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Arbeitsrecht

Kein Arbeitsunfall: Anbringen einer Frostschutz-Abdeckung am Auto gehört nicht zum Arbeitsweg

| Das Anbringen einer Frostschutz-Abdeckung an der Autoscheibe gehört nicht zum Arbeitsweg. Wer dabei umknickt, erleidet keinen Arbeitsunfall. Das gilt nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt z. B., wenn das Anbringen der Abdeckung den eigentlichen Weg deutlich unterbricht. |

Um das Auto herumgegangen und umgeknickt

Die Klägerin hatte sich an einem Wintertag mit dem Pkw auf den Weg zur Arbeit gemacht. Auf einem Parkplatz in der Nähe ihrer Arbeitsstelle stieg sie aus, um die letzten ca. 200 Meter zu Fuß zurückzulegen. Wegen der frostigen Temperaturen brachte sie aber zunächst eine Abdeckmatte an der Frontscheibe ihres Wagens an. Dazu ging sie nach den Feststellungen des Gerichts um das Auto herum. Auf der Beifahrerseite knickte sie dann beim Zurücktreten um und brach sich das Sprunggelenk. Die zuständige Unfallkasse weigerte sich, dies als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Unterbrechung des Arbeitswegs aus außerbetrieblichen Gründen

Zu Recht, wie das LSG entschieden hat. Das Anbringen der Frostschutz-Abdeckung nach dem Ende der Autofahrt und vor dem Antritt des restlichen Wegs zu Fuß habe nicht zum Arbeitsweg gehört, sondern diesen aus außerbetrieblichen Gründen unterbrochen. Das vorsorgliche Abdecken einer Autoscheibe nach dem Abstellen des Autos stelle eine unversicherte Handlung dar, die allein der Vorbereitung einer (späteren) Fahrt diene. Hier habe es sich nicht um eine für den Versicherungsschutz unschädliche private Verrichtung „im Vorbeigehen“ gehandelt. Denn das Abdecken der Scheibe habe einen räumlichen Abweg und eine ganz vom Weg unabhängige Verrichtung erfordert. Deshalb habe eine deutliche Unterbrechung des Arbeitswegs vorgelegen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.12.2022, L 6 U 61/20, PM 1/23

Rettungsassistent: „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn“: Lohngleichheit bei Teilzeitbeschäftigung

| Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch unverbindliche Wünsche anmelden können, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden. So entschied es nun das Bundesarbeitsgericht (BAG). |

So regelte der Arbeitgeber die Arbeitszeiten

Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auftrag eines Rettungszweckverbands u. a. Notfallrettung und Krankentransporte durch. Sie beschäftigt nach ihrer Diktion sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Streitzeitraum eine Stundenvergütung von 17,00 Euro brutto zahlte. Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten für sie tätig, die eine Stundenvergütung von 12,00 Euro brutto erhalten. Hierzu gehört der Kläger.

Die Beklagte teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht einseitig zu Diensten ein, diese können vielmehr Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Beklagte versucht, zu entsprechen. Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht. Zudem teilt die Beklagte den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Dienstschichten mit und bittet mit kurzfristigen Anfragen bei Ausfall von hauptamtlichen Rettungsassistenten um Übernahme eines Dienstes. Im Arbeitsvertrag des Klägers ist eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden pro Monat vorgesehen. Darüber hinaus ist bestimmt, dass er weitere Stunden leisten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schichten zu kümmern.

Das verlangte der Arbeitnehmer

Mit seiner Klage hat der Arbeitnehmer zusätzliche Vergütung in Höhe von 3.285,88 Euro brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 verlangt. Er hat geltend gemacht, die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern stelle eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit dar. Die Beklagte hält die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten.

So sahen es die Gerichte

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des ArbG geändert und die Beklagte verurteilt, die geforderte Vergütung zu zahlen.

Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Das LAG hat danach richtig erkannt, dass die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung den Kläger ohne sachlichen Grund benachteiligt. Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten sind gleich qualifiziert und üben die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten bildet keinen sachlichen Grund dafür, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Es ist bereits nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist.

Höhere Stundenvergütung, weil Schichten nicht abgelehnt werden können,…

Auch wenn man unterstellt, dass die Beklagte durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit hat, weil sie diesen einseitig Schichten zuweisen kann, ist sie hierbei jedoch nicht frei. Sie unterliegt vielmehr u. a. durch das Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bilden insoweit ihre Einsatzreserve.

… ist nicht gerechtfertigt

Unerheblich ist, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind. Die Beklagte lässt insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hat. Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertigt in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.

Quelle | BAG, Urteil vom 18.1.2023, 5 AZR 108/22, PM 3/23

Ruhestand: Besondere Altersgrenze für Lehrkräfte

| Das VG Trier hat eine Klage abgewiesen, festzustellen, dass für die Klägerin die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte (Ende des Schuljahres, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird) gelte. |

Die Klägerin war in der Zeit von 1986 bis 2011 aktiv im Schuldienst des beklagten Landes als Realschullehrerin tätig. Nachdem sie im Jahr 2011 für schuldienstunfähig befunden wurde, erfolgte zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand die Versetzung in den Verwaltungsdienst. Im Jahr 2019 ersuchte die Klägerin das beklagte Land um Auskunft über das Datum ihres Ruhestandseintritts, welches sie selbst unter Anwendung der besonderen Altersgrenze für Lehrkräfte auf den Ablauf des 31. Juli 2025 datierte. Mit Bescheid vom Februar 2022 stellte das Land fest, dass die Klägerin durch ihre Versetzung in den Verwaltungsdienst dauerhaft aus dem Schulbereich aus- und in die Verwaltung eingegliedert worden sei, weshalb für sie die reguläre Altersgrenze gelte, die mit Ablauf des Monats Oktober 2026 erreicht sei.

Nach erfolglos durchlaufenem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, auch wenn sie seit ihrer Versetzung in den Verwaltungsdienst mit laufbahnfremden Aufgaben betraut sei, gelte sie weiterhin als Lehrkraft i. S. d. gesetzlichen Vorschrift. Sie habe trotz ihrer Versetzung nach wie vor das Statusamt einer Realschullehrerin inne, da ein Laufbahnwechsel nicht erfolgt sei. Eine tatsächliche oder aktive Beschäftigung als Lehrkraft sei nicht erforderlich. Dem ist das Land im Wesentlichen mit der Begründung entgegengetreten, aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift folge, dass die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte nicht an die Amtsbezeichnung, sondern an die konkrete Tätigkeit im Schuldienst anknüpfe.

Dem schloss sich das VG im Ergebnis an. Die Anwendbarkeit der Vorschrift über die besondere Altersgrenze setze nicht nur die Laufbahnzugehörigkeit, sondern auch eine laufbahnentsprechende Verwendung voraus, weshalb es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf das Innehaben des Statusamts ankomme, sondern auf das ausgeübte Amt, das dem Schuldienst zuzuordnen sein müsse. Anders als für die Regelaltersgrenze liege besonderen gesetzlichen Altersgrenzen für bestimmte Beamtengruppen wie hier für Lehrkräfte – die generalisierende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass die Dienstfähigkeit dieser Beamtinnen und Beamten typischerweise bereits vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze nicht mehr gegeben sei. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Mitglieder der jeweiligen Beamtengruppen typischerweise besonders hohen Belastungen ausgesetzt seien, deren nachteilige Auswirkungen auf das Leistungsvermögen sich mit zunehmendem Alter verstärke.

Im Fall der Beamtengruppe der Lehrkräfte trete hinzu, dass mit der Anknüpfung an das Ende des Schuljahres den organisatorischen und pädagogischen Bedürfnissen der Arbeit an der Schule und den besonderen Umständen des Schulbetriebs Rechnung getragen werden solle. Da die Klägerin seit dem Jahr 2011 keine schuljahresbezogene Tätigkeit mehr ausübe und den besonderen Belastungen des Schulbetriebs nicht länger ausgesetzt sei, sei die Vorschrift über die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte für sie mithin nicht anzuwenden. Anders als die Klägerin meine, folge hieraus nicht, dass Entsprechendes dann auch für beurlaubte oder erkrankte Lehrkräfte gelten müsse, da diese anders als die Klägerin organisationsrechtlich noch dem Schuldienst zugeordnet seien.

Quelle | VG Trier, Urteil vom 16.8.2022, 7 K 1500/22.TR, PM 22/22

Variable Vergütung: Tantieme bei unterjährigem Ausscheiden nur anteilig

| Die für ein ganzes Jahr vereinbarte Tantieme, deren Zahlung vom Erreichen eines vorher definierten Ziels abhängig sein soll, ist bei unterjährigem Ausscheiden des Arbeitnehmers anteilig zu kürzen. Dies gilt selbst dann, wenn der Zeitpunkt, bis zu dem das Ziel zu erreichen war (und erreicht worden ist), vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bereits verstrichen war. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |

Im Fall des LAG bedeutet das: Ein arbeitsvertraglich versprochener Jahresentgeltbetrag war um 5/12 zu kürzen, wenn fünf Monate im Bezugsjahr keine Arbeitsleistung erbracht worden ist oder im gleichen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden hat.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.7.2022, 6 Sa 112/22, Abruf-Nr. 231606 unter www.iww.de

Arbeitsunfall: Schlägerei wegen zugeparkter Betriebseinfahrt: kein Unfallversicherungsschutz

| Kommt es während einer Betriebsfahrt zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit einem anderen Verkehrsteilnehmer, weil dieser sich beleidigend verhält, stellen die daraus resultierenden Verletzungen keinen Arbeitsunfall dar. Das hat jetzt das Sozialgericht (SG) Berlin klargestellt. |

Das war geschehen

Der Kläger war als Bauleiter tätig. Im Februar 2020 kehrte er von einem beruflichen Termin zurück, als er die Einfahrt zu seinem Betrieb durch einen LKW zugeparkt sah. Dieser fuhr trotz mehrfacher Aufforderung nicht beiseite. Der Kläger musste daraufhin sein Auto stehen lassen und das Betriebsgelände zu Fuß betreten. Als er kurze Zeit später wieder zu seinem Wagen zurückkam, um einen neuen betrieblichen Termin wahrzunehmen, kam es zu einem Wortwechsel, bei dem der Fahrer des Lkw den Kläger als „egoistisches Arschloch“ beschimpfte. Der Kläger, der im Begriff gewesen war, in sein Auto zu steigen, schlug die Wagentür wieder zu und ging zu dem Fahrer, um „die Sache auszudiskutieren“. Im Verlauf des Streitgesprächs schlug der Fahrer dem Kläger ins Gesicht. Der Kläger musste daraufhin wegen einer Mittelgesichtsfraktur operiert werden. Die beklagte Unfallversicherung erkannte den Vorfall nicht als Arbeitsunfall an.

Sozialgericht: Kein Arbeitsunfall

Das SG bestätigte dies. Das begründete das Gericht im Wesentlichen wie folgt: Zwar habe sich der Kläger auf einem an sich versicherten Betriebsweg befunden, als er vom Betriebsgelände wieder zu seinem Auto ging. Er habe diesen Betriebsweg jedoch wieder verlassen, als er die Wagentür nach den Beleidigungen noch einmal schloss, um die Angelegenheit auszudiskutieren. Darin liege eine Zäsur.

Kläger handelte als Privatperson

Ab diesem Moment habe das Handeln des Klägers privaten Zwecken gedient, nämlich dem Zur-Rede-Stellen des Fahrers. Während dieser Unterbrechung des Betriebswegs habe kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bestanden. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass insbesondere das Zurechtweisen anderer Verkehrsteilnehmer auf dem Weg zur Arbeit oder auf Betriebswegen nicht der betrieblichen Tätigkeit diene und etwaige hieraus resultierende Verletzungen unabhängig vom Verschulden dem privaten Lebensbereich zuzurechnen seien.

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann vom Kläger mit der Berufung zum Landessozialgericht angefochten werden.

Quelle | SG Berlin, Urteil vom 16.2.2023, S 98 U 50/21, PM vom 20.3.2023

Ruhestandsregelung: Lehrkraft ist nur, wer auch an der Schule unterrichtet

| Eine Lehrerin, die ausschließlich als Referentin in der Schulverwaltung tätig ist und daher nicht an der Schule unterrichtet, hat keinen Anspruch darauf, früher in den Ruhestand zu gehen, als die übrigen Beamten des Landes. Für sie gilt die allgemeine Regelaltersgrenze (Ablauf des Monats, in dem das 67. Lebensjahre vollendet wird). Die für Lehrkräfte seit dem Jahr 2015 nach dem Landesbeamtengesetz geltende Privilegierung, dass diese bereits mit dem Ende des Schuljahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden, in den Ruhestand treten, gilt für sie nicht. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz und bestätigte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Trier. |

Das war geschehen

Die Klägerin war ursprünglich als Realschullehrerin im Schuldienst des Landes tätig. Nachdem sie im Jahr 2011 für schuldienstunfähig befunden worden war, erfolgte zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand zunächst ihre Abordnung und später Versetzung als Referentin in den Verwaltungsdienst bei der Schulbehörde. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass sie früher als nach der allgemeinen Regelaltersgrenze in den Ruhestand trete. Sie machte geltend, da sie weiterhin die Dienstbezeichnung „Realschullehrerin“ führe und dieses Statusamt innehabe, müsse sie unabhängig von ihrer konkreten Verwendung auch in den Genuss der speziellen und vorgezogenen Altersgrenze kommen, die für Lehrkräfte gelte.

Verwaltungsgericht: Klageabweisung

Das VG wies die Klage ab und bestätigte die Auffassung der Behörde, wonach unter den Begriff der Lehrkraft nur solche Lehrer fallen, die auch tatsächlich aktiv im Schuldienst eingesetzt sind. Den hiergegen gerichteten Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG ab.

Lehrkraft ist Lehrer nicht gleichzusetzen

Bereits durch die Verwendung des Begriffs „Lehrkraft“ statt „Lehrer“ im Landesbeamtengesetz (§ 37 Abs. 1 S. 4 LBG) habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die besondere Altersgrenze nur für diejenigen Lehrer gelten solle, die tatsächlich an der Schule unterrichteten. Seinem Sinn und Zweck nach wolle die Vorschrift in erster Linie sicherstellen, dass Lehrkräfte nicht mitten im Schuljahr ausschieden und es so zu für die Schüler nachteiligen Wechseln komme. Es werde derart in erster Linie organisatorischen und pädagogischen Bedürfnissen der Arbeit an der Schule Rechnung getragen.

Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass der Gesetzgeber im Jahr 2015 die Altersgrenze für Lehrkräfte lediglich um ein Jahr und nicht wie für die übrigen Landesbeamten stufenweise um zwei Jahre angehoben habe. Dafür, dass der Gesetzgeber diese Privilegierung auch auf Lehrer erstrecken wollte, die tatsächlich nicht im Schuldienst eingesetzt seien, gebe es im Gesetz und auch in der Gesetzesbegründung keinerlei Anhaltspunkte.

Quelle | OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29.11.2022, 2 A 10864/22.OVG, PM 17/22 vom 12.12.2022

Dienstrecht: Beamtin hat keinen Anspruch auf Sabbatjahr

| Kann die einjährige Freistellung eines Beamten mit zumutbaren personellen und organisatorischen Maßnahmen nicht kompensiert werden und ist eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung im Tätigkeitsbereich des Beamten ohne diesen nicht mehr gewährleistet, kann der Dienstherr das Sabbatjahr ablehnen. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |

Ein Jahr Freistellung

Die im Dienst des beklagten Landes Rheinland-Pfalz stehende Klägerin beantragte beim Beklagten, ihr Teilzeitbeschäftigung nach dem sog. Sabbatjahr-Modell zu bewilligen. Sie beabsichtigte, ihre Arbeitszeit von Mai 2023 bis April 2026 anzusparen, um von Mai 2026 bis April 2027 freigestellt werden zu können. Dies lehnte der Beklagte unter Hinweis auf entgegenstehende dienstliche Belange ab. Mangels Personalersatzes wäre während der Freistellung der Klägerin eine sachgerechte Aufgabenerfüllung in ihrem Aufgabenbereich nicht gewährleistet. Eine interne Vertretung scheide aufgrund der ohnehin bereits bestehenden Personalunterdeckung und der anhaltend hohen Arbeitsbelastung aus.

Weder Ersatz noch Vertretung möglich

Der Beklagte habe den Antrag der Klägerin auf ein Sabbatjahr zu Recht wegen entgegenstehender dienstlicher Gründe abgelehnt, so das VG. Zwar sei die Vertretungsnotwendigkeit als solche kein entgegenstehender dienstlicher Grund, weil sich dies als allgemeine, typischerweise mit der Teilzeitbeschäftigung verbundene zusätzliche Anforderung an Organisation und Personalwirtschaft darstelle. Jedoch sei der Beklagte im Rahmen des ihm zustehenden Organisationsermessens zutreffend zu der Einschätzung gelangt, dass während der Freistellungsphase der Klägerin mangels Personalersatzes und Möglichkeit interner Vertretung die Beeinträchtigung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs im Tätigkeitsbereich der Klägerin drohe. Ihre Freistellung würde zu einer Verschärfung der ohnehin schon bestehenden personellen Engpässe und damit zu einer Gefährdung der adäquaten und reibungslosen Aufgabenerfüllung im Tätigkeitsbereich der Klägerin führen. Dies könne nicht hingenommen werden, weil den Beklagten nicht nur eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten, sondern auch die im öffentlichen Interesse liegende Pflicht zur sachgemäßen und reibungslosen Erfüllung der dienstlichen Aufgaben treffe.

Keine Pflicht des Dienstherrn, individuelle Arbeitszeit zu ermöglichen

Soweit die Klägerin geltend mache, der Beklagte könne die befürchtete Personaldeckung durch eine vorausschauende Personalplanung kompensieren, greife sie in unzulässiger Weise in das Organisationsermessen ihres Dienstherrn ein. Der Dienstherr sei unter keinem denkbaren Gesichtspunkt verpflichtet, die Dienststellen des Landes derart personell auszustatten, dass Wünschen der Beamtinnen und Beamten nach individueller Gestaltung ihrer Arbeitszeit entsprochen werden könne.

Gegen die Entscheidung können die Beteiligten einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.

Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 28.2.2023, 5 K 1182/22.KO, PM 4/23

Schadenersatz: Verzögerte Reaktivierung eines vorzeitig pensionierten Beamten

| Wird ein wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzter Beamter wieder dienstfähig und beantragt er seine Reaktivierung (erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis), muss der Dienstherr dem Antrag entsprechen, sofern dem nicht ausnahmsweise zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. In diesem Rahmen muss der Dienstherr nur prüfen, ob es an jeglicher zumutbaren Verwendungsmöglichkeit fehlt. Dagegen darf er die Reaktivierung nicht so lange hinausschieben, bis er tatsächlich einen dem Statusamt des Beamten entsprechenden Dienstposten gefunden hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Das war geschehen

Der Kläger, ein Studiendirektor, wurde wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Im darauffolgenden Jahr stellte der Dienstherr im Anschluss an eine amtsärztliche Untersuchung die volle Wiederherstellung der Dienstfähigkeit fest. Knapp sieben Monate später nachdem für ihn eine Einsatzschule gefunden war wurde der Studiendirektor reaktiviert. Er begehrt Schadenersatz in Höhe der Differenz zwischen den Ruhestandsbezügen und der Besoldung für den Zeitraum zwischen der Feststellung der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit und der Reaktivierung. Sein Begehren ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Bundesverwaltungsgericht: Voraussetzungen für Reaktivierung des Ruhestandsbeamten

Das BVerwG hat seine Revision zurückgewiesen. Die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten setzt einen nicht notwendig schriftlichen Antrag des Beamten sowie die auf einem ärztlichen Gutachten basierende Feststellung voraus, dass die Dienstfähigkeit des Beamten wiederhergestellt ist. In diesem Verfahren ist ferner nur noch zu prüfen, ob es den Dienstherrn vor nicht mehr hinnehmbare Schwierigkeiten stellen wird, für den zu reaktivierenden Beamten durch organisatorische Änderungen einen geeigneten Dienstposten zu schaffen. Dagegen hängt die Reaktivierung nicht davon ab, dass für den Beamten auch ein seinem Statusamt entsprechender Dienstposten gefunden wird.

Kein Verschulden beim Land

Dass im vorliegenden Fall das beklagte Land hiervon nicht ausgegangen ist, kann ihm im Rahmen eines beamtenrechtlichen Schadenersatzanspruchs nicht als schuldhaft angelastet werden. Soweit in der Rechtsprechung und in der Literatur überhaupt Ausführungen zum Prüfprogramm in derartigen Fällen gemacht worden waren, ergaben sich hieraus keine eindeutigen und zugleich dem dargestellten Maßstab entsprechende Anforderungen.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 15.11.2022, 2 C 4.21, PM 68/22

Arbeitslosigkeit: Härtefallregelung: Pandemiefolgen sind bei Sperrzeit zu berücksichtigen

| Wird eine abhängige Beschäftigung zwecks Wiederaufnahme einer pandemiebedingt aufgegebenen Selbstständigkeit gekündigt, liegt zumindest ein Härtefall vor. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen jetzt entschieden. |

Der Antragsteller war seit 2000 mit einer Eventagentur selbstständig. Er stellte diese Tätigkeit aufgrund der mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen im Veranstaltungssektor 2020 ein. Am 31.01. kündigte er das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis als Berufskraftfahrer zum 28.2.2022 und meldete sich arbeitslos. Die Bundesagentur für Arbeit als Antragsgegnerin stellte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum (1.3. bis 23.5.2022) fest. Hiergegend erhob der Antragsteller Klage.

In zweiter Instanz hat das LSG die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller bis zum 23.5.2022 Arbeitslosengeld zu zahlen. Hinsichtlich der ersten sechs Wochen der Sperrzeit hat es seine Beschwerde jedoch zurückgewiesen. Es bestünden zu große Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids für die Zeit ab dem 13.4.2022. Zwar habe der Antragsteller durch seine Kündigung die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Fraglich sei aber bereits, ob dies grob fahrlässig gewesen sei. Der Antragsteller habe im Januar 2022 noch davon ausgehen dürfen, dass er ab März 2022 wieder mit der Eventagentur tätig werden könne.

Aber auch, wenn angesichts der unsicheren Pandemielage Anfang des Jahres 2022 von einer grob fahrlässigen Herbeiführung ausgegangen werden sollte, sei die Annahme einer besonderen Härte mit der Folge einer Verkürzung der Sperrzeit auf sechs Wochen geboten. Es sei mindestens unverhältnismäßig hart, den Versuch eines vor der pandemiebedingten Schließung seines Geschäfts erfolgreich selbstständig Tätigen, diese Tätigkeit wiederaufzunehmen, mit der Regelsperrzeit von zwölf Wochen zu sanktionieren, wenn wie hier ein berechtigter Grund zu der Annahme vorliege, dass die selbstständige Tätigkeit wieder aufgenommen werden könne.

Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1.9.2022, L 9 AL 106/22 B ER, PM vom 20.1.2023

Direktionsrecht: Versetzung von Mitarbeitern ins Ausland zulässig

| Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers wird auch nicht durch die Gewerbeordnung (hier: § 106 GewO) auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland begrenzt. Die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall unterliegt nach dieser Vorschrift allerdings einer Billigkeitskontrolle. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |

Das war geschehen

Der Kläger ist seit Januar 2018 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beides international tätige Luftverkehrsunternehmen mit Sitz im europäischen Ausland als Pilot beschäftigt. Arbeitsvertraglich war die Geltung irischen Rechts und ein Jahresgehalt von 75.325,00 Euro brutto vereinbart. Aufgrund eines von der Beklagten mit der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), deren Mitglied der Kläger ist, geschlossenen Vergütungstarifvertrags verdiente er zuletzt 11.726,22 Euro brutto monatlich. Stationierungsort des Klägers war der Flughafen Nürnberg. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass der Kläger auch an anderen Orten stationiert werden könne. Aufgrund der Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg Ende März 2020 aufzugeben, versetzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2020 zum 30. April 2020 an ihre Homebase am Flughafen Bologna. Vorsorglich sprach sie eine entsprechende Änderungskündigung aus, die der Kläger unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm.

Nach Homebase-Schließung wurden alle Piloten ins Ausland versetzt

Der Kläger hält seine Versetzung nach Bologna für unwirksam und hat im Wesentlichen gemeint, das Weisungsrecht des Arbeitgebers erfasse nicht eine Versetzung ins Ausland. Zumindest sei eine solche unbillig, weil ihm sein tariflicher Vergütungsanspruch entzogen werde und ihm auch ansonsten erhebliche Nachteile entstünden. Dagegen hat die Beklagte gemeint, die o. g. Vorschrift lasse auch eine Versetzung ins Ausland zu, zumal als Alternative nur eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in Betracht gekommen wäre. Ihre Entscheidung wahre billiges Ermessen, es seien alle an der Homebase Nürnberg stationierten Piloten ins Ausland versetzt worden und ein freier Arbeitsplatz an einem inländischen Stationierungsort sei nicht vorhanden gewesen. Zudem habe sie das mit der Gewerkschaft VC in einem „Tarifsozialplan bzgl. Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten“ vorgesehene Verfahren eingehalten.

Das Arbeitsgericht (ArbG) hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und angenommen, die Versetzung des Klägers an die Homebase der Beklagten am Flughafen Bologna sei wirksam.

So sieht es das Bundesarbeitsgericht

Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Ist wie im Streitfall arbeitsvertraglich ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen, umfasst das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Die Maßnahme entsprach billigem Ermessen entsprach und hält auch der Ausübungskontrolle stand. Die Versetzung ist Folge der unternehmerischen Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit ist die Möglichkeit, den Kläger dort zu stationieren, entfallen. Die Beklagte hat das für einen solchen Fall in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Tarifsozialplan vereinbarte Verfahren eingehalten. Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort gab es nicht, ein Einsatz als „Mobile Pilot“ war nicht möglich, eine Base-Präferenz hatte der Kläger nicht angegeben, alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten wurden an einen Standort in Italien versetzt. Die Weisung der Beklagten lässt den Inhalt des Arbeitsvertrags unberührt, insbesondere das arbeitsvertragliche Entgelt.

Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags zum Nachteil verändert

Dass der Kläger den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliert, liegt an dem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt ist. Zudem sieht der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt werden. Es ist auch nicht unbillig i. S. d. § 106 S. 1 GewO, wenn die Beklagte mit der Versetzung verbundene sonstige Nachteile des Klägers, der seinen Wohnort Nürnberg nicht aufgeben will, finanziell nicht stärker ausgleicht, als es im Tarifsozialplan vorgesehen ist. Weil die Versetzung des Klägers bereits aufgrund des Weisungsrechts der Beklagten wirksam war, kam es auf die von ihr vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung nicht mehr an.

Quelle | BAG, Urteil vom 30.11.2022, 5 AZR 336/21, PM 45/22