| Schwimmen im Rhein während einer Firmenfeier ist wegen der potenziellen Eigen- und Fremdgefährdung eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf. |
Das war geschehen
Der Arbeitnehmer ist seit dem 1.1.2021 als Trainee bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Dieser veranstaltete im Spätsommer 2022 eine Betriebsfeier auf einem Restaurant- und Partyschiff am Kölner Rheinufer. Nach 22.00 Uhr soll der Arbeitnehmer auf der Toilette von einer Reinigungskraft beim Konsumieren eines weißen Pulvers beobachtet worden sein. Danach sei er vom Schiff gegangen und in den Rhein gesprungen. Er sei um das Schiff herumgeschwommen und wild gestikulierend und nur mit einer Unterhose bekleidet über das Boot an den versammelten Mitarbeitern vorbei zum Ausgang gelaufen. Wieder angekleidet und vom Arbeitgeber zur Rede gestellt, habe er nur erklärt, Spaß haben zu wollen. Einen Drogenkonsum bestritt er.
Der Arbeitgeber wirft ihm vor, er habe mit seinem Verhalten massiv den Betriebsfrieden gestört. Er habe sich selbst und andere erheblichen Gefahren ausgesetzt. Die Strömung im Rhein sei an der Anlegestelle sehr stark und es herrsche dort reger Schiffsverkehr. Die Stimmung auf der Feier sei nach dem Zwischenfall jäh gekippt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats fristlos. Der Arbeitnehmer ist der Ansicht, die Betriebsratsanhörung sei unwirksam, denn dem Gremium sei fälschlich mitgeteilt worden, dass er „unbekleidet“ in den Rhein gesprungen sei. Das Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf erklärte die Kündigung für unwirksam.
Landesarbeitsgericht: Vorherige Abmahnung fehlte
Das LAG wäre zum gleichen Ergebnis wie das ArbG gekommen. Es teilte die Argumentation des ArbG zur fehlerhaften Betriebsratsanhörung zwar nicht und sah in dem Verhalten des Arbeitnehmers eine Pflichtverletzung mit Bezug zum Arbeitsverhältnis. Er habe sich selbst aufgrund der Strömungen und des Schiffsverkehrs in Lebensgefahr begeben und potenziell Dritte gefährdet, die zum Helfen hätten veranlasst werden können. Die Kündigung scheitere aber an der fehlenden vorherigen Abmahnung. Diese sei auch nicht entbehrlich gewesen.
Der vom Arbeitgeber gestellte Auflösungsantrag sei erfolglos. Zwar habe der Arbeitnehmer auf einer Firmenveranstaltung im Juni 2022 mit einem lebensgroßen Deko-Plastik-Flamingo getanzt, sei mit diesem zu einem Bildautomaten gefahren und habe Selfies gemacht. Für dieses Verhalten sei er aber nur ermahnt worden.
So endete das Verfahren
Auf Vorschlag des LAG verständigten die Parteien sich: Das Arbeitsverhältnis wird fortgesetzt, der Arbeitnehmer tritt seinen Dienst wieder an. Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer eine Abmahnung wegen Störung des Betriebsfriedens, die der Arbeitnehmer akzeptiert.
Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 18.7.2023, 3 Sa 211/23, Abruf-Nr. 236360 unter www.iww.de
| Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig-Holstein stellte jetzt fest: Die Schulen und Schulämter können Zwangsmittel auch gegenüber den Eltern schulpflichtiger Kinder anwenden, um die Schulpflicht durchzusetzen. |
Zwangsgelder in fünf Fällen
In fünf ähnlich gelagerten Fällen wandten sich betroffene Eltern gegen die ihnen durch Schulen bzw. Schulämter auferlegte Verpflichtung, ihr Kind an einer Schule anzumelden bzw. dafür zu sorgen, dass es am Schulunterricht teilnimmt. Diese Verpflichtung war in den meisten Fällen mit der Androhung eines Zwangsgelds verbunden. Die Zwangsgelder in Höhe zwischen 300 und 800 Euro wurden teilweise auch zur Zahlung festgesetzt, nachdem die Eltern der Pflicht zur Schulanmeldung und Schulpflichtsicherstellung nicht nachgekommen waren.
Wille des Kindes gegen Schulbesuch „ist aufzulösen“
Das Gericht beurteilte das Vorgehen der Schulen und Ämter als rechtmäßig. Das Schleswig-Holsteinische Schulgesetz halte für Zwangsmittel hinreichende Rechtsgrundlagen vor. Die Eltern hätten nicht dargelegt, ihrer gesetzlichen Verantwortung für den Schulbesuch ihrer Kinder nachgekommen zu sein. Für Geltung und Durchsetzung der Schulpflicht komme es nicht darauf an, dass ein Kind (auch) aus eigenem Willen nicht zur Schule gehe, weil es außerhalb der Schule selbstbestimmt lernen wolle. Ein solcher Kindeswille mache den Eltern die Erfüllung der gegen sie gerichteten Verpflichtungsanordnung weder unmöglich noch führe er zur Nichtigkeit des Bescheids. Vielmehr müssen Eltern aufgrund ihrer Sorgepflicht auch versuchen, einen etwa entgegenstehenden Willen des Kindes aufzulösen. Auch ein vorgetragener Umzug ins Ausland tangiere die Schulpflicht nicht, solange in Wirklichkeit von einem Hauptwohnsitz der Familie in Deutschland auszugehen sei.
Quelle | VG Schleswig-Holstein, Urteile vom 8.5.2023, 9 A 174/22, 9 A 53/23, 9 A 57/23, 9 A 98/23 und 9 A 130/23, PM vom 14.8.2023