Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht
Urteilskategorie
Urteilsarchiv

Monats-Archive: August 2024

Geschwindigkeitsmessung: Softwareveränderung beim standardisierten Messverfahren

| Oft sind Geschwindigkeitsmessungen angreifbar. In einem Fall des Kammergerichts (KG) Berlin ging es darum, welche Folgen eine Veränderung der Software des Messgeräts hatte. |

Das KG stellt fest: Wird bei der konkreten Messung mit dem Geschwindigkeitsmessverfahren Poliscan FM1 mit der Softwareversion 4.4.9. der Messbereich eine sog. Hilfsgröße nicht erfasst, wird das Messergebnis dadurch nicht unverwertbar. Gleiches gilt, wenn die Rohmessdaten nicht gespeichert werden. Wird die Gerätesoftware verändert, entfällt dadurch in der Regel nicht die Standardisierung. Der Betroffene hat weder einen einfachgesetzlichen noch einen verfassungsrechtlich verankerten Anspruch darauf, dass die Beweismittel hier: die Erfassung von Messgrößen im Messbereich generiert werden.

Auch die mit der aktualisierten Gerätesoftware gewonnenen Messdaten unterliegen keinem (ungeschriebenen) Beweisverwertungsverbot. Ein solches käme nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Rechtsverstößen in Betracht, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch unberücksichtigt geblieben sind.

Quelle | KG, Beschluss vom 8.12.2023, 3 ORbs 229/23, Abruf-Nr. 240271 unter www.iww.de

Bußgeld: Wichtig: Selbstbeherrschung (nicht nur) im Straßenverkehr

| Ein Abschleppunternehmer schlug aus Wut auf die Motorhaube eines Polizeifahrzeugs. Sein Jähzorn machte alles noch schlimmer, wie ein Fall des Amtsgerichts (AG) Ellwangen zeigte. |

Das war geschehen

Der Inhaber eines Pannendienstes hatte sein Telefon in der Hand, während er privat mit seinem Pkw fuhr. Zwei Streifenbeamte zeigten ihn deswegen an. Ob sich das Telefon an Mund oder am Ohr befand, konnten die Beamten jedoch vor dem AG acht Monate später nicht mehr sagen.

So schilderten die Polizisten den Vorfall

Erinnern konnten sie sich aber daran, dass der Unternehmer aufgebracht war, die Tat als „Kleinigkeit“ bezeichnet hatte und geäußert hatte, er werde nie wieder Fahrzeuge für die Polizei abschleppen. Anschließend habe er wütend auf die Motorhaube des Streifenwagens geschlagen.

Daran erinnerte sich der Unternehmer (nicht)

Der Abschleppunternehmer meinte, evtl. sein Telefon in der Hand gehabt zu haben, um es an einer anderen Stelle zu platzieren. Zum Telefonieren hätte er seine Handyschutzhülle aufklappen und sein Smartphone durch Eingabe eines Codes entsperren müssen. Geld spiele keine Rolle, es solle jeder „seine Worte sprechen, wie es war“.

Das Amtsgericht fand deutliche Worte

Die Antwort des AG ließ nicht lange auf sich warten: Es verdoppelte die Regelgeldbuße auf 200 Euro. An der Glaubwürdigkeit der Polizisten hatte es keinen Zweifel. Es spreche sogar für die beiden, wenn sie sich nach acht Monaten nicht mehr an die Position des Handys beim Unternehmer erinnern konnten, wohl aber an die respektlosen Begleitumstände.

Polizeibeamte waren „überaus glaubhaft“

Wörtlich fuhr das AG fort: „Vom Jähzorn des Betroffenen, der sofort laut wird, wenn ihm ein Satz nicht genehm ist, konnte sich das Gericht in der Hauptverhandlung einen eigenen Eindruck verschaffen.“ Auch das führte dazu, dass es die Aussagen der Beamten zum Verhalten des Unternehmers als „überaus glaubhaft“ beurteilte.

Quelle | AG Ellwangen, Urteil vom 14.4.2023, 7 OWi 36 Js 5096/23

Erbstreit: Das ungewöhnliche Testament

| Dass ein Testament nicht zwingend auf einem weißen Blatt Papier entstehen muss, zeigt ein Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg. Es ging letztlich darum, ob jemand Erbe geworden war oder nicht. |

Gastwirt verstarb Testament auf „Kneipenblock“

Verstorben war ein Gastwirt aus dem Landkreis Ammerland. Seine Partnerin sah sich als Erbin und beantragte, einen Erbschein zu erteilen. Als Testament legte sie dem Gericht einen Kneipenblock vor, den sie im Gastraum hinter der Theke aufgefunden habe. Dort war unter Angabe des Datums und einer Unterschrift auch der Spitzname einer Person („X“) vermerkt. Auf dem Zettel hieß es lediglich „X bekommt alles“.

Amtsgericht: Testierwille fehlte

Das Amtsgericht (AG) sah die Partnerin nicht als Erbin an. Es war der Auffassung, dass nicht sicher feststellbar sei, dass mit dem Kneipenblock ein Testament errichtet werden sollte. Daher fehle der für ein Testament erforderliche Testierwille.

Oberlandesgericht: Testament wirksam

Der auf das Erbrecht spezialisierte Senat des OLG gelangte zu einer anderen Bewertung. Der handschriftliche Text auf dem Zettel sei ein wirksames Testament.

Das OLG war aufgrund der Einzelheiten des Verfahrens überzeugt, dass der Erblasser das Schriftstück selbst verfasst hatte und dass er mit dem genannten Spitznamen allein seine Partnerin gemeint habe. Auch, dass der Erblasser mit der handschriftlichen Notiz seinen Nachlass verbindlich regeln wollte, stand für den Senat aufgrund von Zeugenangaben fest.

Dass sich die Notiz auf einer ungewöhnlichen Unterlage befinde, nicht als Testament bezeichnet und zudem hinter der Theke gelagert war, stehe der Einordnung als Testament nicht entgegen. Zum einen sei es eine Eigenart des Erblassers gewesen, für ihn wichtige Dokumente hinter dem Tresen zu lagern. Zum anderen reiche es für die Annahme eines Testaments aus, dass der Testierwille des Erblassers eindeutig zu ermitteln sei und die vom ihm erstellte Notiz seine Unterschrift trage. Das OLG stellte die Partnerin daher als rechtmäßige Erbin fest.

Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.12.2023, 3 W 96/23, PM 10/24

Allgemeines Gleichstellungsgesetz: Keine Benachteiligung, wenn „fachliche Eignung“ des schwerbehinderten Menschen fehlt

| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW hat entschieden: Eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) scheidet aus, wenn der Bewerber eine klassische kaufmännische Ausbildung hat, die nicht mit der Laufbahn des mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienstes (Bundeswehrverwaltung) vergleichbar ist. Hat der Bewerber später nicht entsprechend seiner Qualifikation gearbeitet, sammelt er auch keine Zeiten „hauptberuflicher Tätigkeit“. |

Kläger erhielt keine Einladung zum Vorstellungsgespräch

Der Kläger bewarb sich auf die o. g. Stelle und wurde nicht eingeladen. Vor dem Verwaltungsgericht (VG) klagte er auf eine Entschädigung nach dem AGG (hier: § 15 Abs. 2 S. 1 AGG) und unterlag. Seinen Antrag auf Zulassung der Berufung wies das OVG zurück. Zu Recht habe das VG ausnahmsweise eine Einladung eines schwerbehinderten Menschen durch einen öffentlichen Arbeitgeber als entbehrlich angesehen. Denn die fachliche Eignung fehlte offensichtlich.

Wesentliche Unterschiede in der Ausbildung

Der Kläger hatte eine Ausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft absolviert. Deren Inhalte unterschieden sich wesentlich von denen, die im Vorbereitungsdienst für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Bundeswehrverwaltung vermittelt würden und allein zur Laufbahnbefähigung für den mittleren Dienst führen könnten. Das VG verglich insoweit die Ausbildung des Klägers mit den Anforderungen des fachspezifischen Vorbereitungsdienstes. Er konnte auch nicht nachweisen, dass seine späteren hauptberuflichen Tätigkeiten seiner Qualifikation entsprachen bzw. anzuerkennen seien. Hier wäre ein Zeitraum von mindestens einem Jahr und sechs Monaten notwendig gewesen. Er hatte auf verschiedenen Stellen überwiegend einfache Büro- und Verwaltungsarbeiten ausgeführt, die häufig nicht einmal eine kaufmännische Ausbildung voraussetzten.

Quelle | OVG NRW, Urteil vom 8.5.2023, 1 A 3340/20, Abruf-Nr. 240427 unter www.iww.de

Allgemeine Geschäftsbedingungen: Kindertagesstätte kann das Recht der Eltern, ordentlich zu kündigen, nicht beschneiden

| Eine private Kindertagesstätte (Kita) kann das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Erziehungsberechtigten bis zum Beginn der Vertragslaufzeit nicht ausschließen. So hat es das Landgericht (LG) LG München entschieden. |

Ordentliche Kündigung bis Vertragsbeginn ausgeschlossen

Die Eltern schlossen mit der Kita zwei Betreuungsverträge über die Aufnahme ihrer beiden Kinder in der Tagesstätte zum 1.1.22. Nach Nr. 8 des Betreuungsvertrags war die ordentliche Kündigungsfrist bis Vertragsbeginn ausgeschlossen und betrug danach drei Monate zum Monatsende.

Eltern kündigten gleichwohl

Im März 2021 erklärten die Eltern die Kündigung sowie den Rücktritt von beiden Verträgen. Grund dafür war nach ihrer Darstellung Folgendes: Nach Abschluss der Betreuungsverträge hätten sie erfahren, dass sich die Mutter des Vaters einer schwierigen Operation unterziehen müsse. Um die Mutter nicht zu gefährden und einem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen, könnten sie ihre Kinder nicht in die Obhut der Kindertagesstätte geben. Die Betreiber der Kita bestätigten den Erhalt der Kündigung, wiesen diese jedoch insoweit zurück, als eine Kündigung nach den Vertragsbedingungen erst zum 30.4.22 möglich sei. Die Aufnahmegebühr sowie das Betreuungsgeld seien vorher zu entrichten unabhängig davon, ob die Kinder die Kita auch besuchen. Dies sei dem Umstand der Planungssicherheit für die Kita geschuldet.

Die Betreiber der Kita haben die Kinder nicht betreut. Dennoch zogen sie Beträge von den Eltern ein. Diese begehren, die eingezogenen Beträge zurückzuzahlen.

Kündigung wirksam

Das LG: Die Eltern haben die Betreuungsverträge für beide Kinder wirksam gekündigt. Der Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung bis zum Beginn der Vertragslaufzeit ist unwirksam. Die streitgegenständliche Regelung ist mit dem Benachteiligungsverbot im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht vereinbar. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gilt nur einseitig für die Eltern, obwohl die Eltern ein ebenso hohes, wenn nicht sogar höheres Planungsbedürfnis aufweisen als Kitas. Dieser einseitige Ausschluss benachteiligt die Eltern unangemessen zumal die vertragliche Regelung den Eltern eine zeitlich äußerst lange Vertragsbindung abverlangt, ohne eine gleich gelagerte Betreuungssicherheit einzuräumen.

Im Rahmen der Gesamtabwägung ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts dem Wortlaut nach selbst greift, wenn es der Kindertagesstätte gelänge, die frei gewordenen Plätze erfolgreich an andere Kinder zu vergeben dadurch erhielte die Kita de facto über einen Zeitraum von vier Monaten für den Platz eine doppelte Bezahlung.

Quelle | LG München, Urteil vom 31.10.2023, 2 O 10468/22, Abruf-Nr. 238240 unter www.iww.de

Sonnenschaden: Polizist: Hautkrebs-Erkrankung keine Berufskrankheit

| Ein ehemaliger Polizist hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit infolge früher wahrgenommener Tätigkeiten u.a. im Streifendienst. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Aachen entschieden. |

Der Kläger begründete, er sei während seiner nahezu 46-jährigen Dienstzeit zu erheblichen Teilen im Außendienst eingesetzt gewesen, ohne dass sein Dienstherr ihm Mittel zum UV-Schutz zur Verfügung gestellt oder auch auf die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen hingewiesen habe. Infolgedessen leide er unter Hautkrebs am Kopf, im Gesicht und an den Unterarmen.

Das VG hat die Ablehnung der Anerkennung als Berufskrankheit bestätigt, denn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Dienstunfall lägen hier nicht vor. Erforderlich ist im Fall von Hautkrebs durch UV-Strahlung, dass der Betroffene bei der Ausübung seiner Tätigkeit der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt ist, d. h. das Erkrankungsrisiko aufgrund der dienstlichen Tätigkeit in entscheidendem Maß höher als das der Allgemeinbevölkerung ist. Davon kann bei Polizeibeamten im Außendienst nicht die Rede sein. Polizisten bewegen sich in unterschiedlichen örtlichen Begebenheiten und nicht nur bei strahlendem Sonnenschein im Freien.

Quelle | VG Aachen, Urteil vom 15.4.2024, 1 K 2399/23, PM vom 15.4.2024

Grundrente: Anrechnung des Ehegatteneinkommens verfassungsgemäß

| Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte der Klägerin eine Altersrente. Einen Grundrentenzuschlag nach dem Sozialgesetzbuch VI (hier: § 76g SGB VI) für langjährige Versicherung berücksichtigte sie nicht, weil das anzurechnende Einkommen des Ehemannes höher als der Zuschlag war. Zu Recht, wie das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen nun bestätigte. |

Klägerin rügte Grundrechtsverstoß

Die Klägerin rügte, dass die Einkommensanrechnung gemäß § 97a Abs. 1 SGB VI gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoße. Verheiratete und unverheiratete Menschen würden ungleich behandelt und durch den Familienstand „verheiratet“ benachteiligt, weil das Gesetz eine Einkommensanrechnung bei unverheirateten Personen nicht vorsehe. Das SG wies die Klage durch Gerichtsbescheid ab.

Landessozialgericht: kein Grundrechtsverstoß

Die dagegen gerichtete Berufung hat das LSG nun zurückgewiesen. Die von der Beklagten angewandte gesetzliche Regelung sei nicht verfassungswidrig. Der Nachteil der Einkommensanrechnung werde bei Gesamtbetrachtung aller an die Ehe bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft anknüpfenden Regelungen sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in anderen Regelungsbereichen im Ergebnis ausgeglichen.

Einkommen oberhalb des Grundsicherungsbedarfs

Dabei sei zudem zu berücksichtigen, dass das Ziel der Grundrente nach dem Willen des Gesetzgebers neben der Anerkennung der Lebensarbeitsleistung eine bessere finanzielle Versorgung von langjährig Versicherten sei. Dieses Ziel werde erreicht. Dem Grundrentenberechtigten verbleibe bei Einbeziehung des Einkommens des Ehegatten ein Einkommen oberhalb des Grundsicherungsbedarfs. Er stehe besser da als jemand, der wenig oder gar nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtend versichert gearbeitet habe und entsprechend wenig oder gar nicht in diese eingezahlt habe.

Das gelte zwar auch für jemanden, der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit jemandem zusammenlebe, der entsprechende Einkünfte habe. Allerdings seien Ehepartner aufgrund der unterhaltsrechtlichen wechselseitigen Verpflichtung wirksamer als in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft versorgt.

Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.1.2024, L 18 R 707/22, PM vom 15.3.2024

Schadenersatzanspruch: Auch für alte Kleinwagen gibt es eine Nutzungsausfallentschädigung

| Ist ein Fahrzeug mehr als fünf Jahre alt, stuft das Amtsgericht (AG) Aue-Bad Schlema die Nutzungsausfallentschädigung um eine und bei mehr als zehn Jahren um zwei Gruppen ab. |

So rechnete das Amtsgericht

Wenn ein ca. 15 Jahre alter Kleinwagen mit ca. 194.000 km Laufleistung, der ohne Altersabstufung in die Gruppe B gehört, betroffen ist, wird jedoch nur eine Gruppe abgestuft. Denn tiefer geht es nicht. So gab es im vom AG entschiedenen Fall einen Tagessatz von 23 Euro.

Der Versicherer hatte nur minimale Vorhaltekosten erstattet. Das lehnt das Gericht ab. Denn das komme nur in Betracht, wenn ein Fahrzeug nicht nur alt, sondern in einem so schlechten Zustand ist, dass seine Nutzbarkeit deutlich eingeschränkt ist.

Entgangene Fortbewegungsmöglichkeit

Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass sich hinter den Vorhaltekosten letztlich kaum mehr als die Fixkosten wie Steuern, Versicherung etc. verbergen, es sich hierbei also um einen weitaus geringeren Betrag handelt. Mit zunehmendem Fahrzeugalter spiele letztlich nur die entgangene Fortbewegungs- und Transportmöglichkeit eine Rolle. Allein aufgrund des Alters des Fahrzeugs könne daher nicht ohne Weiteres von einer weiteren Einschränkung des Nutzungswerts bis zum Betrag von Vorhaltekosten ausgegangen werden.

Quelle | AG Aue-Bad Schlema, Urteil vom 28.2.2024, 3 C 241/23, Abruf-Nr. 240245 unter www.iww.de

Mittäterschaft: Straßenverkehrsgefährdung ist auch durch Mitfahrer möglich

| Ein sog. „verkehrsfeindlicher Inneneingriff“, der zur Annahme eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr führt, kann auch durch einen Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs in Mittäterschaft begangen werden. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Nicht der Angeklagte, sondern sein Bruder war gefahren

Der Angeklagte war zusammen mit seinem Bruder, der den Pkw steuerte, zu einem mit einem Dritten vereinbarten Treffpunkt gefahren. Dort war der Bruder des Angeklagten auf diesen Dritten zugefahren. Der Angeklagte und sein Bruder hatten dabei in Kauf genommen, dass der Dritte tödliche Verletzten erleiden konnte. Dies entsprach dem Tatplan beider. Der Geschädigte konnte auf die Motorhaube des Pkw springen und sich abrollen; er blieb unverletzt und ergriff die Flucht.

Kein eigenhändiges Delikt

Die hier in Rede stehende Straßenverkehrsgefährdung gemäß Strafgesetzbuch (hier: § 315b Abs. 1 StGB) ist kein eigenhändiges Delikt, bei dem der Täter nur durch ein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen kann. Der BGH hat die Verurteilung auch des Angeklagten daher nicht beanstandet.

Das war der Tatbeitrag

Der Angeklagte hatte das Kraftfahrzeug zwar nicht eigenhändig geführt. Er hatte aber das Tatfahrzeug zur Verfügung gestellt, das Fahrziel vorgegeben und war während der Tatausführung im Fahrzeug anwesend. Er konnte zudem Einfluss auf die Handlungen seines Bruders nehmen und wies ein erhebliches Tatinteresse auf, nachdem er zuvor mit dem Geschädigten Beleidigungen und Bedrohungen ausgetauscht hatte.

Quelle | BGH, Beschluss vom 16.8.2023, 4 StR 227/23

Vergütungsanspruch: Vergütung eines Betriebsrats darf nur unter engen Voraussetzungen gekürzt werden

| Das Landearbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat die Berufung der VW AG in einem Verfahren über den Vergütungsanspruch eines zu 100 % freigestellten Betriebsratsmitglieds zum größten Teil zurückgewiesen. |

Vergütung gekürzt und Differenz für vier Monate zurückgefordert

Die VW AG hatte sich veranlasst gesehen, die Vergütung des Klägers, eines Betriebsrats, von der Entgeltgruppe 20 auf die Entgeltgruppe 18 zu reduzieren. VW hat deshalb vom Kläger die Vergütungsdifferenz gut 500 Euro im Monat für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 zurückgefordert.

Dem hat der Kläger unter Vorbehalt entsprochen. Außerdem bezahlt VW seitdem eine Vergütung nach Entgeltgruppe 18. Der Kläger verlangt von VW einerseits die von ihm gezahlte Vergütungsdifferenz zurück und begehrt zudem die Feststellung, dass VW weiterhin verpflichtet sei, ihm monatlich Vergütung nach Entgeltgruppe 20 zu zahlen. Damit war er in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht (ArbG) erfolgreich.

Berufung des Arbeitgebers erfolglos

Die dagegen von VW eingelegte Berufung ist überwiegend erfolglos geblieben. Die Berufungskammer hat den Vergütungsanspruch des Klägers als begründet angesehen. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine hypothetische Karriereentwicklung dargelegt und VW diese nicht ausreichend bestritten.

Es sei davon auszugehen, dass der Kläger ohne Ausübung des Betriebsratsamtes die Entgeltgruppe 20 erreicht hätte. Die Entscheidung des ArbG hat daher mit geringfügigen Änderungen in Bezug auf den Zeitpunkt des beruflichen Aufstiegs des Klägers und der Verzinsung des Klageanspruchs Bestand.

Quelle | LAG Niedersachsen, Urteil vom 8.2.2024, 6 Sa 559/23, PM vom 12.2.2024