Marcus Spiralski Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht

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Urteilsarchiv

Architektenrecht: Abdichtungsarbeiten müssen intensiv überwacht werden

| Erhält ein Architekt den Auftrag, bei „wichtigen Arbeiten“ und „Schwerpunktarbeiten auf der Baustelle“ nachzuschauen bzw. auf die „Knackpunkte der Bauausführung“ zu achten, muss er die Ausführung von Abdichtungsarbeiten besonders intensiv überwachen. |

Das musste sich ein Architekt vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg sagen lassen. Dieser war vom Bauherrn nur damit beauftragt worden, kritische bzw. wichtige Bauarbeiten zu überwachen. Die Entlohnung erfolgte auf Stundenbasis.

Seine Haftung sei nach Ansicht des Gerichts aber nicht wegen der – im Vergleich zu der für die Objektüberwachung nach HOAI geschuldeten Vergütung – geringen Höhe des vereinbarten Honorars begrenzt. Der Haftungsumfang bestimme sich grundsätzlich nicht nach der Höhe der vereinbarten Vergütung. Er richte sich vielmehr nach dem vertraglichen Leistungssoll. Im vorliegenden Fall war ausschlaggebend, ob und mit welcher Intensität der Architekt die Arbeiten hat überprüfen müssen. Die handwerkliche Ausführung einer Bitumendickbeschichtung sei insbesondere bei „drückendem Wasser“ oder „aufstauendem Sickerwasser“ keine handwerkliche Selbstverständlichkeit, die nicht besonders überwacht werden müsse. Der Architekt hätte hier besondere Aufmerksamkeit walten lassen müssen. Weil er dies unterlassen habe, müsse er für die entstandenen Schäden haften.

Quelle | OLG Brandenburg, Urteil vom 22.12.2015, 4 U 26/12, Abruf-Nr. 185254 unter www.iww.de.

Aktuelle Gesetzgebung: Bundesregierung beschließt neues Bauvertragsrecht

| Die Bundesregierung hat den vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung beschlossen. |

Bauunternehmer müssen Verbrauchern künftig rechtzeitig vor Vertragsschluss eine Baubeschreibung aushändigen, die klare und verständliche Angaben zu den wesentlichen Eigenschaften des Bauwerks enthält. Sie wird grundsätzlich Inhalt des Vertrags und ermöglicht einen genauen Überblick über die angebotenen Leistungen. Der Vertrag hat außerdem verbindliche Angaben zum Fertigstellungstermin zu machen. Das gibt Verbrauchern mehr Planungssicherheit. Etwa, wann sie die bisherige Wohnung kündigen oder den Umzug organisieren sollen.

Widerrufs- und Kündigungsrecht

Verbraucher haben das Recht, einen Bauvertrag innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsschluss zu widerrufen. So können sie einen Kauf mit in der Regel hohen finanziellen Verpflichtungen noch einmal überdenken. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, unabhängig davon, ob eine ordnungsgemäße Belehrung erfolgt ist. Künftig gibt es im Werkvertragsrecht – und somit auch bei Bauverträgen – ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund.

Änderungen auch nach Vertragsschluss möglich

Häufig treten während der Ausführung des Baus noch Änderungen ein. Etwa wenn sich die Vorstellungen des Bauherren ändern oder er bestimmte Umstände nicht berücksichtigt hatte. Bauherren sollen deshalb das Bauvorhaben künftig noch nach Vertragsschluss einseitig ändern können.

Der Unternehmer muss die Änderungen aber nur ausführen, wenn sie für ihn zumutbar sind. Dabei sind die Interessen beider Parteien angemessen zu berücksichtigen. Die Berechnung der Mehr- oder Mindervergütung dafür hat grundsätzlich anhand der tatsächlichen Kosten zu erfolgen. Der Unternehmer erhält angemessene Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn.

Der Bauunternehmer ist auch verpflichtet, Unterlagen über das Bauwerk zu erstellen, die der Verbraucher zum Nachweis der Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften oder für den Kredit benötigt.

Außerdem werden verschiedene Vorschriften vereinfacht oder effektiver gestaltet: Zum Beispiel die Berechnung von Abschlagszahlungen, für die es Obergrenzen gibt, sowie die Abnahme der Bauleistung durch den Bauherren. Bei einer Kündigung des Bauvertrags bzw. bei Verweigerung der Abnahme ist der Leistungsstand bzw. der Zustand des Werks zu dokumentieren. Der Gesetzentwurf enthält zugleich spezielle Neuregelungen für den Architekten- und Ingenieurvertrag.

Bessere Gewährleistung

Darüber hinaus gibt es eine Änderung bei der Mängelhaftung zugunsten von Käufern: Der Verkäufer einer beweglichen Sache ist gegenüber dem Käufer verpflichtet, die in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen, oder die Kosten für beides zu tragen. Und zwar verschuldensunabhängig. Das gilt auch für Käufe zwischen Unternehmern.

Öffentlicher Dienst: Anerkennung einer Berufskrankheit erst nach Listung möglich

| Bei Beamten kann eine Krankheit nur als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Erkrankung bereits in der Anlage zur BerufskrankheitenVO gelistet war. |

Zu diesem Ergebnis kam das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Bei dem Beamten handelte es sich um einen ehemaligen JVA-Bediensteten im Ruhestand. Er beaufsichtigte etwa zweieinhalb Jahre Gefangene in einem Werksbetrieb, die Bürosessel fertigten. Hierbei wurden zwei lösungsmittelhaltige Klebstoffe verwendet. Spätestens im November 1997 erkrankte der Beamte an Polyneuropathie. Diese Erkrankung wurde bei Exposition zu organischen Lösungsmitteln zum 1.12.97 in die Liste der Berufskrankheiten der BerufskrankheitenVO aufgenommen. Die Anerkennung als Berufskrankheit blieb im Verwaltungs- und im Klageverfahren erfolglos.

Das BVerwG hat die Revision zurückgewiesen. Nach den gesetzlichen Regelungen können nur Krankheiten als Berufskrankheiten anerkannt werden, die zum Zeitpunkt der Erkrankung als Berufskrankheit in Anlage 1 zur BerufskrankheitenVO gelistet sind. Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung, die auch die rückwirkende Anerkennung von Berufskrankheiten ermöglichen, gelten nicht für Beamte. Diese Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, weil Beamten auch bei vollständiger Dienstunfähigkeit lebenszeitige Versorgungsansprüche zustehen.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 10.12.2015, 2 C 46.13, Abruf-Nr. 146184 unter www.iww.de.

Kündigungsrecht: Kündigung wegen privater Internetnutzung – Auswertung des Browserverlaufs ohne Zustimmung des Arbeitnehmers

| Will der Arbeitgeber einen Kündigungssachverhalt feststellen, darf er den Browserverlauf des Dienstrechners des Arbeitnehmers auswerten, ohne dass der Arbeitnehmer zustimmen muss. |

Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschieden. In dem Fall hatte der Arbeitnehmer einen Dienstrechner überlassen bekommen. Das Internet durfte er allenfalls in Ausnahmefällen während der Arbeitspausen nutzen. Nachdem Hinweise auf eine erhebliche private Nutzung des Internets vorlagen, wertete der Arbeitgeber den Browserverlauf des Dienstrechners aus. Der Arbeitnehmer hatte vorher nicht zugestimmt. Der Arbeitgeber kündigte anschließend das Arbeitsverhältnis wegen der festgestellten Privatnutzung von insgesamt ca. fünf Tagen in einem Zeitraum von 30 Arbeitstagen aus wichtigem Grund.

Das LAG hat die außerordentliche Kündigung für rechtswirksam gehalten. Es hat die beiderseitigen Interessen abgewogen. Danach dürfe hier das Arbeitsverhältnis sofort aufgelöst werden, weil das Internet unerlaubt genutzt wurde. Hinsichtlich des Browserverlaufs liege kein Beweisverwertungsverbot zulasten des Arbeitgebers vor. Zwar handele es sich um personenbezogene Daten, in deren Kontrolle der Arbeitnehmer nicht eingewilligt habe. Eine Verwertung der Daten sei jedoch statthaft. Das Bundesdatenschutzgesetz erlaube es es auch ohne eine derartige Einwilligung, den Browserverlauf zur Missbrauchskontrolle zu speichern und auszuwerten. Zudem habe der Arbeitgeber im vorliegenden Fall keine Möglichkeit gehabt, mit anderen Mitteln den Umfang der unerlaubten Internetnutzung nachzuweisen.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.1.2016, 5 Sa 657/15, Abruf-Nr. 146486 unter www.iww.de.

Aktuelle Gesetzgebung: Bundesrat stimmt für Erhöhung der Meister-BAföG-Sätze

| Einkommens- und Vermögensfreibeträge sowie die staatlichen Zuschüsse werden beim sogenannten Meister-BAföG deutlich steigen. Dem entsprechenden Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) hat der Bundesrat zugestimmt. |

Ab dem 1.8.16 sind folgende Erhöhungen der maximalen Unterhaltsbeiträge im AFBG vorgesehen: für Alleinstehende von 697 EUR auf 768 EUR/Monat; für Alleinerziehende von 907 EUR auf 1.003 EUR/Monat; für Verheiratete mit einem Kind von 1.122 EUR auf 1.238 EUR/Monat; für Verheiratete mit zwei Kindern von 1.332 EUR auf 1.473 EUR/Monat

Mit dem AFBG werden Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung altersunabhängig finanziell unterstützt. Die Förderung erfolgt teils als Zuschuss, teils als zinsgünstiges Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Mit der Erhöhung des Zuschussanteils auf 50 Prozent setzt das Gesetz eine Prüfbitte des Bundesrats um. Insgesamt 245 Millionen EUR zusätzlich sollen in den nächsten vier Jahren eingesetzt werden.

Neu ist zudem, dass künftig auch Bachelorabsolventinnen und -absolventen gefördert werden, wenn sie ihren Meister machen. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung und Verkündung zugeleitet und soll am 1.8.16 in Kraft treten.

Quelle | Drittes Gesetz zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes, BR-Drucksache 97/16

Aktuelle Gesetzgebung: AU-Bescheinigung – Regelungen zur Rückdatierung und zu Folgebescheinigungen geändert

| Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dürfen jetzt in Ausnahmefällen bis zu drei Tage rückdatiert werden. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen. Die entsprechende Änderung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) ist am 4.3.16 in Kraft getreten. Bisher war eine Rückdatierung nur für zwei Tage möglich. Um jedoch zu gewährleisten, dass eine Arbeitsunfähigkeit auch für den Zeitraum einer Notfallversorgung rückwirkend bescheinigt werden kann – zum Beispiel für das Wochenende – wurde der Zeitraum von zwei auf drei Tage verlängert. |

Zudem wurde in der AU-RL die Regelung zum Anspruch auf Krankengeld und dessen Fortbestehen aufgrund einer Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit geändert. Bislang mussten die Patienten die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit spätestens am Tage des Ablaufs der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit erneut ärztlich feststellen lassen. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurde neu geregelt, dass der Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen bleibt, wenn das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit am nächsten Werktag nach dem Ende der bisher festgestellten Arbeitsunfähigkeit arztlich festgestellt wird. Samstage werden dabei nicht als Werktage gezählt. Ist die AU-Bescheinigung zum Beispiel bis Dienstag ausgestellt, wäre der nächste Werktag nach dem Ende der bisher festgestellten Arbeitsunfähigkeit der Mittwoch. Endet sie am Freitag, müsste der Patient den Arzt für eine Folgebescheinigung erst wieder am Montag aufsuchen. Damit werden die Probleme gelöst, die sich in der Praxis bei der verspäteten Ausstellung von AU-Bescheinigungen (Folgebescheinigungen) in der Vergangenheit ergaben.

Zum Anfang

Kündigungsrecht: Keine fristlose Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden bei eigenmächtigem Urlaubsantritt

| Ein eigenmächtiger Antritt von zwei unbezahlten Urlaubstagen bei einem ohnehin freigestellten langjährigen Betriebsratsvorsitzenden rechtfertigt nicht in jedem Fall eine fristlose Kündigung. |

So entschied es das Arbeitsgericht Düsseldorf. Die Arbeitgeberin, eine Gießerei mit ca. 1.050 Beschäftigten, hatte geltend gemacht, ihr Betriebsratsvorsitzender habe den Urlaub zwecks Besuchs einer gewerkschaftlichen Schulungsmaßnahme eigenmächtig angetreten. Die Bewilligung sei vorher mehrfach ausdrücklich von dem zuständigen Personalleiter wegen dringend zu erledigender Aufgaben und aufgrund der Kurzfristigkeit des Urlaubsbegehrens abgelehnt worden. Sie hat deshalb beim Arbeitsgericht beantragt, die vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Hilfsweise hat sie den Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat beantragt, da er quasi „im Alleingang“ immer wieder Beteiligungsrechte missbräuchlich ausnutze. So sei z. B. über einen Antrag auf Mehrarbeit nicht entschieden worden, um den Arbeitgeber zu einem Verzicht auf Ausschlussfristen zu bewegen.

Der Betriebsratsvorsitzende und der Betriebsrat haben demgegenüber die Auffassung vertreten, ein Mitglied der Geschäftsleitung habe den Urlaub vorab bewilligt. Der Vorsitzende könne zudem die Lage seiner Arbeitszeit nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen. Ein Ausschluss aus dem Betriebsratsgremium komme nicht in Betracht, da nicht er persönlich, sondern der Betriebsrat als solcher die Entscheidungen treffe.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Der eigenmächtige Urlaubsantritt sei allerdings eine Pflichtverletzung. Aufgrund der weiter erforderlichen Interessenabwägung genüge er aber ausnahmsweise nicht als Grund für eine fristlose Kündigung. Zugunsten des Betriebsratsvorsitzenden sei zu berücksichtigen, dass dieser seit 15 Jahren beschäftigt sei. Es habe keine Abmahnung gegeben. Zudem seien die Anforderungen an die fristlose Kündigung sehr hoch, da der Vorwurf mit der besonders geschützten Betriebsratstätigkeit zusammenhänge. Der hilfsweise geltend gemachte Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat scheitere daran, dass die dargelegten Pflichtverletzungen, z. B. unzulässige Koppelungsgeschäfte, jeweils vom gesamten Betriebsrat beschlossen wurden.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig.

Quelle | Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.3.2016, 10 BV 253/15, Abruf-Nr. 146612 unter www.iww.de.

Fahrverbot: Kein Augenblicksversagen beim „Frühstart“ wegen Fußgängerampel

| Wer die für den fließenden Verkehr maßgebliche Lichtzeichenanlage mit dem Grünlicht der in gleiche Richtung führenden Fußgängerampel verwechselt, kann sich nicht auf ein „Augenblicksversagen“ berufen. Ein wegen des qualifizierten Rotlichtverstoßes verwirktes Fahrverbot fällt unter diesem Gesichtspunkt nicht weg. |

So hat in einem sog. Frühstarterfall das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg entschieden. Die Richter machten deutlich, dass schlechterdings nur von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden könne, wenn eine Fußgängerampel mit der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage verwechselt werde. Diese zu unterscheiden sei eine grundlegende, auch völlig einfach zu erfüllende Mindestanforderung, die ein Verkehrsteilnehmer in jeder Lage ohne Weiteres bewältigen müsse. Eine derartige Verwechslung lasse – wenn und soweit keine weiteren besonderen Umstände hinzutreten – nur den Schluss auf eine außerordentlich gravierende Pflichtverletzung des Betroffenen zu. Dann sei es aber nicht gerechtfertigt, vom Regelfahrverbot abzusehen.

Quelle | OLG Bamberg, Beschluss vom 10.8.2015, 3 Ss OWi 900/15, Abruf-Nr. 146106 unter www.iww.de.

Fahrtauglichkeit: Schwerhörigkeit ist allein kein Grund um die Fahrerlaubnis zu entziehen

| Sogar Gehörlosigkeit ist kein Mangel, der generell und allein fahruntauglich macht. |

Hierauf wies das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt im Fall eines 1930 geborenen Mannes hier. Dieser wollte seine 1962 erworbene Fahrerlaubnis in die neuen Führerscheinklassen umschreiben lassen. Dabei stellte eine Mitarbeiterin der Behörde fest, dass er ein Hörgerät trug. Allein daher verlangte sie von dem Mann, ein ärztliches Attest zu seinem Hörvermögen vorzulegen. Dieser legte ein Attest seines HNO-Arzts vor. Danach erreiche er aufgrund des Hörgeräts ein altersnormales Hörvermögen. Beeinträchtigungen im Straßenverkehr seien nicht zu erwarten. Der Behörde reichte dies nicht. Sie forderte darüber hinaus ein Gutachten eines Arzts einer Begutachtungsstelle für Fahreignung. Da der Mann dieses nicht beibrachte, entzog ihm die Behörde die Fahrerlaubnis.

Das VG hielt das für offensichtlich rechtswidrig. Selbst eine hochgradige Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit sei kein Mangel, der generell und allein für das Führen von Fahrzeugen ungeeignet mache. Die Orientierung im motorisierten Straßenverkehr erfolge überwiegend über das optische System, da verkehrsrelevante Informationen maßgeblich über visuelle Signale vermittelt würden. Da durch eine vorhandene Hörminderung andere sensorische Leistungen gesteigert werden könnten, seien hörgeminderte oder gehörlose Fahrer in der Lage, durch besondere Umsicht, Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit sicher am Straßenverkehr teilzunehmen.

Quelle | VG Neustadt, Urteil vom 28.1.2016, 3 L 4/16.NW, Abruf-Nr. 146351 unter www.iww.de.

Mietwagen: Bei altem Fahrzeug darf die Mietwagengruppe nicht abgestuft werden

| Auch bei einem zum Unfallzeitpunkt 16 bzw. 23 Jahre alten Pkw ist der Geschädigte nicht verpflichtet, einen viel kleineren Mietwagen zu nehmen. Das Alter des Fahrzeugs spielt bei der Gruppeneinstufung keine Rolle. |

Diese Klarstellung traf das Landgericht (LG) Hannover und wies damit eine Versicherung in ihre Grenzen. Die Richter erläuterten, dass immer wieder Versicherer versuchen würden, die Rechtsprechung zur Altersabstufung bei der Nutzungsausfallentschädigung auch auf die Mietwagenkostenerstattung zu übertragen. Damit würden sie aber überwiegend bei den Gerichten nicht durchkommen. Entsprechend scheiterte der Versicherer auch vor dem LG.

Das Urteil folgt der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle, das dem LG Hannover übergeordnet ist. Das OLG lehnt die Gruppenabstufung ebenfalls ab. Es macht allerdings auch eine Ausnahme. So könne eine Abstufung in Betracht kommen, wenn über das Alter hinaus im Fahrzeugzustand begründete Nutzungseinschränkungen vorlägen. Dazu müsse jedoch der Versicherer Fakten vortragen und beweisen.

Quelle | LG Hannover, Urteil vom 5.10.2015, 2 O 347/14, Abruf-Nr. 146340 unter www.iww.de; OLG Celle, Urteil vom 1.4.2015, 14 U 199/14, Abruf-Nr. 146348 unter www.iww.de.