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Arbeitsrecht

Haftungsrecht: Sturm: Verkehrssicherungspflicht im Arbeitsverhältnis

| Der Arbeitgeber hat eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber seinem Arbeitnehmer. Verletzt er diese, muss er dem Arbeitnehmer dessen Schaden ersetzen. |

So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf im Fall eines Arbeitnehmers. Der hatte am 5.5.15 sein Fahrzeug auf dem Betriebshof seiner Arbeitgeberin geparkt, der beklagten Gemeinde. Diese hatte den Mitarbeitern gestattet, ihre Wagen dort während der Dienstzeit abzustellen. Auf dem Betriebshof befand sich ein Großmüllbehälter. Dieser wurde durch Windeinwirkung gegen den PKW des Arbeitnehmers geschoben, der so stark beschädigt wurde, dass er einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt. Die Differenz von 1.380 EUR zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert zahlte die klagende Versicherung an den Arbeitnehmer. Die Versicherung verlangt aus übergegangenem Recht von der Gemeinde die Zahlung von 1.380 EUR.

Anders als vor dem Arbeitsgericht hatte die Klage vor dem LAG Erfolg. Die beklagte Gemeinde muss den Schaden ersetzen. Sie hat ihre Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt. Der Umstand, dass deren Großmüllbehälter das Fahrzeug des Arbeitnehmers zerstört hat, ist Indiz dafür, dass die Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde. Dieses Indiz konnte die Gemeinde nicht ausräumen. Nach der Sturmwarnung vor dem Tief Zoran war sie verpflichtet, ihr Betriebsgelände abzugehen und etwaige Gefahrenquellen zu sichern. Sie hat dies zwar im Grundsatz getan, dabei den Großmüllbehälter aber nicht im Blick gehabt. Der Umstand, dass die Feststellbremsen bei der letzten Leerung am 20.4.15 ggf. angezogen worden waren, reichte nicht aus, um die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen. Das hätte auch am 5.5.15 noch kontrolliert werden müssen. Ohne Weiteres hätte auch das Tor geschlossen werden können, das sich zwischen dem parkenden Auto und dem Großmüllbehälter befand. Angesichts einer Windgeschwindigkeit von 85 km/h bzw. einer Windstärke 9 konnte nicht von einem unabwendbaren Ereignis oder einem so starken Sturm, bei dem keine Sicherheitsmaßnahmen mehr helfen, ausgegangen werden. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers hat das Gericht verneint. Er hatte seinen Wagen morgens zu Arbeitsbeginn auf dem Betriebsgelände geparkt und war den ganzen Tag über im Außeneinsatz. Er durfte davon ausgehen, dass die beklagte Gemeinde die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung des Betriebshofs ergriffen hatte bzw. ergreifen werde.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 11.9.2017, 9 Sa 42/17, Abruf-Nr. 196959 unter www.iww.de.

Arbeitsentgelt: Mindestlohn: Berechnung des Entgelts für Feiertagsvergütung und Nachtarbeitszuschläge

| Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bestimmt sich – soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht – nach § 2 EFZG i. V. m. § 1 MiLoG. Sieht ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag vor, der auf den tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen ist, ist auch dieser mindestens aus dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen. |

So entschied es aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer als Montagekraft beschäftigten Klägerin. Auf deren Arbeitsverhältnis findet kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie i.d.F vom 24.2.04 (MTV) Anwendung. Dieser sieht u. a. einen Nachtarbeitszuschlag i. H. v. 25 Prozent des tatsächlichen Stundenverdiensts und ein „Urlaubsentgelt“ in Höhe des 1,5fachen durchschnittlichen Arbeitsverdiensts vor. Für den Monat Januar 2015 zahlte der Arbeitgeber neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 7 EUR bzw. 7,15 EUR eine „Zulage nach MiLoG“. Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Darüber hinaus rechnete sie ein gezahltes „Urlaubsgeld“ auf Mindestlohnansprüche der Klägerin an.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage eine Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 EUR brutto und meint, auch der Nachtarbeitszuschlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Revision des Arbeitgebers blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Zwar gewährt das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Dies gilt auch, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt; dieses enthält keine hiervon abweichenden Bestimmungen. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssen nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8,50 EUR berechnet werden, da dieser Teil des „tatsächlichen Stundenverdiensts“ im Sinne des MTV ist. Das gezahlte „Urlaubsgeld“ kann nicht auf Ansprüche nach dem MiLoG angerechnet werden. Der MTV gibt hierauf einen eigenständigen Anspruch. Außerdem handelt es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit.

Quelle | BAG, Urteil vom 20.9.2017, 10 AZR 171/16, Abruf-Nr. 196958 unter www.iww.de.

Öffentlicher Dienst: Allein die Größe einer Tätowierung ist kein Einstellungshindernis für die Polizei in Nordrhein-Westfalen

| Das Land Nordrhein-Westfalen darf einen Bewerber für den Polizeidienst nicht allein deswegen ablehnen, weil er auf der Innenseite seines linken Unterarms eine großflächige Tätowierung hat. |

Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf in einem Eilverfahren entschieden. Zugleich hat es das Land verpflichtet, den Bewerber zum weiteren Auswahlverfahren für die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst zuzulassen.

Der Antragsteller hatte sich für die Einstellung in den Polizeidienst in NRW im Jahr 2017 beworben. Das zuständige Landesamt hat ihn vom Auswahlverfahren ausgeschlossen, weil er auf der Innenseite seines linken Unterarms einen Löwenkopf tätowiert hat (20 x 14 cm). Gegen das Motiv als solches hat das Land Nordrhein-Westfalen keine Bedenken. Es beruft sich jedoch auf einen Erlass des Innenministeriums. Danach sind großflächige Tätowierungen im sichtbaren Bereich ein absoluter Eignungsmangel des Bewerbers. Sichtbar sind Körperstellen, die beim Tragen der Sommeruniform der Polizeibeamten erkennbar sind, also etwa die Unterarme. Tätowierungen, die die durchschnittliche Größe eines Handtellers überschreiten, sind an diesen Körperstellen unzulässig, und zwar unabhängig von dem Motiv. Der Erlass zielt darauf ab, dass die Legitimation und Autorität von Polizeibeamten durch solche Tätowierungen nicht beeinträchtigt werden sollen. Nach Auffassung des Landes NRW kann nicht festgestellt werden, dass ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden hat, nach dem solche Tätowierungen bei Polizeibeamten toleriert werden.

Das Gericht hält diese Verwaltungspraxis für rechtswidrig. Für einen Eignungsmangel reiche es nicht aus, dass Teile der Bevölkerung großflächige Tätowierungen nur für unpassend oder unästhetisch hielten. Erforderlich sei vielmehr, dass Polizeibeamten aufgrund ihrer großflächigen Tätowierungen das erforderliche Vertrauen nicht mehr entgegengebracht werde. Hierfür fehle es an belastbaren Erkenntnissen. Aktuelle Umfrageergebnisse zur Akzeptanz von Tätowierungen von Beamten lägen nicht vor. Die augenfällige Zunahme von Tätowierungen gerade an den Armen deute eher auf einen gesellschaftlichen Wandel hin. Diesen müsse der Dienstherr bei der Einstellung junger Bewerber in den Blick nehmen. Die Ablehnung eines Bewerbers aufgrund der Gestaltung der Tätowierung (z.B. gewaltverherrlichende Motive) sei weiterhin zulässig.

Quelle | VG Düsseldorf, Urteil vom 24.8.2017, 2 L 3279/17, Abruf-Nr. 196312 unter www.iww.de.

Arbeitsvertragsrecht: Taxifahrer: Keine Überwachung im 3-Minuten-Takt

| Ein Taxiunternehmen kann von einem bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigten Taxifahrer nicht verlangen, während des Wartens auf Fahrgäste alle drei Minuten eine Signaltaste zu drücken, um seine Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren. |

Das hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden. Geklagt hatte ein Taxifahrer. Er verlangte von seinem Arbeitgeber Arbeitsvergütung in Höhe des Mindestlohns für sogenannte Standzeiten. Das Taxameter des vom Taxifahrer genutzten Taxis hat die Besonderheit, dass nach einer Standzeit von drei Minuten ein akustisches Signal ertönt. Der Fahrer hat nach dem Ertönen des Signals 10 Sekunden Zeit, eine Taste zu drücken. Drückt er diesen Knopf, wird seine Standzeit vom Taxameter als Arbeitszeit aufgezeichnet. Drückt er den Knopf nicht, wird die darauf folgende Standzeit nicht als Arbeitszeit, sondern als unbezahlte Pausenzeit erfasst. Der Taxifahrer meint, ihm sei das Betätigen der Signaltaste nicht zumutbar und auch nicht immer möglich gewesen. Das verklagte Taxiunternehmen war nur bereit, die vom Zeiterfassungssystem als Arbeits- oder Bereitschaftszeit erfasste Zeit zu vergüten.

Das Arbeitsgericht hat dem Taxifahrer überwiegend recht gegeben. Standzeiten und sonstige Zeiten, in denen ein Taxifahrer bereit sei, einen Fahrauftrag auszuführen, seien Arbeitsbereitschaft oder jedenfalls Bereitschaftsdienst und deshalb mindestlohnpflichtig. Die vom Taxiunternehmen getroffene Regelung bezüglich des Signalknopfes verstoße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Dieses verbiete eine unverhältnismäßige Erfassung von Daten des Taxifahrers. Das Interesse des Arbeitgebers, die Arbeitsbereitschaft des Taxifahrers zu kontrollieren, erfordere keine so enge zeitliche Überwachung. Abgewiesen hat das Arbeitsgericht die Klage allerdings im Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen. Der Taxifahrer sei verpflichtet gewesen, diese einzuhalten. Dies sei ihm auch möglich gewesen, da er den Beginn und die Dauer der Ruhepausen selbst bestimmen konnte.

Quelle | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 10.8.2017, 41 Ca 12115/16, Abruf-Nr. 195925 unter www.iww.de.

AGG: Auswahlmöglichkeit zwischen „Frau“ und „Herr“ im Onlinebewerbungsformular ist zulässig

| Es verstößt nicht gegen das AGG, wenn der Bewerber in einem Online-Bewerbungsformular zwischen „Frau“ und „Herr“ auswählen muss. |

Diese Klarstellung traf das Bundearbeitsgericht (BAG). Die Richter machten deutlich, dass die im Online-Bewerbungsformular der Beklagten im Hinblick auf die Anrede vorgesehene Auswahl zwischen „Frau“ und „Herr“ kein Indiz im Sinne des AGG für eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts sei. Zwar handele es sich insoweit um eine mit „*“ gekennzeichnete Pflichtangabe. Allerdings diene die Angabe allein dazu, Bewerbungen zeitnah mit zutreffender Anrede beantworten zu können. Im Übrigen lasse eine Auswahlmöglichkeit zwischen „Frau“ und „Herr“ nicht darauf schließen, dass Bewerbungen von Frauen nicht erwünscht seien.

Quelle | BAG, Urteil vom 15.12.2016, 8 AZR 418/15, Abruf-Nr. 193635 unter www.iww.de.

Zwangsvollstreckung: Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszulagen

| Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit sind dagegen der Pfändung nicht entzogen. Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit unpfändbar i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, kann an die Regelung in § 3b EStG angeknüpft werden. |

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung hin. Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die als Hauspflegerin in einer Sozialstation arbeitet. Nach einem zwischenzeitlich aufgehobenen Insolvenzverfahren befand sie sich in der sog. Wohlverhaltensphase, in der sie ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abgetreten hatte. Im Zeitraum Mai 2015 bis März 2016 führte der Arbeitgeber von der jeweiligen Nettovergütung den sich aus seiner Sicht ergebenden pfändbaren Teil der Vergütung an den Treuhänder ab. Dabei berücksichtigte er auch die gezahlten tarifvertraglichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Samstags- und Vorfestarbeit als pfändbar. Die Arbeitnehmerin hält diese Zuschläge für unpfändbare Erschwerniszulagen. Sie verlangt 1.144,91 EUR, die der Arbeitgeber zu viel an den Treuhänder abgeführt habe. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Auf die Revision des Arbeitgebers hat das BAG das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben. Die Vorinstanzen haben allerdings zutreffend angenommen, dass Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Erschwerniszulagen und deshalb unpfändbar sind. Der Gesetzgeber hat im Arbeitszeitgesetz die Ausgleichspflichtigkeit von Nachtarbeit geregelt, die von ihm als besonders erschwerend bewertet wurde. Sonntage und gesetzliche Feiertage stehen kraft Verfassung unter besonderem Schutz. An diesen Tagen besteht ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot. Damit geht der Gesetzgeber auch hier von einer Erschwernis aus, wenn an diesen Tagen dennoch gearbeitet wird.

Eine entsprechende gesetzgeberische Wertung gibt es für Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeit hingegen nicht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Regelung zwar dem Schuldnerschutz dient und diesem einen größeren Teil seines Nettoeinkommens als unpfändbar belassen will. Angesichts der ebenso in den Blick zu nehmenden Gläubigerinteressen bedarf die Unpfändbarkeit von Erschwerniszulagen aber einer sachlichen Begrenzung.

Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, da zur genauen Höhe der zu Unrecht an den Treuhänder abgeführten Vergütung der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden muss. Daher wurde der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Quelle | BAG, Urteil vom 23.8.2017, 10 AZR 859/16, Abruf-Nr. 196080 unter www.iww.de.

AGG: Altersgrenze: Verkehrspiloten grüßen mit 65 nicht mehr die Sonne

| Die Altersgrenze von 65 Jahren für im gewerblichen Luftverkehr eingesetzte Piloten ist gültig. Sie ist durch das Ziel gerechtfertigt, die Sicherheit der Zivilluftfahrt in Europa zu gewährleisten. |

Zu diesem Ergebnis kam der Europäische Gerichtshof (EuGH). Hintergrund des Streits war die Ansicht eines Piloten, die Altersgrenze von 65 sei eine Diskriminierung wegen des Alters und verstoße gegen seine Berufsfreiheit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befragte den EuGH zur Gültigkeit und Tragweite der streitigen Altersgrenze. Mit dem Urteil antwortete der EuGH, dass diese Altersgrenze gültig sei. Zwar begründe die streitige Altersgrenze eine Ungleichbehandlung. Aber diese sei durch das Ziel, die Sicherheit der Zivilluftfahrt in Europa zu gewährleisten, durchaus gerechtfertigt.

Es sei unbestritten, dass die für den Beruf des Verkehrspiloten erforderlichen körperlichen Fähigkeiten mit zunehmendem Alter abnähmen. Durch die fragliche Altersgrenze könne ausgeschlossen werden, dass ein Abnehmen dieser körperlichen Fähigkeiten nach dem 65. Lebensjahr zur Unfallursache werde, ohne dass gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde.

Quelle | EuGH, Beschluss vom 5.7.2017, C-190/16, Abruf-Nr. 195195 unter www.iww.de.

Arbeitnehmerrechte: Erkenntnisse aus der Überwachung mittels Keylogger können im Prozess nicht verwertet werden

| Der Einsatz eines Software-Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, ist nach dem Bundesdatenschutzgesetz unzulässig, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht. |

Diese Klarstellung traf nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Web-Entwicklers. Dessen Arbeitgeber hatte im Zusammenhang mit der Freigabe eines Netzwerks allen Arbeitnehmern mitgeteilt, dass der gesamte „Internet-Traffic“ und die Benutzung ihrer Systeme „mitgeloggt“ werde. Der Arbeitgeber installierte auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software, die sämtliche Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Bildschirmfotos (Screenshots) fertigte. Nach Auswertung der mit Hilfe dieses Keyloggers erstellten Dateien fand ein Gespräch mit dem Kläger statt. In diesem räumte er ein, seinen Dienst-PC während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Auf schriftliche Nachfrage gab er an, nur in geringem Umfang und in der Regel in seinen Pausen ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für die Firma seines Vaters abgewickelt zu haben. Der Arbeitgeber, der nach dem vom Keylogger erfassten Datenmaterial davon ausgehen konnte, der Kläger habe in erheblichem Umfang Privattätigkeiten am Arbeitsplatz erledigt, kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.

Die Vorinstanzen haben der dagegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse über die Privattätigkeiten des Klägers dürfen im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden. Der Arbeitgeber hat durch dessen Einsatz das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Die Informationsgewinnung war nach dem Bundesdatenschutzgesetz nicht zulässig. Der Arbeitgeber hatte beim Einsatz der Software gegenüber dem Kläger keinen auf Tatsachen beruhenden Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung. Die von ihm „ins Blaue hinein“ veranlasste Maßnahme war daher unverhältnismäßig. Hinsichtlich der vom Kläger eingeräumten Privatnutzung hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, diese rechtfertige die Kündigungen mangels vorheriger Abmahnung nicht.

Quelle | BAG, Urteil vom 27.7.17, 2 AZR 681/16, Abruf-Nr. 195600 unter www.iww.de.

Kündigungsrecht: Bei unbefugter Weitergabe von Patientendaten kann fristlos gekündigt werden

| Verletzt eine Arbeitnehmerin ihre arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht, indem sie Patientendaten an eine nicht berechtigte Person weitergibt, ist dies an sich ein wichtiger Grund, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Im Hinblick auf die Schwere eines solchen Vertragsverstoßes kann eine Abmahnung entbehrlich sein, weil sich das Vertrauen des Arbeitgebers in die Diskretion der Arbeitnehmerin nicht wiederherstellen lässt. |

Zu diesem Ergebnis kam das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg. Es sei grundsätzlich ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, wenn eine medizinische Fachangestellte (MFA) einer Arztpraxis Patientendaten unbefugt nach außen gebe.

Auch eine MFA müsse die ärztliche Schweigepflicht gewährleisten. Dies sei grundlegend für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Der Arbeitgeber hat daher ein hohes Interesse daran, dieses Vertrauen bei Störungen durch Preisgabe von Patientendaten möglichst schnell wiederherzustellen. Die Weitergabe des Patientennamens einschließlich der beabsichtigten Untersuchung wiege so schwer, dass die Arbeitnehmerin hätte erkennen können, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden würde. Eine Abmahnung hätte das Vertrauen des Arbeitgebers in ihre Diskretion nicht wiederherstellen können. Ihr Argument, dass sie von der Verschwiegenheitspflicht nichts gewusst habe, ließ das Berufungsgericht nicht gelten. Denn selbst Laien wüssten heute, dass Namen und Daten nicht weitergegeben werden dürfen.

Quelle |  LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.2016, 12 Sa 22/16, Abruf-Nr. 194530 unter  www.iww.de.

Arbeitszeit: Computer hochfahren und anmelden = Arbeitszeit

| Muss der Arbeitnehmer zu Beginn seiner Arbeit zunächst den Computer hochfahren, sich anmelden und Programme öffnen, gehört dies zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. |

Zu diesem Ergebnis gelangte das Arbeitsgericht Magdeburg im Fall eines Mitarbeiters in einem Call-Center. Bevor dessen Tätigkeit als Arbeitszeit erfasst wurde, musste er zunächst seinen Computer hochfahren, Programme öffnen und eine Reihe von Anmeldeprozeduren durchlaufen. Seine Projektleiterin bestätigte ihm eine systembedingte Arbeitsvorbereitungszeit von 9 Minuten und 20 Sekunden. Vor dem Arbeitsgericht verlangte er vom Arbeitgeber, dass diese „Rüstzeiten“ anerkannt und bezahlt werden.

Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer recht. Zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit würden alle Tätigkeiten gehören, die für die Erbringung der Arbeitsleistung seien, soweit sie einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen. Diese Voraussetzung liege hier vor, denn der Arbeitnehmer sei erst nach Abschluss der systembedingten Arbeitsvorbereitungszeiten einsatzfähig gewesen. Er sei verpflichtet gewesen, diese durchzuführen, um seine Arbeit aufnehmen zu können. Dieses diene damit ausschließlich einem fremden, nämlich dem Bedürfnis des Arbeitgebers. Dem Gericht erschien es angemessen, eine zusätzliche Arbeitszeit von 9 Minuten und 20 Sekunden pro Arbeitstag in Ansatz zu bringen.

Quelle | Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 26.10.2016, 3 Ca 3220/15, Abruf-Nr. 195198 unter www.iww.de.