Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

Urteilskategorie

Urteilsarchiv

Kündigungsrecht: Fristlose Kündigung einer Geschäftsführerin wegen illoyalen Verhaltens

| Betreibt die Geschäftsführerin eines Vereins auf intrigante Weise zielgerichtet die Abwahl des Vereinsvorsitzenden, kann dies die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Durch ein solch illoyales Verhalten wird die für eine weitere Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensbasis zerstört und der Betriebsfriede erheblich gestört. |

Das musste sich die Geschäftsführerin eines Vereins vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) sagen lassen. Nach Differenzen mit dem Präsidenten des Vereins hatte sie die Vereinsmitglieder dazu aufgerufen, in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung die Abwahl der Vereinsspitze zu fordern. Der als Präsidium bezeichnete Vorstand des Vereins beschloss daraufhin, die Geschäftsführerin fristlos, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Hiergegen hat die Geschäftsführerin Klage erhoben. Sie hält u. a. den Präsidiumsbeschluss für unwirksam, weil das Präsidium wegen des vorherigen Rücktritts eines Mitglieds nicht vollständig besetzt gewesen sei.

Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Revision der Geschäftsführerin hatte vor dem BAG Erfolg. Der Kündigung liegt zwar ungeachtet des vorherigen Rücktritts eines Vizepräsidenten ein nach der Vereinssatzung wirksamer Beschluss des Präsidiums zugrunde. Wegen des illoyalen Verhaltens der Klägerin liegt auch ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses vor. Die Richter konnten aber nicht abschließend beurteilen, ob die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von den maßgebenden Tatsachen erklärt wurde. Das muss nun das Landesarbeitsgericht prüfen.

Quelle | BAG, Urteil vom 1.6.2017, 6 AZR 720/15, Abruf-Nr. 194535 unter www.iww.de.

Aktuelle Gesetzgebung: Höhere Bußgelder für Rettungsgassen-Blockierer

| Der Bundesrat setzt sich dafür ein, Behinderungen der Rettungskräfte bei Verkehrsunfällen zu vermeiden. In einer einstimmig gefassten Entschließung spricht er sich dafür aus, die Geldbußen für das Nichtbilden einer Rettungsgasse deutlich zu erhöhen sowie Fahrverbote vorzusehen. Das Mindestmaß im Bußgeldkatalog solle bei 200 EUR liegen. Dieser Bußgeldrahmen orientiert sich an den Sanktionen für Rotlichtverstöße im Straßenverkehr. |

1. Nicht nur Vorsatz, sondern auch Fahrlässigkeit kann tödlich sein

Die Länder verweisen darauf, dass Unfälle mit Schwerstverletzten und leider auch tödlichen Folgen gerade in jüngster Vergangenheit gezeigt haben, wie wichtig das Bilden von Rettungsgassen ist.

Das vorsätzliche Behindern von Rettungskräften ist zwar seit 30.5.17 ein eigener Straftatbestand. Diese Strafverschärfung, die auf einen Vorschlag des Bundesrats zurückgeht, betrifft allerdings nur absichtliche Verstöße. Aber auch fahrlässiges Verhalten der Verkehrsteilnehmer nach Unfällen gefährde Menschenleben. Daher müssten die Sanktionen auch im Ordnungswidrigkeitsbereich deutlich erhöht werden.

2. Prävention und Aufklärung

Die Länder betonen, dass es weiterer präventiver Maßnahmen zum Bilden von Rettungsgassen bedarf: Neben den Strafen sollten Autofahrerinnen und Autofahrer auch mit bundesweit einheitlichen Beschilderungen und Infotafeln sowie Piktogrammen auf die Bedeutung von Rettungsgassen hingewiesen werden.

3. Neue Fristen für den Führerscheinumtausch

Seine Entschließung fügte der Bundesrat einer Regierungsverordnung zum Umtausch von (Papier)Führerscheinen an, der er mit Maßgaben zustimmte. Sie enthält zahlreiche weitere Änderungen im Verkehrsbereich, unter anderem im Bereich des Fahrlehrerrechts, der Berufskraftfahrer-Qualifikation und der Gebührenordnung.

4. Rasches Handeln angekündigt

Die Entschließung wird nun der Bundesregierung zugeleitet, die sich in den nächsten Wochen mit dem Appell befassen wird. In der Plenarsitzung kündigte der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums bereits an, dass die Bundesregierung an einer deutlichen Erhöhung des Bußgeldkatalogs arbeite. Der Bundesrat könnte sich voraussichtlich bereits am 22.9.2017 mit einem neuen Verordnungsentwurf dazu befassen.

Quelle | Plenarsitzung des Bundesrats am 7.7.17

Aktuelle Gesetzgebung: Mehrheit im Bundestag für die „Ehe für alle“

| Die Ehe steht in Deutschland zukünftig auch homosexuellen Paaren offen. Der Bundestag verabschiedete am 30.6.2017 den unveränderten Gesetzentwurf des Bundesrats zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts in namentlicher Abstimmung. |

Nach einer mitunter sehr emotionalen Debatte stimmten 393 Abgeordnete für die Gesetzesvorlage, 226 votierten mit Nein und vier enthielten sich der Stimme. Die Parlamentarier der SPD, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen stimmten geschlossen für die sogenannte „Ehe für alle“. Während die Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion den Gesetzentwurf ablehnte, stimmte etwa ein Viertel der Unionsabgeordneten dafür. Die Fraktionsführungen hatten die Abstimmung freigegeben, das heißt sie erwarteten von ihren Abgeordneten nicht, gemäß der Fraktionslinie abzustimmen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es künftig: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist die Neueintragung der Lebenspartnerschaft nicht mehr möglich. Die schon eingetragenen Lebenspartnerschaften können hingegen bestehen bleiben oder in eine Ehe umgewandelt werden.

Quelle | Deutscher Bundestag

Kündigungsrecht: „Ich stech dich ab“ – Fristlose Kündigung wegen Morddrohung bestätigt

| Die Drohung „Ich stech dich ab“ gegenüber einem Vorgesetzten berechtigt zur fristlosen Kündigung. |

Das zeigt ein Verfahren vor dem LAG Düsseldorf. Der Kläger war seit 1988 bei dem beklagten Land als Sachbearbeiter im Landeskriminalamt beschäftigt. Im Jahr 2012 gab es zwischen ihm und seinem Vorgesetzten im Zusammenhang mit der Personalratswahl Unstimmigkeiten. So hatte der Kläger unter Vortäuschung einer entsprechenden Berechtigung für seine freie Liste Wahlplakate auf dienstlichen Kopiergeräten angefertigt. Auf die Aufforderung seines Vorgesetzten auf Kostenerstattung reagierte der Kläger mit einer Strafanzeige wegen Nötigung. Aufgrund des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde der Kläger rechtskräftig wegen Betrugs verurteilt.

Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Beteiligung von Integrationsamt und Personalrat am 13.1.15 fristlos. Es wirft ihm vor, seinen Vorgesetzten in einem Telefongespräch bedroht zu haben. Der Kläger bestreitet diese Drohung.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen. Nach einer Beweisaufnahme kam es zu dem Ergebnis, dass der Kläger seinen Vorgesetzten mit den Worten „Ich stech dich ab“ bedroht habe. Dieser habe seinen Vorgesetzten am 19.12.14 gegen 20.50 Uhr von einer Telefonzelle, die ca. 3,5 km von der Wohnung des Klägers entfernt liege, auf dessen dienstlichem Mobiltelefon angerufen. Es sei nachvollziehbar, dass der Vorgesetzte den Kläger an seiner Stimme und Sprechweise erkannt habe, denn daran sei der Kläger leicht identifizierbar. Er habe als Mitarbeiter des Landeskriminalamts Zugriff auf die dienstliche Mobilnummer seines Vorgesetzten gehabt. Zudem habe er die nur wenigen Personen bekannte Strafanzeige gegen seinen Vorgesetzten wegen Nötigung aus Anlass der Personalratswahl angesprochen. Dem ebenfalls vernommenen Nachbarn des Klägers sowie dessen geschiedener Ehefrau hat das Arbeitsgericht nicht geglaubt.

Die ernsthafte Bedrohung des Vorgesetzten durch den Kläger führe dazu, dass dem beklagten Land eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht weiter zumutbar sei, selbst wenn diese aufgrund ggf. eingeschränkter Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt schuldlos erfolgt sein sollte. Die Schwere der vom Kläger begangenen Pflichtverletzung mache eine vorherige Abmahnung entbehrlich.

In der Berufungsverhandlung folgte das LAG der Argumentation des Arbeitsgerichts und wies die Berufung zurück. Damit ist die Kündigung rechtswirksam.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 8.6.2017, 11 Sa 823/16, Abruf-Nr. 194529 unter www.iww.de.

Geschwindigkeitsmessung: Anforderungen an eine Messung durch Nachfahren

| Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren handelt es sich nach der Rechtsprechung der Obergerichte nicht um ein standardisiertes Messverfahren. Dementsprechend hoch sind daher auch die Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen. |

Worauf zu achten ist, fasst das Oberlandesgericht (OLG) Hamm für eine Messung zur Nachtzeit zusammen. In solchen Fällen sind nach Ansicht der Richter zusätzliche Angaben über die Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten, insbesondere zum Abstand der Fahrzeuge und zur Sicht- und Beleuchtungssituation vor Ort erforderlich. Die fehlen oft in den amtsrichterlichen Urteilen. Das OLG geht zudem davon aus, dass Mindestmessstrecken auf der Grundlage behördlicher Richtlinien für die Gerichte nicht bindend sind. Die Gerichte müssen sich vielmehr nach den gesetzlichen Grundsätzen eine eigene Überzeugung bilden. Je kürzer allerdings die Messstrecke ist, umso genauer sind die Umstände der Messung darzustellen. Das betrifft insbesondere die Frage, wie die nachfahrenden Polizeibeamten in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum gleichzeitig das Fahrzeug verfolgen, einen gleichbleibenden oder sich vergrößernden Abstand feststellen – unter welchen Beleuchtungsverhältnissen und in welchem (ungefähren) Abstand zum verfolgten Fahrzeug – und die Geschwindigkeit ablesen konnten.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 10.3.2017, 4 RBs 94/17, Abruf-Nr. 193587 unter www.iww.de.

Geschwindigkeitsmessung: Privater Dienstleister bei der Geschwindigkeitsmessung

| Hat die Behörde bewusst regelwidrig einen privaten Dienstleister eingeschaltet, um Geschwindigkeitsmessungen durchzuführen bzw. auszuwerten, besteht ein Beweisverwertungsverbot für die Messergebnisse. |

Davon ist das Amtsgericht Weilburg ausgegangen. Das Amtsgericht bezieht sich in seinem umfangreich begründeten Beschluss auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. Danach muss die Ordnungsbehörde Herrin des Verfahrens bleiben, wenn sie sogenannte private Dienstleister hinzuzieht. Private Dienstleister dürfen bei der Verkehrsüberwachung demnach nur für Tätigkeiten hinzugezogen werden, die nicht die Herrschaft über die Messung betreffen. Wird dagegen verstoßen, können die Messergebnisse nicht verwendet werden.

Quelle | Amtsgericht Weilburg, Urteil vom 6.3.2017, 40 OWi 6 Js 7873/16, Abruf-Nr. 193576 unter www.iww.de.

Unfallersatzwagen: Geringer Fahrbedarf im ländlichen Raum ohne Nahverkehr

| Wohnt der Geschädigte im ländlichen Raum ohne leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr, kommt es für die Erforderlichkeit des Mietwagens nicht auf die Anzahl der täglich gefahrenen Kilometer an. |

So entschied es das Amtsgericht Donaueschingen. Zur Alternative des Taxis sagt das Gericht: „Es ist bei Kenntnis der hier gegebenen örtlichen Verhältnisse illusorisch, für den täglichen Fahrbedarf der Klägerin jeweils ein Taxi anzufordern.“ Das Urteil deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Die 20 km pro Tag-Faustregel für eine erste gedankliche Annäherung gibt es. Liegt die Anzahl der gefahrenen Kilometer darunter, ist jeweils auf den Einzelfall abzustellen.

Quelle | Amtsgericht Donaueschingen, Urteil vom 7.3.2017, 1 C 251/16, Abruf-Nr. 192572 unter www.iww.de.

Verbringungskosten: „Selbstverbringung“ ist zur Schadenminderung nicht erforderlich

| Der Schädiger kann vom Geschädigten nicht verlangen, dass dieser das Fahrzeug nach der Karosseriereparatur selbst zur Lackiererei fährt, um die Verbringungskosten zu ersparen. Eine solche Mithilfe bei der Reparatur ist dem Geschädigten nicht zumutbar. |

Diese Klarstellung traf das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf. Es verurteilte daher den Haftpflichtversicherer des Schädigers, die für die Verbringung angefallenen Kosten zu erstatten.

Zu dem Ergebnis wird ein vernunftbegabter Schadensachbearbeiter auch ohne Gericht kommen, aber dieses Schmankerl wollten wir Ihnen nicht vorenthalten.

Quelle | Amtsgericht Hamburg-Bergedorf, Urteil vom 21.4.2017, 409 C 195/16, Abruf-Nr. 193937 unter www.iww.de.

Sorgerecht: Schutzimpfung für Kinder: Wenn sich die Eltern nicht einigen können…

| Können sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, überträgt das Familiengericht auf Antrag die Entscheidung einem der Elternteile. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. |

Das ist das Ergebnis eines Sorgerechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die gemeinsam sorgeberechtigten nichtehelichen Eltern konnten sich nicht darüber einig werden, ob Schutzimpfungen für die Tochter notwendig seien. Der Vater befürwortet die altersentsprechenden Schutzimpfungen, die durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.

Das Amtsgericht hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht es bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber auf Schutzimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln beschränkt.

Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Mutter ist ohne Erfolg geblieben. Die Richter am BGH stellten klar, dass eine Schutzimpfung keine alltägliche Angelegenheit sei. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegen die erhebliche Bedeutung. Daher könne nicht einfach der Elternteil entscheiden, bei dem sich das Kind aufhalte.

Das Oberlandesgericht hat den Vater mit Recht als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Es hat hierfür in zulässiger Weise darauf abgestellt, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Die Impfempfehlungen der STIKO sind vom BGH bereits als medizinischer Standard anerkannt worden. Da keine einschlägigen Einzelfallumstände wie etwa bei dem Kind bestehende besondere Impfrisiken vorliegen, konnte das Oberlandesgericht auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen. Die von der Mutter erhobenen Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft“ resultieren, musste das Oberlandesgericht dagegen nicht zum Anlass nehmen, ein gesondertes Sachverständigengutachten über allgemeine Impfrisiken einzuholen.

Quelle | BGH, Beschluss vom 3.5.2017, XII ZB 157/16, Abruf-Nr. 194155 unter www.iww.de.