| Nach dem Tod eines der Ehegatten kündigte das Nachlassgericht an, das gemeinschaftliche Testament seinem gesamten Inhalt nach auch den Kindern gegenüber zu eröffnen. Dagegen wehrte sich der überlebende Ehegatte mit dem Argument, dass die Bekanntgabe der Verfügungen, die die gemeinsamen Kinder aktuell nicht beträfen, seinem Geheimhaltungsinteresse zuwiderlaufen würde. Dem hat das Oberlandesgericht (OLG) München in einem aktuellen Beschluss aber entschieden widersprochen. |
Das Gericht muss den Beteiligten den sie betreffenden Inhalt der Verfügung von Todes wegen bekannt geben. Beteiligte sind dabei alle, denen durch die Verfügung ein Recht gewährt oder genommen oder deren Rechtslage in sonstiger Weise unmittelbar beeinflusst wird. Die gemeinsamen Kinder des Erblassers und seiner Ehefrau, die durch das gemeinschaftliche Testament zunächst enterbt werden, sind dabei bereits Beteiligte kraft Gesetzes.
Eine Ausnahme bilden gemeinschaftliche Testamente. Da grundsätzlich nur die Verfügungen des verstorbenen Ehepartners zu eröffnen sind, müssen danach die Verfügungen des überlebenden Ehepartners nicht bekannt gegeben werden, wenn und soweit es sich tatsächlich um trennbare Verfügungen handelt. Allerdings kommt es nicht auf die Wünsche und etwaige Geheimhaltungsinteressen der Eheleute an, sondern schlicht auf die Frage der Trennbarkeit. Die Trennbarkeit ist nur gegeben, wenn beide Erbfälle in dem Testament getrennt gestaltet und formuliert sind.
Quelle | OLG München, Beschluss vom 7.4.2021, 31 Wx 108/21, Abruf-Nr. 222416 unter www.iww.de
| Das Amtsgericht (AG) Hamburg-Wandsbek hat jetzt bei der fiktiven Abrechnung eines Unfallschadens klargestellt: Auch soweit der Prüfbericht den Ansatz eines zu hohen Reifenpreises beanstandet, belegt das Nennen einer Bezugsquelle mit einem niedrigeren Preis nicht, dass der vom Sachverständigen ermittelte Preis unangemessen oder unüblich ist. |
Oft wird in Prüfberichten auf den Preis eines Reifendiscounters abgestellt. Doch darauf kommt es nicht an. Der Preis muss im üblichen Rahmen liegen. Das genügt.
Quelle | AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 1.6.2021, 715 C 81/21, Abruf-Nr. 223184 unter www.iww.de
| Um einem gesetzlichen Erben den Pflichtteil wirksam entziehen zu können, müssen Erblasser sowohl formal als auch inhaltlich hohe Hürden überwinden. Insbesondere kann eine körperliche Auseinandersetzung nur dann dazu führen, dass der Pflichtteilsanspruch entfällt, wenn es sich um ein schweres Vergehen gegen den Erblasser gehandelt hat. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Rechtsstreit entschieden. Der testamentarisch übergangene gesetzliche Erbe hatte eine an seiner Stelle bedachte soziale Einrichtung verklagt. Diese muss ihm nun seinen 50%igen Pflichtteil auszahlen und auch die Verfahrenskosten tragen. |
Sachverhalt
Die Eltern des Mannes hatten ihn 1997 in einem notariellen Erbvertrag enterbt und zusätzlich angeordnet, dass ihm der Pflichtteil entzogen werden soll. Als Begründung gaben sie an, dass der Sohn seine Mutter ein Jahr zuvor mehrfach geschlagen und sie hierbei eine Schädelprellung erlitten habe. Diese Pflichtteilsentziehung wollte der Mann nach dem Tod der Mutter nicht akzeptieren und klagte gegen die als Erbin eingesetzte soziale Einrichtung.
Landgericht: unwirksame Pflichtteilsentziehung
Die Klage hatte vollen Erfolg. Nach Ansicht des LG war die Entziehung des Pflichtteils im Erbvertrag bereits aus formalen Gründen unwirksam. Um zu verhindern, dass nachträglich weitere Gründe nachgeschoben werden, müsse das maßgebliche Fehlverhalten des Erben bereits im Testament eindeutig geschildert sein. Hier sei aber gerade nicht festgehalten worden, welche Hintergründe zu der Auseinandersetzung geführt und welche Folgen dies gehabt habe. Da der Streit im Gerichtsverfahren zudem nicht aufgeklärt werden konnte, bleibe es denkbar, dass sich die Körperverletzung bei einem spontanen Streit oder im Affekt zugetragen habe. Dies rechtfertige nicht zwingend eine Pflichtteilsentziehung, denn nur ein schweres Vergehen gegen den Erblasser könne zum Verlust des Pflichtteils führen. Ein solches schweres Vergehen gegen die Mutter hätte der bedachte Verein aber nachweisen müssen.
Hohe Hürden für Pflichtteilsentziehung
Es sei zudem zu vermuten, dass der angebliche Vorfall aus 1996 nicht der Hauptgrund für die Pflichtteilsentziehung gewesen sei. Es sei, so das Gericht, eher davon auszugehen, dass die Eltern mit dem Lebenswandel ihres Sohnes nicht mehr einverstanden gewesen seien. Dies rechtfertige es jedoch nicht, dem Sohn seinen verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Erbes zu entziehen.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 11.3.2021, 8 O 308/20, PM vom 22.7.2021
| Die Probefahrt nach der Unfallreparatur muss keine kostenfreie Serviceleistung der Werkstatt sein. Der Aufwand, der in einem erheblichen Zeitaufwand besteht, ist nach Ansicht des Amtsgerichts (AG) Stade wie jeder andere für die Reparatur erforderliche Arbeitsschritt auch gesondert zu vergüten. Er ist vom Schädiger bzw. dem dahinterstehenden Versicherer zu erstatten. |
Dies gilt aber nur, wenn die Probefahrt infolge der Unfallreparatur notwendig war. Eine Probefahrt, die etwa nur ein Gespräch über eine ggf. weitere unfallunabhängige Reparatur vorbereiten soll, ist nicht notwendig.
Quelle | AG Stade, Urteil vom 19.7.2021, 63 C 305/21, Abruf-Nr. 224115 unter www.iww.de
| Kinderbetreuung ist längst nicht überall in Deutschland beitragsfrei. Für viele Eltern ist die Fürsorge für ihren Nachwuchs deshalb auch eine Kostenfrage. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis einer neuen Sonderauswertung der Lohn- und Einkommensteuerstatistik mitteilt, bezahlten Eltern im Jahr 2017 durchschnittlich 1.310 Euro jährlich für die Betreuung ihrer Kinder. Die Ergebnisse sind aufgrund der langen Fristen zur Steuerveranlagung erst etwa dreieinhalb Jahre nach Ende des Veranlagungsjahres verfügbar. |
Diese Angaben beziehen sich auf die 3,2 Millionen Kinder unter 14 Jahren, deren Eltern 2017 Kinderbetreuungskosten in ihrer Steuererklärung angegeben haben. Bei den unter 3-Jährigen erklärten Eltern für 29 % der Kinder Betreuungskosten, zu denen auch Ausgaben für Tagesmütter und -väter oder Au-pairs zählten. In den Altersgruppen von 3 bis 5 Jahren waren es gut zwei Drittel (trotz teilweise beitragsfreier Kindergartenjahre), von 6 bis 10 Jahre (Grundschulalter) 44 % und von 11 bis 13 Jahren noch 10 % der Kinder, die beitragspflichtig betreut wurden.
Quelle | Destatis, Pressemitteilung Nr. 483 vom 14.10.2021
| Wer im Erholungsurlaub arbeitsunfähig erkrankt, dem werden die Krankheitstage nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet. So steht es im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Der Arbeitgeber zahlt dann Entgelt und nicht etwa Urlaubsentgelt. Was ist aber, wenn sich ein Arbeitnehmer im Urlaub ohne selbst infiziert zu sein nur aufgrund eines Kontaktes mit einer an Covid-19 erkrankten Person in Quarantäne begeben muss? In diesem Fall gewährt der Arbeitgeber dennoch den beantragten und genehmigten Urlaub des Arbeitnehmers. Die Quarantänetage werden also auf den Urlaub angerechnet. Dies hat das Arbeitsgericht (ArbG) Neumünster entschieden. |
Das war geschehen
Die Arbeitgeberin (Beklagte) hatte dem klagenden Arbeitnehmer, wie beantragt, Urlaub für den 23. bis 31.12.20 genehmigt. Danach ordnete das Gesundheitsamt für den Kläger für den Zeitraum vom 21.12.20 bis 4.1.21 Quarantäne an. Die Beklagte zahlte für die beantragte Zeit Urlaubsentgelt und rechnete die Tage auf den Urlaubsanspruch des Klägers an.
So argumentiert der Arbeitnehmer
Der Kläger ist der Auffassung, dass sein Urlaubsanspruch nach wie vor bestehe. Die Arbeitgeberin habe ihm für Dezember 2020 nicht wirksam Urlaub gewährt. Durch die Quarantäne sei die Leistungsfähigkeit des Klägers weggefallen. Deshalb könne die Arbeitgeberin ihm überhaupt keinen Urlaub gewähren. Im Übrigen sei ihm eine frei und selbst gewählte Urlaubsgestaltung gar nicht möglich gewesen.
So argumentiert das Arbeitsgericht
Dieser Argumentation ist das ArbG nicht gefolgt. Das BUrlG (hier § 9) ist nicht auf den Fall der Anordnung einer Quarantäne analog anzuwenden. Bei der Schaffung der Vorschrift war die Unterscheidung zwischen Krankheit und bloßem zu einer Quarantäneanordnung führenden seuchenbezogenen Risiko bereits bekannt. Seinerzeit galt das Bundesseuchengesetz. Der Gesetzgeber hat mit § 9 BurlG eine besondere Situation der Urlaubsstörung herausgegriffen und die anderen Fälle nicht entsprechend geregelt. Es handelt sich um eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschrift. Im Übrigen ist eine klare Grenzziehung bei der Frage, wer das Risiko für die Urlaubsstörung trägt, nur möglich und praktikabel, wenn allein auf die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers abgestellt wird.
Die Berufung ist gesondert zugelassen worden, das Urteil damit noch nicht rechtskräftig.
Quelle | ArbG Neumünster, Urteil vom 3.8.2021, 3 Ca 362 b/21, PM vom 3.8.2021
| Der Umstand, dass der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall mehrere Monate wartet, bevor er sich ein Ersatzfahrzeug anschafft, begründet eine tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen. So sieht es das Oberlandegericht (OLG) Dresden. |
Diese Vermutung wird nach Ansicht des OLG nicht durch den Vortrag entkräftet, zu einer Neuanschaffung nicht in der Lage zu sein, wenn der Geschädigte ein regelmäßiges Arbeitseinkommen erzielt, keine Zahlungsverpflichtungen bestehen und das Girokonto im Plus geführt wird. So ist nämlich davon auszugehen, dass der Geschädigte sich einen Kredit zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und hierdurch auch nicht über Gebühr belastet wird.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 17.5.2021, 4 U 382/21, Abruf-Nr. 224635 unter www.iww.de
| Die Fahrerlaubnisbehörde ist zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet, wenn der Fahrzeughalter bei seiner Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage nur vage Angaben zu einem in Frage kommenden großen Personenkreis macht und es deshalb an hinreichend konkreten Beweisanzeichen fehlt, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschieden. |
Der VGH: Art, Zeitpunkt und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei. Sie ist nicht verpflichtet, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden. Diese hängen vielmehr von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters ab, an der Feststellung des Fahrers mitzuwirken.
Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellung des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und aus seinem Verhalten im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf fehlende Mitwirkungswirkungsbereitschaft schließen. Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden. Er ist insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einschränkt.
Unterbleiben dahingehende Angaben oder lehnt der Fahrzeughalter eine Mitwirkung erkennbar ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben.
Quelle | Hessischer VGH, Urteil vom 28.7.2021, 2 A 1463/20 unter www.iww.de
| Grobe Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Vorgesetzten stellen einen Grund für eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung dar. Solche Entgleisungen sind als so schwerwiegend anzusehen, dass das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufzulösen, das Interesse des Arbeitnehmers an Weiterbeschäftigung überwiegt. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es dann nicht. So entschied jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Arbeitnehmer erhielt Kündigung und bedrohte daraufhin Geschäftsführer
Der Arbeitnehmer war ins Büro des Geschäftsführers zitiert worden. Dort überreichte ihm dieser für den Arbeitnehmer überraschend sein Kündigungsschreiben zur ordentlichen Kündigung. Der Arbeitnehmer wollte daraufhin eigentlich gehen. Er sei dann aber umgekehrt und habe den Geschäftsführer beschimpft: Er sei „wie Hitler“ und wolle „die schwarzen Köpfe ausmerzen“. Der Arbeitnehmer hatte wohl auch arabische Flüche ausgestoßen und zudem geäußert, er werde mit seinen Kindern in den Betrieb kommen, damit sie sehen könnten, wer dafür verantwortlich sei, dass sie nichts zu essen hätten.
Schwerwiegende Entgleisung rechtfertigt fristlose Kündigung
Der Kündigung waren etliche Streitigkeiten vorausgegangen. So war der Arbeitnehmer bereits abgemahnt worden. Das LAG: Das gesamte o. g. Verhalten des Arbeitnehmers stelle eine bedrohliche Handlung gegenüber dem Geschäftsführer dar. Diese Entgleisungen seien als so schwerwiegend anzusehen, dass das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufzulösen, das Interesse des Arbeitnehmers an Weiterbeschäftigung überwiege. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere auch keine vorherige Abmahnung.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 6.11.2020, 10 Sa 280/19
| Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat jetzt klargestellt: Der Antrag des Arbeitnehmers auf Teilzeit während der Elternzeit muss den Bestimmtheitsanforderungen entsprechen, wie sie allgemein an Vertragsanträge gestellt werden. Daher wird ein Antrag diesen Anforderungen nicht gerecht, wenn die gewünschte wöchentliche Stundenzahl mit der Einschränkung „voraussichtlich“ angegeben wird. |
Folge: Verwendet der Arbeitnehmer das Wort dennoch, ist der Antrag unwirksam. Die beabsichtigte Teilzeittätigkeit ist nicht möglich.
Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.3.2021, 6 Sa 746/20, Abruf-Nr. 224093 unter www.iww.de