| Ein in Deutschland lebender polnischer Staatsangehöriger kann mit seiner deutschen Ehefrau formell wirksam ein Ehegattentestament errichten. |
Diese Klarstellung hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig getroffen. Zwar verbiete das polnische Zivilgesetzbuch ein gemeinschaftliches Testament. Hier greifen jedoch die deutschen bzw. polnischen Kollisionsregeln. Danach kann ein solches Ehegattentestament errichtet werden. Es muss lediglich zwingend als Form eingehalten werden, dass der andere Ehegatte das gemeinschaftliche Testament eigenhändig mitunterzeichnet. Er selbst muss das gemeinschaftliche Testament im Übrigen nicht handschriftlich selbst niedergeschrieben haben.
Auch ist nicht erforderlich, dass der mitunterzeichnende Ehegatte seinen Beitritt erklärt, indem er formuliert, dass der vorstehende, von dem anderen Ehegatten niedergeschriebene Wille auch sein Wille sei. Daher ist es auch möglich, wenn eine solche Erklärung von dem anderen Ehegatten vorformuliert wird und er lediglich seine Unterschrift darunter setzt.
Quelle | OLG Schleswig, Beschluss vom 25.4.2016, 3 Wx 122/15, Abruf-Nr. 189111 unter www.iww.de.
| Die im Zuge eines Scheidungsverfahrens vorgenommene Übertragung von Rentenanwartschaften von einem Ehepartner auf den anderen ist in der Regel endgültig. Selbst wenn der vom Versorgungsausgleich begünstigte Ehepartner stirbt, kommt eine Rückabwicklung nur in engen Grenzen in Betracht. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Begünstigte die Rente bereits länger als drei Jahre bezogen hat. |
Das ist das Ergebnis eines Verfahrens vor dem Sozialgericht (SG) Berlin. Die 1952 geborene Klägerin und ihr Ehemann ließen sich 2008 nach 31 Jahren Ehe scheiden. Im Rahmen des sogenannten Versorgungsausgleichs musste sie an ihren Mann Rentenansprüche im Wert von monatlich fast 300 EUR übertragen. Ein halbes Jahr nach der Scheidung ging ihr Ex-Mann in Ruhestand, 2014 starb er. Die Klägerin verlangt von der Deutschen Rentenversicherung Bund, ihre Rentenkürzung rückgängig zu machen. Zumindest ab 2023, also fünf Jahre nach ihrem eigenen Renteneintritt, sei die Kürzung nicht mehr gerechtfertigt. Ihr Ex-Mann habe die aus den übertragenen Anwartschaften errechnete Rente ja auch nur fünf Jahre bezogen. Der vollständige Verlust ihrer eigenen Anwartschaften sei willkürlich und unverhältnismäßig. Der Verstorbene habe aus dem Anrecht insgesamt Rentenzahlungen in Höhe von nur 17.700 EUR erhalten, während sie selbst 73.800 EUR an Beitragszahlungen aufbringen müsste, wenn sie die Lücke in ihrer Rentenanwartschaft wieder auffüllen wollte.
Das SG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass die im Zuge des Versorgungsausgleichs erfolgte Rentenkürzung rückgängig gemacht wird. Zwar sei die ausgleichsberechtigte Person, hier also der Ehemann, gestorben. Er habe die Versorgung aus den übertragenen Rentenansprüchen aber bereits länger als drei Jahre, nämlich knapp fünf Jahre, bezogen. Eine Anpassung der Rentenansprüche sehe das Gesetz deshalb aus zeitlichen Gründen nicht mehr vor.
Die Ausgleichsvorschriften seien auch nicht verfassungswidrig, wie bereits das Bundessozialgericht entschieden habe. Nach einer Scheidung und dem damit einhergehenden Versorgungsausgleich gebe es zwei selbstständige Versicherungsverhältnisse. Deren rentenrechtliches Schicksal sei grundsätzlich getrennt zu beurteilen. Für den Härtefall, dass der vom Versorgungsausgleich begünstigte Ehepartner vor dem belasteten stirbt, habe der Gesetzgeber zwar eine Rückabwicklung ermöglichen müssen. Er habe hierfür jedoch im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit eine Ausschlussfrist setzen dürfen. Die gewählte zeitliche Grenze von drei Jahren Rentenbezug des Begünstigten sei sachlich vertretbar und verhältnismäßig.
Eine gesetzliche Lösung, die jeweils auf die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls Rücksicht nehme, sei nicht möglich gewesen. Sie sei dem System der Sozialversicherung und überhaupt dem Wesen einer jeden Versicherung auch fremd. Wenn es in einem Falle zu keiner oder nur zu einer geringen Leistung komme, werde dies in einem anderen Fall durch überdurchschnittlich lange Leistungen wieder ausgeglichen. Gerade Rentenversicherungsansprüche seien Bestandteil eines Leistungssystems, dem eine besondere soziale Funktion zukomme. Die Berechtigung des Einzelnen lasse sich nicht von den Rechten und Pflichten anderer lösen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat es mit der Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten (dortiges Az. L 27 R 740/16).
Quelle | SG Berlin, Urteil vom 15.8.2016, S 10 R 5245/14, Abruf-Nr. 189112 unter www.iww.de.
| Aktuell kann ein Elternteil nicht alleine entscheiden, ob er mit dem gemeinsamen Kind eine Urlaubsreise in die Türkei macht. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. im Fall einer Kindesmutter, die mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei unternehmen wollte. Der getrennt lebende, aber mitsorgeberechtigte Vater wollte dies nicht. Er meint, er müsse zuvor zustimmen.
Das sah das OLG ebenso. Die Richter wiesen darauf hin, dass bei Angelegenheiten des täglichen Lebens der Elternteil alleine entscheiden könne, der die Obhut ausübt. Hier liege jedoch keine solche Angelegenheit des täglichen Lebens vor. Der mitsorgeberechtigte Elternteil müsse daher zustimmen.
Zwar ist eine Urlaubsreise nicht generell zustimmungspflichtig. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn die Reise besondere Gefahren mit sich bringt, die mit dem Reiseziel zusammenhängen. Dies ist hier der Fall. Wegen der Vielzahl an terroristischen Anschlägen in der Türkei liegen besondere Risiken vor, die mit dem gewählten Urlaubsziel zusammenhängen. Die Gefahr für das Kind geht somit über das allgemeine Lebensrisiko hinaus. Daher ist die geplante Reise vorliegend nicht mehr von der Alleinentscheidungsbefugnis der Mutter umfasst.
Quelle | OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.7.2016, 5 UF 206/16, Abruf-Nr. 188152 unter www.iww.de.
| Das Vermögen der deutschen Haushalte wächst stetig. Im Jahr 2014 lag das Geldvermögen laut Bundesbank bei rund 5,2 Billionen EUR. Gegenüber dem Jahr 2004 bedeutet dies eine Zunahme von mehr als 1,2 Billionen EUR. „Damit gewinnen auch Vermögensübertragungen in Form von Erbschaften zunehmend an Bedeutung“, berichtet Dr. Carsten Walter, Geschäftsführer der Notarkammer Baden-Württemberg. |
Doch auf den Erbfall sind nur die wenigsten vorbereitet, wie eine repräsentative Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Bank ergeben hat. Nur jeder fünfte Deutsche hat sich bereits intensiver mit der Thematik befasst. Der Tod ist in Deutschland noch immer ein Tabuthema. Hinzu kommt, dass das Erbrecht als kompliziert empfunden wird. So überrascht es nicht, dass nicht einmal die Hälfte der Befragten ein Testament gemacht hat.
„Sich auf die gesetzliche Erbfolge zu verlassen, kann jedoch verhängnisvoll sein“, warnt Dr. Walter. Das gesetzliche Leitbild geht noch immer von einer traditionellen Familiensituation aus. Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Patchworkfamilien und Familien mit Pflegekindern finden ihre persönlichen Verhältnisse oft nur unzureichend in den gesetzlichen Regelungen berücksichtigt. Aber auch bei einer Familie traditioneller Prägung entspricht die gesetzliche Erbfolge häufig nicht den Vorstellungen der Betroffenen: Der überlebende Ehegatte erbt grundsätzlich neben den Kindern und wird mit diesen in eine Erbengemeinschaft gezwungen. Der Streit um das Erbe ist damit oft vorprogrammiert. Dabei ist der Mehrheit der Befragten gerade besonders wichtig, dass ein Streit um das Erbe vermieden wird. Die Aufteilung des Erbes soll klar geregelt sein und den Erben sollen im Erbfall alle notwendigen Dokumente wie Testamente und Vollmachten vorliegen.
„Es ist deshalb wichtig, den vom Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraum zu nutzen und den Nachlass rechtzeitig zu regeln“, weiß Dr. Walter. Hier bieten Anwalt und Notar Hilfestellung: Sie klären die individuellen Bedürfnisse, informieren über rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und formulieren rechtssicher den letzten Willen der Beteiligten. Durch eine Registrierung im Zentralen Testamentsregister ist zudem sichergestellt, dass das Testament im Erbfall aufgefunden und zügig vom Nachlassgericht eröffnet wird.
Zur rechtlichen Vorsorge gehört es aber auch, rechtzeitig an eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung zu denken. Während die Vorsorgevollmacht eine Vertrauensperson berechtigt, für den Vollmachtgeber in vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten tätig zu werden, legt die Patientenverfügung fest, welche Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe gestattet werden und welche zu unterbleiben haben.
„Gerade die Erteilung einer Vorsorgevollmacht kann eine sinnvolle Ergänzung zur letztwilligen Verfügung sein“, erläutert Dr. Walter. Sofern die Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten soll, sichert diese nämlich auch die Verwaltung des Nachlasses bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Erben ermittelt sind bzw. sie ihre Erbenstellung nachweisen können. Dadurch ist gewährleistet, dass stets ein Berechtigter über den Nachlass verfügen kann.
Man sollte also nicht lediglich darauf vertrauen, dass sich die Erben über die Aufteilung des Erbes schon einigen werden. Wer rechtzeitig vorsorgt und seinen Nachlass regelt, hat es vielmehr selbst in der Hand, den befürchteten Streit um das Erbe zu vermeiden.
Quelle | Hamburgische Notarkammer
| Liebe allein ist kein Umstand, der geeignet ist, bei einer nur vier Tage währenden Ehe, die gesetzliche Vermutung des Sozialgesetzbuchs VI über das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen. Das gilt insbesondere, wenn die Beziehung bereits 25 Jahre andauerte und eine Trauung bis dato keine Rolle gespielt hat. |
Diese Klarstellung traf das Sozialgericht (SG) Stuttgart im Fall eines Paares, dass sich nach 25-jähriger Beziehung zur Heirat entschlossen hatte. Die Frau war schwer an Krebs erkrankt. Am 25.10.13 wurde die Ehe angemeldet, die Trauung fand am 29.10.13 in der gemeinsamen Wohnung des Klägers und der Versicherten statt, da diese bereits bettlägerig war. Noch am Tage der Eheschließung wurde die Versicherte notfallmäßig stationär aufgenommen und verstarb letztlich vier Tage später an der Krebserkrankung. Am 2.12.13 beantragte der Kläger eine Witwerrente. Diese wurde von der Beklagten unter Verweis auf das SGB VI abgelehnt. Danach haben Hinterbliebene keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat. Eine Ausnahme gilt nur, wenn nach den besonderen Umständen des Falls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Kammer hat sich der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung diverser Landessozialgerichte angeschlossen, wonach auch die Behauptung einer reinen Liebesheirat die gesetzliche Vermutung nicht zu widerlegen vermag, und die Klage abgewiesen.
Quelle | SG Stuttgart, Urteil vom 27.5.16, S 6 R 2504/14, Abruf-Nr. 188821 unter www.iww.de.
| Nach dem Einkommensteuergesetz kann der Anspruch auf Kindergeld nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes gepfändet werden, das bei der Festsetzung des Kindergelds berücksichtigt wird. Die Vorschrift kann nicht auf Fälle erweitert werden, in denen die Pfändung des Anspruchs auf Kindergeld wegen solcher Ansprüche erfolgt, die mit dem Unterhalt des Kindes in einem inneren Zusammenhang stehen. |
Dies hat der BGH für die Pfändung aus einem Titel über einen Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit dem Kauf von Kinderschuhen entschieden. Das Kindergeld konnte damit nicht gepfändet werden.
Quelle | BGH, Urteil vom 9.3.2016, VII ZB 68/13, Abruf-Nr. 185400 unter www.iww.de.
| Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Scheinvaterregresses, zur Rückbenennung und zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes beschlossen. |
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2015 (1 BvR 472/14) entschieden, dass die vom Bundesgerichtshof hergeleitete Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreite. Sie bedürfe einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage.
Der Regierungsentwurf sieht nun einen gesetzlichen Anspruch des Scheinvaters vor, von der Mutter Auskunft über den mutmaßlichen leiblichen Vater des Kindes zu bekommen. Im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter soll eine Auskunft ausnahmsweise nicht geschuldet sein, wenn sie für die Mutter aufgrund besonderer Umstände unzumutbar wäre. Zudem soll künftig der Regressanspruch des Scheinvaters begrenzt werden. Ansprüche sollen nur noch für den Zeitraum von zwei Jahren vor Einleitung des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens bis zum Abschluss dieses Verfahrens gestellt werden können.
Außerdem soll das Namens- und Adoptionsrecht geändert werden: Personen, denen der Name des Stiefelternteils erteilt wurde, sollen mit ihrer Volljährigkeit diesen Namen wieder ablegen und ihren früheren Namen wieder annehmen können. Im Adoptionsrecht wird europäischen Vorgaben entsprechend eine nationale Behörde bestimmt, die in bestimmten Fällen Ermittlungen einer ausländischen Behörde unterstützt, die mit einem Adoptionsgesuch befasst ist. Konkret wird zur nationalen Behörde das Bundesamt für Justiz bestimmt.
| Eine Patientenverfügung ist nur wirksam, wenn sie konkrete Angaben des Betroffenen enthält. Nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. |
Hierauf wies der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer Frau hin, die Ende 2011 einen Hirnschlag erlitten hatte. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Seitdem lebte sie in einem Pflegeheim. Seit 2013 konnte sie nicht mehr sprechen. 2003 und 2011 hatte sie zwei wortlautidentische Schriftstücke mit der Überschrift „Patientenverfügung“ unterschrieben. Darin hatte sie bestimmt, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe. An die „Patientenverfügung“ angehängt war die einer ihrer drei Töchter erteilte Vorsorgevollmacht. Diese sollte an ihrer Stelle mit der behandelnden Ärztin alle erforderlichen Entscheidungen absprechen, ihren Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen und in ihrem Namen Einwendungen vortragen, die die Ärztin berücksichtigen solle.
Außerdem hatte die Betroffene 2003 in einer notariellen Vollmacht dieser Tochter Generalvollmacht erteilt. Diese berechtigte zur Vertretung auch in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung. Die Bevollmächtigte könne „in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen.“ Die Vollmacht enthielt zudem die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden. Weiter hieß es, dass die Betroffene im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung keinen Wert auf solche Maßnahmen lege, wenn feststehe, dass eine Besserung des Zustands nicht erwartet werden könne.
Die Bevollmächtigte und die Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung gegenwärtig nicht dem Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter der Betroffenen die gegenteilige Meinung. Deshalb haben sie beim Betreuungsgericht angeregt, einen sog. Kontrollbetreuer zu bestellen. Dieser solle die ihrer Schwester erteilten Vollmachten widerrufen. Während das Amtsgericht dies abgelehnt hat, hat das Landgericht eine der beiden auf Abbruch der künstlichen Ernährung drängenden Töchter zur Betreuerin der Betroffenen bestellt. Die Betreuung wurde auf den Aufgabenkreis „Widerruf der von der Betroffenen erteilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge“ beschränkt. Die Rechtsbeschwerde der bevollmächtigten Tochter war erfolgreich. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Der BGH stellt klar: Ein Bevollmächtigter kann nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen, wenn ihm die Vollmacht schriftlich erteilt ist und der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen. Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann.
Ob die beiden von der Betroffenen erteilten privatschriftlichen Vollmachten diesen inhaltlichen Erfordernissen gerecht werden, unterliegt Bedenken. Nach ihrem Wortlaut enthalten sie lediglich die Ermächtigung zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen, nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise. Jedenfalls die notarielle Vollmacht genügt aber den gesetzlichen Anforderungen.
Eine schriftliche Patientenverfügung entfaltet nur unmittelbare Bindungswirkung, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Allerdings dürfen die inhaltlichen Anforderungen an eine Patientenverfügung aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls erfolgen, indem bestimmte ärztliche Maßnahmen benannt werden oder auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen Bezug genommen wird.
Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen nicht als bindende, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen in Betracht. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen, sondern benennen ganz allgemein „lebensverlängernde Maßnahmen“. Auch im Zusammenspiel mit den weiteren enthaltenen Angaben ergibt sich nicht die für eine Patientenverfügung zu verlangende bestimmte Behandlungsentscheidung.
Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich auch kein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen. Daher kann derzeit nicht angenommen werden, dass die Bevollmächtigte sich offenkundig über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzt. Das wäre für die Anordnung einer Kontrollbetreuung in diesem Zusammenhang erforderlich. Das Landgericht muss nun prüfen, ob mündliche Äußerungen der Betroffenen vorliegen, die einen Behandlungswunsch darstellen oder die Annahme eines auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willens der Betroffenen rechtfertigen.
QUELLE | BGH, Beschluss vom 6.7.2016, XII ZB 61/16, Abruf-Nr. 187899 unter www.iww.de.
| Die in einem islamisch-sunnitischen Ehevertrag für den Fall der Ehescheidung zugunsten der Ehefrau vereinbarte „Abendgabe“ schuldet der Ehemann auch, wenn die Ehefrau die Scheidung beantragt und dieser daher kein „talaq“ (Scheidungsverstoßung) des Ehemanns zugrunde liegt. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Deutschen libanesischer Abstammung entschieden. Der Mann lebt seit Mitte der 1980er Jahre in Deutschland. Er hatte eine seinerzeit im Libanon lebenden Libanesin nach islamisch-sunnitischem Recht vor dem Scharia-Gericht in Beirut geheiratet. Dabei schlossen die beiden vor dem Gericht einen schriftlichen Ehevertrag, in dem ein vom Ehemann zu zahlendes Brautgeld vereinbart wurde. Dieses sollte aus einer „Morgengabe“ in Form einer Abschrift des heiligen Korans und einer englischen Goldlira sowie einer „Abendgabe“ von 15.000 US-Dollar bestehen. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. 2013 trennten sich die Eheleute. 2014 beantragte die Frau die Scheidung und begehrte die Zahlung der „Abendgabe“. Das Familiengericht hat u.a. die Scheidung ausgesprochen und den Antragsgegner aufgrund des abgeschlossenen Ehevertrags verpflichtet, die „Abendgabe“ zu zahlen.
Die Beschwerde des Antragsgegners blieb vor dem OLG erfolglos. Die Ehe sei zu Recht nach deutschem Recht geschieden worden. Maßgeblich sei der gewöhnliche Aufenthalt der Beteiligten bei der Einleitung des Scheidungsverfahrens im Jahre 2014. Das islamische Scheidungsrecht sei von den Beteiligten für den Fall einer Scheidung nicht vereinbart worden.
Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Abfindungsbetrag, die „Abendgabe“, zu. Die Beteiligten hätten in dem Ehevertrag einen sog. „Mahr“, eine vom Ehemann zu erbringende Brautgabe, wirksam vereinbart. Diese bestehe aus der bei Eheschließung fälligen „Morgengabe“ und der bei der Scheidung fälligen „Abendgabe“.
Für den Abschluss des Ehevertrags gelte das islamisch-sunnitische Recht. Danach sei der Vertrag vor dem Scharia-Gericht wirksam abgeschlossen worden. Für den weiteren Vollzug des Vertrags gelte allerdings deutsches Recht. Durch die „Abendgabe“ sollte die Ehefrau nach einer Scheidung abgesichert werden. Das sei mit nachehelichen Unterhaltspflichten vergleichbar. Für diese sei das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person, vorliegend die Antragstellerin, ihren gewöhnlichen Aufenthalt während der Ehe, nach der Trennung und bei der Einleitung des Scheidungsverfahrens gehabt habe. Diese Orte lägen im zu entscheidenden Fall in Deutschland.
Nach dem Ehevertrag schulde der Ehemann bei der Scheidung die vereinbarte „Abendgabe“. Die weitere Voraussetzung des islamischen Rechts, nach der ein Ehemann die „Abendgabe“ nur im Falle eines von ihm ausgehenden „talaq“ zu zahlen habe, nicht aber, wenn – wie vorliegend – die Auflösung der Ehe von der Ehefrau ausgehe, könne dagegen nicht auf das deutsche Recht übertragen werden. Das folge aus dem kollisionsrechtlichen Prinzip des Ordre Public. Die in Frage stehende Einschränkung des islamischen Rechts sei mit wesentlichen Grundgedanken des deutschen Ehescheidungs- und Nachscheidungsunterhaltsrechts nicht zu vereinbaren. Im deutschen Recht sei, anders als nach islamischem Recht, nachehelicher Unterhalt grundsätzlich unabhängig vom Trennungsgrund und auch verschuldensunabhängig zu leisten.
QUELLE | OLG Hamm, Beschluss vom 22.4.2016, 3 UF 262/15, Abruf-Nr. 187992 unter www.iww.de.
| Unter Paaren ist die Auffassung weit verbreitet, die Vereinbarung der Gütertrennung in einem Ehevertrag sei notwendig, um nicht für die Schulden des anderen aufkommen zu müssen. Dem liegt der Irrtum zugrunde, dass es durch die Eheschließung zu einer Vermögensvermischung und einer automatischen Haftung für die Schulden des Ehegatten kommt. |
„Wir wollen Gütertrennung vereinbaren, damit wir unser Vermögen getrennt halten können und nicht für die Schulden des anderen haften müssen.“ Mit dieser Begründung suchen viele heiratswillige oder bereits verheiratete Paare einen Notar auf. Hier zeigt sich, dass die Vorstellungen der Beteiligten oftmals sehr stark von der tatsächlichen Rechtslage abweichen. Denn auch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft bleiben die jeweiligen Vermögen strikt getrennt und jeder behält bei einer Scheidung grundsätzlich das Vermögen, das er in die Ehe eingebracht hat. Auch haftet kein Ehegatte aufgrund dieses Güterstands für die Schulden des anderen. Für die Schulden des anderen wird nur gehaftet, wenn ein Ehegatte für den anderen eine Bürgschaft übernimmt oder einen Darlehensvertrag mit unterschreibt. Diese Haftung ist unabhängig vom Güterstand. Sie folgt ausschließlich aus der zusätzlichen Unterschrift.
Der Begriff „Zugewinngemeinschaft“ ist allerdings leicht missverständlich. Der Unterschied besteht darin, dass es bei der Gütertrennung im Falle der Beendigung der Ehe zu keinerlei gegenseitigen Ausgleichszahlungen kommt. Auch die Zugewinngemeinschaft ist während der Ehezeit eine Gütertrennung. Allerdings muss derjenige Ehegatte, der während der Ehe mehr erwirtschaftet hat als der andere, einen Zugewinnausgleich zahlen.
Dahinter steht der Gedanke, dass zwischen den Ehegatten auch bei unterschiedlichen Aufgaben eine gleichberechtigte Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Insbesondere soll derjenige, der sich um Haushalt und Familie kümmert, während der andere Ehegatte durchgehend erwerbstätig ist, bei einer Scheidung nicht leer ausgehen. Berücksichtigt werden hierbei allerdings nur Wertentwicklungen (Zugewinn) während der Ehe, indem das jeweilige Vermögen zum Ende der Ehe mit dem Vermögen, das jeder mit in die Ehe gebracht hat, verglichen wird.
Auch aus anderen Gründen ist die Gütertrennung oftmals nicht zu empfehlen, da sie in den meisten Fällen zum Nachteil des Ehegatten die Erbquote bzw. den Pflichtteil von Kindern und sonstigen Verwandten erhöht und zudem noch erbschaftssteuerliche Nachteile mit sich bringt.
Wenn allerdings die gesetzlichen Rechtsfolgen der Zugewinngemeinschaft nicht den gemeinsamen Vorstellungen der Partner entsprechen und dennoch die Nachteile der Gütertrennung vermieden werden sollen, kann eine individuelle Lösung möglich sein „In den meisten Fällen kann das Ziel durch eine Modifizierung des Zugewinnausgleichs erreicht werden“, erklärt Dr. Andreas Schumacher, Geschäftsführer der Notarkammer Koblenz. „So kann beispielsweise festgelegt werden, dass im Falle des Todes eines Ehegatten die steuerlich und pflichtteilsrechtlich günstigere Zugewinngemeinschaft gelten soll, im Falle einer Scheidung jedoch kein Zugewinnausgleich durchzuführen ist oder Grundstücke oder Unternehmen bei der Berechnung unberücksichtigt bleiben.“
Wichtig ist dabei, dass Vereinbarungen über den Güterstand nur in notariell zu beurkundenden Eheverträgen möglich sind. Ein Ehevertrag kann zu jeder Zeit, also sowohl vor Eheschließung als auch danach geschlossen werden.
QUELLE | Hamburgische Notarkammer