| Paare mieten eine gemeinsame Wohnung meistens zu zweit. Beide Partner unterschreiben den Mietvertrag. Sie sind durch den Vertrag gemeinsam berechtigt und verpflichtet. Aber was passiert, wenn ein Partner auszieht? Mit dieser Frage hat sich jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg beschäftigt. |
Der Ehemann war im Zuge der Trennung aus der Ehewohnung ausgezogen. Die Ehefrau und die drei − zum Teil volljährigen − Kinder verblieben in der Wohnung. In der Folge kam es zu Mietrückständen. Für diese haften bei einem gemeinsamen Mietvertrag grundsätzlich beide Eheleute. Der Vermieter lehnte es auch ab, den Ehemann aus dem Mietverhältnis zu entlassen. Der Ehemann verlangte von der Ehefrau die Zustimmung zur Kündigung des Mietvertrags. Das lehnte die Ehefrau ab. Sie meinte, dazu nicht verpflichtet zu sein, solange die Ehe noch nicht geschieden sei.
Das Amtsgericht (AG) verpflichtete die Ehefrau, der Kündigung zuzustimmen. Nach Ablauf des Trennungsjahrs überwiege das Interesse des Ehemannes, aus dem Vertragsverhältnis entlassen zu werden. Die Ehefrau legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.
Das OLG bestätigte die rechtliche Bewertung des AG: Die Ehefrau müsse nach Ablauf des Trennungsjahrs an einer Befreiung des Ehemanns aus der gemeinsamen mietvertraglichen Bindung mitwirken. Dies gelte jedenfalls, wenn wie hier der in der Wohnung verbleibende Ehepartner nicht willens oder in der Lage sei, den anderen im Außenverhältnis zum Vermieter von Verpflichtungen freizustellen. Im konkreten Fall zahle der Ehemann bereits die nach seinem Auszug aufgelaufenen Mietschulden ab. Die Ehefrau könne auch nicht mit dem Argument gehört werden, der Ehemann habe die Familie „im Stich gelassen“. Sie habe nach dem Auszug während des Trennungsjahrs Zeit gehabt, sich eine andere, ihren Vermögensverhältnissen angemessene, Wohnung zu suchen. Sie hätte darüber hinaus nach dem Trennungsjahr auch eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können. Vor diesem Hintergrund sei die Fortsetzung einer gemeinsamen Haftung für das Mietverhältnis nicht gerechtfertigt, so das OLG.
Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 29.3.2021, 13 UF 2/21, PM Nr. 21/2021
| Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat jetzt entschieden: Ein Ehevertrag kann sittenwidrig sein, wenn er mehrere Monate nach der Eheschließung geschlossen wurde. Es kommt auf die Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände an. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar heiratete im Jahr 2003 und schloss drei Monate nach Eheschließung einen Ehevertrag ab. Darin vereinbarte es Gütertrennung und schloss so den Zugewinnausgleich aus. Bei dem eigentlich gesetzlich vorgesehenen Zugewinnausgleich wird der Vermögenszuwachs hälftig geteilt, den die Eheleute während der Ehe erzielen. Sie schlossen außerdem den Versorgungsausgleich aus, also eine Teilung der während der Ehe entstandenen Anrechte auf Renten und andere Altersversorgungen. Das Ehepaar ließ sich 2019 scheiden. Das Amtsgericht (AG) hatte den Ehevertrag als wirksam angesehen und lehnte Zugewinn- und Versorgungsausgleich ab.
So sah es das OLG
Das OLG sah demgegenüber Folgendes: Die Frau hatte sich zum Wohle der Ehe in ein fremdes Land begeben und dafür eine auskömmliche Berufstätigkeit sowie eine versprochene Rente aufgegeben. In Deutschland wurde ihre Ausbildung zunächst nicht anerkannt. Folge: Der Ausschluss von Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich kam einseitig ausschließlich dem Ehemann zugute.
Gleichberechtigung von Mann und Frau
Das OLG betonte den Grundsatz: Die Gleichberechtigung von Mann und Frau darf durch einen Ehevertrag nicht ausgehebelt werden. Hier sei er in einer Situation vereinbart worden, in der Frau und Kind völlig abhängig vom Ehemann waren. Dieser habe sich „der prekären Situation seiner Ehefrau vollkommen verschlossen und einseitig und nicht schutzwürdig alleine seine vermögensrechtlichen Interessen für den Fall der Scheidung zu wahren gesucht“. Folge: Der Ehevertrag war sittenwidrig und unwirksam. Nun soll das AG den bisher unterlassenen Zugewinn- und Versorgungsausgleich nachholen.
Quelle | OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.4.2021, 5 UF 125/20
| Ist ein Scheidungsantrag bei Gericht rechtshängig, müssen die Ehegatten auf Verlangen des Gerichts Auskunft über ihre Versorgungsanrechte erteilen, auch wenn sie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Scheidung bestreiten. Das Gericht darf zur Durchsetzung der Auskunftspflicht Zwangsmittel auch schon festsetzen, bevor geklärt ist, ob der Scheidungsantrag überhaupt begründet ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |
Zwischen den Eheleuten war ein Scheidungsverbundverfahren rechtshängig. Beide haben Scheidungsanträge gestellt, die Frau bestritt jedoch den Vortrag des Mannes, dass die Eheleute seit mehr als einem Jahr in der Ehewohnung getrennt leben würden.
Das Amtsgericht (AG) hatte noch keinen Verhandlungstermin bestimmt. Es hatte die Ehegatten dennoch aufgefordert, den ausgefüllten Fragebogen über ihre in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte vorzulegen. Nachdem die Frau dieser Aufforderung trotz Androhung von Zwangsmaßnahmen nicht nachgekommen war, hat es gegen sie ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt.
Die Rechtsmittel der Frau blieben erfolglos. Das liegt auch im Interesse des Scheidungswilligen. Denn so wird verhindert, dass der andere Ehegatte durch das Bestreiten materiell-rechtlicher Scheidungsvoraussetzungen (Ablauf des Trennungsjahrs, Scheitern der Ehe) seine Auskunft über Versorgungsanrechte und damit das Scheidungsverfahren verzögern kann.
Quelle | BGH, Beschluss vom 30.9.2020, XII ZB 438/18, Abruf-Nr. 219087 unter www.iww.de
| Die Frage, wer bei der Beantragung eines quotenlosen Erbscheins zustimmen muss, ist umstritten. Die zwei bekanntesten obergerichtlichen Entscheidungen hierzu liegen diametral auseinander. Während das Oberlandesgericht (OLG) München fordert, dass alle in Betracht kommenden Erben auf die Aufnahme der Erbquoten im Erbschein verzichten müssen, lässt es das OLG Düsseldorf genügen, dass nur die Antragsteller auf die Angaben der Quoten verzichten. Jetzt ist das OLG Bremen dem OLG München beigesprungen. |
Im Fall des OLG Bremen hatte ein Beteiligter den Erlass eines Erbscheins ohne Erbteilsquoten beantragt, weil diese erst nach Aufklärung der Wertverhältnisse des Nachlasses sicher festgestellt werden könnten. Die hierzu angehörte andere Beteiligte hatte dem jedoch widersprochen, weil die Auslegung des Testaments ergebe, dass sie Alleinerbin geworden sei. Das Nachlassgericht hatte aufgrund des Widerspruchs verfügt, ein gemeinschaftlicher quotenloser Erbschein komme nicht in Betracht. Das OLG Bremen sah dies genauso.
Quelle | OLG Bremen, Urteil vom 28.10.2020, 5 W 15/20, Abruf-Nr. 221354 unter www.iww.de
| Setzt ein Hilfsbedürftiger kurz nach Beginn der Betreuung seine Betreuerin als Erbin ein, kann das Testament wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG Celle) entschieden. |
Das war geschehen
Im Dezember 2004 erlitt ein damals 85-jähriger Mann einen schweren Schlaganfall. Neben einer Halbseitenlähmung hatte er erhebliche psychische Ausfallerscheinungen. Er war nicht orientiert, wusste nicht, dass er sich im Krankenhaus befand und musste zeitweise fixiert werden. Da er deshalb nicht in der Lage war, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, richtete das Amtsgericht (AG) Anfang Januar 2005 eine sog. rechtliche Betreuung ein und bestellte eine Berufsbetreuerin zur Betreuerin des Mannes, der keine Angehörigen hatte. Diese hatte u.a. die Aufgabe, die Gesundheits- und Vermögensangelegenheiten des Mannes in seinem Interesse zu regeln.
Anfang April 2005 zog der Mann aus dem Krankenhaus in eine Pflegeeinrichtung. Am 4. Mai 2005 setzte er die Betreuerin sowie eine weitere Person, die ihm von der Betreuerin für verschiedene Dienstleistungen wie Einkäufe und Spaziergänge vermittelt worden war, zu seinen Erben sein. Dieses Testament wurde im Beisein der Betreuerin von einer Notarin aufgenommen. Der Wert des Vermögens des Mannes war dort mit 350.000 Euro angegeben. Die Betreuerin verheimlichte diese Erbeinsetzung gegenüber dem AG, das die Betreuung im Dezember 2005 auf der Grundlage eines fachärztlichen Gutachtens und nach eigener Anhörung des Mannes verlängerte. Der Mann starb im April 2012. Die Betreuerin und die als weiterer Erbe eingesetzte Person teilten das Guthaben des Erblassers unter sich auf.
So entschieden die Vorinstanzen
Anfang 2014 bestellte das AG Hannover einen sog. Nachlasspfleger, der den Nachlass zugunsten der unbekannten Erben des Mannes sichern sollte. Dieser verlangte von der Betreuerin und der weiteren Person die Herausgabe der von diesen erlangten Vermögenswerte. Das Landgericht (LG) gab der Klage durch ein erstes Teilurteil im Grundsatz statt und wies die Widerklage der Beklagten ab, die die Feststellung begehrten, dass sie selbst Erben geworden seien.
Das sagt das OLG
Das OLG Celle wies die von den Beklagten hiergegen eingelegte Berufung nun zurück und stützte diese Entscheidung auf zwei Gesichtspunkte:
Erblasser nicht testierfähig
Zum einen war das OLG davon überzeugt, dass der Erblasser im Mai 2005 nicht testierfähig war. Grundsätzlich kann zwar jeder Mensch ab Vollendung des 16. Lebensjahrs wirksam ein Testament errichten. Diese Fähigkeit fehlt aber ausnahmsweise, wenn eine Person krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, sich ein klares Urteil u.a. darüber zu bilden, welche Tragweite und Auswirkungen ihre testamentarischen Anordnungen haben, oder wenn sie nicht frei von Einflüssen Dritter nach diesem Urteil handeln kann. Eine solche Ausnahmesituation hat der Senat im vorliegenden Fall ebenso wie das LG nach umfangreicher Auseinandersetzung mit verschiedenen ärztlichen Berichten und Gutachten sowie weiteren Beweismitteln angenommen.
Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung
Zum anderen hat das OLG festgestellt, dass das Testament sittenwidrig und damit nach § 138 BGB nichtig war. Zwar gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift (anders als im Heimrecht), die es Betreuern untersagt, neben der vereinbarten Vergütung Geschenke entgegenzunehmen, soweit diese über geringwertige Aufmerksamkeiten hinausgehen. Das OLG folgerte die Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung aber daraus, dass die Betreuerin die von Einsamkeit und Hilflosigkeit geprägte Situation des Erblassers zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt habe.
Erbeinsetzung verschwiegen
Denn das Testament wurde kurz nach der Krankenhausentlassung errichtet. Der Erblasser kannte die Betreuerin erst kurze Zeit. Im damaligen Zeitraum hatte er noch gegenüber der Betreuungsrichterin des AG angegeben, nichts von einer Betreuung zu wissen. Trotz der erheblichen Erkrankung hatte die Betreuerin keinen ärztlichen Rat eingeholt, ob er überhaupt testierfähig war. Sie selbst hatte die Notarin mit der Aufnahme des Testaments beauftragt und war ohne zwingenden Grund bei der gesamten Testamentsaufnahme anwesend. Dabei sei ihr bewusst gewesen, dass der Erblasser dieses notarielle Testament später aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht mehr durch ein eigenes handschriftliches Testament habe ersetzen können. Gegenüber dem AG habe sie u.a. die Erbeinsetzung verschwiegen, sodass das Gericht mögliche Interessenkonflikte nicht prüfen konnte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Celle, Urteil vom 7.1.2021, 6 U 22/20, PM Nr. vom 9.4.2021
| Wann erhält der mutmaßliche (leibliche) Vater die für den Beginn der Frist zur Anfechtung einer Vaterschaft entscheidende Kenntnis von Umständen, die gegen die Vaterschaft des rechtlichen Vaters sprechen? Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat jetzt entschieden: Er erhält sie bereits dadurch, dass er in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der Mutter hatte und das Kind eine ihm zum Zeitpunkt der Geburt bekannte Fehlbildung infolge eines Erbdefekts aufweist, die auch er hat. |
Der leibliche Vater hatte die Vaterschaft bis zur Einleitung des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens nicht anerkannt. Nun verlangte er vergeblich, dass seine Vaterschaft festgestellt wird. Hierzu war er zwar berechtigt. Aber die zweijährige Anfechtungsfrist war schon abgelaufen, was einer gerichtlichen Anfechtung entgegenstand.
Maßgeblich für den Fristbeginn, so das OLG, ist der Zeitpunkt, zu dem der biologische Vater von den Umständen erfährt, die gegen die (rechtliche) Vaterschaft des Ehemanns der Mutter sprechen. Hier hätten sich Zweifel an dessen Vaterschaft schon zum Zeitpunkt der Geburt ergeben müssen. Damit war die zweijährige Anfechtungsfrist bereits abgelaufen.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 25.2.2020, 12 UF 12/18
| Hält ein Erbe den Nachlass für überschuldet, kann er die Erbschaft ausschlagen. Doch dabei ist Vorsicht geboten, wie ein aktueller Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf zeigt. Hier hatte der Erbe allerdings Glück. Der Erbe war vor allem aufgrund des verwahrlosten Zustands der Wohnung des Erblassers davon ausgegangen, dass dessen Nachlass überschuldet ist. Das aber war ein Irrtum, den das OLG Düsseldorf beachtlich fand. |
Sachverhalt
Was war geschehen? Die Polizei hatte den Erblasser tot in seiner völlig vermüllten und verdreckten Wohnung aufgefunden. Nachdem schließlich ein Erbe ermittelt und von der Polizei über den Zustand der Wohnung sowie den Umstand informiert worden war, dass umherliegende Rechnungen und Mahnungen auf erhebliche Nachlassverbindlichkeiten hindeuten würden und sich werthaltige Gegenstände nicht in der Wohnung befänden, hat der Erbe davon abgesehen, sich um die Wohnung zu kümmern.
Nachlassgericht zeigt sich unnachgiebig
Anschließend hat er Kontakt mit dem Nachlassgericht aufgenommen und mit der zuständigen Rechtspflegerin über die Frage der Annahme der Erbschaft bzw. der Ausschlagung gesprochen. Das Nachlassgericht hatte ihn darüber informiert, dass die Bestattung des Erblassers mit öffentlichen Mitteln bezahlt worden sei. Daraufhin hatte der Erbe die Erbschaft schließlich ausgeschlagen.
Später stellte sich heraus, dass der Nachlass ein erhebliches Vermögen umfasst. Der Erbe erklärte nun die Anfechtung der Ausschlagung und beantragte einen Erbschein. Das Nachlassgericht wies diesen Antrag aufgrund der Ausschlagung zurück. Eine dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg und wurde dem OLG vorgelegt.
Oberlandesgericht sieht Anfechtungsgrund
Das OLG gab dem Erben jedoch Recht. Er habe seine Ausschlagungserklärung wirksam angefochten. Entgegen dem Nachlassgericht liege ein Anfechtungsgrund in der Form eines sog. Eigenschaftsirrtums vor. Er sei aufgrund der von ihm in Erfahrung gebrachten Umstände und der aus seiner Sicht abschließend erfolgten Klärung der Vermögensverhältnisse ohne Anhaltspunkte für weitere taugliche Informationsquellen zu der Vorstellung gelangt, dass sich im Nachlass ausschließlich Verbindlichkeiten des Erblassers befinden. Damit hat er sich bei der Erklärung der Erbausschlagung nicht lediglich von einer Befürchtung leiten lassen, sondern von seiner Überzeugung einer bestehenden Überschuldung.
Verfahrenspfleger erforderlich
Das OLG hat die Sache an das Ausgangsgericht zurückverwiesen, da hier die Hinzuziehung eines zu beteiligenden Verfahrenspflegers fehlerhaft unterblieben ist.
Quelle | OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.11.2020, I-3 Wx 166/20, Abruf-Nr. 221133 unterwww.iww.de
| Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hält die gesetzliche Regelung des Abstammungsrechts nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1592 BGB) für verfassungswidrig. Danach kann die gleichgeschlechtliche Partnerin einer Mutter die Rechte und Pflichten des zweiten Elternteils nicht von Gesetzes wegen mit der Geburt des Kindes, sondern allenfalls über eine Adoption erlangen. Das OLG legt das Verfahren daher dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung dieser verfassungsrechtlichen Frage vor. |
Sachverhalt
Die Antragstellerinnen dieses Verfahrens leben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und sind inzwischen verheiratet. Eine der beiden Partnerinnen wurde mittels einer grundsätzlich anonymen Keimzellenspende schwanger. Die andere Partnerin erkannte vor der Geburt des Kindes in einer notariell beurkundeten Erklärung an, „Mit-Mutter“ zu sein. Sie bekräftigte dort, „dass sie unbedingt, uneingeschränkt und von Geburt an die Eltern-Verantwortung für das Kind (…) übernehmen“ wolle. Die Erklärung diene der Absicherung des Kindes.
„Mit-Mutterschaft“
Nach der Geburt lehnten das zuständige Standesamt und das Amtsgericht (AG) Hildesheim es unter Verweis auf die geltende Rechtslage ab, diese „Mit-Mutterschaft“ festzustellen. Hiergegen haben sich die Antragstellerinnen mit der Beschwerde an das OLG gewandt. Sie wollen damit erreichen, dass die Ehefrau der Mutter als „Mit-Mutter“ rechtlich anerkannt wird.
Das OLG hat zunächst darauf hingewiesen, dass diese begehrte Feststellung nach der geltenden Gesetzeslage nicht getroffen werden kann. Mutter eines Kindes ist die Frau, die das Kind geboren hat. Vater eines Kindes ist der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.
Gesetzgeber hat abstammungsrechtliche Fragen nicht geregelt
Auf die Ehefrau der Mutter können diese Grundsätze trotz der zwischenzeitlich erfolgten Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Ehen nicht übertragen werden. Diese Regelung basiere gemeinsam mit der Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung vielmehr auf der grundlegenden gesetzlichen Wertung, dass der rechtliche Vater mit dem Kind genetisch verwandt ist. Diese genetische Verwandtschaft fehlt der „Mit-Mutter“. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe auch die abstammungsrechtlichen Fragen neu zu regeln. An diese Entscheidung seien die Gerichte gebunden und dürften sie nicht durch ihre eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzen. Insoweit stimmt das OLG mit der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) überein, der kürzlich in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, dass die Ehefrau der Mutter nicht mit der Geburt des Kindes dessen Mit-Elternteil wird.
Rechte und Pflichten von Eltern
Im Gegensatz zu der Auffassung des BGH geht das OLG Celle aber davon aus, dass die fehlende gesetzliche Regelung einer „Mit-Mutterschaft“ die mit der Mutter verheiratete Antragstellerin in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht verletzt. Denn nach dem Grundgesetz ist „die Pflege und Erziehung der Kinder (…) das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Diese Verpflichtung beruht nach der Rechtsprechung des BVerfG darauf, dass die Eltern dem Kind das Leben gegeben haben und ihm sozial und familiär verbunden sind.
Nach Auffassung des OLG folgen aus diesen Gesichtspunkten nicht nur die Rechte und Pflichten leiblicher Eltern, sondern in Fällen der Zeugung des Kindes im Wege einer anonymen Keimzellenspende auch die Berechtigung und Verpflichtung der Partnerin der Mutter. Auch diese wolle im Einverständnis mit der Mutter für das aus der künstlichen Befruchtung hervorgehende Kind dauerhaft und unauflöslich Verantwortung übernehmen. Der gemeinsame Entschluss beider Partnerinnen sei in diesen Fällen die Voraussetzung dafür, dass neues Leben entstehe. Der hierdurch gegenüber dem Kind begründeten Verpflichtung folge zugleich das Recht, die Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen zu können. Die Spender der Keimzelle brächten durch die anonyme Spende demgegenüber zum Ausdruck, diese Elternstellung gerade nicht einnehmen zu wollen.
Grundrecht des Kindes
Aus denselben Gründen ist nach Auffassung des OLG u.a. auch das Grundrecht des betroffenen Kindes auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern verletzt. Das OLG sah hiernach eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Elternstellung für solche „Mit-Eltern“ gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten. Er weist abschließend darauf hin, dass sich vergleichbare Fragen auch im Fall einer gleichgeschlechtlichen Ehe von zwei Männern stellen, die in dem vorliegenden Verfahren aber nicht zu bewerten sind.
Bundesverfassungsgericht wird entscheiden
Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung war das OLG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit vorzulegen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss und PM vom 24.3.2021, 21 UF 146/20
| Die Entscheidung über das Durchführen von Schutzimpfungen für ein gemeinsames Kind kann bei Uneinigkeit der Eltern auf den Elternteil übertragen werden, der seine Haltung an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) orientiert. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. wies daher die Beschwerde eines Vaters zurück. |
Sachverhalt
Die Eltern eines 2018 geborenen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Die Mutter möchte das Kind gemäß den Empfehlungen der STIKO impfen lassen. Der Vater ist damit nicht einverstanden und verlangt eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes. Die Mutter hat deshalb vor dem Amtsgericht (AG) beantragt, ihr die Entscheidungsbefugnis über Standardimpfungen zu übertragen. Diesem Antrag hat das AG stattgegeben.
Kindeswohl im Blick
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Wenn sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, kann auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen werden. Die Entscheidung über das Durchführen von Schutzimpfungen sei eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, stellt das OLG fest. Dabei sei die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen, „dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird“. Gehe es um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, sei die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der insoweit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolge.
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ersetzt Gerichtsgutachten
Bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Schutzimpfungen auf einen Elternteil könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich maßgeblich darauf abgestellt werden, „dass ein Elternteil Impfungen offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf, wenn im Einzelfall kein Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht“.
Es könne davon ausgegangen werden, „dass eine an den Empfehlungen der STIKO orientierte Entscheidung der Kindesmutter über vorzunehmende Impfungen im Ausgangspunkt das für das Kindeswohl bessere Konzept im Sinne der Rechtsprechung darstellt“, begründet das OLG. Bei der Abwägung zwischen Risiken im Fall einer Impfung und Risiken bei unterbleibender Impfung könne die Entscheidung auf den Elternteil übertragen werden, der den fachlichen Empfehlungen der STIKO folge. Diesen Empfehlungen komme die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu.
Da nach den Empfehlungen der STIKO die Impffähigkeit in der konkreten Situation unter Berücksichtigung etwaiger Kontraindikationen ärztlich zu prüfen sei, bedürfe es auch keiner allgemeinen, unabhängig von einer konkreten Impfung vorzunehmenden gerichtlichen Aufklärung der Impffähigkeit des Kindes. Der Sorge des Vaters um die körperliche Unversehrtheit des Kindes im Hinblick auf den Impfvorgang selbst trügen die Empfehlungen der STIKO ebenfalls Rechnung. Für den Impfvorgang werde von der STIKO eine am Kindeswohl orientierte Vorgehensweise mit im Einzelnen dargestellten Handlungsvorschlägen empfohlen. Dass diese Empfehlungen vorliegend unzureichend seien, sei weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8.3.2021, 6 UF 3/21, PM Nr. 18/2021 vom 18.3.2021
| Der Bundesgerichtshof (BGH) musste jetzt die Frage beantworten, wie lange nach Rechtskraft der Scheidung ein Ehegatte vom anderen die Überlassung der Ehewohnung verlangen kann, wenn diese im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht. |
Die Beteiligten bewohnten während ihrer Ehe gemeinsam eine Wohnung, die im Alleineigentum des Antragstellers steht. Seit der Trennung im Jahr 2014 und auch über die seit Dezember 2015 rechtskräftige Scheidung hinaus nutzt die Antragsgegnerin die Wohnung allein. Die Antragsgegnerin war ursprünglich Alleineigentümerin einer anderen, im selben Haus gelegenen Wohnung, die sie im Jahr 2016 unentgeltlich auf einen Sohn übertrug. Sie zahlt an den Antragsteller weder Miete oder Nutzungsentschädigung noch trägt sie die verbrauchsabhängigen Kosten. Zahlungsaufforderungen des Antragstellers sind ebenso erfolglos geblieben wie sein Herausgabeverlangen. Der Antragsteller hat beim Amtsgericht (AG) einen Räumungs- und Herausgabeantrag gestellt. Diesem hat das AG mit einer Räumungsfrist entsprochen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.
Der BGH hat auch die dagegen von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Zwar ist der aus dem Eigentum folgende Herausgabeanspruch eines Ehegatten auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht durchsetzbar, solange das Ehewohnungsverfahren eröffnet ist. Ob es sich (noch) um eine Ehewohnung handelt, ist dabei nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung zu beurteilen. Das Ehewohnungsverfahren ist jedoch immer eröffnet, wenn es sich bei den Räumen auch während des Getrenntlebens in rechtlicher Hinsicht um die Ehewohnung gehandelt hat.
Diese Sperrwirkung ist im Ergebnis aber zeitlich begrenzt. Denn ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung erlöschen nicht nur die Ansprüche auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung, sondern auch diejenigen auf Überlassung der Ehewohnung, wenn sie nicht vorher rechtshängig gemacht worden sind.
Im Fall des BGH war die Jahresfrist längst abgelaufen, ohne dass die Antragsgegnerin Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung gerichtlich geltend gemacht hat. Da ihr auch nicht aus anderen Gründen, etwa einer sonstigen Vereinbarung zwischen den Beteiligten, ein Recht zum Besitz an der Wohnung zusteht, war sie verpflichtet, die Wohnung herauszugeben.
Quelle | BGH, Beschluss vom 10.3.2021, XII ZB 243/20, PM Nr. 51/21