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Verkehrsrecht

Geschwindigkeitsverstoß: Einziehung eines Leasingfahrzeugs nach verbotenem Rennen

| Das Landgericht (LG) Tübingen hat in einem Verfahren mit dem Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens die Voraussetzungen für eine Einziehung eines Leasingfahrzeugs verneint. |

Das Amtsgericht (AG) hatte einen VW Golf GTI eingezogen. Der Angeklagte soll damit an einem Kraftfahrzeugrennen teilgenommen haben. Dieses Fahrzeug stand im Eigentum einer Leasing GmbH. Leasingnehmerin war die Mutter des Angeklagten. Diese trug sämtliche finanzielle Lasten des Fahrzeugs, nutzte dieses selbst insbesondere für den Arbeitsweg, überließ es allerdings dem Angeklagten auch zu dessen Nutzung.

Das LG sah den Fall anders: Der Golf stehe im Eigentum der tatunbeteiligten Leasinggeberin. Die Einziehung wäre daher nur möglich, wenn ein Fall der sog. „Quasi-Beihilfe“ vorläge, wofür aber keine Anhaltspunkte bestanden. Eine sog. Sicherungseinziehung wäre zu erwägen, wenn der Pkw nach seiner bloßen Beschaffenheit oder der Art seiner konkreten Verwendung auch künftig eine Gefährdung fremder Rechtsgüter besorgen ließe, was das LG nicht hat erkennen können. Allein die vom AG hervorgehobene „sportliche“ Ausrichtung des Pkw ab Werk mache diesen abstrakt-generell so lange nicht zur sozial inadäquaten Gefahrenquelle, wie es in der Bundesrepublik erlaubt bleibt, ohne kompetitive Ambitionen auf den Bundesautobahnen die Beschleunigungs- und Geschwindigkeitspotenziale solcher Sportwagen auszureizen.

Zudem lag für das LG ein weiterer Einsatz als Rennfahrzeug fern, weil die Leasingnehmerin nicht im Verdacht stand, das Fahrzeug selbst zur Begehung von Straßenverkehrsstraftaten zu missbrauchen oder der „Raser-Szene“ anzugehören. Ihr Sohn wird voraussichtlich nicht über die Fahrerlaubnis verfügen, um das Fahrzeug erneut im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Quelle | LG Tübingen, Beschluss vom 11.6.2021, 3 Qs 16/21, Abruf-Nr. 223549 unter www.iww.de

Bußgeldverfahren: Fahrverbot auch noch nach langer Verfahrensdauer?

| Dauert das Bußgeldverfahren lange, stellt sich bei einem festgesetzten Fahrverbot immer auch die Frage, ob das Verfahren so lange gedauert hat, dass die Verhängung eines Fahrverbots nicht mehr zulässig ist. Damit hat sich jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg noch einmal auseinandergesetzt. |

Das OLG: Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist. Bei der Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere, ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind. Hat der Betroffene Rechtsmittel ausgeschöpft und die in der Strafprozessordnung (StPO) und im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) eingeräumten Rechte genutzt, kann ihm dies nicht als eine von ihm zu vertretende Verfahrensverzögerung entgegengehalten werden. Etwas anderes gilt, wenn die lange Dauer des Verfahrens (auch) auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Betroffenen liegen. Das hat das OLG bejaht, da mehrfach der Hauptverhandlungstermin auf Wunsch des Betroffenen oder seines Verteidigers verschoben wurde und er mehrfach zur Hauptverhandlung nicht erschien, ohne sich vorher zu entschuldigen.

Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.6.2021, 1 OLG 53 Ss-OWi 221/21, Abruf-Nr. 223550 unter www.iww.de

Werkstattrecht: Wann muss ein Kunde Standgeld an das Autohaus zahlen?

| Eine alltägliche Situation: In der irrigen Annahme, einen Nachbesserungsanspruch zu haben oder zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt zu sein, stellt der Kunde das Fahrzeug auf dem Hof des Autohauses ab. Dort bleibt es eine Zeit lang stehen, bis der Kunde sein Auto abholt. Doch das Autohaus verlangt nun „Standgeld“. Zu Recht? Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen „Standgeld“ zu zahlen ist, hat nun das Amtsgericht (AG) Werl entschieden. |

Ein Kunde hatte nach dem Kauf eines Neufahrzeugs einen Mangel gerügt. Den hatte das Autohaus beseitigt, weitere Nachbesserungsarbeiten aber ausdrücklich abgelehnt. Daraufhin erklärte der Kunde den Rücktritt vom Kaufvertrag und stellte das Fahrzeug auf dem Gelände des Autohauses ab. Der Aufforderung, es innerhalb von vier Tagen abzuholen, weil andernfalls Standkosten anfielen, kam er nicht nach. Nach rund acht Wochen holte er sein Auto doch ab, ohne auf den zuvor erklärten Rücktritt zurückzukommen.

Das AG hat die Klage auf Ersatz von Standkosten in Höhe von 702,10 Euro abgewiesen. Unter keinem denkbaren Aspekt sei der Käufer zum Ersatz von Standkosten verpflichtet. Aus Sicht des AG hat sich der Käufer nicht im Annahmeverzug befunden, obwohl der Autohaus-Anwalt ihn unter Fristsetzung aufgefordert hatte, das Fahrzeug abzuholen.

Beachten Sie | Forderungen von Kfz-Betrieben in punkto Aufbewahrungsgebühr, Verwahrgeld, Standgeld oder -kosten sind juristisch keine Selbstläufer. Gerichte neigen oft zu einer zurückhaltenden Sicht. Der von den Gerichten anerkannte Tagessatz für Standkosten eines Pkw liegt zwischen 10 und 15 Euro. Das AG Coburg beispielsweise spricht sich für 15 Euro aus.

Quelle | AG Werl, Urteil vom 8.4.2021, 4 C 110/19, Abruf-Nr. 222829 unter www.iww.de; AG Coburg, Urteil vom 26.11.2020, 12 C 2800/20, Abruf-Nr. 219352 unter www.iww.de

Schadenersatz: Was ist ein Oldtimer-Traktor von 1935 wert?

| Ein Oldtimer-Traktor war gestohlen worden. In einem Verfahren, das das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig jetzt entschieden hat, ging es um den Wert des Traktors. |

Der Käufer erwarb für 35.000 Euro einen Traktor Baujahr 1935. Er ließ ihn zunächst beim Verkäufer stehen. Dieser stellte den Traktor für mehrere Tage im Freien ab. Dort entwendeten ihn Unbekannte.

Von seiner Vollkaskoversicherung erhielt der Käufer 62.500 Euro, da er den Traktor so hoch versichert hatte. Da der Oldtimer nach Auffassung des Käufers jedoch viel mehr wert war, klagte er gegen den Verkäufer. Dieser sollte den unversicherten Schaden von 87.500 Euro ersetzen.

Das OLG gestand dem Käufer einen Anspruch auf Schadenersatz zu. Der Verkäufer habe seine Pflichten aus dem Verwahrungsvertrag grob fahrlässig verletzt. Denn er habe den auch ohne Schlüssel jederzeit startbereiten Traktor für mehrere Tage und Nächte unbeaufsichtigt im Freien abgestellt und nicht gegen Wegnahme gesichert.

Der Käufer habe aber nicht bewiesen, dass der von ihm gekaufte Traktor-Oldtimer ein bestimmter, höherwertiger Typ („H8“) gewesen sei. Die Wertschätzung beruhe auch auf der übereinstimmenden Angabe von zwei Sachverständigen. Zwar bewerteten diese den Traktor unterschiedlich. Dies hinderte den Senat aber nicht an der Schätzung des Schadens auf 72.500 Euro, die er durch Mittelung der von den Sachverständigen gefundenen Wertangaben vornahm. Damit hatte der Käufer nur in Höhe von 10.000 Euro Erfolg.

Quelle | OLG Braunschweig, Urteil vom 20.5.2021, 9 U 8/20, PM vom 8.7.2021

Schadenersatz: Zulassung und Zulassungsdienst: Kosten erstattungsfähig

| Der Geschädigte darf für die Zulassung seines Ersatzfahrzeugs einen Zulassungsdienst in Anspruch nehmen. Die dabei anfallenden Kosten muss die gegnerische Haftpflichtversicherung erstatten. So sagt es jetzt das Amtsgericht (AG) Wipperfürth wie schon etliche Gerichte zuvor. |

Das AG Wipperfürth stellt klar: Der Schädiger bzw. seine Haftpflichtversicherung können sich nicht darauf berufen, dass es Sache des Geschädigten sei, sein Fahrzeug zuzulassen. Zwar ist dies auch erforderlich, wenn ohne den Unfall später ein neues Kraftfahrzeug angeschafft wird. Die Zulassung des neu beschafften Fahrzeugs wurde hier aber gerade aufgrund des Unfalls notwendig. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Geschädigte das unfallbeschädigte Fahrzeug selbst angemeldet hat. Da der Zeitaufwand des Geschädigten für den Unfall keinen ersatzfähigen Schaden darstellt, ist es gerechtfertigt, einen Zulassungsdienst in Anspruch zu nehmen, denn auch wenn die Zulassung eines neuen Kfz online schnell und unkompliziert möglich ist, bedeutet sie, so das AG, dennoch einen erheblichen Zeitaufwand, zumal die Fahrt zur Zulassungsbehörde und zurück auch noch eingerechnet werden muss.

Quelle | AG Wipperfürth, Urteil vom 8.7.2021, 9 C 101/20, Abruf-Nr. 223567; frühere Entscheidungen ebenso: AG Aschaffenburg, Urteil vom 20.10.2020, 115 C 819/20, Abruf-Nr. 218936; AG Biberach an der Riß, Urteil vom 3.2.2017, 8 C 921/16, Abruf-Nr. 191898; AG Berlin-Mitte, Urteil vom 22.9.2016, 102 C 3073/16, Abruf-Nr. 189095; AG Erfurt, Urteil vom 24.8.2016, 5 C 870/15, Abruf-Nr. 189092 unter www.iww.de

Schadenersatz: Wertminderung auch bei jungem Kfz mit niedrigem Schaden?

| Ist das unfallbeschädigte Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt erst ca. drei Monate alt, liegt der Wiederbeschaffungswert bei knapp mehr als 30.000 Euro und betragen die Reparaturkosten ca. 3.100 Euro, ist eine Wertminderung anzunehmen. Dies hat das Amtsgericht (AG) Köln jetzt entschieden. |

Der Versicherer wollte wegen des im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert niedrigen Schadens keine Wertminderung erstatten. Der Geschädigte hatte demgegenüber auf Grundlage des Schadengutachtens 350 Euro eingeklagt. Der Gerichtsgutachter hielt 500 Euro für richtig. Daraufhin hatte der Geschädigte die Klage entsprechend erweitert.

Das AG hat die Kernargumente des Gerichtsgutachters übernommen: Da der Pkw bei dem Unfall erst knapp drei Monate alt war und mit rund 2.725 km eine geringe Laufleistung aufweist, konkurriert er auf dem Markt mit Fahrzeugen, die aufgrund ihres Alters in der Regel keine Vorschäden aufweisen. Folge: Bei solchen Fahrzeugen ist ein deutlicher Preisnachlass als Kaufanreiz anzubieten, damit ein Käufer bereit ist, über 30.000 Euro in ein junges Gebrauchtfahrzeug zu investieren und nicht auf ein unbeschädigtes Fahrzeug zurückgreift.

Quelle | AG Köln, Urteil vom 14.5.2021, 269 C 125/20, Abruf-Nr. 222894 unter www.iww.de

Kfz-Haftpflichtversicherung: Keine Halterhaftung, wenn mit Fremdfahrzeug das eigene Kfz beschädigt wird

| Wer das eigene Fahrzeug mit einem fremden Fahrzeug beschädigt, muss im Hinblick auf die Abrechnungsmöglichkeit mit dem Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeugs vorsichtig sein. Je nach Fall kann die verschuldensunabhängige Halterhaftung aus der sog. Betriebsgefahr ausgeschlossen sein, sodass der Versicherer des Schädigerfahrzeugs nicht eintrittspflichtig ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Seine Hilfsbereitschaft wurde einem Autofahrer zum Verhängnis: Der Geschädigte wollte einem anderen Verkehrsteilnehmer helfen, dessen Auto auszuparken, weil der als Rollstuhlfahrer so, wie sein Fahrzeug stand, nicht einsteigen konnte. Dann kam der Geschädigte aber mit der speziellen Bedieneinrichtung nicht zurecht, verlor die Kontrolle und beschädigte sein eigenes, ebenfalls dort geparktes Fahrzeug. Der BGH: Dieser Vorgang fällt unter eine Ausnahmeregelung der Straßenverkehrsordnung, sodass die Halterhaftung nicht greift, weil der Geschädigte selbst beim Betrieb des Schädigerfahrzeugs tätig war.

Ähnlich ist es auch bei Unfällen zu sehen, wenn jemand mit seinem Privat-Pkw vorneweg fährt und dessen Halter mit einem Firmenwagen hinterherfährt oder der Werkstattmitarbeiter ein Kundenfahrzeug fährt und seinen eigenen Pkw beschädigt.

Quelle | BGH, Urteil vom 12.1.2021, VI ZR 662/20, Abruf-Nr. 220344 unter www.iww.de

Restwertermittlung: Örtlicher Markt auch am Unfallort denkbar

| Erleidet das Fahrzeug bei einem Haftpflichtschaden fernab seines üblichen Standorts einen Totalschaden, ist es vernünftig, dass der Geschädigte es dort belässt. Denn die Verwertung kann auch dort stattfinden. In dem Fall darf der Schadengutachter Restwertangebote in der Region des Unfallorts einholen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG Hamm) klargestellt. |

Der Versicherer bemängelte den Restwert dahingehend, dass der Schadengutachter ihn nicht am Heimatort oder Geschäftssitz des Geschädigten ermittelt habe. Damit sei der Restwert falsch, und deshalb könne der Versicherer mit seinem Überangebot durchdringen. Das OLG Hamm sieht das anders: Die Entscheidung des Klägers, die Abwicklung des Schadensfalls in der Region des Unfallorts vorzunehmen, entsprach danach wirtschaftlicher Vernunft, weil er sonst gehalten sein könnte, das verunfallte und nicht mehr fahrtüchtige Fahrzeug auf Kosten der Beklagten an seinen Wohnort oder was hier aufgrund der zumindest teilweisen geschäftlichen Nutzung des Fahrzeugs ebenfalls in Betracht kam zum Sitz seines Vermessungsbüros in einem anderen Bundesland zu überführen. Für die Annahme, dass ein wohnort- oder geschäftssitznaher Händler bereit wäre, das Fahrzeug ohne entsprechende Berücksichtigung der dadurch entstehenden Kosten bei der Kalkulation des Ankaufspreises am Unfallort abzuholen, fehle jede Grundlage, vielmehr liege dies bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sogar fern.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 11.12.2020, 11 U 5/20, Abruf-Nr. 220918 unter www.iww.de

Geschwindigkeitsüberschreitung: Gleiches Recht für alle: Schneller als die Polizei erlaubt

| Der Verkehrsverstoß eines Polizeibeamten während einer Dienstfahrt außerhalb von Sonderrechten bei dienstlichen Einsätzen ist nicht bloß mit einem Verwarnungsgeld zu ahnden. So hat das Amtsgericht (AG) Landstuhl entschieden. |

Der Betroffene, ein Polizeibeamter, hatte gegenüber einer ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung Folgendes geltend gemacht: Er habe sich mit einem zivilen Dienst-Kfz auf dem Weg zu einem Dienstgeschäft befunden und sei wegen eines Rückstaus in Zeitverzug gewesen. Um das terminierte Dienstgeschäft (jährlicher Pflichtleistungsnachweis (Prüfung) mit der Dienstpistole) zeitgerecht erledigen zu können, sei er mit 119 km/h anstelle der zulässigen 80 km/h gefahren. Die Sicht auf die die Geschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen sei durch neben ihm fahrende Kraftfahrzeuge (LKW) verwehrt gewesen.

Das AG hat das nicht gelten lassen und ist bei seiner Entscheidung von der Regelgeldbuße ausgegangen, die es wegen vorsätzlicher Begehungsweise verdoppelt hat. Der Polizeibeamte hatte nämlich auch noch während der Fahrt ein Telefonat angenommen.

Quelle | AG Landstuhl, Urteil vom 11.5.2021, 2 OWi 4211 Js 4647/21, Abruf-Nr. 223088 unter www.iww.de

Geschwindigkeitsüberschreitung: Messgerät LEIVTEC XV3 nicht immer zuverlässig genug

| Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle können Messergebnisse des Geräts LEIVTEC XV3 in Bußgeldverfahren derzeit nicht mehr ohne Weiteres zugrunde gelegt werden. |

Geschwindigkeitsmessungen von Kraftfahrzeugen werden vor Gericht immer wieder als fehlerträchtig angegriffen. Dabei sind die Messgeräte im Zulassungsverfahren einer strengen technischen Prüfung unterworfen. Besteht ein Gerät diese Prüfung, bietet es bei Einhaltung der vorgegebenen Bedienvorschriften i.d.R. die hinreichende Gewähr für die Richtigkeit der erzielten Messergebnisse. Messungen können dann als sog. standardisierte Messverfahren in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne weitere Überprüfungen zugrunde gelegt werden. Gibt es trotz Einhaltung der Bedienvorschriften Anhaltspunkte für Fehlerquellen und unzulässige Messwertabweichungen, setzt die Verurteilung eines vermeintlichen „Temposünders“ voraus, dass das Gericht im Einzelfall feststellen kann, dass solche Messfehler zulasten des Betroffenen ausgeschlossen sind.

Einen solchen Fall musste nun das OLG Celle entscheiden: Ein Autofahrer wurde mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 kontrolliert. Hiernach sollte er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 37 km/h überschritten haben. Das Amtsgericht (AG) hatte ihn deshalb zu einer Geldbuße von 140 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin hob das OLG dieses Urteil auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das AG zurück. Grund: Die für die Bauartprüfung dieses Messgeräts zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) konnte zwischenzeitlich bei bestimmten Versuchsanordnungen seltene Messfehler reproduzieren, die zulässige Toleranzen überschritten. Da der Abschlussbericht der PTB nicht eindeutig erkennen lässt, unter welchen Messbedingungen sich Messwertabweichungen zu Ungunsten bzw. ausschließlich zugunsten Betroffener auswirken können, sieht der Senat bei diesem Messgerät derzeit keine hinreichende Gewähr mehr für die Annahme eines standardisierten Messverfahrens und für die Zuverlässigkeit der erzielten Messergebnisse.

Folge: Das AG muss deshalb mithilfe eines Sachverständigengutachtens genauer klären, ob in diesem konkreten Einzelfall die ausgewiesene Geschwindigkeitsüberschreitung sicher festzustellen ist.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 18.6.2021, 2 Ss (Owi) 69/21