| Ist das unfallbeschädigte Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt erst ca. drei Monate alt, liegt der Wiederbeschaffungswert bei knapp mehr als 30.000 Euro und betragen die Reparaturkosten ca. 3.100 Euro, ist eine Wertminderung anzunehmen. Dies hat das Amtsgericht (AG) Köln jetzt entschieden. |
Der Versicherer wollte wegen des im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert niedrigen Schadens keine Wertminderung erstatten. Der Geschädigte hatte demgegenüber auf Grundlage des Schadengutachtens 350 Euro eingeklagt. Der Gerichtsgutachter hielt 500 Euro für richtig. Daraufhin hatte der Geschädigte die Klage entsprechend erweitert.
Das AG hat die Kernargumente des Gerichtsgutachters übernommen: Da der Pkw bei dem Unfall erst knapp drei Monate alt war und mit rund 2.725 km eine geringe Laufleistung aufweist, konkurriert er auf dem Markt mit Fahrzeugen, die aufgrund ihres Alters in der Regel keine Vorschäden aufweisen. Folge: Bei solchen Fahrzeugen ist ein deutlicher Preisnachlass als Kaufanreiz anzubieten, damit ein Käufer bereit ist, über 30.000 Euro in ein junges Gebrauchtfahrzeug zu investieren und nicht auf ein unbeschädigtes Fahrzeug zurückgreift.
Quelle | AG Köln, Urteil vom 14.5.2021, 269 C 125/20, Abruf-Nr. 222894 unter www.iww.de
| Wer das eigene Fahrzeug mit einem fremden Fahrzeug beschädigt, muss im Hinblick auf die Abrechnungsmöglichkeit mit dem Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeugs vorsichtig sein. Je nach Fall kann die verschuldensunabhängige Halterhaftung aus der sog. Betriebsgefahr ausgeschlossen sein, sodass der Versicherer des Schädigerfahrzeugs nicht eintrittspflichtig ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |
Seine Hilfsbereitschaft wurde einem Autofahrer zum Verhängnis: Der Geschädigte wollte einem anderen Verkehrsteilnehmer helfen, dessen Auto auszuparken, weil der als Rollstuhlfahrer so, wie sein Fahrzeug stand, nicht einsteigen konnte. Dann kam der Geschädigte aber mit der speziellen Bedieneinrichtung nicht zurecht, verlor die Kontrolle und beschädigte sein eigenes, ebenfalls dort geparktes Fahrzeug. Der BGH: Dieser Vorgang fällt unter eine Ausnahmeregelung der Straßenverkehrsordnung, sodass die Halterhaftung nicht greift, weil der Geschädigte selbst beim Betrieb des Schädigerfahrzeugs tätig war.
Ähnlich ist es auch bei Unfällen zu sehen, wenn jemand mit seinem Privat-Pkw vorneweg fährt und dessen Halter mit einem Firmenwagen hinterherfährt oder der Werkstattmitarbeiter ein Kundenfahrzeug fährt und seinen eigenen Pkw beschädigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 12.1.2021, VI ZR 662/20, Abruf-Nr. 220344 unter www.iww.de
| Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat über die Klage eines Fahrradkuriers eines Lieferdienstes entschieden. Der Auslieferer, der Bestellungen von Essen und Getränken bei Restaurants abholt und zu den Kunden bringt, hat gefordert, dass ihm für seine Tätigkeit ein Fahrrad und ein Smartphone zur Verfügung gestellt wird. Er sei nicht verpflichtet, sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Smartphone einschließlich des erforderlichen Datenvolumens für die Internetnutzung zu verwenden, wenn er arbeite. |
Der Kläger hatte mit seiner Klage Erfolg, ebenso ein Kollege, der vom Lieferdienst nur verlangte, ihm für die Auslieferungen ein Smartphone zu stellen.
Beide Fahrradlieferanten sind Arbeitnehmer des Lieferdienstes. In ihren Arbeitsverträgen ist bestimmt, dass sie während der Einsätze Ausstattung („Equipment“) des Lieferdienstes benutzen, wofür ein Pfand von 100 Euro einbehalten wird, wie in einem separaten Vertrag geregelt. Zu diesem Equipment gehören weder das Fahrrad noch ein Smartphone. Ein Smartphone ist notwendig, weil die App des Lieferdienstes verwendet werden muss. Die Fahrer sind nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nur auf Fahrrädern in verkehrstauglichem Zustand zu fahren. Außerdem können sie was nicht im Arbeitsvertrag geregelt wurde je gearbeiteter Stunde ein Guthaben von 0,25 Euro für Fahrradreparaturen bei einem Vertragspartner ihres Arbeitgebers abrufen.
Das LAG hat den Fahrradlieferanten im Berufungsverfahren Recht gegeben. Die Klagen waren von dem Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt am Main in erster Instanz abgewiesen worden.
Die Arbeitsverträge der Fahrradlieferanten seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Die Regelung, dass Fahrrad und Smartphone ohne finanziellen Ausgleich selbst mitgebracht werden müssten, benachteilige nach der konkreten Vertragsgestaltung die Lieferfahrer unangemessen. Betriebsmittel und deren Kosten seien nach der gesetzlichen Wertung vom Arbeitgeber zu stellen. Er trage auch das Risiko, wenn diese nicht einsatzfähig seien. Damit müsse der Lieferdienst Fahrrad bzw. Smartphone zur Verfügung stellen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen worden. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Quelle | LAG Hessen, Urteil vom 12.3.2021, 14 Sa 306/20, PM vom 24.6.2021
| Der Gesetzgeber hat mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz 1998 ein eigenes Umgangsrecht der Großeltern geschaffen, das sie gegebenenfalls auch gegen den Willen der Kindeseltern durchsetzen können. Voraussetzung: Der Umgang dient dem Kindeswohl. Denn allein durch die Verwandtschaft der Großeltern wird ein solches Recht nicht begründet. In einem Konfliktfall muss das Familiengericht dann entscheiden, ob der begehrte Umgang dem Kindeswohl entspricht wie aktuell in einem Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig. |
Ausgangspunkt
Großeltern sind oft an Erziehung und Förderung ihrer Enkelkinder beteiligt. Sie unterstützen die Eltern z. B. bei der Betreuung. Oder sie ermöglichen den Kindern, ihre Wurzeln kennenzulernen und erzählen von ihrer individuellen Lebensgeschichte oder ihren Erfahrungen. Es entstehen über die mit den Eltern und Geschwistern bestehenden Bindungen hinaus viele schützenswerte Sozialbeziehungen.
Das war geschehen
Die Großeltern väterlicherseits forderten von den getrenntlebenden Eltern, einen regelmäßigen Wochenend- und Ferienumgang zuzulassen. Der Vater befürwortete dies zusätzlich zu seinem eigenen Umgang mit den Kindern. Die Mutter sprach sich jedoch dagegen aus. Sie begründete dies u. a. damit, dass die Beziehung zwischen den Großeltern und ihr sehr stark belastet sei.
Die Bewertung des Oberlandesgerichts
Das OLG lehnte ein eigenes Umgangsrecht der Großeltern ab. Es sah Folgendes: Das Verhältnis der Großeltern zu der Mutter war tiefgreifend zerrüttet. Es konnte daher einen Umgang nicht zulassen. Schon der Bundesgerichtshof (BGH) hatte klargestellt: Der Umgang mit den Großeltern dient nicht dem Wohl des Kindes, wenn die Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt gerate oder konkrete Anhaltspunkte dafür beständen, dass die Großeltern den Erziehungsvorrang der Eltern missachteten.
So war es auch hier: Die Großeltern hätten sich wiederholt abwertend über die Mutter und ihre Biografie geäußert. Damit nicht genug, hatten sie auch ihre Erziehungseignung infrage gestellt. Ein berechtigter Anlass hatte jedoch nicht bestanden. Die Großeltern hatten etwa die Herkunft der Familie der Mutter aus dem Osten und den Beruf der Großmutter mütterlicherseits als Reinigungskraft thematisiert. Sie selbst waren Akademiker und ein gut situiertes Ehepaar und hielten sich daher als besser geeignet zur Förderung der Kinder. Der o. g. Loyalitätskonflikt war zu befürchten.
Die Großeltern hatten im Verfahren eine offenkundig feindselige Haltung gegenüber der Mutter gezeigt. Diese Haltung zielte darauf ab, die Geeignetheit der Mutter zur Erziehung zu entwerten.
Quelle | OLG Braunschweig, Beschluss vom 30.6.2021, 2 UF 47/21, PM vom 7.7.2021
| Eine in einer letztwilligen Verfügung, z. B. einem Testament, enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs. So sagt es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Grundsätzlich trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet.
Quelle | BGH, Urteil vom 26.5.2021, IV ZR 174/20, Abruf-Nr. 222867 unter www.iww.de
| Erleidet das Fahrzeug bei einem Haftpflichtschaden fernab seines üblichen Standorts einen Totalschaden, ist es vernünftig, dass der Geschädigte es dort belässt. Denn die Verwertung kann auch dort stattfinden. In dem Fall darf der Schadengutachter Restwertangebote in der Region des Unfallorts einholen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG Hamm) klargestellt. |
Der Versicherer bemängelte den Restwert dahingehend, dass der Schadengutachter ihn nicht am Heimatort oder Geschäftssitz des Geschädigten ermittelt habe. Damit sei der Restwert falsch, und deshalb könne der Versicherer mit seinem Überangebot durchdringen. Das OLG Hamm sieht das anders: Die Entscheidung des Klägers, die Abwicklung des Schadensfalls in der Region des Unfallorts vorzunehmen, entsprach danach wirtschaftlicher Vernunft, weil er sonst gehalten sein könnte, das verunfallte und nicht mehr fahrtüchtige Fahrzeug auf Kosten der Beklagten an seinen Wohnort oder was hier aufgrund der zumindest teilweisen geschäftlichen Nutzung des Fahrzeugs ebenfalls in Betracht kam zum Sitz seines Vermessungsbüros in einem anderen Bundesland zu überführen. Für die Annahme, dass ein wohnort- oder geschäftssitznaher Händler bereit wäre, das Fahrzeug ohne entsprechende Berücksichtigung der dadurch entstehenden Kosten bei der Kalkulation des Ankaufspreises am Unfallort abzuholen, fehle jede Grundlage, vielmehr liege dies bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sogar fern.
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 11.12.2020, 11 U 5/20, Abruf-Nr. 220918 unter www.iww.de
| Ein elektronisches Meldeverfahren soll den „gelben Schein“ ersetzen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer entlasten. Der ursprünglich geplante Start wurde jedoch zwischenzeitlich vom 1.1.22 auf den 1.7.22 verschoben. Bis dahin benötigen Arbeitgeber also weiterhin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) von ihren Arbeitnehmern in Papierform. |
Die elektronische AU (eAU) soll in zwei Schritten eingeführt werden: Zunächst sollen Ärzte die AU elektronisch an die Krankenkasse übermitteln. In einem zweiten Schritt leitet die Krankenkasse die eAU an den Arbeitgeber weiter.
Quelle | Information des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), abrufbar unter www.iww.de/s5270
| Der Verkehrsverstoß eines Polizeibeamten während einer Dienstfahrt außerhalb von Sonderrechten bei dienstlichen Einsätzen ist nicht bloß mit einem Verwarnungsgeld zu ahnden. So hat das Amtsgericht (AG) Landstuhl entschieden. |
Der Betroffene, ein Polizeibeamter, hatte gegenüber einer ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung Folgendes geltend gemacht: Er habe sich mit einem zivilen Dienst-Kfz auf dem Weg zu einem Dienstgeschäft befunden und sei wegen eines Rückstaus in Zeitverzug gewesen. Um das terminierte Dienstgeschäft (jährlicher Pflichtleistungsnachweis (Prüfung) mit der Dienstpistole) zeitgerecht erledigen zu können, sei er mit 119 km/h anstelle der zulässigen 80 km/h gefahren. Die Sicht auf die die Geschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen sei durch neben ihm fahrende Kraftfahrzeuge (LKW) verwehrt gewesen.
Das AG hat das nicht gelten lassen und ist bei seiner Entscheidung von der Regelgeldbuße ausgegangen, die es wegen vorsätzlicher Begehungsweise verdoppelt hat. Der Polizeibeamte hatte nämlich auch noch während der Fahrt ein Telefonat angenommen.
Quelle | AG Landstuhl, Urteil vom 11.5.2021, 2 OWi 4211 Js 4647/21, Abruf-Nr. 223088 unter www.iww.de
| Ein Servicetechniker hatte einen Mund-Nasen-Schutz nicht getragen, obwohl der Arbeitgeber dies angeordnet hatte. Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hat die außerordentliche Kündigung für wirksam befunden, die der Arbeitgeber nach erfolgloser Abmahnung ausgesprochen hatte. |
Das war geschehen
Der Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin als Servicetechniker im Außendienst beschäftigt. Aufgrund der Pandemie wies der Beklagte alle Servicetechniker an, bei Kundenkontakt eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Anfang Dezember 2020 weigerte sich der Kläger, einen Serviceauftrag bei einem Kunden durchzuführen, der auf das Tragen einer Maske bestand.
Der Kläger reichte bei der Arbeitgeberin ein auf Blankopapier ausgestelltes ärztliches Attest unter dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ ein. Dort heißt es, dass es für den Kläger „aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tragen“. Daraufhin erteilte die Arbeitgeberin dem Kläger die Weisung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Sie erkenne das Attest mangels konkreter nachvollziehbarer Angaben nicht an, werde aber die Kosten für den medizinischen Mund-Nasen-Schutz übernehmen.
Der Kläger lehnte den Serviceauftrag weiter ab. Die Arbeitgeberin mahnte ihn zunächst ab. Unbeeindruckt teilte der Kläger mit, er werde den Einsatz auch künftig nur durchführen, wenn er keine Maske tragen müsse. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin ihm.
Die Argumente des Arbeitsgerichts
Das ArbG Köln hat dessen Kündigungsschutzklage abgewiesen. Mit seiner beharrlichen Weigerung, den angeordneten und vom Kunden verlangten Mund-Nasen-Schutz zu tragen, habe der Kläger wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen.
Das Attest rechtfertige das Verhalten des Klägers nicht: Denn zum einen sei das Attest nicht aktuell gewesen. Zum anderen sei es ohne konkrete Diagnose eines Krankheitsbilds nicht aussagekräftig, um zu rechtfertigen, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht befreit sei.
Schließlich bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vom Kläger behaupteten medizinischen Einschränkungen. Denn er habe den Mund-Nasen-Schutz als „Rotzlappen“ bezeichnet und sei dem Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen.
Gegen das Urteil ist die Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln möglich.
Quelle | ArbG Köln, Urteil vom 17.6.2021, 12 Ca 450/21, PM 3/21
| Erkennt der Vater eines Kindes die Vaterschaft nicht an, können Gerichte dies klären. Über einen solchen Fall hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Eine junge Frau war sich sicher, wer der Vater ihrer Tochter sei. Das Amtsgericht (AG) holte ein DNA-Gutachten. Das Ergebnis: Die Vaterschaft des vermeintlichen Vaters war mangels Übereinstimmung der genetischen Merkmale ausgeschlossen. Davon unbeeindruckt blieb die Mutter bei ihrer Behauptung. Sie vermutete, der vermeintliche Vater habe zur Entnahme der DNA-Probe seinen Bruder geschickt. Beide sähen sich sehr ähnlich.
Das OLG ordnete die erneute Begutachtung an. Diesmal sollte die Mutter bei der Entnahme der Probe anwesend sein. Überraschung: Der vermeintliche Vater war auch der tatsächliche Vater des Kindes.
Folge: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übersandt. Diese wird prüfen, ob gegen den Antragsgegner und seinen Bruder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.
Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 19.4.2021, 3 UF 138/20, PM 24/21