| Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße hat entschieden, dass die Fahrtenbuchauflage gegen ein Unternehmen rechtmäßig war, das u. a. Dienstleistungen im Bereich des Recycling- und Containerdienstes anbietet. |
Was war geschehen?
Im Juni 2020 wurde mit einem Fahrzeug des o. g., klagenden Unternehmens ein bußgeld- und punktebewehrter Verkehrsverstoß begangen. Nachdem der Geschäftsführer auf wiederholte Anfrage der Zentralen Bußgeldstelle mitgeteilt hatte, dass das Fahrzeug von mehreren Personen genutzt werde und aufgrund Zeitablaufs nicht mehr festgestellt werden könne, wer gefahren sei, fuhren Polizeibeamte zwecks Identifizierung zum Firmensitz. Der dort angetroffene Mitarbeiter gab gleichfalls an, dass das Fahrzeug sowohl beruflich als auch privat von mehreren Personen, unter anderem von ihm selbst, genutzt werde. Die auf dem „Blitzerfoto“ abgebildete Person sei ihm jedoch nicht bekannt. Weitere polizeiliche Ermittlungen blieben erfolglos. Interne Ermittlungen im Betrieb der Klägerin fanden nicht statt.
So sahen es die Ordnungsbehörde und der Kläger
Die beklagte Ordnungsbehörde ordnete eine Fahrtenbuchauflage für die Dauer von sechs Monaten nebst einer Pflicht zur Vorlage und Aufbewahrung an. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte das Unternehmen und machte u. a. geltend, dass das Fahrzeug weit überwiegend durch den Geschäftsführer und nur mit dessen ausdrücklicher Erlaubnis auch von anderen Mitarbeitern genutzt werde. Da sich der Geschäftsführer sicher sei, das Fahrzeug am Tattag nicht verliehen zu haben, müsse dieses widerrechtlich entweder von einem Mitarbeiter oder einem sonstigen Dritten genutzt worden sein. Ein solcher Vorfall lasse sich nicht durch eine Fahrtenbuchauflage verhindern, weshalb diese ungeeignet sei.
So sah es das Gericht
Das VG wies die Klage ab. Sie sei im Hinblick auf die Fahrtenbuchauflage unzulässig, da sich diese auf einen Zeitraum von sechs Monaten beziehe, der bereits abgelaufen sei. Ein besonderes Interesse an der Fortführung des Verfahrens in Form der sogenannten „Fortsetzungsfeststellungsklage“ sei nicht anzuerkennen. Insbesondere hätte der Kläger um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen können, was nicht geschehen sei. Eine Wiederholungsgefahr sei ebenso wenig anzunehmen wie ein Rehabilitationsinteresse, da eine Fahrtenbuchauflage per se keinen diskriminierenden Charakter aufweise und insbesondere nicht mit einem Unrechts- und Schuldvorwurf verbunden sei.
Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da die Fahrtenbuchauflage und die sonstigen Bestimmungen des angegriffenen Bescheids rechtmäßig seien. Bei der Behauptung, wonach das Fahrzeug widerrechtlich in Gebrauch genommen worden sei, handele es sich um prozesstaktisches Vorbringen, das in Widerspruch zur ersten Einlassung des Geschäftsführers und auch zur Aussage des von der Polizei vernommenen Mitarbeiters der Klägerin stehe.
Widersprüchlicher Vortrag des Unternehmens
Die Behauptung selbst erscheine bei lebensnaher Betrachtung unglaubhaft. Zum einen sei der diesbezügliche Vortrag widersprüchlich, da die Klägerin mit wechselnden Argumenten zunächst die „Täterschaft“ eines Dritten nicht habe ausschließen wollen, um diese Aussage zuletzt in der mündlichen Verhandlung auf einen nicht näher bezeichneten Täterkreis von mehr oder weniger engen Mitarbeitern des Geschäftsführers zu begrenzen. Weshalb es dann nicht möglich gewesen sein solle, den Täter oder die Täterin im Zuge einer internen Aufarbeitung zu bestimmen, erschließe sich nicht. Zum anderen erscheine auch die Behauptung als lebensfremd, wonach sowohl Mitarbeiter als auch Dritte und damit betriebsfremde Personen vor und nach der Tat ohne Weiteres unbemerkt Zugang zum Büro des Geschäftsführers und dessen Schreibtisch hätten nehmen können, in dem die Schlüssel des nach Angabe der Klägerin „hochwertigen Premiumfahrzeugs“ aufbewahrt worden seien. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb dann keine Anzeige erstattet worden sei, was nicht zuletzt unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten im kaufmännischen Eigeninteresse zwingend erforderlich erscheine oder der Vorfall nicht wenigstens arbeitsrechtlich aufgearbeitet worden sei.
Fahrtenbuchauflage angemessen
Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang darauf berufen habe, dass der Geschäftsführer „Besseres zu tun gehabt habe“ und von etwaigen polizeilichen Ermittlungen ohnehin kein erfolgreicher Ausgang zu erwarten sei, überzeuge dies nicht. Unabhängig von der Obliegenheit, ein Fahrtenbuch oder entsprechende innerbetriebliche Aufzeichnungen über die Nutzung eines betriebseigenen Fahrzeuges zu führen, sei der Kläger selbstverständlich verpflichtet, die Fahrzeugschlüssel zur Verhinderung einer unbefugten Ingebrauchnahme durch Betriebsangehörige und insbesondere betriebsfremde Dritte sicher zu verwahren. Folge: Die Fahrtenbuchauflage sei geeignet und damit verhältnismäßig gewesen.
Quelle | VG Neustadt, Urteil vom 12.1.2022, 3 K 588/21.NW, PM 6/22
| Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat jetzt zum Kennzeichenmissbrauch in der Form des „Gebrauchmachens“ Stellung genommen. Der Angeklagte hatte einen Kraftfahrzeuganhänger, an dessen Heckseite ein nicht für dieses Fahrzeug zugeteiltes Kennzeichen angebracht war, im öffentlichen Verkehrsraum am Straßenrand abgestellt. Das BayObLG hat für diesen Fall den Kennzeichenmissbrauch bejaht. |
Der Zweck der Vorschrift erfordert eine weite Auslegung des Begriffs des Gebrauchmachens. Dieses geht über das bloße Führen oder Schieben des Kraftfahrzeugs oder des Kraftfahrzeuganhängers hinaus. Es erfasst auch das Abstellen des Kraftfahrzeugs oder des Kraftfahrzeuganhängers am Straßenrand. Auch von einem in dieser Weise abgestellten Kraftfahrzeug oder Kraftfahrzeuganhänger kann eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen. Zudem kann das Abstellen den Tatbestand einer Verkehrsordnungswidrigkeit begründen.
Quelle | BayObLG, Urteil vom 3.11.2021, 203 StRR 504/21, Abruf-Nr. 226377 unter www.iww.de
| Ein Fahrzeughersteller lobte eine „Umweltprämie“ aus, die er selbst gewährte und die nichts mit staatlichen Umweltprämien zu tun hatte. Voraussetzung: Im Gegenzug zum Kauf eines Neufahrzeugs musste ein Käufer sein ihm gehörendes Altfahrzeug zur Entsorgung abliefern. Weitere Voraussetzung: Es musste sich bei dem Altfahrzeug um ein „noch rollfähiges Kraftfahrzeug“ handeln. Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg musste sich mit einem vermeintlich besonders „cleveren“ Käufer beschäftigen. |
Dieser Käufer des Neufahrzeugs brachte nämlich eine weitestgehend ausgeschlachtete Karosserie mit Türen zum Hersteller. An diesem Torso waren Schwerlastrollen montiert. Das entspreche nicht den Voraussetzungen, die der Hersteller definiert hatte, so das OLG. Ein Motorschaden sei danach kein Hindernis für die Prämie, ein Fahrzeugtorso aber schon. Denn das vom Käufer angebotene Altfahrzeug genügte bereits auf den ersten Blick nicht einmal ansatzweise den Anforderungen an ein Fahrzeug. Dessen Motivation bestand überdies darin, möglichst viele Fahrzeugbestandteile als Ersatzteile für andere Fahrzeuge zu verwerten, insbesondere auch den Motor, was dem Sinn und Zweck einer Umweltprämie zuwiderlaufe.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 29.7.2021, 13 U 236/21, Abruf-Nr. 226081 unter www.iww.de
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Maßgebend für die Höhe von Schmerzensgeld sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden und dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falls, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. In erster Linie sind Höhe und Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt. |
Das war geschehen
Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich verletzt. Über zwei Jahre verbrachte er im Rahmen von 13 stationären Aufenthalten insgesamt 500 Tage im Krankenhaus; u.a. musste der rechte Unterschenkel amputiert werden. Der Kläger ist seither zu mindestens 60 Prozent in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Die Einstandspflicht der Beklagten (Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Pkw) stand außer Streit.
Das Landgericht (LG) hat dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro zugesprochen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht (OLG) die Beklagten zu einem Schmerzensgeld von 200.000 Euro verurteilt.
Keine rechnerische Lösung
Das OLG hatte das Schmerzensgeld nach der Methode der sog. „taggenauen Berechnung“ ermittelt. Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Nach der Entscheidung des BGH gilt: Die „taggenaue Berechnung“ des Schmerzensgelds ist abzulehnen. Die schematische Konzentration auf die Anzahl der Tage, die der Kläger auf der Normalstation eines Krankenhauses verbracht hat und die er nach seiner Lebenserwartung mit der dauerhaften Einschränkung voraussichtlich noch wird leben müssen, lässt wesentliche Umstände des konkreten Falles außer Acht. So bleibt unbeachtet, welche Verletzungen der Kläger erlitten hat, wie die Verletzungen behandelt wurden und welches individuelle Leid bei ihm ausgelöst wurde. Gleiches gilt für die Einschränkungen in seiner zukünftigen individuellen Lebensführung. Auch die Anknüpfung an die statistische Größe des durchschnittlichen Einkommens trägt der notwendigen Orientierung an der gerade individuell zu ermittelnden Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten nicht hinreichend Rechnung. Das OLG muss daher erneut über die Höhe des Schmerzensgelds befinden.
Quelle | BGH, Urteil vom 15.2.2022, VI ZR 937/20, PM 20/22
| Das Berufsleben von Kameraleuten beim Film besteht häufig aus befristeten Engagements. Hierzu hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen entschieden: Mütter dürfen bei der Elterngeldberechnung nicht benachteiligt werden, wenn sie wegen der Schwangerschaft keine neue Beschäftigung bekommen. |
Geklagt hatte eine Kameraassistentin aus dem Landkreis Harburg. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt durch Zeitverträge bei Filmproduktionen. Bis zum nächsten Engagement war sie jeweils arbeitslos. Nachdem sie im Jahr 2017 schwanger wurde, durfte sie nicht mehr arbeiten und bezog Arbeitslosengeld.
Nach der Geburt ihres Kindes berechnete der Landkreis das Elterngeld der Mutter, wobei er für die letzten fünf Monate ein Arbeitseinkommen von Null Euro zugrunde legte. Er verwies darauf, dass nach dem Gesetz lediglich Einkommensausfälle wegen Krankheit ausgeklammert werden dürften.
Dem hielt die Frau entgegen, dass sie wegen der körperlichen Belastungen während der Schwangerschaft nicht arbeiten dürfe. Denn bei der Arbeit gebe es neben Tragebelastungen beim Umbau von Kamera und Stativ auch Nachtarbeit und tägliche Arbeitszeiten bis zu 13 Stunden. In der Folge erhalte sie nicht wie vom Gesetzgeber gewollt Elterngeld auf Grundlage der letzten 12 Arbeitsmonate, sondern nur 7/12 des eigentlichen Betrags.
Das LSG hat zur Berechnung auf die letzten 12 Arbeitsmonate abgestellt und hierzu die gesetzlichen Krankheitsregelungen analog angewandt. Es hat die erweiterte Gesetzesauslegung mit dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag werdender Mütter begründet, die einen Anspruch auf Schutz und Fürsorge durch die Gemeinschaft hätten.
Der Gesetzgeber habe den Fall von abhängigen Kettenbeschäftigungen übersehen, in dem eine neue Beschäftigung aus Gründen des Arbeitsschutzes nicht in Betracht komme. Das „besondere gesundheitliche Risiko“ von Schwangeren dürfe ihnen bei der Berechnung des Elterngeldes nicht zum Nachteil gereichen. Dabei sei eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung nur ein Teil des Risikos, das sich auch in anderen Bereichen auswirken könne.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.1.2022, L 2 EG 4/20, PM vom 14.2.2022
| Wer als Nicht-EU-Bürger mit einer Unionsbürgerin online über die Website der Behörden des Bundesstaates Utah der USA die Ehe schließt, hat keinen Anspruch auf Erhalt einer Bescheinigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden. |
Das war geschehen
Ein türkischer Staatsangehöriger und eine bulgarische Staatsangehörige hatten sich im Juni 2021 in Duisburg per Videokonferenz das Ja-Wort gegeben, das ein Behördenmitarbeiter des US-Bundesstaates Utah protokolliert hatte. Hierüber haben sie eine diesen Akt bestätigende „Marriage License & Certificate of Marriage“ des Staates Utah vorgelegt.
Der türkische Staatsangehörige hat bei der Ausländerbehörde der Stadt Duisburg beantragt, ihm eine Bescheinigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (hier: § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU) auszustellen, dass er die für den Erhalt einer sog. Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern erforderlichen Angaben gemacht hat. Mit einer solchen Aufenthaltskarte wird ein ordnungsgemäßer Aufenthalt im Bundesgebiet nachgewiesen. Nachdem die Ausländerbehörde diesen Antrag abgelehnt hat, ist nun auch der Eilantrag vor dem VG erfolglos geblieben.
Online-Eheschließung in Deutschland ungültig
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, Familienangehöriger einer Unionsbürgerin zu sein. Die Eheschließung sei in Deutschland nicht gültig. Bei Anwendung des nationalen Rechts ergebe sich dies aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 1310 Abs. 1, § 1311 BGB), wonach die Ehe persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit vor einem Standesbeamten geschlossen werden müsse.
Auch nach Internationalem Privatrecht fehle es an einer wirksamen Eheschließung, weil die beiden Personen bei der Abgabe des Eheversprechens nicht in Utah, sondern in Duisburg anwesend gewesen seien.
Schließlich könne sich der Antragsteller nicht auf eine Vergleichbarkeit zur sog. „Dänemark-Ehe“ berufen, die nach aufenthaltsrechtlicher Rechtsprechung wirksam sei, wenn die Eheleute vor einem dänischen Standesamt persönlich anwesend gewesen seien. An einer solchen Anwesenheit vor einem ausländischen Standesbeamten habe es hier gefehlt.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 15.2.2022, 7 L 122/22, PM vom 16.2.2022
| Erben sollen künftig leichter Auskünfte über mögliche Konten oder Depots von Verstorbenen aus allgemein zugänglichen Quellen erhalten. Am 11.3.2022 beschloss der Bundesrat daher, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen. |
Das Problem: Nach Schätzungen liegen zwischen zwei und neun Milliarden Euro auf sogenannten herrenlosen Konten von Verstorbenen, ohne dass ihre Erben davon wissen. Hinterlässt ein Verstorbener keine Hinweise auf ihm gehörende (Online-)Konten, können Erben nach aktueller Rechtslage hiervon kaum Kenntnis erhalten. Auskunftsersuchen scheitern oft am Bankgeheimnis.
Die Lösung: Der Bundesrat schlägt ein bundesweites Online-Verzeichnis beim Bundesamt für Justiz vor, an das automatisiert Daten Verstorbener sowie die Namen ihrer Kreditinstitute zu melden sind, sofern kein Erbe in angemessener Zeit Anspruch darauf erhoben hat. Ähnliches wird bereits beim Abruf von Kirchensteuerabzugsmerkmalen praktiziert.
Mögliche Erben könnten so Informationen erhalten, die es ihnen ermöglichen, Ansprüche gegenüber Banken geltend zu machen. Anlassloses Durchstöbern Nichtberechtigter soll durch Registrierungsvorgaben verhindert werden.
Quelle | Bundesrat Kompakt vom 11.3.2022
| Nach dem Tod des Erblassers unterzeichneten gesetzliche Erben bei einer Sparkasse ein mit „Nachlassverfügung mit Haftungserklärung“ überschriebenes Formular. Später schlugen die Erben die Erbschaft aus. Fraglich war, ob die Erben mit dem Unterzeichnen des Formulars die Erbschaft bereits stillschweigend angenommen hatten, sodass sie nicht mehr hätten ausschlagen können. Das Oberlandesgericht (OLG) München sieht in der Unterzeichnung des Formulars keine schlüssig erklärte Annahme der Erbschaft. |
Das OLG: Die „Nachlassverfügung“ dient der Haftungsfreistellung der Bank für den Fall, dass sich etwaige Auszahlungen ohne Vorlage eines Erbscheins im Nachhinein als Leistungen an Nichtberechtigte erweisen. Sie diene somit vorrangig dem Sicherungsinteresse der Bank.
Die Annahme einer Erbschaft durch schlüssiges Verhalten setzt eine nach außen erkennbare Handlung voraus, aus der der Schluss zu ziehen ist, der Erbe habe sich zur endgültigen Übernahme des Nachlasses entschieden.
Im Hinblick darauf, dass die Annahme ohnehin spätestens mit Ablauf der Ausschlagungsfrist eintritt und diese im Regelfall relativ kurz bemessen ist, vertritt die herrschende Meinung die Auffassung, dass die Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten im Zweifel nur zurückhaltend zu bejahen sein sollte. Dies gelte schon deshalb, weil auch dem vorläufigen Erben, der sein Ausschlagungsrecht noch nicht verlieren möchte, die Verwaltung des Nachlasses zusteht.
Hier war noch die Besonderheit, dass das Formular um die Formulierung ergänzt war: „Derzeit ist keine Übertragung gewünscht, diese erfolgt nach Vorlage des Erbscheins. Lediglich das Girokonto Nr. … wird wieder für den Zahlungsverkehr freigeschaltet.“ Daraus schloss das OLG, dass die Unterzeichner gerade nicht auf das Vermögen des Erblassers uneingeschränkt zugreifen wollten. Allein das Girokonto sollte für den Zahlungsverkehr freigeschaltet werden. Diese Maßnahme dient aber allein der Verwaltung des Nachlasses, die auch dem nur vorläufigen Erben zusteht.
Weiter wollten die Unterzeichner Auskunft über Bestand und Umfang der Konten des Erblassers erlangen. Eine solche Maßnahme stellt nicht bereits eine schlüssige Annahme der Erbschaft dar, sondern dient der Abklärung der Entscheidung über die Annahme der Erbschaft wie auch dazu, diese Entscheidung auf eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen.
Quelle | OLG München, Beschlüsse vom 22.12.2021, 31 Wx 487/19, 31 Wx 488/19, Abruf-Nr. 226997 unter www.iww.de
| Nach dem Tod des Erblassers unterzeichneten gesetzliche Erben bei einer Sparkasse ein mit „Nachlassverfügung mit Haftungserklärung“ überschriebenes Formular. Später schlugen die Erben die Erbschaft aus. Fraglich war, ob die Erben mit dem Unterzeichnen des Formulars die Erbschaft bereits stillschweigend angenommen hatten, sodass sie nicht mehr hätten ausschlagen können. Das Oberlandesgericht (OLG) München sieht in der Unterzeichnung des Formulars keine schlüssig erklärte Annahme der Erbschaft. |
Das OLG: Die „Nachlassverfügung“ dient der Haftungsfreistellung der Bank für den Fall, dass sich etwaige Auszahlungen ohne Vorlage eines Erbscheins im Nachhinein als Leistungen an Nichtberechtigte erweisen. Sie diene somit vorrangig dem Sicherungsinteresse der Bank.
Die Annahme einer Erbschaft durch schlüssiges Verhalten setzt eine nach außen erkennbare Handlung voraus, aus der der Schluss zu ziehen ist, der Erbe habe sich zur endgültigen Übernahme des Nachlasses entschieden.
Im Hinblick darauf, dass die Annahme ohnehin spätestens mit Ablauf der Ausschlagungsfrist eintritt und diese im Regelfall relativ kurz bemessen ist, vertritt die herrschende Meinung die Auffassung, dass die Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten im Zweifel nur zurückhaltend zu bejahen sein sollte. Dies gelte schon deshalb, weil auch dem vorläufigen Erben, der sein Ausschlagungsrecht noch nicht verlieren möchte, die Verwaltung des Nachlasses zusteht.
Hier war noch die Besonderheit, dass das Formular um die Formulierung ergänzt war: „Derzeit ist keine Übertragung gewünscht, diese erfolgt nach Vorlage des Erbscheins. Lediglich das Girokonto Nr. … wird wieder für den Zahlungsverkehr freigeschaltet.“ Daraus schloss das OLG, dass die Unterzeichner gerade nicht auf das Vermögen des Erblassers uneingeschränkt zugreifen wollten. Allein das Girokonto sollte für den Zahlungsverkehr freigeschaltet werden. Diese Maßnahme dient aber allein der Verwaltung des Nachlasses, die auch dem nur vorläufigen Erben zusteht.
Weiter wollten die Unterzeichner Auskunft über Bestand und Umfang der Konten des Erblassers erlangen. Eine solche Maßnahme stellt nicht bereits eine schlüssige Annahme der Erbschaft dar, sondern dient der Abklärung der Entscheidung über die Annahme der Erbschaft wie auch dazu, diese Entscheidung auf eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen.
Quelle | OLG München, Beschlüsse vom 22.12.2021, 31 Wx 487/19, 31 Wx 488/19, Abruf-Nr. 226997 unter www.iww.de
| Ein Arbeitnehmer ist unfallversichert, wenn er ein Fahrrad, das sein Arbeitgeber für ihn geleast hat, außerhalb seiner eigentlichen Arbeitszeit, aber in Erfüllung einer vertraglichen Pflicht und mit bestimmten Vorgaben des Arbeitgebers zu einer alljährlichen Inspektion in eine Vertragswerkstatt bringt. Das entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg und gab der verunfallten Arbeitnehmerin recht. |
Die Arbeitnehmerin ließ das ihr zur Verfügung gestellte E-Bike warten. Zur Abholung ging sie nach der Arbeit zu Fuß von ihrer Arbeitsstätte zur Werkstatt. Dort übernahm sie das Rad und fuhr damit in Richtung ihrer Wohnung los. Noch in derselben Straße, an der auch die Werkstatt liegt, öffnete der Fahrer eines am Straßenrand parkenden Pkw die Autotür, ohne auf den Verkehr zu achten, woraufhin die Klägerin gegen die Tür stieß und stürzte. Sie wurde mit dem Rettungswagen in die Klinik gebracht und dort drei Tage stationär behandelt. Der weitere Heilungsverlauf gestaltete sich schwierig.
Die Klägerin absolvierte eine mehrfach verlängerte stationäre Rehabilitation. Ihre unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit dauerte rund acht Monate. Nach dem letzten aktenkundigen medizinischen Befundbericht war die Klägerin weiterhin nur mit Unterarmgehstützen mobil, die Streckung und Beugung des linken Knies waren erheblich verringert; auch die Beweglichkeit des linken (oberen) Sprunggelenks war eingeschränkt.
Die Versicherung lehnte es ab, einen Arbeitsunfall anzuerkennen. Hierauf klagte die Arbeitnehmerin und erhielt vom LSG Recht. Das Gericht stellte fest: Überbürdet der Arbeitgeber im Rahmen eines Jobrad-Modells eine spezifische Pflicht zur alljährlichen Wartung des von ihm geleasten Rades seinen Beschäftigten durch vorformulierte Vertragsklauseln und macht er diesen konkrete Vorgaben hierfür, ist die Wartung eine versicherte dienstliche Tätigkeit. Verunglückt der Beschäftigte auf dem Weg von einer solchen Jahreswartung seines Fahrrads nach Hause, liegt ein versicherter Wegeunfall vor.
Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Rechtsfrage, um die es hier ging, habe grundsätzliche Bedeutung.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2021, L 1 U 779/21, Abruf-Nr. 227027 unter www.iww.de