| Die Vorschriftzeichen 276 „Überholverbot für Kraftfahrzeuge aller Art“ und 277 „Überholverbot für Kraftfahrzeuge über 3,5 t“ der Straßenverkehrsordnung verbieten nicht nur den Beginn, sondern grundsätzlich auch die Fortsetzung und die Beendigung eines bereits zuvor begonnenen Überholvorgangs innerhalb der Überholverbotszone. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Falle eines Lkw-Fahrers beschlossen. Dieser befuhr mit seinem Lkw die BAB 1. Im Bereich eines geltenden Überholverbots, angeordnet zunächst durch das Vorschriftzeichen 277 der Straßenverkehrsordnung und sodann durch das Vorschriftzeichen 276 der Straßenverkehrsordnung mit dem Zusatzzeichen 1049-13 (Geltung nur für Lkw, Busse und Pkw mit Anhänger), überholte der Betroffene mehrere auf dem rechten Fahrstreifen fahrende Fahrzeuge. Für diese Fahrweise erhielt er wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Überholverbot eine Geldbuße von 70 EUR. Die Geldbuße wollte der Betroffene nicht akzeptieren, unter anderem mit der Begründung, er habe den Überholvorgang vor Beginn der Überholverbotszone begonnen und danach mangels ausreichender Lücke zwischen den überholten Fahrzeugen nicht eher nach rechts einscheren können.
Seine Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Die Überholverbotszeichen der Straßenverkehrsordnung verbieten nach Ansicht des OLG nicht nur den Beginn, sondern auch die Fortsetzung und die Beendigung des Überholvorgangs innerhalb der Überholverbotszone. Ein bereits vor Beginn der Überholverbotszone eingeleiteter Überholvorgang müsse noch vor dem Verbotsschild abgebrochen werden. Wer sich bei Beginn der Überholverbotszone mit seinem Fahrzeug bereits schräg vor dem zu überholenden Fahrzeug befinde, zu diesem aber noch keinen hinreichenden Sicherheitsabstand gewonnen habe, sodass er vor dem überholten Fahrzeug einscheren könne, müsse das Überholmanöver ebenfalls abbrechen. Er müsse sein Fahrzeug gegebenenfalls verlangsamen und sich zurückfallen lassen. Das gelte auch im vorliegenden Fall. Der Betroffene hätte, wenn er tatsächlich den Überholvorgang noch vor Beginn der Überholverbotsstrecke begonnen haben sollte, beim Ansichtigwerden des ersten Überholverbotsschilds den Überholvorgang rechtzeitig abbrechen müssen. Den Fall, dass ein solcher Abbruch nicht gefahrlos möglich ist, hatte das OLG nicht zu entscheiden.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 7.10.14, 1 RBs 162/14, Abruf-Nr. 143257 unter www.iww.de.
| Fährt der Geschädigte mit dem Mietwagen weniger als 20 km pro Tag, kann der Mietwagenanspruch nicht einfach abgelehnt werden. Es ist zu fragen, warum der Geschädigte den Mietwagen dennoch benötigte. |
Hierauf wies das Landgericht (LG) Rostock hin. Ist die Ehefrau erkrankt und soll vorsichtshalber für unvorhergesehene Fahrten zum Arzt ein Fahrzeug verfügbar sein, ist das dem Gericht Grund genug. Schon der Bundesgerichtshof (BGH) hatte entschieden, dass Krankheitsfälle Grund genug sind, die reine Verfügbarkeit eines Fahrzeugs als erforderlich im schadenrechtlichen Sinne anzusehen.
Quelle | LG Rostock, Urteil vom 5.9.2014, 1 S 257/09, Abruf-Nr. 142973 ; BGH, Urteil vom 5.2.2013, VI ZR 290/11, Abruf-Nr. 130926 unter www.iww.de.
| Wenn die Werkstatt dem Geschädigten bis zur Abholung des Fahrzeugs durch den Restwertkäufer Standgeld berechnet, muss der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer diese Kosten erstatten. |
So entschied es das Landgericht (LG) Mannheim im Fall eines Unfallgeschädigten. Der Versicherer hatte ihm vorgeworfen, beim Verkauf des Unfallfahrzeugs getrödelt zu haben. Das sahen die Richter jedoch nicht so. Werde das Unfallfahrzeug nicht an den Betrieb verkauft, bei dem es steht, sondern an einen im Gutachten oder vom Versicherer benannten Aufkäufer, muss der Geschädigte zwar sofort Kontakt mit diesem aufnehmen. Er hat jedoch keinen Einfluss darauf, wann der zur Abholung erscheint. Das LG sprach dem Geschädigten die Erstattung der Standkosten in voller Höhe zu. Ein nicht mehr fahrbereites Kraftfahrzeug könne nicht irgendwo auf der Straße abgestellt werden, sondern müsse untergestellt werden. Das sichere Unterstellen in einer Kfz-Werkstatt sei eine naheliegende und angemessene Maßnahme. Die dafür anfallenden Kosten seien auch erstattungsfähig. Dass sie diejenigen übersteigen, die für eine gewerbliche Abstellmöglichkeit, etwa in einem Parkhaus, angefallen wären, habe der Versicherer nicht konkret vorgetragen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass es das Verschulden des Geschädigten gewesen sei, dass der Ankäufer den Unfallwagen nicht früher abgeholt hat.
Quelle | LG Mannheim, Urteil vom 18.8.2014, 5 O 12/14, Abruf-Nr. 143004 unter www.iww.de.
| Der Geschädigte darf bei Haftpflichtschäden das unfallbeschädigte Fahrzeug auch bis zur Heimatwerkstatt abschleppen lassen, wenn durch die Mehrkosten später erhöhte Abholkosten eingespart werden. |
Das folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München. Im Urteil heißt es dazu: „Die Schadensminderungspflicht gebietet auch nicht in jedem Fall die Abschleppung zur nächstgelegenen Reparaturmöglichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass dies hier insgesamt betrachtet wesentlich kostengünstiger gewesen wäre als die Abschleppung zur Reparaturwerkstätte in X. (= Heimatwerkstatt; Anmerkung der Redaktion). Immerhin wurden andererseits Kosten und Zeitaufwand einer Fahrzeugabholung vermieden. Auch das Interesse des Unfallgeschädigten, mögliche spätere Gewährleistungsansprüche möglichst ortsnah geltend machen zu können, ist berechtigt und zu berücksichtigen. Die Abwägung des Unfallgeschädigten mit dem Ergebnis die Abschleppung nicht zur nächstgelegenen Reparaturmöglichkeit, sondern nach X. durchführen zu lassen, ist daher nicht zu beanstanden.“
Quelle | AG München, Urteil vom 6.10.2014, 322 C 27990/13, Abruf-Nr. 143049 unter www.iww.de.
| Bei der Lkw-Maut gibt es neue Preise. Einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes (18/2444) stimmte der Bundestag auf Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses (18/2857) zu. Danach werden die Mautsätze dem neuen Wegekostengutachten vom 25.3.2014 angepasst und somit billiger. |
Außerdem dient das Gesetz auch als Grundlage für eine eigene günstige Mautkategorie für die besonders schadstoffarmen Euro-VI-Lkw. Zudem werden die Kosten der Luftverschmutzung, die auf den Lkw-Verkehr zurückzuführen sind, in die Mautsätze eingerechnet. Dadurch ergeben sich im Zeitraum 2015 bis 2017 Mindereinnahmen gegenüber dem Finanzplan von rund 460 Millionen EUR. Dabei seien die zu erwartenden zusätzlichen Einnahmen aus der teilweisen Anlastung der Luftverschmutzungskosten bereits berücksichtigt.
Abgelehnt hat der Bundestag ebenfalls auf Empfehlung des Verkehrsausschusses (18/2875) einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/1620), nach dem die Lkw-Maut nachhaltig und ökologisch ausgerichtet werden sollte. Deshalb sollte die Bundesregierung die Berechnung der Lkw-Mautsätze auf eine neue Grundlage mit höherer ökologischer Lenkungswirkung stellen. Das eigentliche Ziel der Lkw-Maut sei, ausreichend Mittel zum Bau und Erhalt der Bundesfernstraßen zur Verfügung zu stellen und dabei eine ökologische und ökonomische Lenkungswirkung zu entfalten. Dieses Ziel werde durch die empfohlenen Mautsätze nach dem neuen Wegekostengutachten nicht erreicht. In Deutschland würden die externen Kosten für Unfälle, Lärm, Luftverschmutzung, Klimawandel und indirekte Auswirkungen geschätzte 88 Milliarden Euro pro Jahr betragen, die von der Gesamtgesellschaft getragen werden müssten.
Quelle | Deutscher Bundestag
| Mitte August 2015 tritt die neue EU-Erbrechtsverordnung in Kraft. Die Verordnung bestimmt das Recht des Staates, das im Erbfall anzuwenden ist und sieht neue Rechtswahlmöglichkeiten für den Erbfall vor. Außerdem wird ein europäisches Nachlasszeugnis eingeführt. Die weitreichenden Änderungen durch die EU-Erbrechtsverordnung sind den Bürgern weitgehend noch unbekannt. Die Zeit bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts sollte zur Beschäftigung mit der eigenen Nachfolgeplanung und gegebenenfalls zu deren Anpassung an die künftige Rechtslage genutzt werden. |
Wen betrifft die neue EU-Erbrechtsverordnung?
Die neue EU-Erbrechtsverordnung betrifft potentiell jeden. Sie ist innerhalb der EU (mit Ausnahme Dänemarks, Großbritanniens und Irlands) auf alle Sterbefälle anwendbar, die sich ab dem 17.8.2015 ereignen. Ab diesem Zeitpunkt ist regelmäßig nicht mehr die Staatsangehörigkeit des Erblassers für das anzuwendende Recht maßgeblich. Das anzuwendende Recht richtet sich dann grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
In Zeiten der Globalisierung bedeutet das für eine Vielzahl von Bürgern, dass für sie ab Mitte August 2015 ein anderes Erbrecht gilt. Betroffen sind in erster Linie Personen, die dauerhaft in einem Staat leben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, Rentner, die ihren Lebensabend überwiegend im Ausland verbringen und Menschen, die sich in ein ausländisches Pflegeheim begeben. Auch junge Menschen, die z.B. aus beruflichen Gründen nur zeitweise im Ausland leben und die eine Rückkehr in die Heimat planen, können von der Neuregelung betroffen sein. Die einfache Regel, nach der jeder Deutsche nach deutschem Recht, jeder Franzose nach französischem Recht beerbt wird, stimmt künftig nicht mehr. „Ausländische Rechtsordnungen können sich erheblich von den deutschen erbrechtlichen Regelungen unterscheiden. Um Überraschungen zu vermeiden, ist es wichtig, sich rechtzeitig beraten zu lassen“, erklärt Lisa Schumacher, Geschäftsführerin der Notarkammer Pfalz.
Zeitig Gedanken zum eigenen Nachlass machen
Jeder – egal ob jung oder alt – sollte sich frühzeitig Gedanken zur Regelung des eigenen Nachlasses machen und sich mit der Nachfolgeplanung auseinandersetzen. Dies gilt vor allem für diejenigen, für die möglicherweise künftig ein fremdes Erbrecht zur Anwendung kommt. „Erste Überlegung muss dabei sein, wo der gewöhnliche Aufenthalt liegt“, so Schumacher. Daran schließt sich die Frage an, ob nach dem anhand des gewöhnlichen Aufenthaltsorts anzuwendenden Recht die gewünschte Nachlassverteilung möglich ist, und ob die Anwendung des fremden Rechts überhaupt gewollt ist.
Dabei kann es bereits schwierig sein, den gewöhnlichen Aufenthaltsort zuverlässig zu ermitteln. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass er mit einer Veränderung der tatsächlichen Umstände wechseln kann. „Wer sicher gehen will, dass bei seinem Tod das Recht des Landes anwendbar ist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, muss künftig eine entsprechende Rechtswahl treffen. Diese muss ausdrücklich in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen und sollte daher am besten zusammen mit der Errichtung eines Testaments oder eines Erbvertrags vorgenommen werden.“, empfiehlt Schumacher.
Beratungsangebote nutzen
Informationen über das Erbrecht der Mitgliedstaaten können auf der Webseite des Rats der Notariate der Europäischen Union unter http://www.successions-europe.eu abgerufen werden.
Informationsangebote im Internet können jedoch keineswegs die Beratung im Einzelfall ersetzen. Die Frage, ob eine Rechtswahl sinnvoll oder sogar notwendig ist, können u.a. Notare oder Fachanwälte für Erbrecht beantworten. „Notare beraten auf diesem Gebiet und arbeiten die notwendigen rechtssicheren Formulierungen aus. Aufgabe des Notars ist es dabei, sicherzustellen, dass ein heute errichtetes Testament auch nach dem Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung geltenden Recht gültig und mit der künftigen EU-Erbrechtsverordnung vereinbar ist“, erklärt Schumacher. Eine notarielle Beratung empfiehlt sich auch, wenn ein Testament bereits errichtet wurde, um zu prüfen, ob dieses geändert oder ergänzt werden muss.
Mehr Rechtsicherheit und Erleichterung bei Erbfällen mit Auslandsbezug
Trotz des gestiegenen Beratungsbedarfs aufgrund der einschneidenden Änderungen, die die neue Verordnung mit sich bringt, überwiegen deren Vorteile eindeutig. Schumacher: „Mit der Verordnung gelten erstmals auf EU-Ebene einheitliche Regelungen darüber, welches Erbrecht auf einen internationalen Erbfall anzuwenden ist und wie Erben ihre Rechte nachzuweisen haben.“ Erben und Erblasser standen bisher vor oft schwer lösbaren Konflikten. So herrschte bislang in vielen grenzüberschreitenden Erbfällen Uneinigkeit, nach welchem nationalen Recht sich die Erbfolge richtet. Es konnte daher vorkommen, dass derselbe Erbfall in einem Mitgliedstaat der EU anders als in einem anderen beurteilt wurde und Erbnachweise aus einem Mitgliedsstaat in einem anderen Mitgliedsstaat nicht anerkannt wurden. Die EU-Erbrechtsverordnung wirkt dem entgegen und ermöglicht eine zuverlässige und rechtssichere Nachlassplanung.
Ferner wird mit der Verordnung ein europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, mit dem Erben, aber auch Testamentsvollstrecker, ihre Rechtstellung nachweisen können. Bei grenzüberschreitenden Erbfällen entfällt damit künftig die mehrfache Beantragung von Erbscheinen in allen Ländern, in denen der Erblasser Vermögen hinterlassen hat.
Quelle | Hamburgische Notarkammer
| Im Falle einer Verbraucherinsolvenz hat der Insolvenzverwalter keinen Anspruch gegen den anderen Ehegatten auf Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung. |
Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig. Die Richter bestätigten in ihrer Entscheidung zwar die Pflicht eines jeden Ehegatten, die finanziellen Lasten des anderen nach Möglichkeit zu vermindern. Voraussetzung sei aber, dass dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. In steuerlicher Hinsicht betreffe dies auch die Pflicht, unter bestimmten Voraussetzungen in eine von dem anderen gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer einzuwilligen. Das sei beispielsweise der Fall, wenn der andere so seine Steuerschuld verringern könne, der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt werde.
Sei aber das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Ehegatten eröffnet, könne der Insolvenzverwalter nicht mehr über die Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung auf den Verlustvortrag des anderen Ehegatten zugreifen, um diesen zu nutzen. Dem stehe die zusätzliche steuerliche Belastung des anderen Ehegatten entgegen. Dieser könne nämlich den Verlustvortrag nicht mehr nutzen, um sein eigenes steuerliches Einkommen zu reduzieren.
Quelle | OLG Schleswig, Beschluss vom 23.5.2014, 10 UF 63/13, Abruf-Nr. 143253 unter www.iww.de.
| Wenn ein Ehegatte während des Zusammenlebens heimlich die Hausratversicherung für die gemeinsame Ehewohnung auf eine allein in seinem Eigentum stehende Wohnung ummeldet, verstößt er gegen die ihn treffende Vermögensfürsorgepflicht gegenüber dem anderen Ehegatten. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Bremen. Die Richter machten in ihrer Entscheidung deutlich, dass der so hintergangene Ehegatte einen Schadenersatzanspruch habe, wenn aufgrund eines späteren Einbruchs der entwendete Hausrat in der Ehewohnung nicht von der Versicherung ersetzt wird.
HINWEIS | Bei den Verpflichtungen aus der ehelichen Fürsorgepflicht ist zwischen der Verletzung persönlicher Pflichten, die grundsätzlich keine Schadenersatzpflicht auslöst (insbesondere Beistand, Rücksichtnahme, Solidarität), und der Verletzung vermögensrechtlicher Pflichten, die zu Schadenersatzansprüchen führen kann, zu unterscheiden. Allerdings bestehen diese Pflichten bei einem gestörten ehelichen Verhältnis nicht mehr in gleichem Maße, wie bei einer intakten Ehe. Schadenersatz ist u.a. möglich bei
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Quelle | OLG Bremen, Urteil vom 19.9.14, 4 UF 40/14, Abruf-Nr. 142937 unter www.iww.de.
| Großflächige, nicht von der Sommeruniform verdeckte Tätowierungen berechtigen das Land NRW, die Einstellung eines Bewerbers in den Polizeivollzugsdienst abzulehnen. |
Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen im Fall eines Bewerbers entschieden, der im Wege einer einstweiligen Anordnung seine Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes-Nordrhein-Westfalen durchsetzen wollte. Der Bewerber hat an den Unterarmen tätowierte Schriftzüge (jeweils ungefähr 15 cm breit und 2,5 cm hoch), bei denen es sich um die Vornamen seiner beiden Töchter handelt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Einstellung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass in der Dienstausübung jede Individualität hinter die neutrale Erfüllung des dienstlichen Auftrags zurückzutreten habe. Die sich insbesondere aus der Uniform ergebende Legitimation und Autorität eines Polizeivollzugsbeamten dürfe durch Tätowierungen nicht beeinträchtigt werden. Großflächige, nicht von der Sommeruniform verdeckte Tätowierungen seien daher ein Einstellungshindernis. Hiergegen hat der Bewerber die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, er könne auch im Sommer langärmelige Uniformhemden tragen, die seine Tätowierungen verdeckten.
Dieser Argumentation ist das OVG nicht gefolgt. Der Dienstherr sei berechtigt, Polizeivollzugsbeamten Vorgaben für die äußere Erscheinung im Dienst, etwa für Tätowierungen, zu machen. Dies sei hier durch Verwaltungsvorschriften geschehen. Danach sei der Dienstherr berechtigt, die Einstellung eines im sichtbaren Bereich großflächig tätowierten Bewerbers abzulehnen. Diese Bestimmungen seien nicht unverhältnismäßig, weil der Dienstherr Tätowierungen nicht ausnahmslos verbiete. Denn grundsätzlich seien großflächige Tätowierungen im von der Sommeruniform verdeckten Bereich sowie Tätowierungen minderer Größe im sichtbaren Bereich weiterhin zulässig.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen 26.9.14, 6 B 1064/14, Abruf-Nr. 143249 unter www.iww.de.
| Auch bei einem acht Monate lang dauernden Praktikum besteht nicht in jedem Fall ein Anspruch auf ein Arbeitsentgelt. |
Das stellte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm klar und wies die Klage einer Praktikantin ab. Diese hatte sich in einem Supermarkt um einen Ausbildungsplatz als Verkäuferin beworben. Dabei hatte sie sich bereit erklärt, zuvor ein Praktikum aufzunehmen. Der Eigentümer des Supermarkts schloss mit dem Bildungszentrum des Handels e.V. als Trägerverein einen „Rahmenvertrag zur Ableistung eines Praktikums“. Er schloss außerdem mit der Praktikantin sowie mit dem Trägerverein einen dreiseitigen „Praktikumsvertrag“. Dieser sah u.a. vor, dass die Praktikantin einen Einblick in das Berufsfeld mit seinen Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen erhalten sollte. Zudem sollten ihr Grundkenntnisse des betreffenden Berufsbilds vermittelt werden. Das Praktikum war zunächst für die Dauer eines Monats vereinbart, wurde dann aber mehrmals aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Parteien verlängert.
Während der acht Monate Laufzeit des Praktikums erhielt die Praktikantin von der Bundesagentur für Arbeit sog. Berufsausbildungsbeihilfe und von dem Trägerverein Zuschüsse für eine Monatskarte für Fahrten im ÖPNV. In den Monaten November und Dezember 2012 nahm die Klägerin an insgesamt acht Tagen an einem Unterricht des Trägervereins teil, der in einer Berufsschule erfolgte.
Die Praktikantin verlangt nun eine Vergütung des Praktikums. Es habe nicht die Ausbildung, sondern die Arbeitsleistung im Vordergrund gestanden. Der Arbeitgeber meint dagegen, bei dem Praktikum habe es sich um eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme gehandelt, daher bestehe keine Vergütungspflicht.
Das Arbeitsgericht Bochum hat in erster Instanz der Klage stattgegeben und den Arbeitgeber zur Zahlung von 17.281,50 EUR brutto verurteilt. Die Praktikantin sei als vollwertige Arbeitskraft anzusehen. Sie habe im Betrieb verwertbare Arbeitsleistungen erbracht. Es sei nicht festzustellen, dass der Ausbildungszweck im Vordergrund gestanden habe.
Das LAG sah das in zweiter Instanz jedoch anders. Nach dessen Auffassung steht der Praktikantin kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt zu, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Zwar habe die Praktikantin jedenfalls teilweise reguläre Arbeitstätigkeiten verrichtet. Dies sei allerdings im Rahmen eines sozialversicherungsrechtlich geprägten Praktikantenverhältnisses geschehen. Sie habe als Teilnehmerin einer berufsvorbereitenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit das Praktikum absolviert und in dieser Zeit Leistungen der Arbeitsagentur erhalten. Unter diesen Voraussetzungen sei die Klage daher abzuweisen.
Quelle | LAG Hamm, Urteil vom 17.10.2014, 1 Sa 664/14, Abruf-Nr. 143065 unter www.iww.de.