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Urteilsarchiv

Monats-Archive: Januar 2024

Schadenersatz: Reparaturverzögerungen gehen zulasten des Schädigers

| Auch Reparaturverzögerungen führen in Verkehrssachen oft zu Rechtsstreitigkeiten. In einem aktuellen Fall hat das Amtsgericht (AG) Wesel festgestellt: Das Risiko einer Verzögerung der Reparatur aufseiten der Werkstatt trägt der Schädiger. |

In dem Rechtsstreit bestritt der Versicherer, dass eine Werkstattüberlastung die Ursache der Verzögerung war, die der Geschädigte nicht erkennen konnte. Dennoch sah das AG geschädigtenfreundlich keine Veranlassung, die Ursache näher aufzuklären. Denn es war der Ansicht: Dauert die Reparatur so lange, wie sie gedauert hat, kommt es so lange nicht darauf an, warum dies so war, wie der Geschädigte darauf keinen Einfluss hat. Sogar eine vom Versicherer behauptete Verzögerung wegen einer Fehlleistung der Werkstatt ginge nicht zulasten des Geschädigten.

Quelle | AG Wesel, Urteil vom 10.11.2023, 4 C 186/22, Abruf-Nr. 238383 unter www.iww.de

Keine Kindeswohlgefährdung: Rechtswidrigkeit einer Inobhutnahme eines Kindes mit Behinderungen

| Das Verwaltungsgericht (VG) Göttingen hat auf Antrag eines Vaters festgestellt: Die Inobhutnahme eines (damals) elfjährigen Kindes im Jahr 2020 war rechtswidrig. |

Kind mit multiplen Störungen, Eltern in Trennung

Das heute 14-jährige Kind leidet u.a. an Störungen des Sozialverhaltens, Entwicklungsstörungen und unterdurchschnittlichen Lern- und Leistungsmöglichkeiten. Seit dem Jahr 2019 ist ihm Pflegegrad 3 und ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt. Seit November 2022 liegt der Grad der Behinderung bei 70. Die Eltern des Kindes trennten sich in den Jahren 2018/2019 und streiten seitdem um das Sorge- und Umgangsrecht. Dem Vater wurden mit Beschluss des AG vom Juli 2020 wesentliche Teile des Personensorgerechts entzogen, nämlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Recht, Jugendhilfeanträge zu stellen. Diese Rechte wurden allein der Mutter übertragen. Im September 2020 stand dem Vater zeitweise kein Umgangsrecht zu. Im Oktober 2022 übertrug ein anderes AG den Eltern die Gesundheitssorge wieder gemeinsam.

Mehrere Hilfsmaßnahmen für das Kind

Seit 2017 bewilligte die Stadt Göttingen (Beklagte) immer wieder Hilfen nach dem Kinder- und Jugendhilferecht (Tagesgruppe, Heimerziehung, Schulbegleitung). Anfang September 2020 nahm sie das Kind mit Einverständnis der Mutter in Obhut. Die Inobhutnahme ist eine vorläufige Maßnahme zum Schutz von Kindern und Jugendlichen eine sozialpädagogische Krisenintervention. Sie beinhaltet eine vorübergehende Schutzgewährung sowie eine weiterführende Klärungshilfe. Mit Bescheiden vom November 2020 gewährte die Beklagte für das Kind Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung nach dem Wortlaut der Bescheide rückwirkend auf den Tag der Inobhutnahme. Mitte August 2022 wurde diese Hilfe beendet. Nach kurzer Unterbrechung folgten weitere Hilfen.

Mit seiner im April 2022 erhobenen Klage wollte der Vater des Kindes (Kläger) insbesondere festgestellt wissen, dass die damalige Inobhutnahme rechtswidrig war. Diesem Antrag folgte die Kammer.

Inobhutnahme war nicht erforderlich

Die Inobhutnahme war nicht erforderlich, so das AG nun. Die Erforderlichkeit sei nur gegeben, wenn allein die Inobhutnahme das Kindeswohl sichern könne und andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht zur Verfügung stünden.

Vorliegend hätte es für eine Fremdunterbringung keiner Inobhutnahme bedurft. Denn die Kindesmutter, die das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht und auch das Recht, Jugendhilfeanträge zu stellen sowie die Gesundheitssorge innehatte, sei mit einer Fremdunterbringung einverstanden gewesen. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme vom September 2020 habe keine unmittelbaren Konsequenzen für die anschließend getroffenen und in Zukunft noch zu treffenden Entscheidungen über weitere Hilfeleistungen.

Quelle | VG Göttingen, Urteil vom 24.8.2023, 2 A 107/22, PM vom 4.9.2023

Schadenersatz: Mietwagenkosten bei Homeoffice mit Rufbereitschaft

| Wenn der Geschädigte in ländlicher Gegend ohne ausgeprägten öffentlichen Nahverkehr lebt und im Homeoffice, aber mit Rufbereitschaft arbeitet, ist auch ein Kilometerverbrauch von durchschnittlich 12,5 Kilometern pro Tag ausreichend, um die Mietwagenkosten als erforderlich anzusehen. So sieht es das Amtsgericht (AG) Nördlingen. |

Bei einer Mietwagennutzung von unter 20 km/Tag greift die Erforderlichkeitsvermutung nicht. Das bedeutet: Der Geschädigte muss Gründe vortragen und ggf. beweisen, warum der Mietwagen dennoch für ihn notwendig war. Rufbereitschaft, also die zunächst ungewisse, aber später im Bedarfsfall dringende Fahrzeugnutzung, hatte ein anderes AG zuvor bereits für einen Feuerwehrmann anerkannt.

Quelle | AG Nördlingen, Urteil vom 21.7.2023, 1 C 129/23, Abruf-Nr. 236458 unterwww.iww.de