Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

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Tarifrecht: Durch Tarifvertrag ist eine längere sachgrundlose Befristung möglich

| Eine tarifliche Regelung, die die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren bei fünfmaliger Verlängerungsmöglichkeit zulässt, ist wirksam. |

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines kaufmännischen Mitarbeiters hin. Dieser war aufgrund eines befristeten, einmal verlängerten Arbeitsvertrags vom 15.1.12 bis zum 31.3.14 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der zwischen der Arbeitgebervereinigung Energiewirtschaftlicher Unternehmen e.V. (AVE) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) abgeschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anwendbar. Danach darf ein Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds bis zu einer Dauer von fünf Jahren befristet werden. Der Kläger hält die Bestimmung für unwirksam und griff daher die darauf gestützte Befristung seines Arbeitsvertrags zum 31.3.14 an. Seine Klage hatte – wie schon in den Vorinstanzen – auch beim BAG keinen Erfolg.

Die Richter entscheiden, dass die Regelung im Tarifvertrag wirksam ist. Sie ist von der den Tarifvertragsparteien durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eröffneten Regelungsbefugnis gedeckt. Danach ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer darf ein befristeter Vertrag höchstens dreimal verlängert werden. Allerdings können durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen und die Höchstdauer der Befristung abweichend von der Vorgabe durch das TzBfG festgelegt werden. Diese Befugnis der Tarifvertragsparteien gilt aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen nicht schrankenlos. Der durch das TzBfG eröffnete Gestaltungsrahmen der Tarifvertragsparteien ermöglicht nur Regelungen, durch die die dort genannten Werte für die Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags und die Anzahl der möglichen Vertragsverlängerungen nicht um mehr als das Dreifache überschritten werden.

Quelle | BAG, Urteil vom 26.10.2016, 7 AZR 140/15, Abruf-Nr. 189960 unter www.iww.de.

Krankengeld: AU muss nicht auf bestimmtem Vordruck ausgestellt werden

| Um eine Arbeitsunfähigkeit zu melden, muss nicht zwingend das zwischen den Krankenkassen und den Kassenärzten vereinbarte Formular verwendet werden. |

Hierauf wies das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen im Fall eines Arbeitnehmers hin. Dieser war längere Zeit krank. Nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme führte er bei seinem Arbeitgeber eine Wiedereingliederung durch. Seine Krankenkasse wollte das Krankengeld nicht für den ganzen Zeitraum zahlen. Sie meinte, dass der Anspruch ruhe. Eine Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit sei nicht fristgerecht vorgelegt worden.

Das LSG sah das jedoch anders. Es verurteilte die Krankenkasse, das Krankengeld zu zahlen. Die Richter stellten klar, dass der Anspruch auf Krankengeld ruhe, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Dies gelte jedoch nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Der Arbeitnehmer habe hier seine Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig angezeigt. Die Anzeige erfolgte spätestens, als er den Wiedereingliederungsantrag einreichte. Darin hatte der Arzt die weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit ausreichend festgestellt. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist eine reine Tatsachenmitteilung. Maßgebend sei, dass der Arzt (weiterhin) feststellt, dass der Versicherte arbeitsunfähig ist. Er muss nicht zwingend das zwischen den Krankenkassen und den Kassenärzten vereinbarte Formular benutzen, um den Nachweis zu erbringen.

Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.2.2016, L 16 KR 391/15, Abruf-Nr. 189961 unter www.iww.de.

Betriebliche Altersversorgung: Betriebsrente darf nicht befristet gekürzt werden

| Werden im Rahmen eines Sanierungskonzepts die Betriebsrenten eines Unternehmens befristet für vier Jahre um 15 Prozent gekürzt, ist dies unwirksam. |

Hierauf wies das Arbeitsgericht Köln hin. Es berief sich dabei auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach ist ein Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage seit der Einführung der Insolvenzordnung im Jahre 1999 nicht mehr zulässig. Für die entschiedenen Verfahren kam es auch nicht auf die tarifvertraglichen Ausschlussfristen an, auf die sich der Arbeitgeber zum Teil berufen hatte. Die streitigen Ansprüche waren rechtzeitig geltend gemacht worden.

Quelle | Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 20.4.2016, 20 Ca 891/16, Abruf-Nr. 189959 unter www.iww.de.

Personalakte: Abmahnung wegen einmaliger Verspätung ist nicht gerechtfertigt

|Kommt ein Arbeitnehmer einmalig ein paar Minuten zu spät zur Arbeit, darf er deshalb nicht sofort abgemahnt werden. |

So entschied es das Arbeitsgericht Leipzig im Fall einer Frau, die einmalig eine knappe Viertelstunde zu spät zur Arbeit erschien. Ihr Chef nahm dies zum Anlass, sie schriftlich abzumahnen. Die Frau hielt dies für nicht gerechtfertigt. Sie verlangte, dass die Abmahnung aus ihrer Personalakte wieder herausgenommen wird.

Das Arbeitsgericht Leipzig gab ihr recht. Es entschied, dass die Abmahnung unverhältnismäßig war. Wenn ein Arbeitnehmer einige Minuten zu spät zur Arbeit erscheint, liegt lediglich ein geringfügiges Fehlverhalten vor. Um dies zu ahnden, reicht eine Ermahnung vollkommen aus. Die Abmahnung musste daher aus der Personalakte wieder entfernt werden.

Quelle | Arbeitsgericht Leipzig, Urteil vom 23.7.2015, 8 Ca 532/15, Abruf-Nr. 189958 unter www.iww.de.

Arbeitslohn: Stundenlohn von 3,40 EUR ist als Hungerlohn sittenwidrig

| Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat über die Klage eines Jobcenters gegen einen Arbeitgeber wegen sittenwidriger Löhne vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes entschieden. |

Das Jobcenter hatte in den Jahren 2011 bis 2014 Leistungen zur Grundsicherung an eine Arbeitnehmerin erbracht. Deren Arbeitgeber betreibt eine Pizzeria. Die dort seit 2001 als Auslieferungsfahrerin tätige Arbeitnehmerin erhielt durchgängig pauschal 136 EUR bei einer vereinbarten Arbeitszeit von nach Bedarf ca. 35-40 Stunden pro Monat. Das Jobcenter hat geltend gemacht, die Vergütung dieser Arbeitnehmerin sei sittenwidrig niedrig. Wäre die übliche Vergütung gezahlt worden, wären geringere Leistungen an Grundsicherung angefallen. Deshalb müsse der Arbeitgeber diese Differenz erstatten.

Das LAG hat der Klage in Höhe von 5.744,18 EUR stattgegeben. Die Richter machten deutlich, dass der sich ergebende Stundenlohn von 3,40 EUR ein Hungerlohn sei. Selbst bei unterstellter Vollzeittätigkeit werde ein Einkommen erzielt, von dem man nicht leben könne. Die Vereinbarung von Hungerlöhnen sei sittenwidrig und damit unwirksam. Die übliche Vergütung ergebe sich aus den Feststellungen des statistischen Landesamts. Für das Jahr 2011 sei das klagende Jobcenter zutreffend von einem Stundenlohn von 6,77 EUR ausgegangen, der sich bis zum Jahr 2014 auf 9,74 EUR steigere. Ob sich eine Sittenwidrigkeit daneben auch aus Wertungen der Europäischen Sozialcharta ergeben kann, wurde nicht entschieden.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.4.2016, 15 Sa 2258/15, Abruf-Nr. 185961 unter www.iww.de.

Halteverbot: Mobile Halteverbotsschilder: Nach 48 Stunden darf abgeschleppt werden

| Werden mobile Halteverbotsschilder aufgestellt, genügt regelmäßig eine Vorlaufzeit von 48 Stunden zwischen dem Aufstellen und dem Abschleppen eines ursprünglich rechtmäßig abgestellten Fahrzeugs, um den Fahrzeugverantwortlichen mit den Kosten der Abschleppmaßnahme belasten zu können. |

Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW im Fall einer Autofahrerin entschieden, die ihr Fahrzeug am 19.8.2013 in einer Straße in Düsseldorf geparkt hatte und dann in den Urlaub geflogen war. Am nächsten Tag richtete ein Umzugsunternehmen dort mit mobilen Halteverbotsschildern eine Halteverbotszone ein. Halteverbotsbeginn war der 23.8.2013, 7:00 Uhr. Das Fahrzeug wurde am Nachmittag des 23.8.2013 abgeschleppt. Die Kosten hierfür wurden der Frau in Rechnung gestellt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Berufung gegen dieses Urteil hatte vor dem OVG keinen Erfolg.

Die Richter verwiesen auf ihre bisherige Rechtsprechung. Danach sei unerheblich, dass die Halteverbotsschilder erst nach dem rechtmäßigen Abstellen eines Fahrzeugs angebracht worden seien. Dies stehe der Verhältnismäßigkeit der Kostenbelastung des Fahrzeugverantwortlichen im Regelfall nicht entgegen, wenn zwischen dem Aufstellen der Schilder und dem Abschleppen eine Frist von 48 Stunden verstrichen sei. Angesichts der vielfältigen Anforderungen, die insbesondere unter den heutigen großstädtischen Bedingungen in straßenverkehrsrechtlicher und sonstiger Hinsicht an den Straßenraum gestellt würden, würde die Effizienz der Gefahrenabwehr erheblich eingeschränkt, wenn die Vorlaufzeit auf mehr als 48 Stunden bemessen würde.

Zwar gingen andere Obergerichte inzwischen von einer Mindestvorlauffrist von drei vollen Tagen aus. Sie halten eine Belastung mit den Kosten der Abschleppmaßnahme also nur für verhältnismäßig, wenn das ursprünglich rechtmäßig abgestellte Fahrzeug erst am vierten Tag nach dem Aufstellen der Halteverbotsschilder entfernt werde. Das OVG könne aber nicht erkennen, dass es einem Dauerparker regelmäßig unzumutbar sei, die Verkehrsregeln am Abstellort seines Fahrzeugs mit einer Vorlaufzeit von 48 Stunden zu kontrollieren. So könne er die Nachteile vermeiden, die mit einem Entfernen des Fahrzeugs aus einer nachträglich eingerichteten Halteverbotszone verbunden seien.

Quelle | OVG NRW, Urteil vom 13.9.16, 5 A 470/14, Abruf-Nr. 189123 unter www.iww.de.

Fahrverbot: Glühwein und Autoschlüssel

| Jeder Autofahrer weiß es: Ab 0,5 Promille Alkohol im Blut wird es kritisch – Bußgeld, Fahrverbot oder gar der Entzug der Fahrerlaubnis sind fast so sicher wie das Amen in der Kirche. Wie aber ist es, wenn der Grenzwert nur ein klitzekleines bisschen überschritten ist? Kann man darauf hoffen, dass das Gericht dann ein Auge zudrückt nach dem Motto: Fast nüchtern ist so gut wie ganz nüchtern? |

Keineswegs, wie eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg zeigt. In dem zu entscheidenden Fall hatte der Autofahrer 0,54 Promille Alkohol im Blut, was das zunächst entscheidende Amtsgericht zum Anlass nahm, das im Bußgeldbescheid noch verhängte Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße wegfallen zu lassen. Zu Unrecht, wie das OLG Bamberg befand. Das Gericht verwies darauf, dass bei Ordnungswidrigkeiten nach § 25a StVG, also beim Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr, regelmäßig ein Fahrverbot zu verhängen ist. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit einer derartigen Ordnungswidrigkeit verstehe sich die grundsätzliche Angemessenheit eines Fahrverbots regelmäßig von selbst, argumentierten die Richter. Da sie auch sonst keine schwerwiegenden Gründe für einen Wegfall des Fahrverbots erkennen konnten, hoben sie das Urteil des Amtsgerichts auf.

Fazit: Das Herantrinken an Promillegrenzen ist für Autofahrer gefährlich. Wer gerade zur Weihnachtszeit ganz sicher gehen will, lässt die Finger entweder vom Glühwein oder vom Autoschlüssel.

Quelle | OLG Bamberg, Urteil vom 29.10.2012, 3 Ss OWi 1374/12, Abruf-Nr. 130022 unter www.iww.de.

Sachverständigengutachten: Überraschende Abtretungsklausel bei Verkehrsunfällen

| Abtretungsklauseln in Verträgen über die Erstellung eines Schadensgutachten sind mit Vorsicht zu genießen. Nicht immer ist die Klausel wirksam, mit der der Sachverständige sein Honorar sichern will. Das zeigt aktuell eine Entscheidung des BGH. |

Danach ist eine Abtretungsklausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB überraschend, wenn der Geschädigte von seinen Schadenersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer die Ansprüche auf Ersatz der Positionen Sachverständigenkosten, Wertminderung, Nutzungsausfall, Nebenkosten und Reparaturkosten in dieser Reihenfolge und in Höhe des Honoraranspruchs an den Sachverständigen abtritt. Das gilt auch, wenn der Anspruch auf Ersatz einer nachfolgenden Position nur abgetreten wird, wenn der Anspruch auf Ersatz der zuvor genannten Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken.

Quelle | BGH, Urteil vom 21.6.2016, VI ZR 475/15, Abruf-Nr. 188436 unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Hälftige Haftung bei Unfall auf einer Autobahnabfahrt mit Gabelung

| Stoßen ein vorausfahrendes und ein nachfahrendes Fahrzeug beim Rechtsüberholen des Nachfahrers auf der Gabelung einer Autobahnabfahrt zusammen, kommt eine hälftige Haftung beider Beteiligten für den Unfallschaden in Betracht. Voraussetzung ist, dass der Vorausfahrer seiner Rückschaupflicht nicht genügt und der Nachfahrer verkehrswidrig rechts zu überholen versucht hat. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer Autofahrerin entschieden. Sie befuhr mit ihrem Peugeot die Abfahrt einer Bundesautobahn. Diese gabelt sich im weiteren Straßenverlauf ohne vorfahrtsregelnde Verkehrszeichen. Im Bereich der Gabelung kam es zur streifenden Kollision zwischen ihrem vorausfahrenden Fahrzeug und einem Taxi. Der Unfall ereignete sich, weil das Taxi rechts an dem Peugeot vorbeifahren wollte, um den rechten Schenkel der Gabelung zu befahren. In dem Moment steuerte die Frau ebenfalls diesen Schenkel der Gabelung an. Dabei streiften sich die Fahrzeuge. Es entstand ein Schaden von ca. 4.300 EUR. Den verlangte die Frau von der Haftpflichtversicherung der Taxifahrerin ersetzt.

Mit ihrer Klage war sie nur zur Hälfte erfolgreich. Der Unfall sei, so das OLG, von beiden Fahrzeugführerinnen mitverschuldet worden. Dies rechtfertige eine 50-prozentige Haftungsquote. Gabele sich eine Straße ohne vorfahrtsregelnde Verkehrszeichen in zwei Schenkel, so beurteilen sich die straßenverkehrsrechtlichen Pflichten danach, ob ein Straßenschenkel nach vernünftiger Verkehrsauffassung als Fortsetzung der bisherigen Fahrtrichtung anzusehen sei. In diesem Fall sei das Befahren dieses Schenkels keine Änderung der Fahrtrichtung. Nur der Kraftfahrer, der dann den anderen Schenkel befahre, ändere seine Fahrtrichtung und habe sich entsprechend zu verhalten.

Sei allerdings – wie im vorliegenden Fall – keiner der Schenkel deutlich als Fortsetzung der bisherigen Straße zu erkennen, ändere jeder Fahrzeugführer beim Einfahren in einen der beiden Schenkel seine Fahrtrichtung. Dementsprechend habe er dies als Abbiegen anzukündigen. Er müsse den Fahrtrichtungsanzeiger benutzen, sich einordnen und auf den nachfolgenden Verkehr achten.

Gegen diese Pflichten hätten beide Fahrerinnen verstoßen. Die Klägerin habe den Pflichten nicht genügt, weil sie beim Abbiegen in den rechten Fahrbahnschenkel nicht ausreichend auf den rückwärtigen Verkehr und damit auf das Taxi geachtet habe. Zudem habe sie sich zunächst auch eher mittig auf der Fahrbahn orientiert. Von diesem Verhalten sei nach der durchgeführten Beweisaufnahme auszugehen. Die Taxifahrerin habe demgegenüber vor dem Zusammenstoß verkehrswidrig versucht, rechts zu überholen. Rechts dürfe nur derjenige Verkehrsteilnehmer überholt werden, der seine Absicht, nach links abzubiegen, angekündigt und sich entsprechend eingeordnet habe. Die Taxifahrerin habe nicht davon ausgehen dürfen, dass der Peugot den linken Schenkel ansteuert. Am Peugeot sei nämlich ebenfalls kein Blinker gesetzt gewesen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 3.6.2016, 7 U 14/16, Abruf-Nr. 189122 unter www.iww.de.

Personenstandsrecht: Keine Eintragung eines Intersexuellen im Geburtenregister als „inter“ oder „divers“

| Das Geschlecht eines Intersexuellen kann im Geburtenregister nicht mit „inter“ oder „divers“ eingetragen werden. |

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer antragstellenden Person, die ihr Geschlecht im Geburtseintrag auf „inter“ oder „divers“ ändern lassen wollte. Sie hatte eine Chromosomenanalyse vorgelegt, wonach sie über einen numerisch auffälligen Chromosomensatz mit einem X-Chromosom und einem fehlenden zweiten Gonosom verfügt. Sie sei weder Frau noch Mann. Der Antrag wurde in allen Instanzen zurückgewiesen.

Eine Änderung der Eintragung im Geburtenregister in „inter“ bzw. „divers“ ist nach geltendem Recht nicht möglich. Die Eintragungen dort haben lediglich eine dienende Funktion. Sie enthalten Angaben, die insbesondere nach den Regeln des Familienrechts grundlegende Bedeutung für die persönliche Rechtsstellung besitzen. Das Familienrecht geht von einem binären Geschlechtersystem aus (Mann oder Frau). Der Gesetzgeber hat zwar mit der Neuregelung des § 22 Abs. 3 PStG für intersexuelle Menschen, die sich den bekannten Geschlechtern nicht zuordnen lassen, die Möglichkeit geschaffen, von einer Eintragung des Geschlechts im Geburtenregister abzusehen. Er hat damit jedoch kein weiteres Geschlecht geschaffen.

Der BGH hat auch keine Veranlassung gesehen, die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Die Frage, ob die früher bestehende Notwendigkeit, entweder als männlich oder als weiblich im Geburtenregister eingetragen zu werden, Intersexuelle in ihren Grundrechten verletzt, stellt sich nicht mehr. Denn die Betroffene kann seit der Änderung des Personenstandsrechts zum 1.11.2013 erreichen, dass die Angabe des Geschlechts („Mädchen“) nachträglich aus dem Geburtenregister gelöscht wird. Das wird von ihr aber ersichtlich nicht gewünscht.

Quelle | BGH, Beschluss vom 22.6.2016, XII ZB 52/15, Abruf-Nr. 187839 unter www.iww.de.