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Monats-Archive: Mai 2023

Keine Rechtsgrundlage: Stadt Düsseldorf darf „Auto-Posen“ nicht verbieten

| Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat nun klargestellt: Die Stadt Düsseldorf darf „Auto-Posen“, also Imponiergehabe mit meist Pkw, in ihrem Stadtgebiet nicht verbieten. Damit sind auch Zwangsgelder ausgeschlossen, um ein solches Verbot durchzusetzen. |

Geklagt hatte ein 22-jährger Autofahrer. Die Stadt hatte ihm vorgeworfen, mit einem hochmotorisierten Mercedes AMG C63 mit laut heulendem Motor an einer Ampel losgefahren zu sein, um die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zu ziehen. Sie verbot ihm dieses „Auto-Posen“ im ganzen Stadtgebiet für die Dauer von drei Jahren. Für weiteres „Posen“ drohte sie ihm ein Zwangsgeld von 5.000 Euro an. Das VG hat das Verbot aufgehoben.

Das VG: Für ein derartiges Vorgehen gegen „Auto-Poser“ steht der Stadt nach derzeit geltendem Recht keine Rechtsgrundlage zur Verfügung. Es können für das Stadtgebiet keine eigenen Verkehrsverbote nach NRW-Landesrecht erlassen werden. Der Straßenverkehr in Deutschland ist abschließend durch Bundesrecht geregelt, u.a. durch das Straßenverkehrsgesetz (StVG), die Straßenverkehrsordnung (StVO) und die Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Demnach kann das „Auto-Posen“, das gegen § 30 Abs. 1 StVO verstößt, derzeit lediglich mit einem Bußgeld von 80 bis 100 Euro geahndet werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwehr künftiger Gefahren werden für das „Auto-Posen“ derzeit nach Bundesrecht keine Punkte beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg eingetragen.

Das Fazit des Gerichts: Da das Bundesrecht bislang das „Auto-Posen“ nicht als besonders schwerwiegende Gefahr für die Verkehrssicherheit einschätzt und deshalb hierfür keine Punkte vorsieht, kann die örtliche Ordnungsbehörde keine strengeren Maßstäbe anlegen und eigenständig Zwangsgelder oder Verkehrsverbote aussprechen.

Quelle | VG Düsseldorf, Urteil vom 1.9.2022, 6 K 4721/21

Elterngeldberechnung: Höheres Elterngeld nur bei Einkommensverlusten wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung

| Einer schwangeren Frau steht kein höheres Elterngeld zu, wenn sie im Bemessungszeitraum arbeitslos war und ihren bisherigen Beruf schwangerschaftsbedingt nicht wieder aufnehmen konnte. Vielmehr kommt die Gewährung eines höheren Elterngelds nur in Betracht, wenn Ursache des geringeren Erwerbseinkommens eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung war. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) jetzt entschieden. |

Die Klägerin kann nicht beanspruchen, dass die Monate der Arbeitslosigkeit vor der Geburt ihres Kindes bei der Elterngeldberechnung unberücksichtigt bleiben und durch frühere Monate mit Erwerbseinkommen ersetzt werden, wie dies bei einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung vorgesehen ist. Eine solche Erkrankung lag bei ihr nicht vor. Die gesetzliche Regelung ist auch nicht entsprechend anzuwenden. Hierfür fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz.

Der Gesetzgeber hat abschließend geregelt, welche Tatbestände eine Verschiebung des Bemessungszeitraums für die Berechnung des Elterngelds ermöglichen. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf Einkommenseinbußen wegen Arbeitslosigkeit. Der Gesetzgeber durfte das wirtschaftliche Risiko von Arbeitslosigkeit bei der Regelung des Elterngelds als Einkommensersatzleistung ohne Verfassungsverstoß der Sphäre der Elterngeldberechtigten zuweisen.

Quelle | BSG, Urteil vom 9.3.2023, B 10 EG 1/22 R, PM 8/23

Ruhestandsregelung: Lehrkraft ist nur, wer auch an der Schule unterrichtet

| Eine Lehrerin, die ausschließlich als Referentin in der Schulverwaltung tätig ist und daher nicht an der Schule unterrichtet, hat keinen Anspruch darauf, früher in den Ruhestand zu gehen, als die übrigen Beamten des Landes. Für sie gilt die allgemeine Regelaltersgrenze (Ablauf des Monats, in dem das 67. Lebensjahre vollendet wird). Die für Lehrkräfte seit dem Jahr 2015 nach dem Landesbeamtengesetz geltende Privilegierung, dass diese bereits mit dem Ende des Schuljahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden, in den Ruhestand treten, gilt für sie nicht. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz und bestätigte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Trier. |

Das war geschehen

Die Klägerin war ursprünglich als Realschullehrerin im Schuldienst des Landes tätig. Nachdem sie im Jahr 2011 für schuldienstunfähig befunden worden war, erfolgte zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand zunächst ihre Abordnung und später Versetzung als Referentin in den Verwaltungsdienst bei der Schulbehörde. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass sie früher als nach der allgemeinen Regelaltersgrenze in den Ruhestand trete. Sie machte geltend, da sie weiterhin die Dienstbezeichnung „Realschullehrerin“ führe und dieses Statusamt innehabe, müsse sie unabhängig von ihrer konkreten Verwendung auch in den Genuss der speziellen und vorgezogenen Altersgrenze kommen, die für Lehrkräfte gelte.

Verwaltungsgericht: Klageabweisung

Das VG wies die Klage ab und bestätigte die Auffassung der Behörde, wonach unter den Begriff der Lehrkraft nur solche Lehrer fallen, die auch tatsächlich aktiv im Schuldienst eingesetzt sind. Den hiergegen gerichteten Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG ab.

Lehrkraft ist Lehrer nicht gleichzusetzen

Bereits durch die Verwendung des Begriffs „Lehrkraft“ statt „Lehrer“ im Landesbeamtengesetz (§ 37 Abs. 1 S. 4 LBG) habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die besondere Altersgrenze nur für diejenigen Lehrer gelten solle, die tatsächlich an der Schule unterrichteten. Seinem Sinn und Zweck nach wolle die Vorschrift in erster Linie sicherstellen, dass Lehrkräfte nicht mitten im Schuljahr ausschieden und es so zu für die Schüler nachteiligen Wechseln komme. Es werde derart in erster Linie organisatorischen und pädagogischen Bedürfnissen der Arbeit an der Schule Rechnung getragen.

Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass der Gesetzgeber im Jahr 2015 die Altersgrenze für Lehrkräfte lediglich um ein Jahr und nicht wie für die übrigen Landesbeamten stufenweise um zwei Jahre angehoben habe. Dafür, dass der Gesetzgeber diese Privilegierung auch auf Lehrer erstrecken wollte, die tatsächlich nicht im Schuldienst eingesetzt seien, gebe es im Gesetz und auch in der Gesetzesbegründung keinerlei Anhaltspunkte.

Quelle | OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29.11.2022, 2 A 10864/22.OVG, PM 17/22 vom 12.12.2022

Dienstrecht: Beamtin hat keinen Anspruch auf Sabbatjahr

| Kann die einjährige Freistellung eines Beamten mit zumutbaren personellen und organisatorischen Maßnahmen nicht kompensiert werden und ist eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung im Tätigkeitsbereich des Beamten ohne diesen nicht mehr gewährleistet, kann der Dienstherr das Sabbatjahr ablehnen. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |

Ein Jahr Freistellung

Die im Dienst des beklagten Landes Rheinland-Pfalz stehende Klägerin beantragte beim Beklagten, ihr Teilzeitbeschäftigung nach dem sog. Sabbatjahr-Modell zu bewilligen. Sie beabsichtigte, ihre Arbeitszeit von Mai 2023 bis April 2026 anzusparen, um von Mai 2026 bis April 2027 freigestellt werden zu können. Dies lehnte der Beklagte unter Hinweis auf entgegenstehende dienstliche Belange ab. Mangels Personalersatzes wäre während der Freistellung der Klägerin eine sachgerechte Aufgabenerfüllung in ihrem Aufgabenbereich nicht gewährleistet. Eine interne Vertretung scheide aufgrund der ohnehin bereits bestehenden Personalunterdeckung und der anhaltend hohen Arbeitsbelastung aus.

Weder Ersatz noch Vertretung möglich

Der Beklagte habe den Antrag der Klägerin auf ein Sabbatjahr zu Recht wegen entgegenstehender dienstlicher Gründe abgelehnt, so das VG. Zwar sei die Vertretungsnotwendigkeit als solche kein entgegenstehender dienstlicher Grund, weil sich dies als allgemeine, typischerweise mit der Teilzeitbeschäftigung verbundene zusätzliche Anforderung an Organisation und Personalwirtschaft darstelle. Jedoch sei der Beklagte im Rahmen des ihm zustehenden Organisationsermessens zutreffend zu der Einschätzung gelangt, dass während der Freistellungsphase der Klägerin mangels Personalersatzes und Möglichkeit interner Vertretung die Beeinträchtigung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs im Tätigkeitsbereich der Klägerin drohe. Ihre Freistellung würde zu einer Verschärfung der ohnehin schon bestehenden personellen Engpässe und damit zu einer Gefährdung der adäquaten und reibungslosen Aufgabenerfüllung im Tätigkeitsbereich der Klägerin führen. Dies könne nicht hingenommen werden, weil den Beklagten nicht nur eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten, sondern auch die im öffentlichen Interesse liegende Pflicht zur sachgemäßen und reibungslosen Erfüllung der dienstlichen Aufgaben treffe.

Keine Pflicht des Dienstherrn, individuelle Arbeitszeit zu ermöglichen

Soweit die Klägerin geltend mache, der Beklagte könne die befürchtete Personaldeckung durch eine vorausschauende Personalplanung kompensieren, greife sie in unzulässiger Weise in das Organisationsermessen ihres Dienstherrn ein. Der Dienstherr sei unter keinem denkbaren Gesichtspunkt verpflichtet, die Dienststellen des Landes derart personell auszustatten, dass Wünschen der Beamtinnen und Beamten nach individueller Gestaltung ihrer Arbeitszeit entsprochen werden könne.

Gegen die Entscheidung können die Beteiligten einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.

Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 28.2.2023, 5 K 1182/22.KO, PM 4/23