| Hat die Verwaltungsbehörde die Auswertung von Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung, deren Ergebnis ggf. schließlich zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen den Fahrer wegen Geschwindigkeitsüberschreitung führen soll, in vollem Umfang in die Hände eines privaten Unternehmens gegeben, besteht hinsichtlich der ermittelten Ergebnisse ein Beweisverwertungsverbot. |
So entschieden die Amtsgerichte (AG) Parchim und Kassel. Den Betroffenen wurden Geschwindigkeitsüberschreitungen zur Last gelegt. In beiden Fällen waren die Geschwindigkeitsmessungen durch private Firmen ausgewertet worden. Die AG haben die Betroffenen freigesprochen. Beide AG weisen darauf hin, dass die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns ist. Eine Mitwirkung von Privatpersonen ist nur in bestimmten Fällen möglich.
Das war in beiden Fällen nicht gewahrt. Das AG Kassel hat zudem beanstandet, dass das dort auswertende Privatunternehmen, welches als GmbH satzungsgemäß einem Gewinnstreben unterliegt, nur dann einen monetären Ertrag für seine Arbeit erhält, wenn die Messung als verwertbar eingestuft wird. Die Entscheidung, ob die Messung verwertbar ist oder nicht, oblag vorliegend jedoch faktisch dem Unternehmen selbst. Hierdurch entsteht bei dem Unternehmen ein Eigeninteresse an dem Ergebnis der Auswertung der Messung. Das ist ein Interessenkonflikt, der im Rahmen einer hoheitlichen Messung nicht zu akzeptieren ist.
Quelle | AG Parchim, Urteil vom 1.4.2015, 5 OWi 2215/14, Abruf-Nr. 144409 unter www.iww.de; AG Kassel, Urteil vom 14.4.2015, 385 OWi – 9863 Js 1377/15, Abruf-Nr. 144406.
| Wird die konkrete Nachtrunkangabe des Beschuldigten durch einen Sachverständigen widerlegt, rechtfertigt das ohne weitere Feststellungen nicht die Feststellung, dass überhaupt kein Nachtrunk vorgelegen hat. |
Diese Entscheidung zugunsten des Angeklagten traf das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Diesem war eine Trunkenheitsfahrt zur Last gelegt worden. Er hatte sich verteidigt, indem er einen Nachtrunk behauptet hatte – also die Aufnahme von Alkohol nach der Tat. Das hatte das Landgericht nach einem Sachverständigengutachten als widerlegt angesehen. Es hatte daraus den Schluss gezogen, dass ein Nachtrunk überhaupt nicht vorgelegen habe.
Ein solcher Schluss ist nach Auffassung des OLG so aber nicht ohne Weiteres zulässig. Und zwar vor allem dann nicht, wenn Anhaltspunkte für einen Nachtrunk des Angeklagten unabhängig von dessen konkreten Behauptungen zu Trinkmenge und -art gegeben sind. Hier war es so, dass der Angeklagte offenbar bei dem Versuch, sich zu entlasten, hinsichtlich des Nachtrunks übertriebene Angaben gemacht hatte. Gleichwohl hatte er zwischen der Tat und der Blutentnahme Alkohol in geringerer Menge zu sich genommen. Dem muss das LG nun nachgehen.
Quelle | OLG Koblenz, Urteil vom 20.3.2015, 1 OLG 3 Ss 179/14, Abruf-Nr. 144417 unter www.iww.de.
| Ist neben der Straßenfahrbahn ein Radweg angelegt, müssen Radfahrer diesen benutzen. |
Diese Klarstellung traf das Verwaltungsgericht (VG) Köln. Es wies damit die Klage eines Radfahrers ab. Der hatte sich gegen die Radwegebenutzungspflicht auf einer Landstraße gewandt. Der Radfahrer war der Meinung, dass keine besondere Gefahrensituation vorliege, die das Verbot rechtfertige, auf der Fahrbahn zu fahren.
Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Straßenverkehrsbehörde komme bei derartigen Anordnungen ein Einschätzungsspielraum zu. Diesen habe die Stadt in rechtmäßiger Weise genutzt. Dass auf der Landstraße eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h geboten sei, führe zu großen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen dem motorisierten Verkehr und dem Fahrradverkehr. Daraus ergebe sich besonders nachts auf dem unbeleuchteten Streckenabschnitt eine erhebliche Gefahrenlage.
Quelle | VG Köln, Urteil vom 8.5.15, 18 K 189/14, Abruf-Nr.144721 unter www.iww.de.
|Kann ein Autofahrer nicht nachweisen, dass die teilweise festgestellten Beschädigungen an seinem Fahrzeug tatsächlich von Steinschlägen eines vor ihm fahrenden Kieslasters verursacht wurden, greift seine Schadenersatzforderung ins Leere. |
Das musste sich ein Pkw-Fahrer vor dem Landgericht (LG) Coburg sagen lassen. Er war hinter einem mit Kies beladenen Lkw hergefahren. Er behauptet, dass von der Ladefläche des Lkw Steine und Splitter auf die Frontpartie und das Dach seines Pkw gefallen seien. Für die geschätzten Reparaturkosten, Nutzungsausfall und Kosten für einen Privatsachverständigen verlangt er nun knapp 7.000 EUR. Der Privatsachverständige hatte am Fahrzeug des Klägers verschiedene ältere Steinschläge festgestellt, jedoch auch frische Beschädigungen durch Steinschläge.
Das Gericht hat mehrere Zeugen vernommen, u. a. den vom Kläger beauftragten Privatsachverständigen, und dessen Ergebnisse von einem gerichtlichen Sachverständigen überprüfen lassen. Dabei hat sich herausgestellt, dass verschiedene vom Privatsachverständigen festgestellte Beschädigungen gerade nicht von Steinschlägen herrühren, sondern andere Ursachen haben. Auch konnte der vom Gericht beauftragte Sachverständige die übrigen Beschädigungen am Fahrzeug nicht sicher den behaupteten Steinschlägen zuordnen. Das Gericht hatte schließlich auch deshalb Zweifel an den Behauptungen des Autofahrers, weil dessen Privatsachverständiger den Pkw erst 14 Tage nach dem Vorfall besichtigt hatte. Beide Sachverständige hatten jedoch bestätigt, dass schon nach dieser Zeit das Alter eines Steinschlags kaum noch zu bestimmen ist. Das LG hat daher die Klage abgewiesen, weil der Autofahrer einen Nachweis für die behaupteten Beschädigungen durch Steinschläge nicht zweifelsfrei erbringen konnte.
Hinweis | Die Entscheidung macht deutlich, dass der Kläger grundsätzlich beweisen muss, dass behauptete Schäden auch tatsächlich von dem in Anspruch genommenen Beklagten verursacht worden sind. Bleiben Zweifel, gehen diese zulasten des Klägers.
Quelle | LG Coburg, Urteil vom 23.12.2014, 22 O 306/13, Abruf-Nr. 144720 unter www.iww.de.
| Öffnet der Fahrer eines am rechten Fahrbahnrand geparkten Fahrzeugs unachtsam die Autotür in den Verkehrsraum des fließenden Verkehrs hinein, dann begründet das ein erhebliches Verschulden, hinter dem die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs im fließenden Verkehr regelmäßig zurücktritt. |
So entschied es das Landgericht (LG) Stuttgart. Die Richter machten deutlich, dass es bei jedem Unfall auf den Einzelfall ankomme, in welcher Höhe die Beteiligten haften. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Fahrzeug verursacht worden ist. Diese Abwägung ergab hier, dass die aussteigende Fahrerin des parkenden Fahrzeugs den Unfall so überwiegend fahrlässig verursacht hat, dass im Verhältnis dazu die Betriebsgefahr des fahrenden Fahrzeugs zurücktritt.
Gerade beim plötzlichen Öffnen der Fahrertür eines parkenden Pkws ist von einem schweren Verschulden auszugehen. Das Fließen des Verkehrs ist nur gewährleistet, wenn sich die mit angemessener Geschwindigkeit und regelgerechtem Abstand Vorbeifahrenden darauf verlassen können, dass nicht unerwartet eine Fahrzeugtür in den Fahrbereich hinein geöffnet wird.
Auch der Umstand, dass sich die Beifahrerin auf dem Gehweg neben dem parkenden Fahrzeug befand, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen steht schon gar nicht fest, ob der Fahrer des fahrenden Pkw diese Beifahrerin in der herrschenden Dunkelheit sehen konnte und gesehen hat. Zum anderen ist das Gericht der Ansicht, dass Personen auf dem Gehweg vorbeifahrenden Fahrzeugen keinen Anlass geben, einen größeren Abstand als 0,5 m zu parkenden Fahrzeugen einzuhalten oder besonders langsam (deutlich unter 30 km/h) zu fahren. Personen auf dem Gehweg sind ein ständiges und keineswegs zu besonderer Vorsicht Anlass gebendes Phänomen. Eine Vermutung, dass Personen auf dem Gehweg bedeuten, dass demnächst jemand aus dem Fahrzeug steigen werde, neben dem sie sich befinden, gibt es nicht.
Quelle | LG Stuttgart, Urteil vom 22.4.2015, 13 S 172/14, Abruf-Nr. 144719 unter www.iww.de.
| Der Bundesrat hat einer Verordnung der Bundesregierung zugestimmt, die das „erhöhte Beförderungsentgelt“ für Fahren ohne gültiges Ticket im öffentlichen Personennahverkehr anhebt. |
Die Länder hatten die Anpassung im November letzten Jahres gefordert, um auf die allgemeine Preissteigerung in den 12 Jahren seit der letzten Erhöhung zu reagieren. Die Verordnung muss noch im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Sie soll im zweiten Monat nach der Veröffentlichung in Kraft treten.
Quelle | Plenarsitzung des Bundesrats vom 8.5.2015
| Die Abfindungszahlung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs ist bei der Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht auf 12 Monate, sondern auf 10 Jahre zu verteilen. |
So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall einer Frau, die zunächst über ihren Ehemann in der gesetzlichen Krankenkasse familienversichert war. Nach rechtskräftiger Scheidung ihrer 22-jährigen Ehe beantragte sie die Aufnahme als freiwilliges Mitglied. Sie hatte nach der Scheidung von ihrem geschiedenen Ehemann einen Abfindungsbetrag für den nachehelichen Unterhaltsanspruch in Höhe von 35.000 EUR erhalten. Die Krankenkasse berücksichtigte die Abfindungszahlung bei der Festsetzung der Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Sie legte diese auf zwölf Monate um, in dem sie von beitragspflichtigen monatlichen Einnahmen in Höhe von 2.916,67 EUR ausging. Hiergegen wandte sich die Frau. Da sie sich ihren kompletten Unterhaltsanspruch habe abfinden lassen, sei die Abfindungszahlung zumindest auf 10 Jahre umzulegen.
Das Sozialgericht hat die Krankenkasse verurteilt, die Höhe des Gesamtbeitrags zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage der Mindestbeitragsbemessungsgrenze festzusetzen. Zwar sei nach § 5 Abs. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine einmalige beitragspflichtige Einnahme dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 zuzuordnen. Da mit der Zahlung der Abfindung die nachehelichen Unterhaltsansprüche vollständig abgegolten wurden, sei jedoch eine Umlegung auf zwölf Monate nicht gerecht. Die Abfindung sei vielmehr mit einem Versorgungsbezug oder einer Kapitalabfindung vergleichbar, sodass sie entsprechend der Regelung des § 5 Abs. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze auf 120 Monate (10 Jahre) umzulegen sei.
Das LSG hat diese Entscheidung bestätigt. Bei der Bemessung der Beiträge für freiwillige Mitglieder sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Tatsächlich nicht erzielte Einnahmen dürften nicht fingiert werden. Die Beitragsverfahrensgrundsätze sähen für die streitige Abfindung eines nachehelichen Unterhalts keine passende Regelung vor. Die Beurteilung als einmalige Einnahme mit einer Zuordnung von 1/12 würde zu einer unangemessenen Schlechterstellung der Frau gegenüber Personen führen, die ihren nachehelichen Unterhalt regelmäßig monatlich über einen längeren Zeitraum erhalten. Daher bestimme der Zufluss der 35.000 EUR entgegen der Ansicht der Krankenkasse nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin für ein Jahr, sondern ersetze den Unterhaltsanspruch mehrerer Jahre, also eine monatlich regelmäßig wiederkehrende Leistung. Versorgungsbezüge, die ebenfalls eine Einkommens- oder Unterhaltsersatzfunktion hätten, würden auf 10 Jahre verteilt. Daher sei auch die Verteilung der Abfindung auf 10 Jahre angemessen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.1.2015, L 1/4 KR 17/13, Abruf-Nr. 144495 unter www.iww.de.
| Der Familienname eines Kindes kann in den Namen der Pflegeeltern geändert werden, wenn dies dem Wohl des Kindes förderlich ist. |
Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz im Fall eines heute 10-jährigen Kindes, das seit seiner Geburt bei Pflegeeltern lebt. Es trägt den Familiennamen der leiblichen Mutter. Auf Wunsch des Kindes und im Einverständnis mit den Pflegeeltern gab die zuständige Verbandsgemeinde dem Antrag auf Änderung des Familiennamens des Kindes in den der Pflegeeltern statt. Sie führte aus, dass eine Namensänderung zur dauerhaften Sicherung des Wohls des Kindes erforderlich sei. Dagegen richtete sich die Klage des leiblichen Vaters. Er sieht die Interessen der leiblichen Eltern unnötig zurückgesetzt. Eine Namensänderung sei nicht notwendig, um seinem Kind Sicherheit zu vermitteln. Sie schade vielmehr der Bindung zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind.
Das VG wies die Klage des leiblichen Vaters ab. Nur ein wichtiger Grund rechtfertige es, den Familiennamen zu ändern. Ob ein solcher vorliege, müsse durch eine Abwägung aller Umstände des Falls geklärt werden. Erforderlich sei, dass sich ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Belange ergebe. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits für den Fall entschieden, dass ein Kind in Dauerpflege aufwächst. Nach der Rechtsprechung ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die begehrte Namensänderung dem Wohl des Pflegekindes förderlich sei. Weiterhin dürften überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall bestehe eine intensive Beziehung des Kindes zu den Pflegeltern. Die gelte es auch zukünftig zu stabilisieren. Das Interesse des leiblichen Vaters trete dahinter zurück. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Kind schon bisher einen anderen Familienname trage als sein Vater.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 24.4.2015, 4 K 464/14, Abruf-Nr. 144716 unter www.iww.de.
| Eine Doppelbelastung durch Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen ist verfassungsgemäß. |
Das ist das Ergebnis einer Verfassungsbeschwerde gegen die Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Richter nahmen die Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung an. Aufgrund der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des Gesetzgebers sei es mit dem Gebot der steuerlichen Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, eine später entstehende Einkommensteuer bei der Berechnung der Erbschaftsteuer in dieser Konstellation unberücksichtigt zu lassen.
Quelle | BVerfG, Beschluss vom 7.4.2015, 1 BvR 1432/10, Abruf-Nr. 144662 unter www.iww.de.
| Die Bezugnahme auf ein nicht in Testamentsform abgefasstes Schriftstück ist unschädlich, wenn sie lediglich der näheren Erläuterung testamentarischer Bestimmungen dient. |
Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg in einer Entscheidung hin. In dem Fall hatte die Erblasserin E ihren vorverstorbenen Ehemann M beerbt. Für den zweiten Erbfall hatten die Ehegatten in einem maschinenschriftlichen Testament geregelt, dass der Sohn S der E und der Enkel EN (Beteiligter zu 1) je Erben zu 1/4 werden sollten. Die andere Hälfte des gemeinsamen Nachlasses sollte den Geschwistern des M zufallen (darunter die Beteiligten zu 2 und 3). Später erstellte die E ein eigenhändiges Testament. Darin hieß es: „Da mein Sohn (…) am (…) verstorben ist, setze ich für die Hälfte meines Vermögens meinen Enkel als Haupterben ein. Die andere Hälfte geht an die Erben, die im Testament genannt sind.“ Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragten einen Erbschein, wonach EN Erbe zu 1/2 und die vier Geschwisterstämme des M Erben zu je 1/8 geworden sind. Das Nachlassgericht kündigte die Erteilung des Erbscheins an.
Das OLG wies die dagegen gerichtete Beschwerde des EN zurück. Die Richter machten deutlich, dass das maschinenschriftliche Testament formunwirksam sei. Fraglich sei daher, ob dessen Inhalt dadurch zur Geltung kommen konnte, dass E darauf im handschriftlichen Testament Bezug genommen hat. Dazu müsse der wahre Wille der E ermittelt werden. Dieser sei durch das formunwirksame Testament erkennbar: Nach dem Tod der Ehegatten sollte das Vermögen zur Hälfte an den Stamm der E und zur Hälfte an die gesetzlichen Erben des M fallen.
Anschließend sei zu klären, ob der Wille der E im handschriftlichen Testament ausreichend angedeutet ist, damit die Testamentsform gewahrt ist. Dies sei hier der Fall. Das formwirksame handschriftliche Testament der E bestimme die nicht namentIich genannten Miterben zur Hälfte nicht nur durch Bezugnahme auf die „im Testament genannten“ Personen. Es biete sogar selbst einen gewissen Anhalt für die nähere Bestimmbarkeit dieser Personen. Denn es bringe zum Ausdruck, dass die E an ganz bestimmte Personen gedacht habe. Es sei somit zur Klarstellung dessen, was die E mit ihrer testamentarischen Erklärung gemeint habe, auf das von ihr ausdrücklich in Bezug genommene formunwirksame gemeinschaftliche Testament zurückzugreifen. Denn Aufgabe der Testamentsauslegung sei es, den u.U. verborgenen Sinn einer testamentarischen Verfügung zu ermitteln, und zwar auch unter Heranziehung von Umständen außerhalb der Testamentsurkunde.
Der Wille der E habe sich in ihrem Testament, wenn auch unvollkommen, ausgedrückt. Biete aber das Testament eine Grundlage für die Auslegung, und sei sie auch noch so gering, könne dem Ergebnis der gebotenen Auslegung Formnichtigkeit nicht entgegengehalten werden.
Quelle | OLG Hamburg, Beschluss vom 18.3.2015, 2 W 5/15, Abruf-Nr. 144493 unter www.iww.de.