann nur unter nicht zu erfüllenden Auflagen herausgeben wollte. Die zwingend erforderliche Warnung an den Versicherer, aus eigenen Mitteln den Schaden nicht beseitigen zu können, war erfolgt. Am Ende ging es um mehr als 10.000 EUR Mietwagenkosten.

Quelle | LG Mönchengladbach, Urteil vom 10.10.2014, 11 O 139/13, Abruf-Nr. 143235  unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Fahrzeugschaden in der Waschstraße

| Schließt sich bei einer Waschanlage im Winterbetrieb nach dem Herausfahren des soeben gewaschenen Fahrzeugs das Tor und ist die Einfahrt für das nachfolgende Fahrzeug erst möglich, nachdem die Waschkarte eingesteckt worden ist, muss ein deutliches Hinweisschild außen an der Waschanlage darauf aufmerksam machen. |

Das hat das Amtsgericht Pforzheim entschieden. Das Gericht machte in seiner Entscheidung deutlich, dass der Waschanlagenbetreiber für einen Schaden hafte, wenn ein solcher Warnhinweis fehle und der ahnungslos Einfahrende mit dem sich schließenden Tor zusammenstoße. Dem Einfahrenden sei nicht vorzuwerfen, dass er sich nach vorn orientiert und nicht nach oben schaut, ob sich das Tor schließt.

Quelle | AG Pforzheim, Urteil vom 25.3.2014, 3 C 382/13, Abruf-Nr. 142004  unter www.iww.de.

Kfz-Haftpflichtversicherung: Unfall mit Einkaufswagen – wer ist eintrittspflichtig?

| Kommt ein Einkaufswagen, der vom Fahrer eines PKW neben seinem Kofferraum abgestellt wird, beim Befüllen auf einem abschüssigen Gelände ins Rollen und beschädigt das daneben stehende Fahrzeug, haftet nicht die KFZ-Haftpflichtversicherung, sondern derjenige, der den Einkaufswagen ungesichert abgestellt hat. |

So entschied es das Amtsgericht München im Fall eines Mannes, der seinen Fiat Ducato auf dem Parkplatz eines REWE Marktes geparkt hatte, um ihn zu entladen. Er stellte einen Einkaufswagen neben seinen Transporter, um Getränkekisten aus dem Ducato in den Einkaufswagen laden zu können. Dabei kam der Einkaufswagen auf dem abschüssigen Parkplatz ins Rollen und stieß gegen den neben dem Ducato geparkten Kastenwagen der Klägerin. Durch den Anstoß entstanden an der rechten hinteren Seitentüre Kratzer. Der Schaden beträgt insgesamt 1638,43 EUR. Die Eigentümerin des Kastenwagens macht nun gegenüber dem Fahrer des Ducato und gegenüber der Haftpflichtversicherung, bei der der Ducato versichert ist, den Schaden geltend und erhob Klage vor dem Amtsgericht München.

Die zuständige Richterin wies die Klage gegen die KFZ-Haftpflichtversicherung ab, verurteilte jedoch den Fahrer des Fiat Ducato zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 1519,91 EUR. In ihrem Urteil führt sie aus, dass der Versicherer nur einstandspflichtig ist, wenn sich ein Unfall bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs ereignet. Nach der Rechtsprechung ereignet sich ein Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, wenn er durch die dem KFZ-Betrieb typisch innewohnende Gefährlichkeit adäquat verursacht wurde und sich von dem Fahrzeug ausgehende Gefahren bei seiner Entstehung ausgewirkt haben. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass nach dieser Definition hier kein Unfall vorliegt. Die Tatsache, dass sich der Einkaufswagen in Bewegung gesetzt hat, habe nichts mit den typischen Gefahren bei der Bewegung eines Kraftfahrzeugs zu tun. Die Ursache des Unfalls liege nicht in der Gefahr, die durch den Fiat Ducato ausgeht, sondern darin, dass der Beklagte beim Abstellen des Einkaufswagens nicht darauf geachtete habe, dass dieser einen sicheren Stand hat und nicht wegrollt. Deshalb muss die KFZ-Haftpflichtversicherung nicht für den Schaden aufkommen. Haften muss jedoch der Fahrer des Fiat Ducato. Er hätte dafür sorgen müssen, dass der Einkaufswagen beim Beladen nicht wegrollt.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 5.2.14, 343 C 28512/12, Abruf-Nr. 143867 unter www.iww.de.

OWi-Recht: OLG Hamm präzisiert den Tatbestand der Abstandsunterschreitung

| Eine Abstandsunterschreitung kann bereits dann als Verkehrsordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn der Fahrer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den in der Bußgeldvorschrift gewährten Abstand unterschreitet. Feststellungen zu einer “nicht ganz vorübergehenden“ Abstandsunterschreitung bedarf es in diesem Fall nicht. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Bielefeld bestätigt. Der 1992 geborene Betroffene aus Hamm befuhr im September 2013 mit einem Pkw Audi die BAB A 2 in Bielefeld in Fahrtrichtung Dortmund. Mit einer Geschwindigkeit von 124 km/h hielt er beim Kilometer 337,5 den erforderlichen Sicherheitsabstand von 62m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein, sein Abstand betrug lediglich 17m. Der Film der mittels einer Videoaufnahme durchgeführten Abstandskontrolle zeigte das Fahrzeug des Betroffenen erst unmittelbar vor Beginn der eigentlichen Messung, die sich über eine Strecke von 100m erstreckt. Die davor aufgenommene Strecke von 400m zeigte nur das vorausfahrende Fahrzeug, welches das Fahrzeug des Betroffenen verdeckte. Einen zwischenzeitlichen Fahrbahnwechsel eines der beiden Fahrzeuge schloss die Aufnahme aus.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstands – der Bußgeldkatalogverordnung folgend – zu einer Geldbuße von 160 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Mit seiner Rechtsbeschwerde hat der Betroffene insbesondere gerügt, eine Abstandsunterschreitung könne nur dann mit einem Bußgeld geahndet werden, wenn sie über eine Strecke von mindestens 140m oder über 3 Sekunden vorliege, was in seinem Fall nicht feststellbar sei.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist erfolglos geblieben. Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm hat die Verurteilung des Betroffenen durch das Amtsgericht bestätigt. Das Amtsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Betroffene vorwerfbar den gebotenen Sicherheitsabstand nicht eingehalten habe. Weitergehende Feststellungen zu einer nicht nur vorübergehenden Abstandsunterschreitung habe es nicht treffen müssen.

Nach den einschlägigen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung sei eine Abstandsunterschreitung bereits dann ordnungswidrig, wenn der Fahrer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den in der Bußgeldvorschrift gewährten Abstand unterschreite. Eine nicht nur vorübergehende Abstandsunterschreitung verlange das Gesetz nicht.

Nur bei Verkehrssituationen, wie etwa dem plötzlichen Abbremsen des Vorausfahrenden oder mit einem abstandsverkürzenden Spurwechsel, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dies dem Nachfahrenden vorzuwerfen sei, komme es auf die Feststellung einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung an. Um eine derartige Fallkonstellation gehe es nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen des Amtsgerichts im vorliegenden Fall nicht.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2014, 3 RBs 264/14, Abruf-Nr. 143932 unter www.iww.de.

Erbvertrag: Erbverzicht durch Abfindungserklärung

| Erklärt ein Abkömmling in einem Übernahmevertrag, er sei nach dem Erhalt eines Geldbetrags „vom elterlichen Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen ein für alle Male abgefunden“, kann das als Erbverzicht nach dem überlebenden Elternteil ausgelegt werden. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Streit um einen Erbvertrag. Für ihre Ansicht führten die Richter folgende Argumente an:

  • der Begriff „elterliches Vermögen“: hierdurch wird deutlich, dass die Regelung nicht nur den Nachlass des vorverstorbenen Vaters betreffen sollte;
  • die Formulierung „unter Lebenden und von Todes wegen“ und
  • die Formulierung „ein für alle Mal abgefunden“. Diese spricht dafür, dass die Regelung endgültig sein sollte.

PRAXISHINWEIS | Ob ein stillschweigender Erbverzicht möglich ist, ist streitig. Da die Rechtsprechung solche Erbverzichte teilweise für möglich hält, sollten in die notariellen Verträge eindeutige Erklärungen aufgenommen werden.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 22.7.2014, I-15 W 92/14, Abruf-Nr. 142939  unter www.iww.de.