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Monats-Archive: August 2024

Scheidungsrecht: Außereheliche Beziehung mit Folgen nicht immer Härtefall

| Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat entschieden: Eine Ehefrau, die aufgrund einer außerehelichen Beziehung ein Kind erwartet, kann sich nicht wegen unzumutbarer Härte vor Ablauf des sogenannten Trennungsjahrs scheiden lassen kann. |

Abwarten auf Ablauf des Trennungsjahrs unzumutbar?

Die Eheleute leben seit August 2023 getrennt. Die Ehefrau ist bereits wieder in einer anderen Beziehung und erwartete aus dieser im Juni 2024 ein Kind. Deshalb wollte sich die Ehefrau noch vor Ablauf des sogenannten Trennungsjahrs scheiden lassen und beantragte hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Sie beruft sich unter anderem darauf, dass das Abwarten des sogenannten Trennungsjahrs für ihren Ehemann eine unzumutbare Härte darstelle.

Das Amtsgericht (AG) hat den Verfahrenskostenhilfeantrag für die Härtefallscheidung zurückgewiesen. Hiergegen ging die Ehefrau mit ihrer Beschwerde vor.

Härtegründe müssen in der Person des anderen Partners vorliegen

Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Härtefallscheidung nicht vorliegen würden. Eine Ehe könne vor Ablauf des ersten Trennungsjahrs nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für einen Ehepartner aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstelle. Der von der Ehefrau gestellte Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahrs habe keine Aussicht auf Erfolg. Bei ihrer Schwangerschaft handele es sich nicht um einen Umstand, der in der Person des Ehemanns begründet sei. Umstände, die ausschließlich oder wenigstens vornehmlich in der Person des die Scheidung beantragenden Ehegatten ihre Ursache haben, seien insoweit für den von ihm gestellten Scheidungsantrag nach dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes von vornherein irrelevant.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7.2.2024, 2 WF 26/24, PM vom 8.4.2024

Gesetzliche Unfallversicherung: Vom versicherten Arbeitsweg zum unversicherten Abweg

| Die gesetzliche Unfallversicherung bietet Versicherungsschutz bei Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen. Zu den Arbeitsunfällen gehören auch Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeit, die sogenannten Wegeunfälle. Auch ein Abweichen von dem direkten Arbeitsweg kann unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich unfallversichert sein. Dabei muss aber ein ausreichender Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestehen bleiben. Eine solche Ausnahme kommt gesetzlich etwa für einen vom Arbeitsweg abweichenden Weg in Betracht, um ein Kind wegen der beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen. In einem solchen Zusammenhang hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg nun eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen. |

Begleitung auf dem Schulweg

Die Klägerin hatte ihre Tochter im Grundschulalter zu einem Sammelpunkt auf dem Schulweg begleitet, an dem sich eine Gruppe von Mitschülern für den restlichen Weg traf. Dieser Sammelpunkt lag, von der Wohnung der Klägerin aus gesehen, in entgegengesetzter Richtung zu ihrer Arbeitsstätte. Auf dem Weg von dem Sammelpunkt zur ihrer Arbeit, aber noch vor Erreichen des Wegstücks von ihrer Wohnung zur Arbeit, wurde die Klägerin als sie trotz einer roten Fußgängerampel eine Straße überquerte von einem PKW erfasst. Sie erlitt unter anderem eine Gehirnerschütterung und verschiedene Knochenbrüche.

Nachdem die zuständige gesetzliche Unfallversicherung die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ablehnte, bekam die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart zunächst recht. Sie hatte insbesondere geltend gemacht, dass die Begleitung ihrer Tochter aus Sicherheitsgründen erforderlich gewesen sei.

Landessozialgericht: Kein Arbeitsweg

Auf die Berufung des Unfallversicherungsträgers hat das LSG Baden-Württemberg die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Arbeitsunfall setze, wie der zuständige Senat klargestellt hat, u.a. voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Die Klägerin habe sich zwar im Unfallzeitpunkt objektiv auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte befunden. Dies sei aber nicht hinreichend, denn das Überqueren der Straße am Unfallort zum Unfallzeitpunkt sei nicht auf dem direkten Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit erfolgt, sodass der erforderliche sachliche Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit fehle.

Entscheidend: nicht Umweg, sondern Abweg

Bewege sich der Versicherte wie vorliegend die Klägerin nicht auf einem direkten Weg in Richtung seines Ziels, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem fort, handele es sich eben nicht um einen bloßen Umweg, sondern um einen Abweg. Werde der direkte Weg mehr als geringfügig unterbrochen und ein solcher Abweg allein aus eigenwirtschaftlichen, also nicht betrieblichen Gründen ebenfalls wie vorliegend zurückgelegt, bestehe kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Klägerin habe auch bis zum Eintritt des Unfallereignisses die unmittelbare Wegstrecke zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht. Der Wegeunfallversicherungsschutz sei damit zum Unfallzeitpunkt noch nicht erneut begründet worden.

Keine Ausnahme gegeben

Es liege auch kein ausnahmsweise versicherter Abweg vor. Die Klägerin habe ihre Tochter nicht wie für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz insoweit erforderlich zum Sammelpunkt begleitet, um ihrer Beschäftigung nachzugehen, sondern allein und ausschließlich aus allgemeinen Sicherheitserwägungen zum Schutz der Tochter. Damit fehle vorliegend jeglicher sachlich-inhaltlich kausaler Zusammenhang zwischen der Beschäftigung der Klägerin und dem Begleiten der Tochter. Denn erfasst würden keine Fälle, in denen das Kind in fremde Obhut unabhängig davon verbracht werde, ob der Versicherte seine Beschäftigung alsbald aufnehmen wolle. Schließlich stelle auch die Begleitung der Tochter zu einem Sammelpunkt der Kinder-„Laufgruppe“, von wo aus die Grundschulkinder gemeinsam den Schulweg beschritten, schon kein „Anvertrauen in fremde Obhut“ im Sinne des Gesetzes dar.

Beachten Sie | Wenn ein Unfall wie in dem dargestellten Fall nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung erfasst ist, wird Versicherungsschutz typischerweise durch die gesetzliche oder private Krankenversicherung gewährleistet. Auch sind Schülerinnen und Schüler allgemein- und berufsbildender Schulen während des Schulbesuchs sowie auf dem Schulweg gesetzlich unfallversichert.

Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.2.2022, L 10 U 3232/21, PM vom 19.3.2024

Vorfahrtverletzung: Wenn der Rennradfahrer auf der Straße fährt…

| Jedenfalls bei einer krassen Vorfahrtverletzung durch den Schädiger trifft den vorfahrtsberechtigten Rennradfahrer kein Mitverschulden, wenn er trotz vorhandenen Radwegs auf der Straße fährt. Daher hat das Landgericht (LG) Köln offengelassen, ob dem Rennradfahrer die Benutzung des kombinierten Geh- und Radwegs zumutbar war und ob das entsprechende Verkehrsschild für ihn sichtbar war. |

Entscheidend: Zurechnungszusammenhang

Hier war der sogenannte Zurechnungszusammenhang entscheidend, also der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem Schaden. Dieser besteht immer, wenn der Eintritt des Schadens die spezifische Folge der Gefahren ist, vor denen die verletzte Vorschrift den Verkehr schützen will.

Krasser Verkehrsverstoß des Autofahrers

Hier hätte der Zurechnungszusammenhang zwischen dem verkehrswidrigen Verhalten eines Verkehrsteilnehmers und seiner späteren Beteiligung an einem Verkehrsunfall bestehen können. Dafür genügt es laut dem LG aber nicht schon, dass der Unfall ohne den Verkehrsverstoß vermieden worden wäre, weil der Verkehrsteilnehmer sich bei verkehrsordnungsgemäßer Fahrweise nicht an der Unfallstelle befunden hätte. Vielmehr muss sich in dem Unfall gerade die Gefahr erhöht haben, die zu vermeiden dem Verkehrsteilnehmer durch die in Frage stehende Norm aufgegeben war. Davon kann bei einem krassen Vorfahrtverstoß des Unfallgegners aber nicht ausgegangen werden. Denn die Straßenverkehrsordnung (hier: § 2 Abs. 4 S. 2 StVO) will typische Gefahrensituationen im gemischten Verkehr verhindern. Dazu gehört etwa die Gefährdung von Radfahrern mit nicht immer vermeidbarer schwankender Fahrlinie infolge zu großer Fahrzeugdichte und zu geringen Seitenabstands, nicht aber die Gefährdung durch vermeidbare Vorfahrtverstöße anderer Verkehrsteilnehmer.

Quelle | LG Köln, Urteil vom 23.10.2023, 15 O 424/21, Abruf-Nr. 239653 unter www.iww.de